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Hermaphrodismus
und
Zeugungsunfähigkeit
Eine systematische Darstellung
der Missbildungen der menschlichen
Geschlechtsorgane
Von
Prof. Cesare Taruffi
Autorisierte deutsche Ausgabe von Dr. med. R.Teuscher
Mit Abbildungen
<2©<2© Berlin 1903 a©«®
Verlag von H. Barsdorf.
mit
Alle Rechte vorbehalten.
Inhaltsverzeichnis.
Allgemeiner historischer Überblick.
Die alten und neuen Schriftsteller über den Hermaphrodismus — Tral-
lianus — Aristoteles — Parmenides — Sophokles — Philo — Livius — Auso-
nius — Paulus Aegineta — Plinius — Obsequens — Albertus Magnus — Li-
kosthenes — Realdo Colomho — Ulpian — Suidas — Argelata — .Toh. Wier —
Aldrovandi — Kueff — Clemens von Alexandrien — Bedinelli — Tabarani —
Graziani — Caluri — Albr. v. Haller — Leonidas — Aetius — Eaff. Maffei di
Volterra — Pare — Zacchia — Moller — Dionis — Wrisberg — Meckel — Lippi
— Joh. Müller — Gurlt — I. St. Hilaire — Cotta — A. Förster — De Crecchio
— Wolff — Malpighi — Palletta — Jacobson — Dohrn — Winckel — Negrini —
Ferraresi — G. Klein — Nagel — Gärtner — Guthrie — Tourneux — Klebs —
Ahlfeld — Herrmann — Marchand — Die Anordnung von Klebs, Krafft-Ebing
— S. 1—20.
I. Teil.
Der anatomische Hermaphrodismus.
1. Hermaphrodismus der speziflsclien GrescMechtsdrüsen.
(Echter Hermaphrodismus.)
Avicenna — Hufelands Beschreibung des Falles der Maria Dorothea
Derrier — Bertholds Fall — Echter Herm. bei Säugetieren S. 21—27.
2. Hermaphrodismus der aplasischen Geschlechtsdrüsen.
(Atrophischer oder neutraler Hermaphrodismus.)
ülpians Vorschlag — E. Colombos Androgyn — Die Beobachtungen von
Marc, Marcello, Dionis, St. Hilaire, Everard Home, Haller, Hunter, Polaillon,
Orth, Jacoby, Walcker, Gunckel, De Crecchio S. 28—32.
3. Pseudo-Hermaphrodismus.
Hallers Benennung „Hermaphrodismus spurius" — Gurlts, Klebs, Herr-
manns, Marchands, Krafft-Ebings, Schnellers Benennung S. 33—34.
II
A. Männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
a) Mit Fortbestehen der Müller sehen Kanäle.
Beschreibung dieser Anomalie durch Malpighi, Arnold, Rieder, Gine,
Marchand, Martin — Heiraten der für Weiber gehaltenen männlichen In-
dividuen — Haussäugetiere — Die Bezeichnung „Free Martin" — Beobacht-
ungen desselben von Hunter, Scarpa, Varro, ColumeUa S. 34 — 41.
b) Mit äusserlich weiblichem Aussehen.
Betreffende Charaktere — Die Beobachtung von Neugebauer S. 41 — 43
B. Der weibliche Pseudo-Hermaphrodismus.
a) Weiblicher, äusserer Pseudo-Hermaphrodismus.
Marchands, Versens und Clarkes Beobachtung — Hypospadie der Cli-
toris — Brouardel — Vulvaöffnung im Perineum — Beclards und Littens Be-
obachtung — Erblichkeit — S. 43—47.
b) Innerer, weiblicherPseudo-Hermaphrodismus (Portbestehen
der Wölfischen Kanäle.)
Bullingers Nachweis — Kleins Beobachtung eines Neugeborenen —
Barts und Tougls Entdeckung — Der Malpighische Kanal — Beobachtungen
von Koller, Boivin, Dohrn, Fischel, Klein, Milton, Banks, Debierre, Koss-
mann, Kobelt, Follin, v. Preuscher, Tourneau, Gärtner, Verneuil, Virchow
— Das Eosenmüllersche Organ — Cysten des Parovariums, Beschreibung v.
Mazzotti — Meyers, Amans, Eechlinghausens, Greefs, Gangitanos, Kleins,
Palms Beobachtungen — S. 47 — 51.
Noten (Beobachtungen) zum ersten Teil.
(Mit Abbildung der Virginia Mauri.) S. 52—95.
II. Teil.
Der klinische Hermaphrodismus.
Äusserer Pseudo-Hermaphrodismus.
Erster Abschnitt.
Feminisinns.
(Der feminierte Mann.)
Varros und Aristoteles' Benennung — Marzuttini — Faneau de la cour
— Meiges Behauptung der Umkehrung — Feministische Veränderungen beim
Manne — Die Beobachtungen von Ferrannini, Brouardel, Godard, Marzutti,
Hallopeau, Niccolini — Makrosomie — Mikrosomie — Nanismus bei Feminismus
— Armut an Haaren — Frühzeitige Greisenhaftigkeit — Vergleich bei Mikro-
somie m. Eunuchen — Alterationen d. männl. Geschlechtsorgane — Laurents
Bestimmung — Alteration der Hoden — Aristoteles — Der Fall von Borelli,
Lerebouillet, Rezzonico — Fehlen des Penis selten — Fall von Facen, Jones,
Marzuttini, Binet, Launois," Guinard, Fischer, De Matteis — S. 96 — 103.
in
Infantilismus.
Faneaus These — Charakterisierung des Infantilismus — Meiges, Lau-
rents, Fourniers Beschreibung — S. 103 — 106.
Grynäkomastie.
Das Vorkommen weiblicher Brüste beim Manne — Erster Bericht aus
dem 7. Jahrhundert von Paulus v. Aegina — Ferner von Ali Abbas, Abul-
casi, Acquapendente, W. Gruber, Langer, Olphan, Schuchardt, Laurents
Beobachtungen — Verwechselungen von Cloquet — Berichte über den phy-
sischen Zustand von Eekruten von Puech, Taruffi — Gynäkomastie zumeist
bilateral — Selten erblich — 3 Fälle von Bedor, Handuside, Laurent — Be-
schaffenheit der hypertroph. Brüste bei Mann und Weib gleich — Beobacht-
ung von Laurent, Petrequin, Langer, Schaumann — Milchsekretion beim
Manne selten — Fälle von Schurig, Ansieux, Nelaton, Parventa, Taruffi,
Monteggia — Fälle von einseitiger Gynäkomastie von Rezzonico, Coutagne,
Laurent, Laugier, Nelaton, Bruant etc. — Verwechselung mit Krebs ^ Fall
von Syme — Beobachtungen zur bilateralen Gynäkomastie — Komplikationen:
Mastitis, Mastodynie — Beobachtungen — Tabellen — Jugendliches Alter
der Gynäkomasten — Alterationen der Geschlechtsorgane bei Gynäkomastie
— Beobachtungen — Mumps -Epidemie von Hippokrates, Einieri und Laghi
beschrieben — Curlings Beobachtungen — Mumps -Epidemie bei Haustieren
— Gynäkomastie in der Eegel mit Missbildungen der Geschlechtsorgane
verbunden — Beobachtungen — S. 107 — 132.
Noten (Beobachtungen) zum zweiten TeiL
Der klinisclie Hermaphrodismus,
Erster Abschnitt. S. 133—152.
Zweiter Abschnitt.
Invirilismus (Yirago).
Erklänmg — Darwins Annahme — Wrisbergs 10 Charaktere der Virago
— Krafft-Ebings, Meiges, Taruffis Verbesserungen — Weibliche Makro-
somie — FaU zweier Schwestern von hoher Statur — einer Bologneserin —
Makrosomia graciüs — einer Bologneser Landbesitzerin — Andere Fälle —
Mittlere Grösse der Invirilierten — Dr. Felis Messungen — Die meisten sterilen
Frauen sind von hoher oder junonischer Gestalt — die mittelgrossen oft von
erstaunlicher Fruchtbarkeit — S. 153 — 164.
Hypertrichose (Bartwuchs) beim Weihe.
Aristoteles' Bemerkung — Die Fälle des Licetus u. Aldrovandi über be-
haarte Weiber — Taruffis invirilitische u. Brandts arrhenoide Frauen — Der
Naevus pilosus — FäUe davon — Virchows u. Eizzolis Beschreibung der Spina
bifida occulta — Häufigkeit und Lebensalter — Der FaU von Lesser — Dauer
der Menstruation verschieden — Haarbildungen auf dem Körper — Der Fall
V. E. Colombo, Velsch, Eckers Buch über die abnorme Behaarung des Men-
schen— Zacchias, Turners, Brands, Zerubins Beobachtungen — Bei Hyper-
trichose oft abnormer Zustand der Zähne, Beobaclitungen — Darwins Ab-
stammungstheorie — S. 164 — 173.
Über Elephantiasis der Clitoris.
Varolios Beobachtung-, sie erreicht die Länge des Penis — Försters An-
sicht — Wrisbergs Meinung über die Vergrösserung der Clitoris — Onanie
u. Missbrauch der Clitoris zum Coitus — Beobachtungen über Exstirpation der
Clitoris — Pozzis Behauptung — Fehler der Clitoris als Ursache des Eeizes —
Beobachtungen — Hypertrophie der Clitoris — Beobachtungen — S. 173 — 181.
Der psychologisclie Invirilismus.
§ 1. Psychopathie.
Die Pucelle d'Orleans — Die Spanierin Nonna Alverez — Properzia de
Rossi — Lavinia Fontana — Elisabetta Sirani — Teresa Muratori — Anna Man-
zolini - Morandi — Laura Bassi — Clotilde Tambroni — Maria Agnesi —
Teresa u. Maddalena Manfredi — Das Gehirn berühmter Männer und Frauen
— Dantes u. Macchiavellis Meinung — S. 181 — 186.
Der psycho -sexuelle InTirilismus.
Die nervösen Erscheinungen an den weiblichen Geschlechtsteilen —
Habitus eroticus — Nymphomanie — Furor uterinus — Lesbische Liebe — Tri-
badismus — Satyriasis — Soranus — Charaktere des erotischen Habitus — Die
Stelle des Soranus „Über Satyriasis" — Die Lehre Krafft-Ebings — Lippe-
manns Bestätigung — Die Wollust dauert bei Tieren nach der Kastration
fort — auch bei Frauen — Kraemers Statistik von 300 der Ovarien beraubten
Frauen — Geschlechtstrieb bei Idioten und Kretins — Über geschlechtliche
Apathien (Impotenz aus Kälte etc.) — Krafft-Ebings Behauptung — Borri über
nervöse Impotenz — Gegenwart zweier Penes und zweier Vulvae. — Neu-
gebauers Fälle — Geschlechtliche Apathie mit oder ohne Widerwillen gegen
den Coitus — Galland u. Laurents Beobachtung — Andere Fälle — Schrenck-
Notzings Ansicht — S. 186—193.
Sexuelle Perversion.
Sapphos Ode — „Numa Numantius", (Pseud. f. Heinr. Karl Ulrichs) und
seine Schriften betr. die Liebe zwischen Individuen desselben Geschlechts —
Uranismus — Urning — Piatos „Symposion" — Westphals „konträre Sexual-
empfindung" — Krafft-Ebing und seine grundlegenden Arbeiten — von ihm
stammt der Ausdruck „homosexuell" — Schrenck-Notzing, Moll — Caspers u.
MoUs Behauptung, die konträre Sexual-Empfindung sei angeboren — Meckels
„Gynandra" — Krafft-Ebings Angabe der Hauptcharaktere bei den Gynandren
— Psycho-sexuale Handlungen — Birnbachers Fälle — Andere Beobachtungen
— Krafft-Ebings Erklärung der Pathogenese der Perversion — Molls Aus-
führungen — S. 193—205.
Trihadismus.
Geschichte der Tribadie — Manethos Unterscheidung 367 v. Chr. —
Achtung der ehelichen Pflichten und Verachtung der instinktiven Laster bei
den Hebräern — Der Brief des Apostel Paulus — Paulas, ein Vorläufer Krafft-
V
Ebings — Martial und seine Epigramme „Ad Bassam tribadem" — „Gegen
Philene" — Plautus' Komödien — Plautns' „Persianiis" — Phädrus Fabeln „Pro-
metheus" — Claudius Ptolemäas — Lucian — Seine Hetärengespräche — Seine
Stellung zu den früheren Autoren — Leo Africanus und seine Beschreibung
der Sahacat (Fricatrices) — Die Erzählung der „Genesis" — Die Incubi des
Mittelalters — J. Wiers Enthüllung dieses Betruges — Caelius Aurelianus u.
seine Schrift — Arnobius' Abhandlung — Realdo Colombos „mentula mulierum"
— Das „Gaude mihi" der schamlosen Weiber in Frankreich — Albertus
Magnus — Vincent de Beauvais — Girolamo Mercuriale — Seine Cunnilingui-
Weiber — Hallers Urteil über ihn — Giovanni Riolano u. Plempius' Ansichten
— Casper — Ulrichs Urninge — Forcellinis und Caninis Definition des Aus-
drucks „Tribade" — Das „Olisbon" des Aristophanes, (ein ledernes Instrument,
um bei den Tribaden Kitzel zu erregen) — Das berühmte Werk von Ploss-
Bartels „Das Weib in der Natur- und Völkerkunde" — Molls Bericht über die
Berliner Prostituierten — Die Bezeichnung „Fricatrices" und „Subigatrices"
in Rom — Der Cunnilingus — Der Sadismus — Der Marquis de Sade — Dr.
Eugen Dührens Monographie „Der Marquis de Sade und seine Zeit" — Der
Fetischismus — Molls Unterscheidung — Gewöhnliche und „vervollkommnete"
Prostituierte — Taruffis Urteil über die Bezeichnung „Tribade" — S. 205 — 219.
Noten (Beobachtungen) zum zweiten Teil.
Der Minisclie Hermaplirodismus.
lusserer Pseudo-HermaphrodisinTis.
Zweiter Abschnitt.
1. Makrosomie (hohe Statur). 2. Hypertrichose (Bartwuchs
bei Frauen). 3. Elephantiasis der Clitoris. 4a. Berühmte Frauen.
4:b. Konträre Sexualempfindung. 5. Sexuelle Perversion.
S. 220—248.
II. Teil.
Der klinische Hermaphrodismus.
Dritter Abschnitt.
Uretliro-sexuale Missbildungen.
Anordnung — Die Beobachtungen von Dr. Rennes und Bouisson au
Rekruten — Die Ochsen von Lecoq und Gurlt — Boyers Anordnung — Fabri-
cius V. Hilden und Gayrauds Beobachtungen — Andere Beobachtungen —
Bouissons winkliger Penis — Jean L. Petits Beobachtungen — S. 249 — 254.
KKnisclie BeobacMuiigen über die uretliro-sexnalen Miss-
Tbilclungen.
Urethra: 52Fälle von Anomalie desPenis — Hoden: — Kryptorchiden —
Le Dentus „Ektopia abdominalis" — Veränderung des Geschlechts:
Steinmanns Fall : ein Bursche wechselte 3 mal sein Geschlecht — Die Schrift
des Pinaeus: „De Virginitatis notis" — Die Fälle von Zacchia, Colle, Des-
coust — I. St. Hilaires Hypothese — Körperhabitns: Männlicher und
VI
weiblicher — Marchands, Lorenzuttis Beobachtungen über geschlechtlichen
Habitus mit gemischten Charakteren — Berthold über die Beschaffenheit des
Larynx — Fall einer Frau von 22 Jahren — Gynäkomastie: Fall des
Dr. Cecca — Penis: Missbildungen — Mikrophallus — Geknickter Penis —
Clitoris: Vergrösserungen — Die Fälle von Virchow, Diemerbroeck,
Soemmering — Hypertrophie der Clitoris bei Tieren — Beobachtungen von
Ruysch, Meckol etc. — Amputation der Clitoris — Herrmanns Bezeichnung
„Falsche Hermaphroditen" — Das „genus epicoenum" Quintilians —
Scrotum: Missbildungen — Hallers Beobachtungen — Weibliche Organe:
Sekundäre Missbildungen — Fälle — Unregelmässige Menstruation:
Funktionelle Störungen — Tabellen — Hernien: Das Auftreten von Leisten-
brüchen — Fälle von Wrisberg, St. Hilaire — Geschlechtliche Neigungen
Sexuelle Parese (Apathie) — Der Fall der Katharina Hohmann — Anna von
Grenoble — Maurina — Die Beobachtung von Dr. Tonni, Descoust — Der Fall
der Madelaine Lefort — Coitus wird passiv ohne erotische Empfindung aus-
geübt— Beobachtungen — Konträre Sexual-Empfindung: Die Ver-
suche von Krafft-Ebing — homo- und heterosexueller Akt — Anna Drouart —
Der Fall von Magitot — Debierres und Chevaliers Beobachtung — Die Fälle
von Gerin, Gunckel, Birnbacher — Liebesverhältnis einer jungen Frau mit
ihrer Stiefmutter — Vererbung: FäUe von Vererbung der urethro-sexualen
Missbildungen von Philippi, Casper etc. — S. 255 — 281.
III. Kapitel.
Psycho-sexuelle Pathologie.
(Gerichtliche Medizin der urethro-sexualen Missbildungen.)
Geistesstörungen in Verbindung mit klinischen Alterationen der
menschlichen Geschlechtsorgane — Moralische Komplikationen und Folgen
— Trägheit der Juristen — Barbarische Gesetze — Die Fälle des
Sinibaldus — Der Tribade Enrica Schuvia — Der Anne Grandjean —
Muratori und Giobertos Schriften — Cicero, pro L. Murena — Sexuelle
Parese — Eine Frau verliebt sich in ihre Schwägerin und lebt mit
ihr (Badaloni) — Geschlechtliche Umkehrung: Irrtum über das
eigene Geschlecht — Der Fall der Alessia B. — Selbstmord: Die Fälle von
Eeverchon, Langer, Porro — Ehescheidung und Ungültigkeit der
Ehe: Die Fälle von Volaterrano , Caldani , Chiarugi wegen übermässiger
Grösse der Clitoris — Scheidungen wegen eines impotenten Gatten — Worbes
Fall — Der Fall der Faustina N. — Gefährliche Erweiterungen zu enger
Teile — Chirurgische Hilfe: Der Fall Costes, Künstliche Scheide und
Amputation der Clitoris — Porros Fall — Ero tis che Erweiterungen
der Urethra: Der Fall des Dr. Luis (Coitus per anum und erfolgte
Schwängerung) — Fall der Faustina Mauro — Der Fall von Prof. Dohrn —
Komplizierte und dunkle Vorgänge: Fall von Sinibaldus — von
Auria — von Lombroso — Die Paragraphen des preussischen Landrechts —
Caspers Ansicht — Ulpians Auskunftmittel — De Marias Vorschläge — Die
von Veit, Tardieu, Garnier etc. — Das neue bürgerliche Gesetzbuch — Prof.
Lchrs ScLrift gegen die „Motive" — Taruffis Vorschläge — S. 281—304:.
VII
Noten (Beobachtungen) zum dritten Abschnitt.
Äusserer klinischer Pseudo-Hermaphrodismns.
1. Zweifelhafte und unvollständige Beob. S. 305—307.
2. Klinische Beob. über urethro-sexuale Missbildungen.
S. 307—336.
Tabellen zur Note 2. S. 337— 363.
3. Änderung des Geschlechts. S. 364—369.
4. Hypertrophie der Clitoris. S. 369—370.
5. Vincenzo Gioberti über die Juristen. S. 371—372.
Vierter Abschnitt.
Über einen menschlichen Fötus ohne Geschlechtsteile
und Harnröhre. (Agenosoma.)
Mit Abbüd. S. 373-385.
Noten (Beobachtungen) zum vierten Teil.
1. Ohne Penis oder rudimentär. Penis. S. 386 — 388.
2. Adhärenzen des Penis am Scrotum. S. 389.
3. Fälle von Hypoplasie des Scrotums. S. 389—390.
4. Ectopia vesicae ohne äussere Geschlechtsorgane. S.
391—392.
5. Mehr oder weniger vollständiges Fehlen der äusseren
Geschlechtsteile. S. 392—399.
6. Atresia vulvae. S. 399—401.
7. Angeborenes Fehlen beider Hoden (Anorchia duplex)
an der Leiche bestätigt. S. 401—403.
8. Fehlen der Urethra. S. 403—404.
General-Eegister. S. 405 — 417.
Berichtigung:
Auf den ersten Seiten lies Monstrositäten statt Monstruositäten.
M
Allgemeiner Überblick.
Nachdem wir in einer frülieren Arbeit eine Übersicht über
die verschiedenen Formen der Doppelmonstra, sowohl der sym-
metrischen, als der asymmetrischen gegeben und gesehen haben,
dass die früheren Einteilungen verbessert werden mussten,
sei es durch Vereinfachung einiger Teile, sei es durch Be-
reicherung anderer mit wichtigen Zusätzen i), haben wir noch
eine andere Übersicht über eine andere doppelte Monstruosität
zu geben, über den Hermaphrodismus. Diese unterscheidet
sich von der vorigen, insofern die Verdoppelung auf ein ein-
ziges anatomisches System beschränkt ist, nämlich auf das G-e-
schlechtssystem, während bei der vorigen die Systeme vielfach
sind. Ausserdem wird beim Hermaphrodismus die Verdoppelung
durch Teile beider Geschlechter oder durch Teile, die denen
beider Geschlechter ähnlich sind, dargestellt, während die durch
direktes oder indirektes Verwachsen der beiden Föten hervor-
gebrachte Vereinigung gewöhnlich durch Föten von demselben
Geschlecht gebildet wird.
Um die verschiedenen Arteh des Hermaphrodismus klassi-
fizieren zu können, ist es durchaus nötig, dass man die grösste
Zahl der sicheren und wahrscheinlichen Thatsachen kennt (die
hier in den Noten gesammelt sind), dass man die fabelhaften,
wie die des Trallianus2) und die ungenügend beschriebenen
1) Siehe: Memorie della E. Accad. della scienze del' istitiito di Bologna.
Ser. 5, Tom. V. e YII, 1896 e 1898.
2) Phlegon Trallianus, Quae estant opuscula. De rebus mirabi-
libus. Lugduni Batavorum 1620. Cap. 2, p. 19. — Taruffi, Storia della
Teratologia. Bologna, 1882. Tom. IV, pag. 15, Beob. 22.
Taruffi, Hermaphrodismus. 1
— 2 —
ausscheidet!). Aber man muss auch einen richtigen Begriff
über den Hermaphrodismus aufstellen, der die Grenzen dieser
Monstruosität angiebt. Wenn wir mit Aristoteles^) anfangen,
so wird die letzte Frage unvollkommen beantwortet, denn er
sagt bloss: „Adnascuntur autem partes supervacuae . . . .
Quibus autem gemina habere genitalia accidit, alterum maris,
alterum feminae, iis semper alterum quidem ratum fit,
alterum verum irritum etc." Andere Griechen haben die Be-
zeichnungen Hermaphroditen, Androgyni und Gynandri einge-
führt, ohne den Worten eine gleichmässige Bedeutung beizu-
legen (Sophokles, Parmenides, Philo u. s. w.), aber mit
einigen Ausnahmen haben viele auf diese Ausdrücke verzichtet,
mit Ausnahme des Wortes „Hermaphrodismus", phne dass es
einem gelungen wäre, dem Worte eine vollständige Bedeutung
beizulegen, und ohne die allgemeine Beistimmung zu erlangen.
Dasselbe lässt sich von dem Worte semimares und semiviri
sagen, das von Titus Livius (Buch 31, Kap. 12), von Ovid
(Metamorphosen, Buch 4, Vers 380) und Ausonius (Epi-
gramma 89) gebraucht wird.
Die griechische und römische Periode ging vorüber, ohne
dass der als Hermaphrodismus bezeichnete Zustand und seine
Charaktere festgestellt wurden; aber, was schlimmer ist, die
Aufklärung verzögerte sich bis in unsere Zeiten, obgleich
zahlreiche Autoren sich mit dem Gegenstande beschäftigt haben.
Diese Verzögerung ist nicht mangelndem Geschick unserer
Vorgänger zuzuschreiben, denn man muss bedenken, dass Sek-
tionen lange Zeit verboten und dann nur selten erlaubt waren,
und dass Gelegenheiten, Hermaphroditen und Pseudo-Herm-
^) Die alten Beobachtungen, auch, wenn sie von berühmten Männern
herrühren, sind dennoch oft unvollkommen und bisweilen unwahrscheinlich.
Diese wurden von J. G. Schenk gesammelt. Observationum medicarum
etc. Francofurti, 1600, p. 572. — De genitalibus partibus utriusque sexus.
Observatio hermaphroditi, qui olim androgyni. Die Beobachtung^en stammen
von Aristoteles, Paolo von Aegina, Plinius, Titus Livius, Julius
Obsequens, Albertus magnus, Cardanus, Rodiginus, E. von Vol-
terra, Pontanus, Licostenus, Kueff, Fulgosio, Haies Ekodo-
ham, Marcellus Donatus, Lusitanus und Pareus.
2) Aristoteles, Opera omnia. Graece et latine. Vol. III. Parisiis,
1854. De animalium generatione. lib. IV, Cap. IV, p. 406.
— 3 —
aphroditen innerlich zu untersuchen immer sehr selten gewesen
sind. Eealdo Colomboi) hatte das seltene Glück, vor 1559
eine Frau sezieren zu können, welche ausser der Vulva, dem
Uterus und wahrscheinlich den Ovarien, mit einem, wenn auch
nicht hinreichend grossen männlichen G-liede ausgestattet war.
Aus solchen Umständen erklärt es sich auch, warum die
fabelhaften Erzählungen, die unvollkommenen Beschreibungen,
die falschen Urteile, die gerichtlichen Entscheidungen in Form
von Aushülfen so lange bestanden. So stellte der Eechtsge-
lehrte Ulpian^) die Frage auf, wem die Hermaphroditen ähn-
lich wären und meinte, man müsse darauf achten, welches Ge-
schlecht bei ihnen vorliege. Der Grammatiker Suidas^) sagte:
„Hermaphroditus est, qui utraque, masculinum et foemininum,
Organa habet, turpiter faciens et patiens." Argelata,
ein Arzt zu Bologna^), erklärte den Hermaphrodismus für „eine
unerklärliche, abscheuliche Affektion bei den Menschen" und
Eueffö) beschrieb Männer mit Epispadie und Extopie der
Blase als Hermaphroditen.
Es würde zu lang und unnütz sein, alle falschen Beobacht-
ungen aufzuzählen, denn dies würde uns von unserer Aufgabe
abziehen. Wir wollen nur erwähnen, dass das Vorurteil gegen
die zu Männern gewordenen Weiber zuerst im Jahre 1579 von
Joh. Wier^) bekämpft wurde. Dieser kindliche Zustand der
Wissenschaft erklärt es auch, dass Aldrovandi darlegte, wegen
der von den Autoren beschriebenen grossen Zahl und Ver-
schiedenheit der Formen sei eine Klassifizierung unmöglich'^).
^) Eealdo Colombo (aus Cremona). De re anatomiea. Venetiis,
1559. Liber XV, p. 268.
^) Ulpianus, Digestum. lib. I, tit. 5, 1. 10.
^) Suidas Lesicon, Hermaphroditus. Cambrigi, 1705, p. 857.
4) Arg-elata Pietro. Cirurgia. Venezia, 1499. L. V., Tract. XVII,
Cp. ni, p . 114.
^) Jacobus Rueff (Zürich), De conceptu et generatione hominis
etc. Francof. ad M., 1587, p. 41 bis. Cum fig.
^) Joh. Wier, Histoires des illusions et impostures des diables, etc.
Paris 1579. N. edit. Paris, 1885. T. I, p. 598. Cp. XXIII. De la natureUe
transmutation du sese humain.
'^) Ulisse Aldrovandi, Monstrorum historia. Bononiae, 1642. C. V.,
p. 513.
1*
_ 4 —
Einige gingen sogar so weit, dass sie an dem Vorkommen
von Hermaphroditen zweifelten. Von diesen nennen wir
Clemens von Alexandrieni) und einige Italiener, wie
Bedinelli^), Tabarani^), G-raziani^) und Caluri-^), so
dass es der berühmte Haller für zweckmässig hielt, eine
Abhandlung zu schreiben mit dem Titel: An dentur herm-
aphroditi?6). Aber die Meinung Hallers vermochte nicht,
die Zweifel ganz zu heben, denn noch neuerlich leugnet
Samuele Pozzi^), dass die von Klebs angeführten Fälle
echte Hermaphroditen seien.
Trotz so vieler Hindernisse fehlte es viele Jahrhunderte
vor Aldrovandi nicht an kühnen Ärzten, welche die Klassi-
fizierung der Hermaphroditen versuchten, indem sie sich auf
die äusseren Unregelmässigkeiten der Geschlechter stützten,
ohne es doch deutlich zu erklären. Der erste, der dabei
einiges Glück hatte, war Leonidas, Chirurg in Alexandrien,
der zwischen dem 2. und 3. Jahrhundert lebte, dessen Werke
verloren sind; aber glücklicher Weise sind viele Stellen von
Aetius^) angeführt. Die uns angehenden Stellen wurden
von Paulus von Aegina, ebenfalls aus der Schule von
1) Clemens Alexandrinixs, Paedagogia. L. II. Cp. 10. , Opera
omnia, Florenz 1550 (griechisch). — Potter Oxon. Oxford, 1715, V. II,
(griechiiscli-lateinisch).
2) Francesco Bedinelli (De Paulla Fanensis) Chirurg in Fano.
Nupera perfectc Androgynae structurae observatio. Pisauri, 1755, in 8^.
3) Pietro Tabarani (Professor in Siena), Sugli ermafroditi. Let-
tera terza. Appendice agli Atti dell' Accad. dei fisiocritici di Siena, 1787, p. 77.
*) Lorenzo Graziani, (Medico Lucchese) , Sul sesso degli lepri
e sopra gli ermafroditi. Magazz. Toscano. Firenze, 1773. T. IV, p. 1 et 2.
^) Fr. Caluri (Prof. in Siena), Relazione sopra un preteso ermafro-
dito. Atti di Siena, 1774. T. V, p. 167.
^) Haller, Commentariorum societatis R. scienciarum Goettingensis,
1751.
'^) S. Pozzi, De rhermaphrodisme. Gaz. hebdom. Paris, 1890.
NO 30, p. 351, squ.
^) Aetius aus Mesapotamien, lebte in der Mitte des 6. Jahrhunderts.
Die erste lateinische Übersetzung führt den Titel „Opera omnia: Cornarus
et Montanus. Basileae, 1533 — 95. Die behandelten Stellen des Aetius
werden von Hall er angeführt: Bibliotheca chirurg. Basil., 1774, T. I,
p. 79.
- 5 —
Alexandria 1) und von dem Volterraner^), sowie neuerlich von
dem Geschichtschreiber Häser angeführt^). Leonidas teilte
die Hermaphroditen in zwei Arten ein, in männliche und weib-
liche. Unter die ersten stellte er: a) Fälle von weiblichem
Geschlecht, die im Perinaeum mit dem männlichen verbunden
waren, b) Fälle von im Scrotum verbundenem Geschlecht,
c) Fälle von Fehlen des Penis. Unter dem weiblichen Ge-
schlechte begriff er: a) den Penis mit geteiltem Scrotum, in
welches er die Hoden unterbrachte, b) die Hypertrophie der
Clitoris.
Die Schriftsteller der Renaissance wollten ebenfalls die
Fälle von Verdoppelung des Geschlechts in Ordnung bringen;
sie folgten den Spuren des Leonidas, nahmen die äusseren
Anomalien zur Grundlage und reduzierten die Arten auf vier,
aber sie führten einige Abänderungen ein, die bisweilen irrig
und selten von Wert waren. Zum Beispiel erwähnen wir unter
den ersteren Aldrovandi^), welcher Individuen mit doppeltem
Geschlecht annahm, die alle Bedingungen einer vollkommenen
Zeugung zu erfüllen vermöchten. Diese eingebildete Fähigkeit
wurde von Pare^), von Zacchia^) und Möller^) wieder auf-
genommen, der noch die Art der zeugungsunfähigen (Spadones)
hinzufügte.
^) Paulus von Aegina (aus der ersten Hälfte des 8. Jahrli.) Opera
omnia. Latein. Übersetzung. Basil., 1533, in Fol.
2) Volterraner (MaffeiRafaele di Volte rra) Commentari urbani.
Basil., 1544, L. 24, p. 277 bis.
^) H. Häser, Lehrbuch der Geseliiclite der Medizin. Jena, 1875,
Bd. 1, S. 509.
'*) Ulisse Aldrovandi, Monstrornm historia. Bononiae, 1642,
Cp. 1, p. 41. Der Leser wird erstaunt sein, dass Aldrovandi an einer
anderen Stelle die Unmöglichkeit einer Klassifizierung bewies, und hier eine
zum Teil der des Leonidas ähnliche vorschlug; diese Verwunderung ver-
schwindet, wenn man weiss, dass die Geschichte der Monstra im J. 1642
von Ambrosini nach den von Aldrovandi ohne Ordnung und Kritik
hinterlassenen Aufzeichnungen kompiliert und in Druck gegeben wurde ;
letzterer starb im J. 1605. S. Taruffi, Storia etc. 1881. T. I, p. 42.
5) Ambroise Pare, Oeuvres. Paris, 1561. 1633. Livr. 25, p. 762.
^) Paolo Zacchia (Arzt in Eom), Quaestionum medico - legalium.
Lugduni B. 1661. L. 7, Tit. 8, Quaestio 8, p. 492.
'^) Jac. Moller, Advokat in Frankfurt a. 0. Discursus de cornutis
et hermaphroditis eorumque jure. Frankf., 1692.
- 6 —
Eine erwähnenswerte Verbesserung war die des Pariser
Chirurgen Dionisi).
Er nahm die Einteilung in vier Gattungen vor; aber an Stelle
von zweien der vorhergehenden setzte er zwei eigene, die in der
Wissenschaft unter dem Namen „männliche und weibliche Pseudo-
Hermaphroditen" noch erhalten sind, und die dritte könnte, wenn
sie besser ausgedrückt wäre, z. B. als neutraler Hermaphrodismus,
noch fortbestehen. Dieser Fortschritt hatte keine günstigen
Folgen, vielmehr trat gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein
Rückschritt ein. Hall er 2) wollte sich von den vier Arten frei
machen und reduzierte sie auf zwei. Diese Beschränkung war
nicht umfassend genug und hatte nur das Verdienst, das Wort
„Hermaphroditi spurii" einzuführen (heute Pseudo -Hermaphro-
diten genannt), worunter er nur jene Weiber begriff, die sich
zuerst für Männer ausgaben (Hypertrophie der Clitoris). Diese
Neuerung wurde bald als ungenügend erkannt und der ausgezeich-
nete Anatom Heinrich Wrisberg^) kehrte wieder zu vier Abtei-
lungen zurück, mit der Überschrift: 1. Echte Hermaphroditen, an
deren Vorkommen er selbst zweifelte. 2. Männliche Herma-
phroditen. 3. Weibliche Hermaphroditen. 4. Monstruöse Herma-
phroditen, d. h. mit Komplikationen, oder mit zweifelhaftem
Geschlecht Aber statt anatomisch das Verständnis der ein-
zelnen Spezies zu bessern, verschlechterte er es, denn in seiner
^) Pierre Dionis, Cours d'operations de Chirurgie. Paris, 1707.
Bruxelles, 1708, p. 197. Er teilte die Hermaphroditen in vier Arten ein:
1. Die aus vollkommenen Männern bestehenden, mit unvollkommenen weib-
lichen Teilen. 2. Die vollkommenen Weiber mit unvollkommenen männ-
lichen Teilen. 3. Individuen, die weder Männer noch Weiber sind, mit unvoll-
kommenen Geschlechtsteilen beider. 4. Männlich-weibliche Hermaphroditen,
die sich der Genitalien beider Geschlechter gleich gut bedienen können.
Das Gesetz befiehlt, dass man sich für eines der beiden Geschlechter ent-
scheide und verbietet, das nicht gewälüte zu gebrauchen. Diese Verordnung
wurde in dem jetzigen Jahrhundert von Marc wieder vorgebracht. Dict.
des sc. med. Paris, 1817. T. XXI, p. 86.
2) Albrecht von Haller, geb. 1708 in Bern und gestorben 1777.
Er unterscheidet die Hermaphroditen in zwei Arten: 1. männliche, die ein
gewisses weibliches Aussehen haben, 2. falsche, d. h. Weiber, die eine grosse
Clitoris besitzen und für Männer gelten. Comm. G. 1752. T. I.
^) H. A. Wrisb erg, Commentatio de singulari genitalium deformitate
in puero hermaphroditum mentiente , cum quibusdam observationibus de
hermaphroditis. Göttingen, 1796. Par. 19, S. 541—42.
— 7 —
zweiten und dritten Art, auf die der von Haller eingeführte
Ausdruck Hermaphrodismus spurius anwendbar war, be-
schäftigte er sich, statt ihre Charaktere festzustellen, mit ihrer
funktionellen Fähigkeit.
Wenn Haller und Wrisberg bei der Anordnung nicht
glücklich waren, so waren sie es dagegen bei vielen anderen
Arbeiten und nützten der Teratologie mit einigen eigenen Be-
obachtungen und mit einer unvergleichlichen Gelehrsamkeit i),
die späteren Anatomen als Beispiel diente. Unter diesen ver-
dient die erste Stelle Joh. Fried r. Meckel, der daraus für
sein Handbuch der anatomischen Pathologie Nutzen zog 2); es
enthält eine reiche Abhandlung über die Monstra, aber in Bezug
auf die Hermaphroditen wollte er in der Einfachheit Hall er
nachahmen, verfiel aber ebenfalls in den Mangel an Verständ-
lichkeit. Er brachte alle Hermaphroditen in zwei Klassen.
1. Solche, bei denen keine Vermehrung von Teilen stattfindet.
2. Solche, bei denen die Teile an Zahl zunehmen. Als er dann
neue Gruppen von Missbildungen einführte, brachte er sie mit
Gewalt in den obigen Klassen unter, wie z. B. die riesenhafte
Zunahme des Körpers und der Organe, die angeborenen Ver-
änderungen der Verhältnisse und die Teilung nicht nur von
Organen, sondern von Eegionen. So fiel die Anordnung M eckeis
wie die früheren, aber die neuen Gruppen erhielten sich in der
Wissenschaft, oder wenigstens verdienen einige wieder aufge-
nommen zu werden, wie wir es in der gegenwärtigen Arbeit
thun werden.
Der erste Schritt zu einer Anordnung auf anatomischer
Basis wurde von Lippi in Florenz vorgeschlagen s), der im
Jahre 1826 bei der Elassifizierung zweier Monstruositäten der
Geschlechtsorgane beim Menschen dahin geführt wurde, die
^) Was die Gelehrsamkeit betrifft, machen wir diejenigen Autoren, die
wieder über Hermaphrodismus und besonders über die griechischen Statuen,
die ihn darstellen, arbeiten wollen, darauf aufmerksam, dass Wrisberg
eine reiche Bibliographie über die angeführte Arbeit zusammengebracht hat.
^) J. Fr. Meckel, Handbuch der pathologischen Anatomie. Zwitter-
bildung. Leipzig, 1816. Bd. 2, Abt. 1, S. 196—221.
^)Eegolo Lippi, Bizzarre forme dcgli organi della riproduzione
di due individui della specie umana. Firenze, 1826. Opusctilo in 8*^ con tre
tavole.
wesentliclien Charaktere des ecliten Hermaphrodismus aufzu-
stellen und annahm, er bestehe in dem gleichzeitigen Vor-
handensein von Hoden und Ovarien. Dieser Charakter diente
später als Mittel, um die verschiedenen Arten der Verdoppelung
des Geschlechts zu unterscheiden. Aber auch diese Kennzeichen
konnten Zweideutigkeit zulassen, die nachher von Müller i) be-
seitigt wurden, der den Eat gab, zu untersuchen, ob die Hoden
Samenkanälchen und die Eierstöcke Graafsche Follikel ent-
hielten. Er bemerkte auch, dass die innere Verdoppelung der
Geschlechtsorgane dem Zustande der äusseren nicht entspricht.
Aber als Müll er 2) eine Klassifizierung versuchte, kannte er die
Eatschläge Lippis nicht und unterschied: 1. Die Hermaphroditen,
die nur ein äusseres, missbildetes Geschlecht besitzen, während
das innere vollständig ist, entweder männlich, oder weiblich.
2. Solche, die innerlich teilweise Verdoppelung des Geschlechts
zeigen, während es äusserlich missbildet ist. 3. Solche, die
die Geschlechter nur auf einer Seite haben (Hermaphrodismus
lateralis). Diese Einteilung ist zwar praktisch richtig, aber
durchaus nicht methodisch und vollständig für die Genera, viel
weniger für die Spezies, so dass sie unbeachtet geblieben ist.
Die Geschichte des Hermaphrodismus zeigt einen niemals
dagewesenen Fall, dass nämlich ein Tierarzt namens Gurlt^)
sowohl durch diesen Gegenstand, als durch seine Teratologie
berühmt wurde, denn er befolgte ausschliesslich die in den
physischen Wissenschaften angenommene Methode, d. h. er
sammelte zuerst alle anatomisch analogen Thatsachen, ohne
theoretische Vorurteile. Dies that er für die Haus- Säugetiere,
die zum Teil schon von tüchtigen Beobachtern beschrieben und
von ihm selbst in grosser Zahl im Berliner Museum gesammelt
worden waren. Er klassifizierte sie methodisch nach ihrer
Form, gab jeder Gruppe einen Namen mit griechischer Wurzel.
^) Johannes Müller, Bildungsgeschiclite der Genitalien. Düssel-
dorf, 1830.
2) Das Werk Müllers war mir nicht zugänglich, aber glücklicher
Weise führt Stricker die Anordnung der Hermaphroditen an. V i r c h 0 w s
Archiv, Bd. 88, S. 184—190.
^) E. F. Gurlt (Berlin), Lehi'buch der pathologischen Anatomie,
Berlin, 1832. S. 183. Mit 34 Tafeln. — Über tierische Missgeburten,
Berlin, 1877. 4«. Mit 20 Hthographierten Tafeln.
— 9 —
So gelang es ihm, das Kapitel über Hermaphrodismus durch
neue Spezies, die er den alten hinzufügte, sehr wertvoll zu
machen und sie dann alle in zwei grosse Genera zu vereinigen.
Es ist bewundernswürdig, wie er dieselben Spezies 45 Jahre
später (1867) in einem Supplement zu seinem anatomischen Werke
ohne Änderung bestätigte ; und diese Spezies werden noch jetzt
von einer grossen Zahl der Tierärzte Europas angenommen,
wie sie auch mit einigen Zusätzen von den Ärzten noch ange-
nommen werden könnten, wenn ihre Eigenliebe es erlaubte.
Die Einteilung von Gurlt ist kurz folgende. Erstes Genus:
Wenn bei dem Hermaphroditen die Zahl der Organe nicht ver-
mehrt ist. Zu diesem Genus gehören zwei Spezies: A) Der
seitliche Hermaphrodismus, wenn sich auf einer Seite der Hode,
auf der anderen der Eierstock befindet. B) Transversaler
Hermaphrodismus, wenn sich innerlich die Organe des einen
Geschlechts, äusserlich die des anderen befinden. Dazu kommt
das männliche oder weibliche Attribut, je nachdem äusserlich
das eine oder andere Geschlecht erscheint. Zweites Genus:
Pseudo-Hermaphrodismus. A) Wenn ein Männchen grosse Brust-
drüsen aufweist (Pseudo-megalomasthus). B) Für Männchen
mit kleinem Penis (Pseudo - microphallus). C) Für Männchen
mit offener Urethra (Pseudo - hypospadic^s). D) Weiblicher
Androgyne (innerlich weiblicher Hermaphrodit mit Ovarien,
äusserlich mit Hoden).
Zuerst bemerkte Isidore Geoffroy de St. Hilairei) daran
etwas Unzutreffendes und erklärte mit Recht, der Androgynus
von Gurlt gehöre nicht zu den Pseudo -Hermaphroditen, son-
dern zu den echten. Ohne weitere Irrtümer anzuführen, ver-
warf er dessen Anordnung und zog die von Meckel vor, deren
Titel er etwas veränderte. So nannte St. Hilaire die Ord-
nungen Klassen und die Genera Ordnungen ; dann nahm er auch
Hermaphroditen an, die keine Vermehrung der Teile zeigen,
also ohne Überschuss der Zahl. Aber keiner der beiden Autoren
bemerkte, dass man bei Aufstellung einer Ordnung mit nur
negativem Charakter die verschiedensten, sowohl inneren als
äusseren Missbildungen darin unterbringen kann, wie es wirk-
^) Isid. Geoffroy de St. Hilaire, Histoire des anomalies de
rorganisation etc. Paris, 1836. Bruxelles, 1837, T. II, p. 36.
- 10 —
lieh geschehen ist. Gegen diesen Einwurf hatte sich St. Hilaire
teilweise geschützt, indem er den Hermaphrodismus definierte
als: die Vereinigung beider Geschlechter oder einiger ihrer
Charaktere in demselben Individuum, so dass er darin die Ver-
doppelung der wesentlichen und sekundären Teile, die den
Pseudo-Hermaphroditen zukommen, die schon Hall er und Gurlt
angenommen hatten, begriff. Diese Unterscheidung musste im
Geiste des französischen Teratologen entstehen, weil er die
Ideen seines Vaters (des berühmten Naturforschers Etienne)
über den Bau der Geschlechtsorgane angenommen und vervoll-
ständigt hatte, welche hier erwähnt zu werden verdienen und
die obige Unterscheidung erlaubten.
Da die Naturforscher gefunden hatten, dass die Geschlechts-
orgaue beider Geschlechter sich in Bezug auf ihre Funktionen
in mehrere Teile teilen lassen, so unterschied Etienne
Geoffroy Saint Hilaire i) einen inneren Eeproduktions- und
einen äusseren Kopulationsapparat, indem er hinzufügte, dass
beide verschiedenen Ursprungs seien und von einander unab-
hängig blieben; ja er nahm an, der äussere Apparat gehöre
der Haut an. Sein Sohn Isidore teilte den Apparat in drei
Abschnitte: 1. einen tiefen (Ovarien oder Hoden); 2. einen
mittleren (Gebärmutter oder Prostata und Samenbläschen); und
3. einen äusseren (Penis und Scrotum oder Clitoris und Vulva).
Das Komplement der zu den Abschnitten gehörenden Teile
wurde der Embryologie entnommen.
Trotz den in der ersten Klasse gefundenen und den viel
grösseren in der zweiten Klasse des Hermaphrodismus bemerk-
baren Hauptfehlern, die schon 18.44 von Carlo Cotta ange-
geben wurden 2), haben wir zu bemerken, dass viele Ordnungen
(von anderen Teratologen Genera und Spezies genannt) von
diesem Autor bedeutend verbessert worden sind, indem er bald
neue Beobachtungen hinzufügte, bald Ungenauigkeiten anderer
aufdeckte, bald sich passender Weise seiner grossen Gelehr-
samkeit bediente. Diese Vorzüge finden sich nicht nur in Be-
ziehung auf die Hermaphroditen, sondern in seinem ganzen
^) Etienne Geoffroy St. Hilaire, Philosophie anatomique. Paris,
1818. T. II, p. 361.
^) Carlo Cotta, Alcnne idee sull' ermafroditismo. Gazz. med. d.
Milano. Milano, 1844. T. III, p. 205.
— 11 —
Werke über die Anomalien und erklären es, warum dasselbe
von den lateinischen Eassen bevorzugt worden ist. Auch die
Verwandtschaft der Sprache erklärt es vielleicht, warum es
noch jetzt bei allen G-elegenheiten über einzelne Thatsachen zu
Eate gezogen wird. Aber diese Achtung genoss nicht seine
synthetische Disposition der Ordnungen, schon weil St. Hilaire
unbestimmte Titel vorzog, d. h. ohne einen den Klassen und
Ordnungen gemeinschaftlichen Charakter festzustellen. Dieses
Verfahren behielt er auch, wenn er auf besondere Umstände
einging, z. B. Hermaphrodit! mixti, Hermaphrodit! complexi,
Hermaphrodit! neutri, so dass auch die Franzosen diese Klassi-
fizierung verlassen haben.
Die wertvollen "Werke von Gurlt und Isidore Geoffroy
St. Hilaire blieben 40 Jahre lang ohne Nebenbuhler; doch
fehlte es nicht an einigen Besserungsversuchen, aber ohne
Nutzen für Taxonomie und selbst Teratogenese, ja in dieser
Hinsicht erfolgte ein Rückschritt. Man muss sich aber wundern,
dass August Förster, ein berühmter Schriftsteller, Verfasser
eines trefflichen Werkes über pathologische Anatomie i), den
Hermaphrodismus in eine einzige Gruppe unterbringen wollte,
d. h. unter die Verdoppelung sowohl der lateralen, als
der transversalen Geschlechtsdrüsen, und alle anderen Miss-
bildungen zu den Anomalien der einzelnen Organe stellte 2), so
dass er selbst Haller an Einfachheit übertraf. Unter denver-
fehlten Versuchen erwähnen wir noch den des Neapolitaners
De Crecchio^), den er in Bezug auf eine Frau veröffentlichte,
die Ovarien ohne Corpora lutea und äusserlich männliche
Charaktere ohne Hoden besass. Seine Einteilung ist etwas
reicher, als die von Förster, geht aber nicht über die von
Müller hinaus, ist ihr vielmehr ähnlich; aber dies konnte
ihren Fall nicht verhindern.
Unterdessen verbreitete die Embryologie viel Licht über
noch dunkle Punkte und vervollständigte einige unvollkommen
^) Ä. Förster (Würzburg), Handbuch der allgemeinen pathologischen
Anatomie. Leipzig, 1865.
2) Derselbe, Die Missbildungen des Menschen. Jena, 1861.
3)LuigideCrecchio. II Morgagni. Napoli, 1865. T. XIX, p. 43,
con tavole.
— 12 —
und ohne Anwendung gebliebene Entdeckungen. Eine von
diesen betraf die Wo Iff sehen Körper i), die Wolff selbst Ur-
nieren genannt hatte und die er 1759 — 1764 bekannt machte.
Da jetzt (ausser den Körpern) auch der Verlauf der dazu
gehörigen Kanäle bekannt ist, deren einziger Eeprasentant im
allgemeinen der Canalis deferens ist, verweisen wir den Leser
wegen der Einzelheiten auf die bezüglichen Abhandlungen.
Aber wir wollen sagen, dass die Teratologie seit langer Zeit
bemerkenswerte Thatsachen aufgewiesen hatte, die später als
unerklärlich bei Seite liegen blieben. Eine von diesen betraf
eine Beobachtung von Malpighi^), welcher im Jahre 1684
anomale Kanäle im Uterus einer Kuh fand. Diese Beobachtung
wurde erst 1826 wieder ans Licht gebracht von dem berühmten
Palletta^) und dann 1830 von Jacobson*), der die glückliche
Vermutung äusserte, diese Kanäle seien analog den Samen-
leitern. Nachher geriet die Beobachtung Malpighis wieder
in Vergessenheit, kam aber 1883 wieder zu Ehren, als Dohrns)
beimenschlichenEmbryonen von4 — 5 Monaten denGärtnerschen
und also auch den Malpighi sehen ähnliche Kanäle entdeckte
und erkannte, dass beide den Wo Iff sehen Kanälen entsprechen.
Dies ist dann bestätigt worden von Winkel^), Negrini^), und
Ferraresi^).
^) CasparFriedr. Wolff (Berlin), Theoria generationis. Halae, 1759.
Berlin, 1764. — Derselbe, De foriiiatione intestinorum. Novi Comment. Acad.
S. J. Petropolitani. T. XII— XIII, 1768-1769.
2) Marcello Malpiglii (Bologna, 1681), Letter to Dr. Spon (Lyon)
concerning the structure of the womb. Philos. transact. July 20, 1684, Numb. 161,
London, 1684. Vol. XIV, p. 630.
^) J. B. Fallet ta, Exercitationes pathologicae, P. IL Mcdiolani, 1826.
Praefatio, p. 7.
^) Ludwig Jacobson (Kopenhagen), Die Okenschen Körper oder
die Primordialnieren. Kopenhagen, 1830. S. 16.
^) A. Dohrn, Über Gärtnersche Gänge beim Weibe. Arch. f. Gynäkol.
Berlin, 1883. Bd. XXI, Heft 2, S. 328—345. Jahresbericht für 1883, Bd. II,
S. 382 (12).
6) F. Winkel, Die Frauenkrankheiten. Leipzig, 1886. S. 104.
'^) F. Negrini, (Scuola veterinaria di Parma.) Contributo all' anatomia
dei canali di Malpighi, detti di Gärtner, nella vacca. Parma, 1896. Con due
tavole. — Monitore zoologico italiano. Firenze, 1896. Anno VII, No. 12,
p. 285. Gute Arbeit.
^) C. Ferraresi, Canali di Gärtner o di Malpighi? Atti della soc.
ital. di Ostetr. e ginecol. Borna, 1897. V. III, p. 207.
— 13 —
Man darf nicht verschweigen, dass vor Dohrn schon 1822
der Däne Gärtner i) ebenfalls bei der Kuh und bei der Sau
anomale Kanäle fand, ohne die von Malpighi gesehenen zu er-
wähnen, und dennoch fahren noch Jetzt einige Autoren fort,
sie die Gärtn ersehen Kanäle zu nennen, darunter Gustav
Klein aus München. Aber wir wollen uns jetzt nicht weiter
hierüber verbreiten, da wir darauf zurückkommen müssen,
wenn wir von dem weiblichen Pseudo-Hermaphrodismus handeln
werden. Jetzt gehen wir zu der zweiten Entdeckung über, die
Johannes Müller angehört und im Jahre 1830 publiziert
wurdet).
Dieser hat, wie bekannt, die Bildungsweise der inneren
weiblichen Genitalien entdeckt und deren Anomalien erklärt.
Aber auch hier giebt es noch einen fraglichen Punkt von
einigem teratologischen Interesse, nämlich: wo endigen die
Müller sehen Kanäle beim Weibe? Man hat immer geglaubt,
dass sie sowohl die Trompeten, als den Uterus und die Vagina
bilden, aber im Jahre 1891 hat Nagel 3) behauptet, dass die
Vagina nicht von den Müllerschen, sondern von den Wolff-
schen Kanälen abstammt, weil die letzteren den Sinus urogeni-
talis nahe an dem Epithel- Vorsprung erreichen, der aus dem
Müllerschen Kanäle hervorkommt. Diese Meinung ist neuer-
^) H. Gärtner (Kopenhagen), Anatomisk Beskrivelse over et ved nogle
dyr-arters Uterus undersögt glandulost Organ. Kjobenhavn, 1822. Von
G. Meckel zitiertes Werk: Zur Morphologie der Harn- und Geschlechtsorgane
der Wirbeltiere. Halle, 1848. S. 40. Dieses Werkchen ist ganz unbekannt
und wird nicht einmal angeführt in der Bibliographie von Callisen und
Wilhelm, noch in der vonKölliker, denn dieser erwähnte in seiner Em-
bryologie von 1879 wohl Jacobson über die Bedeutung der Kanäle, aber
nicht die Stelle, wo Gärtner sie beschrieben hat. In Italien wurde diese
Beschreibung nur bekannt durch einen Brief des Dänen Scoenberg an
den Estensore degli annali universali di medicina. Milano, 1826. Vol. XXXVII,
p. 513. Sobald die Beobachtung Gärtners in den genannten Annalen ver-
öffentlicht war, druckte Palletta in der Vorrede seiner Exercitationes :
Quae de novo organo in brutorum matricibus vidit cl. Gärtner amplissime,
et distinctissime explicata reperiuntur a Mar cell o Malpighi o in epistola
ad Sponium.
^) J. Müller (Coblenz), Bildungsgeschichte der Genitalien aus ana-
tomischen Untersuchungen des Menschen. Düsseldorf, 1830. 4^.
^) W. Nagel, Über die Entwickelung des Uterus und der Vagina
beim Menschen. Arch. f. mikr. Anat. Bonn, 1891. Bd. 37.
— 14 —
licli von Klein 1) widerlegt worden, und Kollmann2) sagt so-
gar, in der Nähe des Sinus urogenitalis (Vestibulum) erfüllten
die Pflasterzellen der Vagina den unteren Teil derselben und
bildeten ausserdem einen Vorsprung, der in den oberen Teil des
genannten Sinus einmünde.
Die Auffindung der Müll ersehen Gänge führte zur Kennt-
nis des Ursprungs des Sinus pecularis prostatae, der von Mor-
gagni 1762 entdeckt und dann von vielen anderen bestätigt
wurdet). Wir können jedoch nicht feststellen, ob die Annäherung
der beiden Dinge dem Engländer Guthrie gehört, oder späteren
Anatomen; jedenfalls ist die direkte Beziehung festgestellt und
noch neuerlich von Tourneux bestätigt*), welcher sagt, das
Prostata-Bläschen sei beim menschlichen Embryo homolog bald
der Scheide, bald dem unteren Teile des Uterus, und in diesem
^) G. Klein, Cyste des W o 1 f f sehen Ganges. Zeitsclir. für Gebli.
und Gynäk. 1890, Bd. 18.
^) Kollmann, Entwickelungsgeschiclite. Jena, 1898. S. 428.
^) G. B. Morgagni, Adversaria anatomica IV, p. 110. Animad-
versio III. Venetiis 1762. Er beschreibt genau den Sinus pecularis pro-
statae, den er in 15 Fällen 12 mal fand. — E. H. W e b e r , Annotationes
anatomicae et physiologicae. Prolusio. Lips. 1826. Prolusio I, p. 4. —
Ders. Zusätze zu der Lehre vom Bau und den Verrichtungen der Geschlechts-
organe. Leipz. 1866. M. 9 Tafeln. — Er nannte unpassend das Prostata-
Bläschen den männlichen Uterus. — G. J. Guthrie, Ou the anatomy and
diseases of the nech of the bladder and the Urethra. London 1834. 8*^.
Sinus pecularis von Guthrie. — E. Huschkle, Eingeweidelehre und
Sinnesorgane. In der Anatomie, herausgegeben von K.Wagner. 2. Aufl..
Leipzig 1844. — Encyclopedie anatomique (trad. de l'ällem. par L. Jour-
dan. Paris 1845. T. V, p. 379 — 80. — Mayer, Über den sogenannten
Uterus masculinus. Klin. Monatsschr. für prakt. Ärzte. Köln, 1847, S. 165
bis 168. — J. vanDeen, Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des Menschen
und der Säugetiere mit besonderer Berücksichtigung des Uterus masculinus.
Leipzig 1849. 8°. — P r e d. W a h 1 g r e n. Über Uterus masculinus (W eher)
beim Menschen und bei den Säugetieren. Tafel IX. — Müller, S. J. Archiv.
Berlin 1849, S. 686. Mit Bibliographie. — John Adams, Utriculus pro-
staticus. The Cyclopaedia of Anat. and Physiology (Rober, Podd.) Lon-
don 1849. Vol. IV, p. 151. — N. Eüdinger, Zur Anatomie der Prostata,
des Uterus masculinus und Ductus ejaculatorii beim Menschen. München,
1883. 40.
^) F. Tourneux, Note sur le developpement du vagin male chez le
foetus humain. Comptes rend. hebdom. de la Soc. de Biol. 1887. Ser. VIII,
T. IV, No. 22, p. 812. Diese Angabe wird durch folgende verbessert: Rev.
biol. du Nord de la France, Lille, 1889, T. I, p. 212.
— 15 —
Falle trage es ein nicht geschichtetes Cylinderepithel. Daraus
haben die Teratologen geschlossen, seine Neubildungen könne
man als Anomalien der Müllerschen Gänge betrachten.
Dies waren nicht die einzigen Dienste, welche durch die
beiden genannten Entdeckungen der anatomischen Wissenschaft
und der Teratologie geleistet wurden. Man rauss andere
wichtige Entdeckungen hinzufügen, vor allem die gleichzeitige
Entwickelung der Gänge von Wolff und Müller bei demselben
Individuum, so dass die tierischen Embryonen in dieser Be-
ziehung Hermaphroditen sind. Diese Thatsache überschreitet
die Voraussicht Isidore Geoffroy St. Hilaires, in Bezug
auf die Gegenwart eines mittleren Segments der Geschlechts-
organe, da er nicht vermuten konnte, dass die genannten Organe
nicht nur wirklich vorhanden, sondern auch bisexuell seien.
Ebenso wichtig für die Embryologie war die Kenntnis der
Atrophie, worauf das physiologische Verschwinden eines Paares
der genannten Geschlechtsgänge folgte, während das andere.
Paar sich vervollständigt, um das dauernde Geschlecht zu
bilden. Zu diesen Kenntnissen kommt noch eine andere ebenso
wichtige für die Teratologie, dass nämlich ein Teil der zum
Verschwinden bestimmten Gänge einen Stillstand der Ent-
wickelung erfährt, und dies erklärt verschiedene Anomalien
und verschiedene Produktionen, die wir in der Kürze aufzählen
werden. Aber wir wollen schon jetzt sagen, dass diese Er-
scheinung die früher vorgeschlagene Trennung des Hermaphro-
dismus mit Vermehrung der Teile und desjenigen ohne Ver-
mehrung untauglich macht.
Endlich haben die genannten Entdeckungen unter Hinzu-
fügung der Kenntnisse über die Phasen der Entwickelung der
äusseren männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane erlaubt,
die anatomischen Formen auf fester Grundlage zusammenzu-
stellen und das alte Verlangen nach einer rationellen und ver-
hältnismässigen Einteilung zu erfüllen. Der, welcher dieses
Ziel erreichte, war im Jahre 1876 Klebs, der seine patho-
logische Anatomie mit einem meisterhaften Kapitel bereicherte i),
das dann durch tüchtige Teratologen illustriert wurde, wie
^) Edwin Klebs (Prag), Handbuch der pathologischen Anatomie,
Berlin, 1876. Bd. 1, Abt. 2, S. 736.
— 16 —
Ahlfeldi), Herrmann^) und Marchaiid^), und diese Ein-
teilung erreicht das Ende des Jahrhunderts, ohne dass ihr
Nebenbuhler erstanden wären ; nur Zusätze von geringer Wichtig-
keit sind gemacht worden.
Klebs ging, ohne es zu wissen, von demselben Stand-
punkte aus, wie der Florentiner Lippi, dass nämlich der echte
Hermaphrodismus beiderlei Geschlechtsdrüsen besitzen müsse.
Dies führte ihn dahin, dass er falsche oder Pseudo-Hermaphro-
diten alle anderen Fälle nannte, die Charaktere oder das Aus-
sehen von doppeltem Geschlecht haben, ohne dass ihre Ge-
schlechtsdrüsen doppelt sind. Nach Annahme dieses Unter-
schiedes fügt der Autor einen anderen hinzu in Bezug auf die
Pseudo- Hermaphroditen, je nachdem ein Hode vorhanden ist,
der das männliche Geschlecht ausmacht, oder ein Eierstock,
der das weibliche darstellt, und dann teilt er jedes dieser beiden
Genera in drei Spezies. Wir aber verweisen auf folgende
Übersicht, welche eine Zusammenfassung der Klebs sehen ist,
um die Spezies selbst verständlicher zu machen, und behalten uns
vor, weitere Aufklärungen zu geben, nachdem wir unsere Zu-
sätze gerechtfertigt haben werden.
Anordnung von Klebs, zusammengefasst.
I. Echter Hermaphrodismus.
Die Gegenwart der Drüsen beider Geschlechter
bei demselben Individuum.
A) Echter, bilateraler Hermaphrodismus.
Auf beiden Seiten ein Hode und ein Ovarium.
B) Echter, unilateraler Hermaphrodismus.
Auf einer Seite ein Ovarium und ein Hode, auf
der anderen ein Ovarium und ein Hode.
C) Lateraler (alternierender Hermaphrodismus).
Auf einer Seite ein Hode, auf der anderen ein
Ovarium.
^) F. Ahlfeld, Die Missbildungen des Menschen, 2. Abschn. Leipzig,
1880. S. 243.
^) G. Herrmann, Hermaphroditisme. Diction. encyclop. Paris, 1888.
T. III, p. 617.
^) F. Marchand, Die Misshildungen. Realencyclop. der ges. Heilk.
Wien und Leipzig, 1897. S. 145.
— 17 —
II. Pseudo-Hermaphrodismus (Hermaphrodismus spurius).
Verdoppelung des äusseren Geschlechtsapparates
mit einer einzigen Geschlechtsdrüse.
A) Männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Gegenwart der Hoden und deutliche Ent Wickelung
der weiblichen Geschlechtsteile.
1. Innerer männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Prostata mit Uterus masculinus.
2. Äusserer und innerer männlicher Pseudo-Hermaphro-
dismus.
Uterus masculinus mit Tuben; Harnapparat ge-
trennt von dem uterinen.
3. Äusserer männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Äussere Genitalien ähnlich den männlichen, be-
nachbart den weiblichen Teilen. — Allgemeiner
Habitus weiblich.
B) Weiblicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Vorhandensein der Ovarien. Fortbestehen der
männlichen Geschlechtsteile.
1. Innerer weiblicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Eine fallopische Trompete in der Nähe des Ductus
deferens.
2. Äusserer weiblicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Äussere Genitalien ähnlich den weiblichen, in der
Nähe der männlichen Charaktere.
3. Äusserer und innerer weiblicher Pseudo-Hermaphro-
dismus.
Äussere Genitalien und ein Teil der Conductus
sexuales männlich.
Bei Untersuchung einer grossen Zahl von Beobachtungen
bemerkten wir bald, dass auch diese bewundernswürdige Ein-
teilung fehlerhaft ist, denn sie betrachtet nur zwei Abschnitte
des Geschlechtsapparats (nämlich den oberen, oder drüsigen
und den mittleren, den wir den excretorischen nennen) und
nicht den unteren oder äusseren Abschnitt, von G. St. Hilaire
der kopulatorische benannt. Es ist jedoch wahr, dass Klebs
die Alterationen dieses Abschnitts zusammen mit dem Pseudo-
Hermaphrodismus des zweiten beschrieben hat, aber er ver-
zichtete darauf, unter den sexualen Verdoppelungen diejenigen
Taruffi, Hermaphrodismus. 2
— 18 —
Alterationen zu begreifen, die wir äussere Zeugungsorgane
nennen wollen, wenn sie nur im Widerspruch zu den benach-
barten Teilen oder zum Habitus des Körpers stehen.
Diese fehlerhafte Einteilung wurde von Ahlfeld nachge-
ahmt; es fehlte auch nicht an solchen, welche die Verdoppelung
der äusseren Geschlechtsorgane wieder zu Ehren brachten, in-
dem sie sie entweder unter den anderen Formen des Herma-
phrodismus unterbrachten, oder als autochthon betrachteten.
Neuerlich (1890) hat der Chirurg Pozzi solche Missbildungen
beschrieben uod teilweise Hermaphrodismen genannt i), aber als
er die Spezies charakterisieren wollte, sowie bei Angabe des
Hauptcharakters, fehlte es auch ihm an Übersicht. Es ist je-
doch richtig, dass viele Beobachtungen nicht brauchbar sind,
um die Einteilung aufzubauen, weil bei der bloss klinischen
Untersuchung bald das Greschlecht ungewiss bleibt, bald die
inneren Zustände nicht erkannt werden. Aber es giebt noch
viele Fälle, bei denen die Charaktere hinreichend deutlich sind,
um eine gute Einordnung erhoffen zu lassen.
Der Mangel, den wir bei der Anordnung von Klebs be-
merkt haben, besteht nicht nur in der Auslassung der äusseren
Missbildungen, wenn sie autochthon sind, sondern auch der
sich auf den persönlichen Habitus beziehenden Anomalien, also
einiger geschlechtlichen Charaktere des Körpers, mit oder ohne
Alteration der eigentlichen Geschlechtsorgane. Allen Anatomen
sind die Gestaltverschiedenheiten des menschlichen Körpers je
nach dem Geschlecht und besonders in Beziehung auf den Kopf
bekannt (Bartels) '), und jedermann hat schon riesengrosse
oder andere männliche Formen zeigende Frauen und Männer
mit weiblichen Charakteren angetroffen. Diese und mehrere
andere ähnliche Erscheinungen sind wenig untersucht und noch
in keinem Zweige der Biologie untergebracht worden. Aber
auch diese rechnen wir zum Pseudo-Hermaphrodismus und
nennen ihn den äusseren, um ihn nicht mit jenem zu verwechseln,
den wir den der äusseren Geschlechtsorgane genannt haben.
Zu dieser Gruppe von äusseren geschlechtlichen Missbil-
dungen fügen wir die wenigen in den Annalen der Wissenschaft
') G. Pozzi, De FErmaphroditisme. Gaz. hebdomat. 1890. No. 30,
p. 351.
— 19 —
verzeichneten Fälle hinzu, bei denen (ausser den normalen G-e-
schlechtsteilen) dasselbe Individuum äussere Geschlechtsteile
des anderen Geschlechts in einer entfernten Gegend aufwies;
daher sei es uns erlaubt, ein neues Genus einzuführen unter
dem Titel: Heterotyper Pseudo-Hermaphrodismus. Endlich er-
innern wir daran, dass Krafft-Ebing^^ das Gebiet des Herm-
aphrodismus erweitert und in das der Psychologie übergeleitet
hat. Er hat Fälle von offenbarem Kontrast zwischen dem Ge-
schlechtsinstinkte und der Beschaffenheit der Zeugungsorgane
angeführt und damit den Weg zu neuen und sehr schwierigen
Fragen eröffnet, welche die Aufgabe der gegenwärtigen Arbeit,
ja die der Anatomie überschreiten. Es ist jetzt Zeit, dass die
Physiologen untersuchen, ob der Geschlechtsinstinkt ein Nerven-
centrum besitzt, das von dem der Sensibilität der Geschlechts-
organe verschieden ist, und ob das erstere von der "Wirkung
dieser Organe getrennte Impulse haben kann, oder ob ver-
schiedene, einander widersprechende Erscheinungen durch ein
einziges Nervencentrum vermittelt werden können.
Ehe wir jedoch unsere Anordnung vortragen und einige
Erklärungen über die einzelnen Genera und Spezies hinzufügen,
müssen wir bemerken, dass sich zwischen den von Klebs an-
geführten Fällen und denen, die wir in unseren Noten auf-
zählen werden, bedeutende Unterschiede vorfinden, die uns
nötigen, einen Unterschied aufzustellen, der sich auf einen zwar
allgemeinen Umstand gründet, der aber doch ebenfalls Aus-
nahmen erleidet. Die von Klebs gesammelten Beobachtungen
sind alle von der Sektion begleitet, so dass man sie in ana-
tomischer Beziehung als vollständig und als von grossem
wissenschaftlichem Werte betrachten muss. Dagegen betreffen
die von uns in der Beilage zusammengestellten Beobachtungen
äussere Alterationen der Geschlechtsorgane, die nicht zum
Tode führten und daher nicht durch die Sektion erläutert
worden sind. Daher fehlt die sichere Angabe, ob geschlecht-
liche Anomalien in den beiden inneren Abschnitten vorhanden
^) P. Bartels, Über Geschlechtsunterschiede am Schädel. Inaug.-
Dissert. Berlin, 1897. Jahresbericht für 1897, Bd. I, S. 8. Daselbst hat
Krause einen ausführlichen Bericht erstattet.
2) Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis, eine klinisch-forensische
Studie. 8». Graz, 1886—1887. Traduz. ital. Torino, 1890.
2*
— 20 —
waren, und daneben fehlen auch andere Angaben, wenn das
Individuum die Pubertät noch nicht erreicht hatte i). Dennoch
trifft man oft Beobachtungen mit äusseren Charakteren, die
sich bestimmen und einordnen lassen und von grosser klinischer
Wichtigkeit sind, wie wir seiner Zeit sehen werden. Daher
haben wir sowohl den echten, als den falschen Hermaphrodis-
mus in zwei grosse Gruppen geteilt, 1. in den anatomischen
Hermaphrodismus und 2. in den klinischenPseudo-Herm-
aphrodismus.
^) Nach der Pubertät pflegen die Hoden in das Scrotum herabzusteigen,
bisweilen auch die Ovarien, aber dann ist die Diagnose zweifelhaft und kann
erst sicher werden durch Blosslegung der Drüsen nach dem System Porros.
— 21
Der anatomische Herrn aphrodisnms.
I. Hermaphrodismus der spezifischen Greschlechts-
drüsen (echter Hermaphrodismus);
a) l)eim Menschen,
b) bei Tieren.
II. Hermaphrodismus der aplasischen Geschlechts-
drüsen (atrophischer oder neutraler Hermaphrodismus).
III. Pseudo-Hermaphrodismus.
A) Männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
a) Fortbestehen der Müll er sehen Kanäle,
b) Äusseres weibliches Aussehen.
B) Weiblicher Pseudo-Hermaphrodismus.
a) Fortbestehen der Wo Iff sehen Kanäle.
C) Männlicher und weiblicher Pseudo-Hermaphrodismus
bei Tieren.
Der klinische Hermaphrodismus.
I. Äusserer Pseudo-Hermaphrodismus.
Oschio-schisis,
Perinär-scrotale Hypospadie,
Gynäcomastie,
l Femininismus.
B) Bei dem Weibe.
IL Heterotopischer Pseudo-Hermaphrodismus (Ta-
ruffi).
III. Psychischer Hermaphrodismus (Krafft-Ebing).
IV. Geschlecht zweifelhaft.
A) Beim Lebenden.
B) Nach der Pubertät beurteilt.
A) Beim Manne
Erster Teil.
Der anatomische Hermaphrodismus.
I. Hermaphrodismus der spezifischen
Geschlechtsdrüsen.
Diese Art wird von Klebs echter Hermaplirodismus ge-
nannt, und mnfasst nur die geschlechtUche Verdoppelung der
Zeugungsdrüsen. Diese Beschränkung ist ohne Zweifel richtig,
insofern eben die Drüsen die wesentlichen Organe der Zeugung
sind, und ihre Verdoppelung nicht die vollständige und gleich-
zeitige Entwickelung der Wolffschen und Müllerschen Or-
gane voraussetzt, und ebensowenig die Verdoppelung der
äusseren Organe. Da wir jedoch die allgemeine und noch ge-
bräuchliche Bedeutung des Wortes „Hermaphrodit" beibehalten
wollen, also des doppelten Geschlechts i), ziehen wir vor, das zu
bestimmen, was verdoppelt ist und das zu verschweigen, was
es nicht ist; daher nennen wir dieses Genus Hermaphrodismus
der Drüsen. Was dann die von uns hinzugefügte spezifizierte Be-
nennung betrifft, so werden wir sie erklären, wenn wir von
dem zweiten Genus, dem Hermaphrodismus der aplasischen
Drüsen sprechen.
^) Suidas, Lexicon graece et latine. Tomus prior. Pars altera. Halis
et BruEsvigae, 1853. p. 523. Hermaphroditum appellant vel eum, qui sexus
est ambigui, vel eum, qui turpia facit et agit. Diese beiden Definitionen,
die von historischer Wichtigkeit sind, genügen nicht den gegenwärtigen Be-
dürfnissen, denn die erste, das Geschlecht sei ungewiss, erklärt nicht, wo-
rin anatomisch die Ungewissheit besteht, und die zweite drückt bloss eine
Punktion aus, nicht einen physischen Zustand.
— 23 —
Keine Veränderung führen wir ein in der Anordnung der
von Klebs aufgestellten Spezies, wir trennen nur einige Fälle
ab, in denen die Geschlechtsdrüsen nicht zur Reife gelangt, oder
nicht erschienen Avaren und stellen sie zum nächsten Genus.
Übrigens haben wir unter 27 von uns beim Menschen und 25
bei Tieren gesammelten Beobachtungen i) vorgezogen, keine
Änderung an der hier angeführten Anordnung zu machen.
A) Echter bilateraler Hermaphrodismus.
Wenn sich auf beiden Seiten ein Hode und ein Eier-
stock findet. ■
B) Echter unilateraler Hermaphrodismus.
AVenn sich auf einer Seite nur ein Hode oder ein
Ovarium, und auf der anderen zwar ein Hode, aber
zugleich ein Ovarium findet (Bannon, Beob. 13).
C). Echter lateraler (alternierender Hermaphrodismus).
"Wenn sich auf einer Seite ein Hode, auf der anderen
ein Ovarium findet (die häufigste Spezies).
Es ist ziemlich schwer, die Häufigkeit der Drüsen-Herm-
aphroditen sowohl beim Menschen, als bei den Tieren festzu-
stellen, weil es schwer ist, die bezüglichen Beobachtungen
kennen zu lernen und sich zu verschaffen, vielleicht auch weil
die Beobachtungen selbst nicht genügend sind, um das Genus
des Hermaphrodismus zu bestimmen. Denn wenn wir die ein-
zelnen Fälle einer richtigen Kritik unterwerfen, müssen wir selbst
die in Note 1 angegebene Zahl vermindern, um so mehr, wenn wir
Jedesmal mikroskopische Untersuchung verlangen, ohne den an-
deren Angaben Wichtigkeit beizulegen. Ahlf eld^) verlangte z. B.,
dass man diejenigen Fälle für zweifelhaft erkläre, bei denen
sich eine Drüse in der Nähe eines Ovariums befindet, denn statt
eines Hoden könnte sie ein doppeltes Ovarium darstellen. Mit
solcher analytischen Strenge gelangt man aber nicht dahin, den
Drüsen - Hermaphrodismus (s. Beob. 20, 87 u. 41 der Note 1)
^) Siehe das Ende der Note 1. Die Zahl von 47 Fällen wird auf 46
reduziert, weil die Beob. 28 vonBedinelli abzuziehen ist, indem der
Ziegenbock wahrscheinlich eine männliche Pseudo-Hermaphroditose hatte.
-) Fr. Ahlfeld, Die Missbildungen des Menschen. Leipzig, 1880.
S. 128. Der Verf. hat die angeführte Schwierigkeit der Beobachtung von
B a r k 0 w (Op. 12) entnommen, welche in der That den obigen Zweifel nicht
aufkommen lassen konnte.
— 24 —
zu leugnen, obgleich man zugeben muss, dass beim Menschen i)
wie bei den Säugetieren die Erscheinung ziemlich selten ist,
und, wieAvicenna sagte^), selten bestätigt wird, „sed in hoc
parum verificatio accidit."
Aber das Urteil über die Natur der verdoppelten Drüsen
ist nicht immer leicht, denn bisweilen haben sie die spezifischen
Charaktere nicht erreicht, so dass die Geschlechter zweifelhaft
bleiben, und dies hat uns gezwungen, ein zweites Genus von
echten Hermaphroditen aufzustellen, das wir dasjenige mit apla-
sischen Drüsen nennen wollen, und wir fügen dem gegenwärtigen
Genus das Beiwort „spezifische Drüsen" hinzu. Aber bald wer-
den wir bemerken, dass auch bei diesem Genus eine der
beiden Drüsen unreif sein kann, und die erste uns bekannte
Thatsache geht bis zum Anfang des Jahrhunderts zurück und
gehört Hufeland^). Sie bezieht sich auf eine deutsche Frau,
Namens Maria Dorothea Derrier; der zweite Fall wurde von
Berthold*) im Jahre 1844 beschrieben, und dann weitere Fälle
von anderen.
Maria Dorothea war von kleiner Gestalt, zarter Konstitu-
tion, schwacher Stimme, ohne Bart, mit männlicher Brust und
weiblichem Becken. Bis zum Alter von 25 Jahren hatte sie
niemals geschlechtliche Neigungen gespürt und bewahrte ihre
weibliche Schamhaftigkeit. Sie war ziemlich regelmässiger
Menstruation unterworfen (der Ort des Austritts wird nicht ge-
nannt, vielleicht aus der Urethra). Sie hatte einen an der
Spitze nicht durchbohrten Penis, mit Hypospadie an der
Wurzel, und von der Öffnung der Urethra hingen die beiden
grossen Labia herab, während die kleinen fehlten. Nach diesen
wenigen Angaben urteilten Hufeland und mehrere Kollegen,
es handele sich um ein Weib, während andere sie für einen
Mann erklärten. Vorsichtiger war Isidore Geoffroy
St. Hilaire^), der das Geschlecht für sehr zweifelhaft erklärte.
^) Die von uns gesammelten, teils bewiesenen, teils wahrscheinlichen
Fälle heim Menschen betragen 21. S., Note 1, p. IV.
^) Wir haben diese Stelle in zwei Ausgaben des Avicenna, die wir
durchsuchten, nicht finden können.
3) C. W.Hufcland, Journ. d. prakt. Arzneik. etc. Bd. IX, No. 3, S. 670.
4 Siehe Ende der Note 1, Beob. 9.
^) Isidore Geoffroy S t. Hilaire, Des anomalies. Hermaphro-
dites neutres. Paris, 1836. T. II, Cp. 3.
— 25 —
Die Frau starb, 60 Jahre alt, im Jahre 1835 und Mayer (s. am Ende
der Note la, Beob. 8) hat uns mitgeteilt, dass sie einen nicht durch-
bohrten Uterus besass, mit einem Hoden rechts und einer apla-
sischen Drüse links, die einem Ovarium ähnelte. Daher kann mau
jetzt behaupten, dass sie ein echter männlicher Hermaphrodit
war, aber nur zum Teil bestimmt. Diese Art des Baues der
Drüsen wird von Marchand i) für verhältnismässig häufig
erklärt, was auch unseren Beobachtungen entspricht.
Indem wir zu den sekundären Charakteren des Drüsen-
Hermaphrodismus übergehen, wollen wir zugeben, dass seine
Gegenwart nicht immer die gleichzeitige Entwickelung der
Wolffschen und Müllerschen Kanäle (mittlerer Abschnitt)
bedingt, aber dass auch nicht immer die regelmässige Rück-
bildung des einen der beiden erfolgt, so dass einer oder beide
verschiedene Mängel zeigen. Der gewöhnlichste Zustand wird
von Marchand angeführt und betrifft die Müllerschen Kanäle,
denn es ist eine Thatsache, dass der Uterus bald vollständig,
bald zweihörnig ist, während die Scheide beschränkt ist und
in den Samengang ausläuft. In einem Falle fand Schmorl
die Vagina fehlend (Beob. 25, Note la). In Bezug auf die
Wolffschen Kanäle ist verhältnismässig häufig Fehlen des
Ductus deferens bemerkt worden.
Es ist ziemlich leicht, die Alterationen des äusseren Ab-
schnitts festzustellen, obgleich auch diese unbeständig sind.
Die gewöhnlichste ist die Hypospadie, mit oder ohne Zwei-
teilung des Scrotums (Beob. 3, 4, 9, 10, 11, 12, 15, 20, 22,
Note la). Man bemerkt ferner, dass diese Zweiteilung ohne
Hypospadie stattfindet (Beob. 2, 7, Note la) und auch fehlen
kann, indem der Sinus urogenitalis durchgängig ist. Einmal
hat man Ecstrophia vesicae gesehen (Beob. 23, Note la), so-
wie Teilung des Penis (Beob. 8, Note la). Man begreift leicht,
dass alle diese Missbildungen die Befruchtung und oft auch
die Copula ganz unmöglich machen. Endlich übt der Drüsen-
Hermaphrodismus keinen Einfluss aus, um den vorwiegenden
Charakter des Habitus des Körpers festzustellen, denn dieser
hat gewöhnlich die Aufmerksamkeit der Beobachter nicht auf
1) F. Marchand, Die Missbildungen. Sep.-Abdr. aus der Keal-Eücy-
clop. der ges. Heilk. 1897, S. 145.
— 26 —
sich gezogen, und nur zweimal wurde weiblicher Habitus be-
merkt (Beob. 2 und 17, Note la) und viermal männlicher
(Beob. 13, 14, 21, 22, Note la).
Bei den Säugetieren scheint der echte Hermaphrodismus
nicht häufig zu seini) und zeigt keinen Unterschied von dem
beim Menschen in Bezug auf Anordnung der Drüsen, wie wir
oben bemerkten. Aber eine Ausnahme macht der Eber von
Pütz (Beob. 40, Note la), der auf einer Seite einen Hoden
und ein Ovarium und auf der anderen keines von beiden be-
sass. Wir bemerken, dass bei den Ebern der Hermaphrodismus
öfter vorgekommen ist, als bei anderen Tieren und dies wird
wichtig werden, wenn dieses Missverhältnis bestätigt wird
(s. das Ende der Note „bei den Tieren"). Wir hatten auch
angefangen, Beobachtungen an niederen Tieren zu sammeln,
indem wir die ganze zoologische Stufenleiter durchliefen, in
der Hoffnung, festzustellen, in welchem Verhältnis der Herm-
aphrodismus bei Batrachiern, Amphibien und Fischen zunähme
und ob er bei Kröten und in einigen G-eschlechtern der
Mollusken und* Würmer konstaut sei. Aber wir bemerkten
bald, dass diese Aufgabe zu schwer war und uns von anderen
Sorgen abzog, daher wir darauf verzichten mussten und hier
nur die wenigen bei Vögeln (Beob. 30, 39, Note la), bei Batra-
chiern (Beob. 45, 46, Note la) bei Amphibien 2), beim Sala-
mander (Beob. 198, Note 3a) 3) und bei Fischen (Beob. 33, 34,
38, Note la) anführen.
Ehe wir diesen Gegenstand verlassen, kommen wir auf
die von uns bevorzugte Einteilung zurück, die darin besteht,
dass wir die einzelnen Monstruositäten in ihre bezüglichen
Sitze im Tierkörper einordnen und nach anatomischer Ordnung
verteilen. Wir kommen darauf zurück, weil der Gegenstand
eine günstige Gelegenheit bietet, zu beweisen, dass der allge-
meine, einem Charakter des teratologi sehen Prozesses ent-
nommene Plan (wie er in der ersten Hälfte des Jahrhunderts
1) Wir haben 24 Fälle gesammelt (s. Note la, p. 4, B. Kote 3, p. XXIII
und folg. Beob. 150, 163, 180, 187 und 193 nach Abzug des Falles von
Bedinelli.
^) Spengel, Hermaphrodismus bei Amphibien, Centralbl. 1885, Bd. IV.
^) La Valette Saint-George, Zwitterbildung beim kleinen "Wasser-
molch (Salamandra). Arch. für mikr. Anat. 1895, Bd. XLV.
— 27 -
vorgezogen wurde) nicht taiiglicli ist, weil es nicht wahr ist,
dass alle Formen des Hermap hrodismus auf einem Übermass
oder einem Mangel des Wachstums beruhen (s. Meckel, S. 7
und Gurlt S. 8, 9), oder auch, wie Isidore Geoffroy de
St, Hilaire sagte, auf einem Übermass der Zahl der Teile, oder
nicht auf einem Übermass. Wir werden nicht wieder nachweisen,
dass diese letztere Unterscheidung schon an sich fehlerhaft ist,
sondern hier den Einwurf erwähnen, der uns von der Embryo-
logie der Geschlechtsorgane geliefert wird.
Diese Wissenschaft lehrt, dass das den Geschlechtskeim
bildende Epithel in den ersten Lebenstagen indifferent ist. So
erscheint bei einem Schafembryo die Keimfalte am 12. und
15. Tage, beim Hühnchen am 5. und 6. Tage, während man
beim menschlichen Embryo von 12 — 13 mm Länge in der 5.
oder 6. Woche unter dem Mikroskop die Natur des Geschlechts
unterscheidet; daraus folgt, dass der Keim in der ersten Zeit
seines Lebens hermaphroditisch ist. Diese jetzt unbezweifelt
dastehende Thatsache entkräftet die teratologische Lehre von
der Zahlvermehrung der Teile, sie führt vielmehr zu der An-
nahme, dass der Keim beim Hermaphrodismus bei der weiteren
Entwickelung seine Eigenschaften behält und Individuen her-
vorbringt, die mehr oder weniger an beiden Geschlechtern Teil
haben. Daher kann mau theoretisch sagen, dass ein Teil des
Keims nicht stillsteht, sondern fortfährt, sich zu entwickeln.
Es folgt ferner daraus, dass das Problem, wenn man die Terato-
genese der Drüsen-Hermaphroditen auf diese Weise erklärt, für
die Physiologen ziemlich schwierig wird (sie gebrauchen die
Vorsicht, es zu vermeiden), nämlich wie aus einem virtuell
bisexuellen Keime im allgemeinen unisexuelle Individuen ent-
stehen, wie ein Keim von indifferenter Struktur sich dann bald
in ein Männchen, bald in ein Weibchen verwandelt. Aber diese
Frage geht uns nichts an, sie gehört der Physiologie i).
^) Wer einige Ansichten hierüber kennen lernen will, ziehe K oll mann
zu Rat (Lehrb. der Entwickelungsgesch. des Menschen, Jena, 1898. S. 413,
welcher ausser seiner eigenen die Meinungen berühmter Autoren anführt.
Wir fügen hier die Ansicht Dareste's bei, der Keim bestehe aus zwei
Teilen, der eine sei bestimmt zur Hervorbringung des Männchens, der andere
zu der des Weibchens, mit dem Unterschiede, dass nur ein Teil sich normaler
Weise entwickelt. (Eecherches sur la production artificielle des mon-
IL Hermaphrodismus der aplasischen
Geschlechtsdrüsen.
(Atrophischer oder neutraler Hermaphrodismus.)
Man kann nicht zweifeln, dass zu allen Zeiten Fälle von
zweifelhaftem Geschlecht vorgekommen sind, aber die Nach-
richten sind spärlich und kaum angedeutet. Erst nach der
Renaissance der Wissenschaften begann man mit Veröffent-
lichungen, die in unserem Jahrhundert zunahmen, vorzüglich durch
Zuthun der Gerichtsärzte i). Wir haben schon indirekt angedeutet,
wie Ul planus vorschlug, in einem zweifelhaften Falle das
Geschlecht zu unterscheiden und fügen hinzu, dass Quin-
tilianus2) den neutralen Hermaphrodismus Genus epicoenum
nannte, d. h. wenn das Geschlecht unbestimmt ist: „promiscua,
quae epicoena dicuntur, in quibus sexus uterque per alterum
apparet: aut quae feminina positione mares aut neutrali si
feminas significant!"
Realdo Colombo änderte im Jahre 1558 die gebräuch-
liche Bedeutung des Wortes „neutraler Hermaphrodismus" und
gab ihm die Bedeutung von „Androgyn"; aber wenn man be-
denkt, dass diese Benennung zuerst keine bestimmte Bedeutung
hatte, und dass einige Neuere ihm die Charaktere der Indivi-
duen zugeteilt haben, welche die spezifischen Drüsen beider
Geschlechter besitzen (Ahlfeld), so erkennt man sogleich das
Unpassende der Erhaltung der Benennung „Androgyn". In der
That wurde weder vorher noch nachher die Neutralität auf
diese Weise betrachtet, und Donato Marcello^) nannte neu-
struosites. 2me edit. Paris, p. 549. Dieselbe Meinung äussert Marchand,
Die Missbildungen. Wien, 1897. S. 145.
1) Briand et Chaude, Manuel complet de medecine legale etc.
Paris, 1836 in 8*^. — Courty, Consultation medico-legale ä l'appuy d'une
demande en nullite de mariage. Montpellier medical, 1872, T. XXVIII, p. 473.
— A. Filippi (Firenze), Manuale di medicina legale. Milano, 1896. Vol. I,
p. 99, 2a ediz.
2) Fab. Quintilianus, De institutione oratoria. Augustae Tauri-
norum 1824, lib. 1, 4, 24.
2) Donato Marcello (Arzt in Mantua), De medica historia mirabili.
Mantova, 1688, Lib. VI.
— 29 -
tral so unvoUkommene Individuen, dass man sie weder für
Männer noch für Weiber erklären könnte. Der Pariser Dionis i)
nahm Individuen an, die weder Männer noch Weiber wären,
weil sie beiderlei Geschlechtsteile unvollkommen besässen, und
Marc nannte in seiner Klassifikation 2) neutralen Hermaphro-
dismus den Mangel eines ausgesprochenen Geschlechts; dazu
führte er einige Fälle von zweifelhaftem Geschlecht an.
Aber keiner dieser Autoren sagte, ob diese Unvollkommen-
heit sich nur auf die Prüfung der äusseren Teile gründete
(was wahrscheinlich ist), oder auf die der inneren, denn im
ersten Falle ist das Geschlecht zweifelhaft, weil positive Cha-
raktere von einem der beiden fehlen, während im zweiten die
erworbene Ungewissheit von viel grösserer wissenschaftlicher
Wichtigkeit ist. Endlich erhob sich Isidore Geoffroy Saint
Hilaire, der sich mit grosser Kunst in Allgemeinheiten be-
wegte und sagte, bei dem neutralen Genus ähnele der Ge-
schlechtsapparat weder genau dem männlichen, noch dem weib-
lichen Typus; und dieses finde nicht nur an den äusseren Or-
ganen statt, sondern auch an den inneren. Er bringt drei sehr
schöne Thatsachen, die wir sogleich erwähnen werden, denen
er jedoch keinen positiven Charakter entnahm; er verwechselte
die klinisch zweifelhaften Fälle mit denen, bei welchen anato-
misch das Geschlecht nicht aufgeklärt ist.
Die erste von dem französischen Teratologen angeführte
Beobachtung rührt von Everard Home her^), welcher eine
Hündin ohne Mammae und ohne Geschlechtsinstinkt untersuchte,
die eine sehr grosse Clitoris, eine solide Scheide und zwei un-
reife Geschlechtsdrüsen zeigte, an denen das Geschlecht nicht
erkennbar war. Diese Gelegenheit schien ihm geeignet, zu
erklären, der Zustand der Drüsen zeige den wesentlichen Cha-
rakter des neutralen Hermaphrodismus.
Die zweite Beobachtung rührt von Haller her^). Eine
Ziege hatte eine stark entwickelte, gekrümmte Clitoris, mit
1) Siehe p. 6.
2) Marc, De rhermaphroditisme. Diction. des sc. med. 1817. T. XXI,
p. 88.
^) Everard Home, s. Note la, Beob. 160.
*) A. H aller , Opera minora. T, II, p. 12. — Num dentur hermaphroditi.
Lausanne, 1767. Tab. III, Fig. 2. — Taruffi, Ermafroditismo , Note la,
Beob. 156.
— 30 —
einem darunterliegenden Spalt, ähnlich einer beschränkten Vulva.
Durch diesen gelangte man sowohl in die Blase, als in einen
sehr langen Kanal, ähnlich der Scheide, der zwischen Blase
und Eectum lag. Diese Scheide kommunizierte mit der Urethra,
hatte zur Seite zwei rudimentäre Samenbläschen und gabelte
sich nach oben, indem sie zwei Hörner bildete, ähnlich denen
des Uterus, welche in zwei wenig entwickelten Hoden endigten.
Da bei dieser Beobachtung die histologische Untersuchung der
angeblichen Hoden fehlt, kann man nicht sagen, ob sie zu dem
neutralen Hermaphrodismus gehört oder nicht.
Die dritte Beobachtung betrifft einen angeblichen Stier und
wurde im Jahre 1779 von Hunter gemacht^). Bei dem fünf-
jährigen Tiere waren Vulva und Clitoris denen einer Kuh
ähnlich. Die Vagina verengerte sich und endigte blind vor der
weiblichen Urethra; sie trug an den Seiten zwei Rudimente der
Samenbläschen. Die beiden Ductus deferentes näherten sich an
ihrem Ende so sehr, dass sie für den Uterus gehalten wurden;
sie waren solid und zeigten an ihrem vorderen Ende zwei un-
vollständige Hoden, die an der Stelle lagen, wo sich die Ovarien
zu befinden pflegen. Dieser Fall gehört sehr wahrscheinlich
zu den Pseudo- Hermaphroditen, bei denen die Eudimente der
weiblichen Organe zugleich mit den wesentlichen männlichen
vorhanden sind. Aber man kann nicht entscheiden, ob sie
in dem Grade aplasisch waren, dass sie einen neutralen Zu-
stand herstellten. Diese Schwierigkeit bestand nicht für Isi-
dore Gr. St. Hilaire, ihm genügte die Unvollkommenheit so-
wohl der äusseren, als der inneren Geschlechtsorgane.
Das Fehlen eines bestimmten Charakters und der sich darauf
beziehenden Beobachtungen hatte zur Folge, dass alle weiteren
Abhandlungen über Teratologie es unterliessen, von dem neu-
tralen Hermaphrodismus zu sprechen; aber im Jahre 1887 ver-
öffentlichte Polaillon^) die Geschichte eines Ehelosen von
31 Jahren, mit einigen Anomalien der äusseren Geschlechts-
teile, in dessen Leiche der Verfasser nirgends weder Hoden,
^) John Hunter, Account of Free Martin. Philos. transact. 1779,
T. LXIX, p. 285, mit Tafeln. Wir haben die Zusammenfassung der Be-
obachtung von Gurlt entnommen (Lehrb. der pathol. Anat. der Haussäuget
T. II, S. 186, par 135.
-) Polaillon, s. Note 2a, Beob. 8.
— 31 —
noch Samenbläschen, und ebensoweDig einen Uterus, Trompeten
oder Ovarien fand, weshalb er meinte, es handle sich um einen
neutralen Hermaphroditen. Wenn man diese Beobachtung für
richtig annimmt, und das Zusammentreffen des Fehlens der
Drüsen, die äusseren Missbildungen und die vollkommene Ab-
wesenheit der Wolf f sehen Gänge bedenkt, muss man jeden Zweifel
an der gestellten Diagnose ausschliessen. Man kann auch diese
Beobachtung nicht mit dem Fehlen der beiden Hoden, der
Samenbläschen und der Ductus deferentes vergleichen i). Eine
ähnliche Betrachtung wird Orth'^) angestellt haben, als er die-
selbe Beobachtung aufnahm und als dritte Spezies der Pseudo-
Hermaphrodismen von Klebs hinstellte, wobei er „anceps"
(zweifelhaft) hinzufügte. Doch wir halten es für nützlicher,
statt dieses Zweifels den wirklichen Charakter anzugeben, näm-
lich die Unreife der Drüsen.
Indem wir die klinischen Fälle vollkommen abtrennen, in
denen man nicht eine solche Diagnose hat aufstellen können,
bei der man den Hauptsitz und die Natur der Anomalie ge-
fanden hat, gehen wir zu der Untersuchung über, unter welchen
Umständen diese zweite Erscheinung zu stände kommt. Das
Auffallendste, das sogleich in die Augen springt, ist die Selten-
heit des Vorkommens, denn es ist uns nicht gelungen, mehr
als neun Fälle beim Menschen und drei bei Tieren aufzufinden :
einen sicheren (Home)undzwei wahrscheinliche (s. obenHaller
und Hunter). Es folgt ferner, dass trotz der Aplasie die
Autoren die Drüsen für weiblich erklärt haben, ausser Home,
der nicht wagte, sich auszusprechen und ausser Polaillon, der
weder Ovarien noch Hoden fand.
Die Müllerschen Gänge zeigen bisweilen bedeutende
Mängel. Jacoby und Walcker fanden den Uterus atrophisch,
mit oder ohne Atresie der Vulva (Beob. 6, 9, Note 2a), Gunckel
^) Kretschmar (1801). Siehe C. Taruffi, Intorno ad un feto
privo degli organi generativ!. Mem. della E. Acc. delle sc. del 1' Istit.
di Bologna, 1894. Ser. V, T. IV, p. 95, Beob. 4. — C arlo An s elmi,
Vedi C. Taruffi, Ermafroditismo, Mem. della E. Acc. delle sc. dell'
Istit. di Bologna, (Ser. 5, Tom. VII,) Note la, Beob. 161.
2) John Orth, Gröttingen. Missbildungen und Verwickelung des Ge-
schlechtscharakters. Lehrb. der spez. pathol. Anat. Bd. 2, Lief. 2, Berlin, 1891
fand ilin cavernös, vielleicM undurchgäügig (Beob. 7, Note 2a),
Hunt er sali ihn bei einer Kuh rudimentär und ebenfalls un-
durchgängig. Auch die Scheide ist bisweilen fehlerhaft; bald
ist sie am unteren Ende atrophisch (Beob. 1, Note 2a), bald
mündet sie in die Blase (Beob. 2, Note 2e) und bald setzt sie
sich an die Prostata an. In betreff der äusseren Geschlechts-
organe ist bemerkenswert, dass in sechs Fällen ein deutlicher
Penis vorhanden war; doch war er hier in einem Falle
rudimentär (Beob. 8, Note 2a) und in einem anderen mit Hypos-
padie kompliziert bis zur Wurzel. Aus diesen Charakteren
kann man schliessen, dass der Hermaphrodismus an den Drüsen
weiblich, äusserlich männlich war. Aber wenn die Autoren
sagen, es handle sich um Hypertrophie der Clitoris (Beob. 1,
6, Note 2a), ohne andere Einzelheiten hinzuzufügen, dann muss
sich die Kritik jedes Urteils enthalten, weil sie unfähig ist, die
Thatsache zu erklären, dass bei zwei Individuen der Körper-
habitus männlich war (Beob. 3, 6, Note 2a), ja im Falle von De
Crecchio sogar übermässige Neigung zur Weiblichkeit vorlag,,
während in aUen anderen Fällen zu Lebzeiten des Individuums
das weibliche Geschlecht niemals bezweifelt wurde.
Wenn die Zahl der Beobachtungen grösser wäre, könnte
man aus dem Gesagten schliessen, dass der aplasische Herm-
aphrodismus beider Drüsen nur bei den Weibern zustande
kommt (diese haben oft zu gleicher Zeit an einer Stelle die
Mülle rschen Kanäle, aber viel verbreiteter und häufiger ist
das Fehlen der Wolf f sehen), wie man auch schliessen könnte,
dass die Gegenwart des Penis der Eepräsentant des zweiten
Geschlechts sei, um den Hermaphrodismus zustande zu bringen.
Aber um solchen Charakteren eine wirkliche Wichtigkeit bei-
legen zu können, müsste die Zahl der Fälle viel grösser sein.
Auch müssen die neuen Beobachtungen vollständiger sein, denn
die Autoren haben im allgemeinen nicht nachgewiesen, dass
beide degenerierte Drüsen weiblich seien, denn wenn eine da-
von männlich wäre, würde es sich um echten Hermaphrodismus
handeln. Sonst muss man die Fälle für pseudohermaphroditisck
erklären, wie einige schon gethan haben.
33 —
III. Pseudo-Hermaphrodismus.
Wir haben schon gesagt, dass Haller die Benennung
„Herrn aphrodismus spurius" eingeführt (s. pag. 6) und G-urlt
sie in Pseudo-Hermaphrodismus übersetzt hat, indem er sie auf
vier geschlechtliche Missbildungen anwandte, bei denen sich
keine Verdoppelungs - Charaktere zeigten, die nur in einem
fünften Falle auftraten, den er Androgynus femininus nannte
(s. pag. 9). Daraus folgt, dass es ihm nicht gelang, die Unter-
schiede zwischen den verschiedenen Gruppen der geschlecht-
lichen Monstruositäten aufzufinden, und ebensowenig gelang dies
den vielen Nachfolgern des Meisters.
Wir haben ferner angegeben, dass Klebs zuletzt fest-
stellte, welche die echten Hermaphroditen, und, dass er durch
den anatomischen Befund der Drüsen beider Geschlechter leicht
darthat, welche die falschen sind, sowie dass es ihm mit Hilfe
der Embryologie gelang, die letzteren in zwei natürliche
Gruppen zu teilen, nämlich in männliche und weibliche. Dann
entnahm er die Charaktere der einen und der anderen den
Alterationen, die man bald in den Wolff sehen, bald in den
Müllerschen Gängen antraf, oder auch in beiden zugleich, oft
verbunden mit Missbildungen der äusseren Organe. Wir werden
diesem Plane, weil wir ihn für den zweckmässigsten halten,
sowie Herrmanni) und Marchand^) folgen, die noch einige
Verbesserungen daran eingeführt haben.
Wir haben ferner bemerkt, dass es in Bezug auf den Sitz und
die Zahl der Pseudo-Hermaphroditen noch andere Missbildungen
giebt, die in die neuen Klassifizierungen nicht aufgenommen
worden sind, die aber schon bekannt und bisweilen mit Gewalt
in die alten Synthesen eingeschlossen worden waren, während
sie nach unserer Meinung mit Recht zu den Pseudo-Herm-
aphroditen gehören. Dieses Eecht kommt ihnen darum zu, weil
die Geschlechtscharaktere sich nicht auf die schon erwähnten
Abschnitte beschränken, sondern sich über den ganzen Tier-
^) G. Herrmann, Dict. encyclop. des sc. medic. Paris, 1888. Ser. 4a,
Tom. 13, p. 609.
2) F. Marchand, (Marburg), Eeal-Encyclop. der ges. Heilk. 1892.
Die Missbildungen. S. 625.
Taruffi, Hermaphrodismus. 3
— 34 —
körper erstrecken, so dass sie, wenn sie bisweilen mit den vor-
hergehenden Charakteren nicht übereinstimmen, neue Genera
für den Hermap hrodismus bilden, und schon anfangen, anerkannt
zu werden. So hat Krafft-Ebing die mangelnde Ueberein-
stimmung der geschlechtlichen Instinkte mit der gewöhnlichen
Form der Zeugungsorgane psychischen Hermaphrodismus ge-
nannt und Schnelleri) nennt Pseudo- Hermaphrodismus das
Vorhandensein des Bartes bei einem Mädchen mit einigen
Missbildungen an den Geschlechtsteilen.
A. Männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
a) Mit Fortbestehen der Müllerschen Kanäle.
Die häufigste Anomalie des mittleren Abschnittes der Ge-
schlechtsorgane ist im Vergleich mit anderen ähnlichen die
Gegenwart eines mehr oder weniger entwickelten Bruchstücks
des Müllerschen Kanals bei einem Individuum von männlichem
Geschlecht. Obgleich diese Anomalie schon 1864 von Mal-
pighi beschrieben worden ist (s. p. 12) so wurde ihre Häufig-
keit erst 1869 von Arnold^) und dann 1884 durch die Studien
Eieders aufgeklärt. Dieser fand in einer Reihe von Unter-
suchungen an Leichen verschiedenen Alters die Eeste der Müller-
schen Gänge bei einem Sechstel derselben (Beob. 48, Note 3a).
Wir haben dann, ohne die Untersuchung dieser teratologischen
Beobachtungen über die gewöhnlichen Quellen auszudehnen,
69 Fälle gefunden (s. Note 3a), von denen wir nur bei 30
die Einzelheiten sammelten.
Den deutlichen, äusseren Charakter des männlichen Ge-
schlechts giebt die Gegenwart des Penis, oft von männlichem
Habitus begleitet 3). Die Ruthe ist jedoch nicht immer deut-
^) Ein Fall von Pseudo-Hermaphrodismus. Münchn. med. Wochensclir.
1894. No. 34. — Jahresbericht für 1894, Bd. I, S. 232.
2) J. Arnold (Heidelberg), Ein Fall von Uterus masculinus etc. Berlin,
1869. Virchows Archiv, Bd. 47, S. 7. Er sammelte 26 Fälle aus der
Litteratur.
3) Marchand bemerkt jedoch, dass das Wachstum der Kopf- und
Körperhaare oft dem der Frau gleichkommt, dass der Larynx weniger vor-
steht und dass die Brüste mit denen der Weiber wetteifern können.
— 35 —
lieh, denn unter den 50 angefülirten Fällen wurde sie nur
39 mal erkannt, ja in 10 Fällen wurde das GescMecht für
weiblich oder zweifelhaft erklärt. Aber die ausserordentlichste
Erscheinung findet sich bei dem von Gine beschriebenen
Manne (Beob. 43, Note 3a), welcher rechts einen Penis mit
Meatus urinarius und ein Scrotum mit einem Hoden besass,
links aber die Mündung der Scheide, die blind endigte, mit
Labium majus und minus einerseits, ohne Penis und ohne
Clitoris.
Ausser diesen Veränderungen finden sich noch andere,
welche die Urethra und am häufigsten denjenigen Teil der-
selben betreffen, der unter dem Penis verläuft. So wurde
unter 39 Fällen von männlichem Pseudo-Hermaphrodismus
Hypospadie 14 mal gefunden, davon dreimal mit Teilung des
Scrotums (Beob. 32, 44, 56, Note 3a) und einmal ohne Spur
einer Urethra längs des Penis, der eine Clitoris vortäuschte.
Im Gregenteil sah man entweder Verengerungen oder Klappen
der Urethra, mit Erweiterung der Blase und der Ureteren
(Beob. 28, 29, Note 3a).
Unter den zehn Fällen von G-eschlechtsorganen mit weib-
lichem Aussehen lässt die Beschreibung von dreien viel zu
wünschen übrig, ja in dieser Beziehung werden wir einen
Fötus und zwei Mädchen ausschliessen (Beob. 6, 26, 36,
Note 3a). Von den anderen sieben Fällen kann man im allge-
meinen sagen, dass sie einen kurzen, nicht durchbohrten, einer
Clitoris ähnlichen Penis und ein geteiltes Scrotum besassen,
das den grossen Schamlippen ähnlich war.
Der so entstehende Spalt, von Marchand mit der Fossa
navicularis verglichen, führte zu einer mehr oder weniger
kurzen, blind endigenden Scheide, und nach oben mündete die
Urethra. Oft erkannte man die Hoden, bald in der Nähe,
bald im Leistenkanal zurückgehalten. Diese Charaktere er-
klären, dass die Hebammen und Familien die Ueberzeugung
.gewannen, die Kinder seien weiblichen Geschlechts, um so
mehr, wenn der Körper-Habitus damit übereinstimmte. So ge-
schah es, dass einige von diesen angeblichen Mädchen sich ver-
heirateten und sich dann scheiden Hessen (Beob. 6, Note 3 a),
dass andere genötigt wurden, das Geschlecht zu wechseln
(Beob. 16, Note 3a) und dass noch andere endlich, ihren Zu-
3*
stand erkennend, unverheiratet ein hohes Alter erreichten.
(Beob. 9, Note 3a). Aber wenn man die beschriebenen äusseren
Formen embryologisch betrachtet, kann man sie dahin aus-
legen, dass sie das Eesultat virtuell männlicher Organe sind.
Der innere männliche Apparat erleidet ebenfalls seine Ano-
malien. So findet sich häufig eine Hemmung für das Herabsteigen
der Hoden, wie abdominaler Cryptorchismus, Lagerung des
Hodens im Leistenkanal, oder in einem Bruchsacke, oder in
der äusseren Leistengegend. Unter den verschiedenen Fällen
sind zwei durch seltsame Umstände bemerkenswert. Ln ersten
endigte der Ductus deferens des Hodens blind und ohne Samen-
bläschen (Beob. 29, Note 3a). In dem zweiten hingen die
Hoden an zwei Strängen, welche die fallopischen Trompeten
darstellten (Beob. 28, Note 3a). Die Hoden können auch der
Zahl nach abnehmen; ein Beispiel sehen wir in Beob. 21,
Note 3a, wo zwar nur ein Hode vorhanden war, aber ein
Ductus deferens auf jeder Seite. Ein zweites Beispiel
(Beob. 22, Note 3a) zeigt dagegen ausser dem Fehlen des
Hodens den Ductus deferens verschlossen. Endlich erwähnen
wir den Fall von Martin (Beob. 36, Note 3a), in welchem die
Müllerschen Kanäle vorhanden waren, aber die Geschlechts-
drüsen beider Geschlechter fehlten, weshalb der Autor seinen
Fall neutral nannte; wir aber betrachten ihn virtuell als zu
dem einen, oder anderen Geschlecht gehörig.
Beim Pseudo-Hermaphrodismus sind die Hoden nicht selten
pathologischen Prozessen unterworfen, von denen wir nicht
wissen, ob sie Wirkungen der Aplasie oder der Degeneration,
oder von beiden sind, wie es wahrscheinlich ist. Die wenigen
Fälle betreffen: 1. eine Cyste, die einen Hoden darstellte
(Beob. 66, Note 3a), 2. einen Hoden mit leukumischer Infiltra-
tion (Beob. 66, Note 3a), 3. einen herniösen Hoden in atro-
phischem Zustand (Beob. 69, Note 3a). Öfter finden sich Bei-
spiele von Verlegung der Samenkanäle. Wir kennen drei
Fälle, in denen die Ductus deferentes entweder in den Uro-
genitalkanal mündeten (Beob. 5, Note 3a) oder sich an die
Wand des Uterus ansetzten (Beob. 42, Note 3a) oder auf einer
Seite (links) in den entsprechenden Ureter eintraten (Beob. 58,
Note 3a). Es giebt auch eine Beobachtung von ausserordent-
licher Länge der Samenblasen (Beob. 51, Note 3a) und zwei
— 37 —
Beispiele von Verlegung der Canales ejaculatorii, die in die
Vagina oder in den Prostata-ScMaiich endeten (Beob. 7, 13,
Note 3a). Endlicli erwähnen wir eine Frau, die weder Prostata,
noch S^amenblasen, noch Canales ejaculatorii besass (Beob. 17,
Note 3a).
"Wenn wir bedenken, dass alle hier erwähnten Anomalien
in nur 50 Jahren gesammelt worden sind, müssen wir schliessen,
dass die Entwickelung der männlichen Organe eine bedeutende
Degradation erfährt, wenn sie sich mit der Entwickelung der
weiblichen Organe verbindet. Nun werden wir sehen, dass
auch den letzteren dasselbe geschieht, wenn sie sich mit den
ersteren verbinden, um die männlichen Pseudo-Hermaphroditen
zu bilden. In der That finden wir die Müll ersehen Kanäle,
mit deren Geschichte wir uns auf Seite 13 beschäftigt haben,
oft alteriert, weil sie bald in den ersten Entwickelungsstadien
zurückbleiben, bald bei der Entwickelung von der Norm ab-
weichen, entweder in der Form, oder in ihren Beziehungen,
oder wegen pathologischer Charaktere. Diese Alterationen sind
der Häufigkeit nach sehr von einander verschieden.
Die gewöhnlichste Form, die die Müllerschen Kanäle an-
nehmen, ist die eines zwischen Blase und Rectum liegenden
Uterus, denn dies ist in 34 Fällen eingetreten. Aber diese
Form ist niemals vollkommen, besonders infolge von Mängeln
an den Appendices, weniger wegen konstanten Fehlens der
Ovarien ; denn es ist vorgekommen, dass ein Uterus links einen
Strang mit einem Testikel zeigte (Beob. 44, Note 3a), oder dass
der Uterus fehlte, während die beiden fallopischen Trompeten
vorhanden waren (Beob. 64, Note 3a). Ein anderer ebenso
häufiger Mangel ist das Fehlen der Vagina; so finden wir, dass
nur in 6 Fällen von den 34 der Uterus mit der Scheide ver-
sehen war (Beob. 4, 8, 12, 15, 28, 32, Note 3a). Aber die
seltsamste, oft beobachtete Form, ist die rudimentäre des Uterus,
was nicht ausschliesst, dass die Atrophie sich auch bei Fehlen
der Scheide finden und einen solchen Grad erreichen kann,
dass der Uterus nur durch einen Muskelstreifen dargestellt
wird, der sich unten an den hinteren Teil der Prostata ansetzt
(Beob. 25, Note 3a).
Bisweilen behält der Uterus die beiden Hörner, und es
kommt auch vor, dass er durch ein einziges Hörn dargestellt
wird (Beob. 13, 19, 26, 34, 40, 42, Note 3a). Andere Male ent-
wickelt er seine Muskelwände nicht und erscheint wie eine
Blase oder eine nussgrosse Cyste, die am hinteren Teile der
Prostata festhängt, oder in die Urethra prostatica einmündet
(Beoh. 18, 29, 30, 31, 41, Note 3a). Endlich kommt es vor, dass das
einzige Anzeichen von Uterus und Vagina, also der Mülle r-
schen Gänge, durch einen vergrösserten Utriculus prostaticus
angezeigt wird. In der That kann dieses Anzeichen einigen
Zweifel einflössen; aber die neueren Studien, mit Einschluss
derer von Torneux^), entfernen jeden Zweifel, denn er hat
bewiesen, dass der untere oder vaginale Abschnitt des Genital-
kanals zur Bildung der Prostata beiträgt. Wenn dann der
Körper des Uterus nach unten, auch ohne Scheide, vollständig'
ist, befindet er sich oft in Verbindung mit dem Utriculus pro-
staticus oder mit der Urethra prostatica und sogar mit der
Blase (Beob. 58, Note 3a). Dies verhindert nicht, dass der
obere Teil eine seitliche Verschiebung erfahren und einem voll-
ständigen oder unvollständigen Leistenbruche folgen könne, wie
Winkler2), Grüner, Filippini und Siegenbeek^) gesehen
haben (Beob. 66, 68, Note 3a). Dies wurde auch beim echten
Hermaphrodismus bestätigt (Beob. 12, 22, Note la).
Endlich kann auch der Uterus fehlen, und der Geschlechts-
kanal nur durch die Scheide dargestellt werden, die nicht
immer gleich weit und lang ist und sich an den hinteren Teil
der Prostata anzusetzen pflegt (Beob. 2, 7, 9, 17, 21, 23, 42,
Note 3a). Wir bemerken jedoch, dass sie sich auch ins Peri-
näum öffnen kann, besonders bei zweigeteiltem Scrotum; aber
hieran wird erinnert werden, wenn wir von dem männlichen
Pseudo - Hermaphrodismus sprechen, wo Ähnlichkeit mit den
äusseren weiblichen Charakteren besteht. Schliesslich kann der
Genitalkanal dargestellt werden durch die Müllerschen Kanäle
z') F. Torneux, Note sur le developpement du vagin male chez le
foetus humain. Comptes rend. hebd. de la Soc. de Biologie. 1887, Sei. 3a,
T. IV, No. 42, p. 812.
2) B. Winkler, Über einen Fall von Pseudo-Hermapbrodismns mas-
culinus internus. Inaug.-Dissert. Zürich, 1893.
^) Siegenbeek van Heukelom, Sur Fhermaphroditisme tubulaire
et glandulaire chez Thomme. Avec 1 fig. Eecueil de travaux anat.-pathol.
de l'univ. de Leyde. Leyde 1899. T. II, p. 509.
- 39 -
mit embryonalem Charakter, welche bald von der Spitze der
Nieren zwischen einem Haufen von Cysten, die den Wo Iff sehen
Kanälen zugeschrieben werden, oder in der Nähe der Neben-
niere ebenfalls zwischen Cysten, oder von dem Hilus der Niere
entspringen und in den ütriculus prostaticus, oder in die Blase,
oder in den Nebenhoden einmünden. Dies erlaubt bisweilen,
den Kanal von einem Ureter zu unterscheiden (Beob. 33, 36,
37, 40, 50, Note 3a). Es giebt auch Beispiele, dass ein Teil
der Müllerschen Kanäle einen accessorischen Kanal zum Vas
deferens bildete, wenigstens wurde das Faktum so gedeutet
(Beob. 25, Note 3a).
Bei den Haussäugetieren haben wir nur zwölf Fälle ge-
sammelt, die zum männlichen Pseudo-Hermaphrodismus mit Fort-
bestand der Müllerschen Kanäle gehören; diese Tiere waren:
zwei Schafe, zwei Ziegen, drei Einder, drei Schweine, ein
Pferd und ein Hund (Beob. 160, 164, 166, 172, 173, 176, 177,
179, 186, 192, 195, 196, Note 3a).
Diese Zahl lässt sich vermehren, wenn man die Werke
von Gurlt, von.Is. G. St. Hilaire und von Guinard (Beob.
197, Note 3a) und alle tierärztlichen Journale durchsucht. Was
die Schweine betrifft, kann man die Arbeit von Gaddi be-
fragen (Beob. 179, Note 3a). In unseren Fällen haben wir nichts
von dem beim Menschen angeführten wesentlich Verschiedenes
angetroffen, ausser dass der Penis (abgesehen von den Fällen
von Hypospadie) oft verdreht und nach hinten gekehrt erscheint.
Doch haben wir zwei bemerkenswerte Fälle gefunden: in dem
einen wurde der Uterus und die Scheide durch einen Strang
dargestellt (Beob. 160, Note 3a) und in dem anderen fehlten
sowohl die männlichen, als die weiblichen Geschlechtsdrüsen,
und das Geschlecht wurde nur durch die Ductus deferentes an-
gezeigt, die in die Blase mündeten (Beob. 161, Note 3a). Etwas
ähnliches sah Martin beim Menschen (Beob. 36, Note 3a).
Wer Vergleiche anzustellen wünscht zwischen den ver-
schiedenen Arten von Säugetieren in Bezug auf die verschie-
denen Spezies von Pseudo- Hermaphroditen, die zur Zeugung
unfähig sind, muss noch viele Fälle von Monstruositäten sam-
meln, die bei Rinder- und Pferdezwillingen vorkommen. Sie
werden von den Engländern Free Martin genannt und be-
stehen aus einem männlichen und einem angeblich weiblichen
- 40 —
Tier. Diese Moustruosität wurde 1779 von Hunter i) aufge-
klärt, und dann 1784 von Scarpa^). Aber die Kühe waren
schon Varro^) und Columella*) bekannt, die sie Taurae
nennen, zum Unterschied von den Kühen, die andere Eigen-
schaften haben und dem Landbau mehr nützen. Hunt er be-
schrieb drei Beispiele, aber diese genügen, um zu beweisen,
dass er, ausser den angeführten Umständen, aus den Zwillingen
kein besonderes, ausschliessliches Genus bildete, denn dieselben
Missbildungen finden sich in verschiedenen Genera, wie beim
männlichen Pseudo-Hermaphrodismus. Dasselbe lässt sich von
späteren Beobachtungen sagen^). Daher ist der Free Martin
in keine teratologische Klassifizierung aufgenommen worden.
Das erste Beispiel von Hunt er betrifft eine Kuh mit
Uterus und Ovarien, und neben diesen zwei Hoden, während
die Trompeten fehlten. Diese Angaben genügen zu dem Ur-
teile, dass es sich um einen schönen Fall von echten Herm-
aphrodismus handelte. Die zweite Kuh hatte eine Scheide mit
blindem Ende und nicht durchbohrtem Uterus, der statt der
Ovarien zwei Hoden bei sich hatte. Ductus deferentes fehlten,
aber zwei Samenbläschen waren vorhanden, deren Ductus sich
in die Vagina öffneten. Es ist kein Zweifel, dass es sich
hier um männlichen Pseudo-Hermaphrodismus handelte. Die
dritte Kuh hatte eine Scheide, die in einen blinden Sack endigte,
mit geschlossenem Uterus, von dessen Hörnern zwei Ovarien
herabhingen. Die Vasa deferentia zeigten viele Unterbrechungen;
sie mündeten in die Samenbläschen und diese zusammen in die
Scheide. Dies ist ein anderer Fall, den man jetzt weiblichen
Pseudo-Hermaphrodismus nennen kann, weil die Hoden fehlten.
Scarpa erzählt über seinen Fall, dass ein 13 Monate alter
^) J.H unter, Account of the Free Martin. Philos. transact. for 1779,
T. LXIX, p. 285.
2) Scarpa (Pavia), Sopra un vitello detto dagii Ingiesi-Free Martin.
Mem. della Soc. ital. Verona, 1784. T. II, P. 2, p. 846. Mit Abbildung.
3) M. T. Varro, De re rustica, Lib. II, Cp. 51.
^) Columella, De re rustica, Lib. VI, Cp. 22.
^) Nägele, Beschreibung eines Falles von Zwitterbildung bei einem
Zwillingspaar. Deutsches Arch. für Physiol. 1819. T. V, S. 136. —
Spiegelberg, siehe Beob. 174. — Corvini, siehe Beob. 181.
■ — 4:1 -
Zwilling eine über der Scheide stehende, mit dem Ende haken-
artig nach hinten gekrümmte Clitoris hatte, statt unter der
Scheide zu verlaufen. Diese Krümmung unter die Urethra er-
streckte sich drei Querflnger weit und endigte blind. Die
Hoden befanden sich im Abdomen. Von den Nebenhoden gingen
die Ductus deferentes aus, kommunizierten mit den Samen-
bläschen und vereinigten sich zu einem gemeinschaftlichen
Ausführungsgange, der in die Urethra, vor der Prostata,
mündete.
A. Männlicher Psendo-Hermaphrodismus.
b) Mit äusserlich weiblichem Aussehen.
Wir haben schon gesehen, dass es Männer mit (offenbaren
oder verborgenen) Hoden giebt, bei denen zugleich Bruchstücke
der Müll er sehen Kanäle und äussere weibliche Geschlechts-
teile vorhanden sind; bisweilen ist auch der Körperhabitus dem
weiblichen ähnlich. Diese Spezies haben wir jedoch nur zehn-
mal unter 50 Fällen von männlichem Pseudo-Hermaphrodismus
angetroffen 1) und unter diesen haben wir auch bemerkt, dass
das G-eschlecht eher zweifelhaft, als weiblich schien. Da in
diesem Falle der Zweifel bis nach der Pubertät bestehen blieb,
litten die Männer unter traurigen Folgen in ihren Familien-
und Gresellschaftsbeziehungen (s. S. 35).
Ferner müssen wir hinzufügen, dass Fälle von männlichem
Hermaphrodismus vorkommen, in denen die Bruchstücke der
Müllerschen Kanäle fehlen und dennoch die äusseren Ge-
schlechtsorgane weibliches Ausseben zeigen. Dies können wir
durch elf Beobachtungen beweisen, die zu 80 von uns ange-
führten Fällen von männlichem Hermaphrodismus gehören
(Note 3, Beob. 1—80).
Danach könnte man vermuten, das pseudohermaphroditische
Zusammentreffen des Drüsen-Abschnittes mit dem äusseren
^) F. Marchand, Die Missl)ildungeii. Separatabdmck. Wien, 1897.
S. 146. Er beliauptet, beim männlichen Hermaphrodismus näherten sich,
mit Ausnahme der Hoden, die Geschlechtsteile, sowohl die äusseren, wie die
inneren, mehr oder weniger dem weiblichen Typus. Aber die von uns ge-
sammelten Fälle erlauben uns nicht eine so allgemeine Behauptung.
- 42 —
Absclinitte sei eine ziemlich seltene Erscheinung. Aber wir
werden später sehen, dass zahlreiche Fälle von zweifelhaftem
Geschlecht vorkommen, bei denen die Sektion nicht ausgeführt
wurde, und bei denen gerade die äusseren Geschlechtsteile ein mehr
oder weniger weibliches Aussehen hatten. Darum sind solche
Beispiele klinisch den vorhergehenden ähnlich, aber da die
anatomische Beobachtung fehlt, kann man nicht ausschliessen,
dass auch die Reste der Elemente der beiden mittleren Ab-
schnitte vorhanden waren. So bleibt das anatomische Urteil
unsicher, und wir sind genötigt, solche Beobachtungen nicht mit
den vorhergehenden zu vermischen.
Die Charaktere des männlichen Pseudo-Hermaphrodismus
mit äusserlich weiblichem Aussehen bestehen vor allem in der
Teilung des Scrotums in der Mittellinie, so dass es zwei
Labia majora vortäuscht, und diese Teilung zeigt gewöhnlich
eine Öffnung (Saviard, Beob. 79); andere Male dagegen ist der
Sinus urogenitalis, in welche die Urethra mündet, aus der der
Urin abfliesst, und, selten auch die Faeces, durchgängig i). In
anderen Fällen zeigt sich Hypospadie längs des Penis bis zum
Perinäum, ohne in den Sinus urogenitalis einzudringen
(Beob. 74), welcher mehr oder weniger tief sein kann. Wir
erwähnen hier nur den erwachsenen Mann der Beob. 76, bei
dem die Öffnung so tief war, wie der dritte Teil des Zeige-
fingers. Dies lässt sich mit anderen oben erwähnten S. 13 und
38 in Verbindung bringen, wo wir von den Scheiden ohne
Uterus sprachen.
Der Penis ist gewöhnlich kurz, ähnlich dem eines Kindes
und undurchbohrt, wenn Hypospadie vorhanden ist. In vielen
^) J. Müller hat schon 1830 als Sinus urogenitalis beschrieben und
so benannt den vorderen Teil der Kloake (schon von Me ekel angenommen),
wo die Wolf f sehen und Müll ersehen Gänge münden. Bildungsgeschichte
der Genitalien, Düsseldorf, 1830, in 4:^. Die Neueren nennen Sinus urogeni-
talis den Teil des Urogenitalapparats, der die Urethra und die Wolf f sehen
und Müller sehen Gänge umf asst. Bei dem Embryo beider Gesclüechter
(29 mm lang) findet man eine Eöhre, die nach einer Keihe von Umbildungen
ihre endliche Form erreicht. — Beim Weibe ist der Name „Sinus" richtig,
beim Manne müsste er streng genommen Canalis urogenitalis heissen. Seine
Entwickelung findet statt durch Umbildung der Cloaca und des Caudal-
darmes. Lehrb. der Entwickelungsgesch. des Menschen, von Dr. Koll-
mann. Jena, 1898. S. 430 f.
— 43 —
Fällen ist auch der Penis nach hinten gebogen, mit der Eichel
nach unten. Auf der unteren Seite bemerkt man eine
schleimige Längsfurche mit fibrillären Verbindungen, welche
die Urethral-Eöhre darstellen und die Zurückziehung des Penis
erklären. Diese Erscheinung findet sich bei verschiedenen
Spezies des Hermaphrodismus mit Hypospadie, und wir haben
ein Beispiel davon bei einem Individuum abgebildet, bei dem
die anatomische Diagnose am Lebenden nicht gemacht wurde,
und bei dem die Krümmung durch einen Querschnitt der Ure-
thralröhre aufgehoben wurde (s. die Abbildung a. nächst. Seite).
Diese Charaktere, die an der Clitoris niemals gefunden worden
sind, nützen einigermassen bei der Diagnose in Fällen von
zweifelhaftem Geschlecht.
Es giebt dann noch andere Fälle, dei denen das weib-
liche Aussehen der äusseren Geschlechtsorgane dem wirklichen
nicht so ähnlich ist, wie wir angegeben haben; dies sind
diejenigen, welche dazu beitragen, das lange Verzeichnis der
entschieden zweifelhaften klinischen Beobachtungen zu bilden.
Andererseits ist es nicht unwahrscheinlich, dass man eine
weitere Gruppe von Beobachtungen hinzufügen muss, die zur
Annahme der männlichen Pseudo-Hermaphroditen mit doppeltem
äusserem Geschlecht führt, die also mit parallel stehenden
äusseren, sowohl männlichen,' als weiblichen Organen versehen
sind. Die erste Beobachtung wurde in Barcelona im Jahre
1881 gemacht, und Avir haben schon darauf hingedeutet
(s. Note 3a, Beob. 42). Die zweite Beobachtung gehört
Neugebaueri). Aber zu unserem Bedauern ist es uns
weder gelungen, die (nicht übej'setzte) Arbeit zu lesen, noch
die ihr beigegebene Abbildung zu sehen, so dass wir unser
Urteil über diesen gewiss wichtigen Fall zurückhalten.
B. Der weibliclie Pseiido-Hermaplirodismus.
Da wir schon die Art angegeben haben, wie ein (mit
Hoden versehener) Mann sowohl äusserlich, als im Innern
mehr oder weniger weibliche Charaktere annehmen kann,
^) F. Neugebauer, Ein Beitrag zur Lehre von der Duplizität der
äusseren Genitalien. Gazeta Lekarska. Warschau, 1897. No. 21.
- 44 -
ili '
llii
— 45 —
müssen wir untersuchen, wie die (mit Ovarien versehenen)
"Weiber bisweilen männliche Charaktere annehmen. Wir be-
merken, dass wir hier nicht von solchen "Weibern sprechen
werden, welche entweder Körperformen, oder Statur, oder per-
sönliche Neigungen männlicher Art haben, denn wir wollen
darüber ausführlicher sprechen, wenn wir den klinischen
Hermaphrodismus abhandeln. Hier reden wir nur von solchen
Weibern, die Alterationen der Geschlechtsteile aufweisen,
welche denen der männlichen Organe ähnlich oder gleich sind,
mit Ausschluss der Geschlechtsdrüsen.
a) Weiblicher, äusserer Pseudo-Hermaphrodismus.
Die häufigste Art, wie männliche Charaktere beim Weibe
auftreten, besteht in "Veränderungen der äusseren Geschlechts-
teile. Diese Erscheinung ist häufig genug, um in dieser Be-
ziehung mit dem männlichen Pseudo-Hermaphrodismus verglichen
zu werden, denn wir haben ihn schon 22 mal beschrieben ge-
funden (s. Note 3a, A). Wir bemerken, dass ihre Zahl viel
grösser sein würde, wenn wir alle ähnlichen Fälle hinzu-
fügten, die wir beim klinischen Hermaphrodismus unterbringen
werden. Denn in diesen Fällen fehlt die anatomische Unter-
suchung, und man weiss daher nicht, ob sich im Inneren andere
"Verdoppelungserscheinungen finden.
Bei mit Ovarien versehenen Weibern jeden Alters, an
deren äusseren Geschlechtsteilen einige mehr oder weniger den
männlichen ähnliche Charaktere zu finden sind, bemerkt man,
wie häufig die Hypertrophie der Clitoris auftritt, so dass sie
eine Länge von 4 — 7 cm erreicht (Beob. 93, 97, 103, 123,
Note 3a). Wir haben die Beobachtung von Debierre (Beob.
130), der bei einem Neugeborenen die Rute dem Alter pro-
portioniert mit Hypospadie sah. Wenn nun die Eute eine
Clitoris war, wie es wahrscheinlich ist, und einer männlichen
Eute ähnelte, muss man schliessen, dass die Clitoris eine un-
gewöhnliche Länge erreicht hatte. Es ist jedoch wahr, dass
manche Autoren, statt zu sagen, die Clitoris war einem Penis
ähnlich, ohne Eückhalt behaupten, das Weib habe einen Penis
gehabt, vielleicht weil sie über 7 cm lang war, und es ist auch
wahr, wie Marchand sagti), dass sich die Clitoris bisweilen
^) Mar eil and, Die Missbildungen. Separatabdruck, Wien, 1897. S. 147.
— 46 —
der Gestalt des Penis nähert, wenn die Urethra die Glans der
Clitoris erreicht; dann ist der Unterschied nicht leicht erkenn-
bar. Wir haben jedoch nur zwei Beispiele gesammelt; das
erste fand Versen in einem unreifen Fötus (s. Beob. 101)
und das zweite Clarke (s. Beob. 137).
Es ist also vollkommene Ähnlichkeit zwischen den beiden
homologen Organen selten, während dagegen Hypospadie in
verschiedenen Höhen der Clitoris, und besonders an ihrer
Wurzel, ziemlich häufig ist (s. Beob. 81 und 83), wo die
röhrenförmige Urethra sich mit der Fossa navicularis ver-
binden kann, und selbst mit der Scheidenöffnung, wenn
das Scrotum zweiteilig ist. Ferner kann es vorkommen,
wenn die Clitoris lang genug ist und an Hypospadie leidet,
dass sie nach hinten gebogen ist (s. Beob. 123). Diese
Erscheinung wird jedoch von Brouardeli) geleugnet, welcher
sagt, bei der hypertrophischen Clitoris finde sich weder die
Biegung der Glans, noch eine untere Furche. Indem wir die
Untersuchung dieses Ausspruchs anderen überlassen, sagen wir
dagegen, dass die verschiedene Lage des Meatus zur Folge hat,
dass die Urinentleerung an verschiedenen Stellen der Achse
der Rute stattfindet, und dass der Urin mit den Faeces ge-
mischt sein kann, wenn der Darm mit der Blase oder mit der
Urethra in Verbindung steht (Beob. 130, Note 3a).
Oft findet man im Perinäum eine Vulvaöffnung, die bis-
weilen in die Scheide führt und in einem Falle von der Scheiden-
öffnung durch das Hymen getrennt wurde (s. Beob, 83).
Wenn jedoch statt der Scheidenspalte ein Scrotum ohne Hoden
vorhanden ist, oder wenn in einigen Fällen das Scrotum mehr
oder weniger in der Mitte gefurcht ist, so dass es an die
Labia majora erinnert, so können diese dann die weiblichen
Geschlechtsorgane enthalten, nämlich bald die Ovarien, bald
den Uterus (s. Beob. 93, 132, 136). Der Uterus zeigt sich
gewöhnlich gut gebildet, ebenso auch die Ovarien und die
fallopischen Trompeten, während die Vagina bald atretisch
ist, bald in die Urethra mündet (s. Beob. 86, 100, 113, 123,
131, Note 3a).
^) Brouardel, L. Hermaphroditisme. Gaz. des Hopit. Paris, Jan-
vier 1887.
— 47 —
Bei dem äusseren Pseiido-Hermaphrodismus ist selten der
Einfluss der beiden Geschlechter auf den ganzen Habitus des
Körpers beobachtet worden, und dies lässt vermuten, dass die
beiden Einflüsse in dem Produkte der Zeugung sich gegen-
seitig abstossen, so dass sie keinen vorwiegenden Charakter
des einen und anderen Geschlechts darbieten. Wir haben je-
doch zwei Beobachtungen gesammelt, die das Gegenteil be-
weisen. Die erste gehört Beclard (s. Beob. 81), bei
der das Weib einen Bart im Gesicht und Neigung zu Frauen
hatte; die zweite stammt von Litten (s. Beob. 107)
und betrifft eine Frau, welche die gewöhnliche Form des
äusseren Pseudo - Hermaphrodismus und entschieden weiblichen
Habitus hatte. Endlich bemerken wir, dass dieser Hermaphro-
dismus erblich bei mehreren Schwestern auftreten kann (Beob.
124, 141).
b) Innerer, weiblicher Pseudo-Hermaphrodismus.
(Fortbestehen der Wo Iff sehen Kanäle.)
Wir haben berichtet, dass seit langer Zeit gewisse terato-
logische Kanäle in den weiblichen Geschlechtsorganen gefunden,
aber lange Zeit hindurch vergessen geblieben und erst in diesem
Jahrhundert von neuem gesehen und mehrmals beschrieben
worden sind. Wir haben hinzugefügt, dass die Embryologie
neuerlich unsere Kenntnisse über die Entwickelung und Endi-
gung der Wo Iff sehen Körper und Kanäle beim Weibe bereichert
hat (s. pag. 12), was die Annäherung und teratologische Ver-
bindung der verschiedenen Manifestationen erlaubt hat, welche
diese Kanäle bis jetzt dargeboten haben, die unrichtig Gartn er-
sehe Kanäle genannt werden.
Zum leichteren Verständnis der Teratogenesis muss ich
einige embryologische Notizen vorausschicken und daran er-
innern, dass die Wolf f sehen Kanäle, obgleich sie zur Bildung
der männlichen Zeugungsorgane und speziell des Ductus deferens
bestimmt sind, sich auch im weiblichen Embryo in ihrer ganzen
Ausdehnung finden, nämlich von derUrniere (neben den Müller-
schen Kanälen) ausgehen und bis zum Sinus urogenitalis herab-
gehen, was kürzlich B uliin g er i) makroskopisch nachzuweisen
1) BuUinger, Über den distalen Teil der Gartn er sehen Gänge.
Diss. München, 1896.
— 48 —
gelungen ist. Diese Kanäle werden beim Weibe während des
embryonalen Lebens in der Eegel atrophisch und bleiben nur
ausnahmsweise in Gestalt von vollständigen Kanälen oder von
mehr oder weniger alterierten Fragmenten in Verbindung mit
den inneren Geschlechtsteilen des Weibes.
Die nach dem fötalen Leben zurückbleibenden Malpighi-
schen (Gärtner sehen) Kanäle sind im allgemeinen einseitig,
denn wir kennen nur den Neugeborenen von Klein (s. Be-
obachtung 138), der einen rechts und einen anderen links hatte.
Sie behalten selten ihren ursprünglichen Charakter, gewöhnlich
bleiben nur Bruchstücke von ihnen übrig. Wenn sie noch zu-
sammenhängend sind, erfahren sie eine hyperplastische Aus-
dehnung mit unregelmässigen Erweiterungen, und bleiben wenig-
stens an der Spitze einer Niere befestigt und setzen sich unten
an die Blase oder an die Harnröhre an. So können sie mit
einem Ureter verwechselt werden und wurden deswegen falsche
Ureteren genahnt. Ihr Ursprung blieb lange dunkel und wir
selbst wussten vor 40 Jahren ein Präparat nicht zu erklären,
das uns für unser Museum von dem Hospitale trocken zuge-
schickt wurde. Im Jahre 1898 fand jedoch Bart, dass der
falsche Ureter aus einer Gruppe von linsengrossen Cysten ent-
sprang, die auf der rechten- Niere lagen, und die er, wie er
sagt, als die Reste der Wo Iff sehen Körper erkannte (s. Note
3a, Beob. 98, 105, 108). Einen ähnlichen FaU fand Tougl
links (s. Beob. 126).
Öfter findet sich dieser Malpighische Kanal entweder im
Ligamentum latum, oder in der Substanz des Uterus, doch
geht er ziemlich häufig vom Parovarium aus und dringt
auf eine mehr oder weniger lange Strecke in verschiedener
Tiefe in die Substanz selbst ein. Koller z. B. sah nur Eeste
des Kanals im Ligamentum latum (s. Beob. 106); da-
gegen hatte Mad. Boivin vorher den Kanal in das Collum
uteri münden sehen (s. Beobacht. 88), später entdeckten
Dohrn, Fischel und andere einen Teil des Kanals, der in
der Wand der Scheide verlief (s. Beob. 116, 120, 123).
Seltsamer, als die anderen, ist die Beobachtung von Klein an
dem oben genannten Fötus; hier ging der Wo Iff sehe Kanal
vom Parovarium aus und endigte am Cervix uteri; ein zweiter
Kanal mündete frei am Rande des Hymens. Auch Fischel
— 49 —
sah die Eeste eines Kanals in dem Scheidenteile des Uterus
(s. Note 3a, Beob. 120). Dagegen fand Milton einen Kanal,
der aus der Nierengegend in das Septum vesico-vaginale herab-
stieg, wo aus seiner Mündung in 24 Stunden 60 gr. Serum
ausflössen (s. Beob. 134).
Viele andere, ähnliche, neuerlich beim Weibe gesehene
Fälle sind gesammelt und anatomisch studiert worden und
haben besonders die Litteratur bereichert. Unter ihnen ver-
dienen nur die von Banks i), von Debierre (s. Beob. 122)
und Kossmann2) angeführt zu werden. Aber viel zu weit
würde es uns abführen, wenn wir diese Werke analysieren
wollten, wie es auch der Fall sein würde, wenn wir die Be-
obachtungen an Tieren sammelten. Wir wollen jedoch er-
wähnen, dass ausser Malpighi und Gärtner auch Kobelt
einen Wol ff sehen Gang bei drei Sauen unter fünf Zwillingen
fand, und dasselbe bei einer Ziege und einem Bock sah (s.
Beob. 90), auch F ollin machte dieselbe Beobachtung bei einer Sau
(Beob. 92), von Preuscher bei einer Katze (s. Beob. 102),
Tourneau bei verschiedenen Säugetieren (s. Beob. 110). End-
lich nennen wir Gärtner, der mehrere ähnliche Fälle sowohl
beim Weibe, als bei Tieren sammelte (s. Beob. 121).
Die Kanäle von Malpighi zeigen nicht immer die ge-
nannten Eigenschaften mit ihren Varietäten, sondern erfahren
ebenso oft teilweise cystische Umbildung, die lange unerklärt
geblieben ist. Der erste Autor, der sich mit diesem Gegen-
stande beschäftigte, war Kobelt im Jahre 1847; er be-
schrieb Cysten der fallopischen Trompeten und des Paro-
variums (s. Beob. 90). Dann erweiterte Verneuil^) die sich
auf das Parovarium beziehenden embryologischen Unter-
suchungen und schrieb den Ursprung des Eos enmüUer sehen
Organs dem Wo Iff scheu Kanäle zu, was auch von Virchow
1) W. M. Banks, Oa the Wolfian bodies of tlie foetus, including
the development of the generation-system. Edinburg, 1864:.
2)K. Kossmann, Zur Pathologie der Urnierenreste des Weibes,
Monatsschr. für Geburtsh. und Gynäkol. Berlin, 1895, Bd. I, H. 2.
^) Verneuil, Sur les cystes de l'organe de Wolff dans les deux
sexes. Mem. Soc. chir. de Paris, 1857. T. IV, p. 58, 8L
Taruffi, Hermapkrodisnius. 4
— 50 -
angenommen wurde^), als er die gestielten Drüsen des Eos en-
müUersclien Organs 2), als ein beim Weibe unterbliebenes
Verschwinden des Canalis deferens erklärte, wobei ein Filament
im Ligamentum latum zurückblieb, das sich in Cysten ver-
wandelte.
Der Zustand der Cysten des Parovariums ist nicht immer
gleichförmig, denn im Jahre 1870 fand ich eine Cyste grösser als
ein Ei, mit verkalkter Wand, die Schleim enthielt s). Im Jahre
1878 fand ich ein grosses coUoides Cystom des linken Par-
ovariums, das zu Lebzeiten der Betreffenden für ein Cystom
des Ovariums gehaltiBfl-'-TlM7?I>«\Dr. Luigi Mazzotti be-
schrieben wurde ^Vc,^ __<::,eo>^ '^'
Auch der TemÖles MalpighiscElnXKanals, der bisweilen
die Substanz des Uteifti£Bu^hMö4 ist pnselben Alterationen
unterworfen. Sclrorfs Meyer &) beschrieb /im Jahre 1890 sowohl
das Adenom, als ii^^d^im^^fii;jäes Uterus, indem er sie
als Alterationen der G^lirrt^-eWchen Gänge betrachtete. Kürz-
lich (1896) sah Aman in den Wänden des Organs eine
grosse Cyste (s. Beob. 140) und Eechlinghausen fand
in demselben Jahre ein Cysten -Adenom des Uterus, das
sich bis zur fallopischen Trompete erstreckte (s. Beob. 139).
Häufig sind Cysten in der Scheide, und verdienstvolle Be-
stätigungen geben die Beobachtungen von Neugebauer,
welcher die von den Gärtner sehen Gängen hervorgebrachten
von anderen, häufigeren unterschied, die durch Aus-
^) E. Virchow, Die krankhaften Geschwülste. Berlin 1864. Bd. I,
S. 128.
^) J. Ar. Eosenmüller, Quaedam de ovariis embryonum et f oetuum
humanonim. Lipsiae, 1802. Er beschrieb die Epoophora (das Eosen-
müller sehe Organ) und betrachtete sie als homolog dem Nebenhoden.
Es wurde dann von vielen studiert, aber die beste Erklärung dieses Organs
als eines Ausflusses oder einer Endigung des Wolff sehen Körpers gab
W. Waldeyer (Berlin), Eierstock und Ei. Leipzig, 1870. S. 142, 143,
Tafel VI, Fig. 59, 60.
^) L. Concatou. C. Taruffi, Cisti ossea del parovario sinistro. Eiv.
Clin, di Bologna, 1871, Aprile e Maggio, No. 4, 5, p. 105. — E. Kleb s , Patho-
logische Anatomie, II. Abschn. Berlin, 1876. p. 840.
^) L. Mazzotti, Cistoma colloide del parovario sinistro. Bullet, d. Sc.
med. Bologna, 1879. Ser. 6, Vol. III, p. 45.
^) Eob. Meyer, Über die Genese der Cyst-Adenome und Adeno-Myome
des Uterus. Zeitschr. für Geburtsh. und Gynäkol. 1890, Bd. 37, H. 2.
— 51 —
dehnung von Follikeln entstehen (s. Beob. 145). Aber schon
vorher und nachher haben andere über ähnliche Fälle berichtet,
die sie Erweiterungen der Wolff sehen Gänge zuschrieben
(s. Greef, Beob. 111 und 112 und Gangitano)i). End-
lich führen wir Klein an 2), der über eine Beobachtung von
Palm berichtet (s. Beob. 144), eine Cyste des Hymens betreffend,
die er von dem äussersten Teile des Gärtner sehen Ganges
herleitet. Diese Ansicht verlangt neue embryologische Studien,
wie sie auch die Cysten des letzten Teils der Scheide ver-
langen (s. pag. 32).
^) F. Gangitano, Delle cisti della vagina da residui dei dotti di
Wolff. II Policlinico (Supplem.). Eoma, 1898. A. IV. No. 49, p. 1271.
2) G. Klein (München), Die Geschwülste der Gärtner sehen Gänge.
Virchows Archiv, 1898. Bd. 134, S. 63. Siehe p. 78 und die Bibüographie.
Noten zu dem ersten Teile.
Der anatomische Hermaphrodismus.
Note la. Hermaplirodismus der spezifisclien (xesclileclits-
drüsen.
(Echter Hermaphrodismus.)
A. Beim Menschen.
Beobachtung 1. Salvatore Morand, D e l'lierm aphroditism e. Theme.
Paris, 1746.
Die Beobachtung stammt von S u e. Es handelt sich um einen 13 jährigen
Knahen, der einen Hoden rechts und ein Ovarium links hatte.
Beoh. 2. Hugues Maret, Beschreibung einesHermaphroditen.
Mem. de l'Acad. de Dijon. T. II, p. 157, 1767. — Marc, Dict. des sc. med.
Paris, 1817. T. XXI, p. 105. Art. Hermaphrod.
Individuum von 18 Jahren, im Hospital gestorben, mit zartem Gesicht,
ohne Spur von Bart, hatte eine Rute mit Glans und Praeputium. Unter
der Eute befand sich ein Spalt, von zwei grossen Schamlippen umgeben,
von denen jede einen Körper enthielt. Zwischen den Nymphen öffnete sich
die Urethra, und darunter befand sich eine halbmondförmige Membran, die
für das Hymen gehalten wurde.
Bei der Sektion erkannte man, dass die Rute entschieden ein Penis
war, aber nicht durchbohrt, und dass der Hode im linken Labium sich in
einen Nebenhoden und einen Canalis deferens fortsetzte, der, wie gewöhnlich,
das Sperma enthaltende Samenbläschen erreichte. Im rechten Labium fand
man nichts, dagegen im entsprechenden Leistenringe einen Körper, der als
ein kleiner Uterus erkannt wurde, rechts mit einer echten Trompete ver-
sehen, die mit ihrem Pavillon ein Ovarium umfasste.
Diese Beobachtung wird ausführlich von Paul Mahon angeführt.
Medecine legale, T. I, Paris, 1802. Ital. Übers. Mailand, 1804, S. 86.
Beob. 3. Varole (erster Hilfsarzt des Hotel-Dieu in Paris) in Pinel,
Mem. de la soc. med. d'emulation. Paris, A. VIII (1799), p. 342. — Varoc-
1er, in Is. G. St. Hilaire, Des anomalies. T. II, p. 138. Paris, 1836,
In der Leiche eines 18 jährigen Jünglings war das Sero tum in zwei
Lippen geteilt; in der einen fand sich der Hode mit Ductus deferens. Im
Innern fand man einen abgeplatteten Uterus, von dem eine Trompete ent-
sprang, an deren Ende ein Ovarium lag.
— 53 —
Beob. 4. J. Christ. Stark, Neues Ar eh. für GeburtsLetc. Jena,
1803, Bd. II, S. 544
Er sah. einen 27iährigen Mann mit Hypospadie, der einen Uterus mit
einem Hoden [am Ende der rechten Trompete aufwies, links ein ganz mit
dem Peritoneum bekleidetes Ovarium.
Beob. 5. Schrell, Med. chir. Ar eh. von Schenk. T. I, Wien, 1801.
Angeführt bei St. Hilaire, Des anomalies. T. II, p. 165. Paris, 1836.
Ein neunmonatlicher Fötus mit Penis, Hoden und Ductus deferentes,
hatte unter dem Penis eine kleine Vulva, die zur Vagina und zu dem rudi-
mentären Uterus führte. Der Uterus war mit Trompeten und unvollkommen
entwickelten Ovarien versehen. Nichtsdestoweniger waren die beiden Ge-
schleehtsapparate vollständig.
Dieses Faktum wird von Klebs und Ahlfeld bezweifelt (S. 249).
Beob. 6. C. M. Rudolphi (Stockholm), Beschreibung einer sel-
tenen menschlichen Zwitterbildung. In Abh. der K. Akad. d.
Wiss. zu Berlin, 1825. p. 45. Mit 3 Tafeln. — Frorieps Notizen,
Weimar, 1825. Bd. X, No. 7. — Bullet, des sc. med. Paris, 1831. p. 288.
Ein Fall von seitlichem Hermaphrodismus bei einem Kinde von 7 Wochen.
Eeehts ein Ovarium und eine Trompete, die mit der linken Seite des Uterus
zusammenhing. In dem rechten Teile des Scrotums ein Hode mit Neben-
hoden und Can. deferens. Der Uterus setzte sieh in eine am Ursprung
blinde Scheide fort, und unter dem Uterus ein für die Prostata gehaltener
Körper. Äusserlich sah man die männlichen Organe, nur dass der Penis sich
nach unten teilte.
Beob. 7. Laumonier in Beclards Dict. des sc, med. Paris, 1817.
T. XXI, p. 211. — Is. G. St. Hilaire: Des anomalies. T. II, Paris,
1836, p. 158.
Man sah einen nicht durchbohrten Penis oder eine Clitoris, einen
scrotalen Spalt, und an dessen Seiten zwei durch die Hoden hervorgebrachte
Erhöhungen. Die anatomische Untersuchung zeigte, dass von den Hoden
zwei D. deferentes ausgingen, die sieh an den Uterus ansetzten. Ausser-
dem bestand eine Vagina, zwei Ovarien und zwei Trompeten, die vom Ute-
rus entsprangen.
Beob. 8. A. F. Mayer, Caspers Wochensehr. fürHeilk. Berlin,
1835. No. 50, Bd. IIL — Gaz. med. de Paris, 1836, p. 609. —
Heppner, Eeicherts Ar eh. 1870, p. 687.
Maria Dorothea hatte männlichen Habitus, Penis mit Hypospadie,
Serotum geteilt, ohne Hoden. Bei der Sektion fand man die Prostata, die
Vagina, den Uterus nicht durchbohrt, mit Trompeten, rechts einen Hoden
mit Samenkanälchen, links einen dem Ovarium ähnlichen Körper, bestehend
aus Granulationen und Zellhaufen, so dass er mehr einem Ovarium, als
einem Hoden ähnlich war. Prostata vorhanden.
Beob. 9. Ar. Ad. Bertliold, Über seitliche Zwitterbildung
(Herm. lateralis) bei Menschen beobachtet. Abh. K. Ges. d.
Wissenschaft, zu Göttingen. Bd. II, 1844, p. 104. — Aug. Förster,
Missbildungen, Text S. 156, Tafel XXI, Fig. 13—15.
— 54 —
Penis mit Hypospadie, Scrotum mit Hoden rechts und D. deferens.
Links Vagina mit einhörnigem Uterus, mit Trompete, Ovarium und Paro-
varium. Das Ovarium rudimentär, wie gewöhnlicli. Die Abbildungen sind
von Ahlfeld wieder abgedruckt, Op. cit. Tafel 39, Fig. 12 — M.
Beob. 10. W. Vrolik, Hypospadia cum hermaphroditismo.
Tabulae ad illustrandam embryogenesin, etc. Amstelodami,
1849, Tab. 94, 95.
Penis mit Hypospadie, in dem zwei Durchbohrungen waren ; durch die
obere gelangte man in die Blase, durch die andere in den Genitalkanal
(Vagina, Uterus). Eechts vom Uterus fand man einen abgemagerten
Hoden, dessen D. deferens in die Scheide mündete. Am hinteren, unteren
Teil des Hodens ein dem Ovarium ähnlicher Körper, mit Plexus pampini-
formis. Auf der linken Seite sah man dasselbe, aber weniger deutlich,
mit dem Unterschied, dass der D. deferens in den betreffenden Winkel des
Uterus mündete.
Beob. 11. E. Follin, Gas remarquable d'hermaphroditi sme
lateral (alternant). Gaz. des hopit., Paris, 1851, No. 140, p. 561. — L. Lefort,
Des vices de conformation etc., Paris, 1863, p. 183.
Hypospadie mit gespaltenem Scrotum. Vagina und Uterus mit den
Trompeten vorhanden. Die linke Trompete stieg in das Scrotum hinab
zugleich mit einem Hoden. Eechts entsprang vom Uterus ausser der Trom-
pete ein Strang, der in eine Cyste ausging, die in der Leistengegend lag.
Die Cyste wurde für den Vertreter des Ovariums gehalten.
Die Beobachtung wird von Heppner und Pozzi bestritten. Das
Präparat befindet sich im Musee Dupuytren, No. 267.
Beob. 12. L. H. C. Barkow, Anatomische Abhandlungen. Mit
10 Taf . Breslau, 1851 ,p. 60. — Cannstatts Jahresb. für 1851, Bd. 1, p. 201.
Echter seitlicher (nachPerls alternierender) Hermaphrodismus. Ver-
heirateter Mann. Der Penis mit totaler Hypospadie, die Prostata von der
Scheide durchbohrt, ohne Mündung der D. ejaculatorii. Die Vagina setzte
sich in den Uterus fort, welcher umgekehrt in der rechten Hälfte des
Scrotums lag. In diesem fand sich auch ein Ovarium ohne Follikel, ein
Hode mit Samenkanälchen und der Conus vasculosus. Das V. deferens fehlte.
Beob. 13. Bannon, Dublin Journ. Vol. XIV, 1852, p. 73. — Can-
statts Jahresbericht für 1852. Bd. IV, p. 33.
Leiche eines 26 jährigen Mannes mit vorwiegend männlichem Habitus.
Penis undurchbohrt. Es fehlen die Prostata, die Samenbläschen und die
Coop er sehen Drüsen. Dagegen waren da Labia majora, Nymphen, eine
Scheidenöffnung mit Hymen, Scheide und Uterus. Dieser zeigte nur rechts
eine fallopische Trompete, die mit ihren Fimbrien das Ovarium bedeckte,
während links ein faseriger Strang entsprang, der in einen Hoden mit
Nebenhoden und Can. deferens ausging, der das CoUum uteri durchbohrte.
Die Ovarien zeigten keine Graafschen Follikel, der Hode hatte wohl
Kanälchen, aber keine Spermatozoon. Die beiden Organe wurden nach der
mikroskopischen Untersuchung beurteilt.
— 55 —
Beob. 14. Blackmann, On liermaphroditism, with anaccount
of two remarkable cases. Americ. Journal of med. sc. Vol. 26, July
1853, p. 66. — Journ. de connaiss. medic. 1853, p. 4:79 (falsche
Citation). — Caastatts Jahresber. für 1853, Bd. IV, p. 12. Nach, dem
Eeferate H. Müller.
Ein Individuum von 36 Jahren mit Bart, männlicher Gestalt, grossem
Penis, leerem Scrotum, fühlte Abneigung gegen Weiber und gab monatlich
Blut von sich mit starken Schmerzen im Penis. In der Leiche fand man
einen Uterus mit Scheide, die in die Blase mündete, in der sich Menstrualblut
befand. Der Uterus hatte seitlich zwei Kanäle, die in Fimbrien endigten,
von denen zwei ovale Körper herabhingen. Sie wurden gehalten durch die
Hoden (mit D. deferentes) und zwei Knoten, die man für Ovarien hielt.
Es handelte sich also wahrscheinlich nur um Drüsen-Hermaphrodismus.
Beob. 15. Konr. Gramer, Ein Fall von Herrn aphrodismus late-
ralis. Inaug.-Diss. Zürich, 1857, mit Tafel. — Hermann Wleyer (Zürich),
Virchows Arcliiv 1857. Bd. XI, p. 420.
Ein Neugeborener mit Hypospadie. Die Urethra ist umgeben von der
Prostata, in welche die Scheide mündet. Auch ein Uterus ist da mit zwei
Trompeten und zwei Ligamenta rotunda, von denen das rechte in einen
Hoden, das linke in ein Ovarium endigt. Bei mikroskopischer Beobachtung
ergaben diese beiden Organe kein befriedigendes Eesultat.
Beob. 16. Wenzel L Gruber, Über den seitlichenHermaphro-
dismus eines 22jährigen Menschen. Mem. de l'Acad imp. des sc.
de St. Petersbourg, 1859, T. 1, No. 13.
In der Leiche eines 22 jährigen Jünglings fand man einen nicht durch-
bohrten Penis, einen Sinus urogenitalis, eine Urethra, eine Scheide und
einen Uterus. Links von diesem Organ befand sich die Trompete mit
dem Rosanmü Her sehen Organ und ein Ovarium mit Krebs. Rechts ein
kleiner Hode mit Samenkanälen, Nebenhoden nnd Vas deferens, dessen
Ende man nicht fand.
Beob. 17. Ar'ihur Durham, Guy's hospital reports, 1860, Ser. 3a,
Vol. VI, p. 424. Citiert von H e p p n e r.
Leiche eines Mannes von 25 Jahren, von weiblichem Habitus, ohne
Bart, mit breiten Hüften, entwickelten Brüsten. Penis klein, Glans ent-
blösst, Harnröhrenöffnung unter der Glans. Scrotum klein, Hoden verbunden
mit harten Körpern, die der Verfasser für verfettete Ovarien hält. Unvoll-
kommene, ungenügende Beobachtung, da nicht einmal gesagt wird, ob der
Uterus Trompeten hatte, oder nicht.
Beob. 18. H. G. Rawdon, Description ofacase of trueherma-
phroditisme, with remarks. Liverpool med. and. surg. report, 1867,
V. I, p. 39 (Fall von echtem Hermaphrodismus).
Beob. 19. H. N. Avery, A genuine hermaphrodite. With Ope-
ration for removal of a testicle. New- York, 1868.
Beob. 20. C. L. Heppner (St. Petersburg), Über den wahren
Hermaphrodismus beim Menschen. Arch. für anat. Physiol. und
wissensch. Mediz. Leipzig, 1870, p. 679-717.
— 56 —
Kind von zwei Monaten, Scrotum und Penis mit Hypospadie. Die
Uretüra stand in Verbindung mit Blase und Scheide. Uterus, Trompeten
und Ovarien waren normal. In Verbindung mit dem Parovarium war jeder-
seits ein drüsiger Körper, den Verfasser für einen Hoden hielt, da er
Drüsengänge mit straliHgem Verlauf entliielt, die sich, nach dem Ileum zu
in Gestalt von Kanälen vereinigten. C. deferentes fehlten.
Beob. 21. Arrigo e Fioriani, Una donna-uomo. Ann. univ. di med.
Milano, 1879, Vol. 247, p. 221.
In der Leiche eines 68jährigen Mannes fanden sie am Penis eine
Schleimfurche statt der Urethra, deren ÖfEnung an der "Wurzel war. Nach
imten befand sich die Vulva und zwei Labia majora, von denen jede einen
atrophischen Hoden enthielt. Aus der Vulva gelangte man in die Vagina,
und die Sektion fand auch den Uterus von jungfräulicher Form mit Trom-
peten und Ovarien.
Beob. 22. H. Klotz, Extraabdominale Histerocystoovario-
tomie bei einem (wahren) Hermaphroditen. Arch. f. klin. Chir.
1879, Bd. XXIV, p. 454. — Jahresber. für 1879, p. 580 (15.) — Centralbl. f.
Chir. 1886, Heft 1, p. 15.
In der Klinik von Billroth wurde ein Mann mit Hypospadie aufge-
nommen, der in der ersten Hälfte des Scrotums ein Uterus-Horn hatte, das
durch einen Gang mit einer Cyste in Verbindung stand, die für ein Ovarium
gehalten wurde. In der linken Hälfte war ein Hode mit Nebenhoden.
Innerlich fand man einen männlichen Uterus mit der Scheide, die in die
Urethra mündete. Sinus uro-genitalis.
Beob. 23. P. Gast, B eitrag zur Lehre von der Bauch-Blasen -
genitalsp alte und von dem Herrn aphrodismus verus. Inaug.-
Dissert. Berlin-Greifswald, 1884. Citiert von G. Herrmann, Dict. encycl.
de Paris.
Ein Totgeborener mit Eventration, vesicaler Ektopie, nasaler Atresie,
Spina bifida. Er zeigte äusserlich einen Penis mit der Urethra und zwei
Falten, die das Scrotum andeuteten. Innerlich hatte er einen Uterus
didelphus, mit Trompete und Ovarium links, und nahe dabei einen Hoden
mit seinem Gubernaculum. Der andere halbe Uterus zur Hechten hatte
eine ziemlich lange Trompete mit einem Ligamentum latum ohne Spur von
Geschlechtsdrüsen. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte die Natur
der links liegenden Drüsen.
Beob. 24. Fowler, True hermaphroditism. Am er. Journ. of
Obstetr., New- York, 1887, p. 423.
Hermaphrodit, der durch den Penis menstruierte. Bei der Sektion
fand man Ovarien und Hoden, untersuchte aber nicht mikroskopisch.
Dieser Fall ist von Orth zu den bilateralen Hermaphroditen gestellt worden.
Beob. 25. 6. Schmorl (Assistent in Leipzig), Ein Fall von Herm-
aphrodismus. Virchows Arch. 1888. Bd. 113, p. 229.
Seitlicher alternierender Hermaphrodismus. Die Gesclüechtsdrüsen
waren nicht hinreichend entwickelt. Die rechts liegende Drüse ähnelte
— 57 —
einem Hoden, der linke einem unreifen Ovarium. Ein Uterus war vorhanden,
die Scheide fehlte.
Beob. 26. N. Oboloscki, Beiträge zur pathologischen Ana-
tomie des Hermaphrodismus hominis. Prag. Zeitschr. für Heilk.
1888, Bd. IX, H. 2.
Zwei Fälle von Hermaphrodismus. Bei dem einen handelte es sich um
einen 12jährigen Knaben mit zweideutigen äusseren G-eschlechtsorganen.
Innerlich fand sich ein kindlicher Uterus mit einem einzigen Hörne, das sich
in die linke Trompete fortsetzte; auf dieser Seite gab es auch ein Ovarium.
Eechts war dagegen ein Hode mit Nebenhoden und Ductus deferens und auch
ein Eudiment der fallopischen Trompete. In dem anderen Falle handelte es
sich um einen falschen, inneren und äusseren männlichen Hermaphrodismus.
Beob. 27. G. F. Blanker und T. W. P. Lawrence, Acase of true uni-
lateral hermaphrod itism with ovotestis occuring in man,
with a summary and criticism of the recorded cases of true
hermaphroditism. Transact. of the obstetr. soc. of London, Vol. 38,
p. 265, 1897. Mit 4 Tafeln, den Bau des Ovariums und des Hoden darstellend
und mit einem Verzeichnis von 39 Fällen von echtem Hermaphrodismus.
Die Autoren liefern ausser dem eigenen Falle 39 bibliographische Cita-
tionen, die sich nicht alle auf Fälle beziehen, sondern auf Monographien:
Ahlfeld (1880), Debierre (1891), Förster (1865), Laurent (1894), Lilienfeld (1856).
Sie schweigen von den Beobachtungen von Morand (1716), von Jacobi (1818),
von Laumonier (1817), von Follin (1863), von Rawdon (1867), von Vensen
(1868), von Sangalli (1876), von Hofmann (1877), von Dohrn (1883).
B. Bei Tieren.
Beob. 28. Francisous de Paulla Bedinelli (Fanensis), Nupera per-
fectae androgynae structurae observatio. Pisauri, 1755, in 16^.
Böckchen mit Penis und Hoden. Ausserdem hat es eine enge Vulva,
Scheide, Uterus und Blase waren normal. Es zeigte zwei Urethren, die aus
einer einzigen Blase entsprangen. Die eine Urethra erreichte die Spitze
des Penis, die andere mündete in die Vagina, nahe an der Mündung des
Uterus. Der Zweifel Hallers ist nicht berechtigt: „Memorabilis observatio,
si plenam iidem meretur.", noch auch das Urteil Is. G. St. Hilaires, die
Beobachtung sei unrichtig, denn sie spreche ebenso viel von der Clitoris,
als vom Penis, meine aber die erste bei Beschreibung der äusseren Teile,
hinzusetzend, dass sie ungeheuer gross gewesen sei. Dann spreche sie von
der Gegenwart des Penis bei Beschreibung der anatomischen Eesultate, so
dass nach aUer Wahrscheinlichkeit der erste Eindruck von einer Clitoris sich
dann in die Gewissheit eines Penis verwandelt habe.
Beob. 29. Paolo Wlascagni (Siena), Storia d'un ermafrodito della
specie bovin a. Atti dell' Acc. di sc. di Siena, 1800, T. III, p. 201. —
Gurlt, Zweiter Teil, p. 195. Androgynus masculinus.
Neunjähriger Arbeitsstier, der vollständige äussere männliche Organe
besass; nur das Scrotum war geschrumpft. Der Verf. fand zwischen Blase
und Eectum den Uterus und die Scheide, die in die Urethra zwischen den
— 58 -
beiden Sainenkanälen mündete, während sich an den Seiten des Uterus statt
der Ovarien zwei echte Hoden mit ihren D. deferentes befanden. Er fand
jedoch über dem linken Hoden einen rundlichen Körper, ähnlich einem Ova-
rium, und im Scrotum zwei welke Körper, die ebenfalls Ovarien ähnlich waren.
Beob, 30. F. Jacobi, Dissertatio de mammalibus hermaphro-
ditis altcrno latere in sexum contrarium vergentibus.
Berlini, 1818, in S».
Beob. 31. Anonym, Brevi cenni su di un neutro-capra. Napoli,
1829, 8", con due tavole.
Eine Ziege zeigte unter dem After eine ovale Öffnung (Vulva), die
nach unten an der AVurzel des Penis endigte. Dieser war nach hinten ge-
krümmt, ohne Urethra, mit Präputium versehen. Diese Ziege hatte Neigung
zur Copula passiva, und wenn sie diese nicht befriedigen konnte, suchte sie
den eigenen Penis in die Vulva einzuführen. Nach Untersuchung des weib-
lichen Geschlechts- nnd Harnapparats fand der Verf. sie wohl gebildet (die
Urethra mündete in die Vulva), ausser den Hörnern des Uterus, die blind
endigten, indem die fallopischen Trompeten fehlten. In der Abbildung be-
merkt man ferner die Ovarien an der gewöhnlichen Stelle und Hoden an der
Stelle der Pavillons der Trompeten, von denen die D. deferentes entsprangen.
Diese verliefen zwischen den Platten des Peritoneums, stiegen dann an den
Seiten der Vagina bis zu deren unterem Ende herab und mündeten in die
Samenblasen, die ohne Öffnung waren. An dem weiblichen Apparate fehlten
also die fallopischen Trompeten; an dem männlichen die Urethra in ihrer
ganzen Ausdehnung.
Beob. 31 bis. Stefano delle Chiaie (Napoli), Su d'un neutro-capra
0 bissessuale. 4*0^ Napoli, 1829. Cod due tavole. — Miscellanea
anatomico pathologica. Napoli, 1847, T. I, p. 72, Tab. 40, Fig. 1, 2.
Diese Beobachtung entspricht der vorhergehenden.
Beob. 32. Fr. Schnophagen, Hermap hrodismus verus bilate-
ralis bei einer Ziege. Wiener med. Jahrb., 1877, H. 3.
Bei dieser Ziege fanden sich beiderseits sowohl Hoden, als Ovarien.
Beob. 33. Apelle Dei, Catalogo del Gabinetto d' Anatomia
comparata della E. Univ. di Siena. Siena, 1886, p. 126.
Hermaphrodismus lateralis, beobachtet an einem Hering (Clupea aren-
gus L.). Der Hode befand sich rechts, das Ovarium links, und war kleiner
als der Hode. Beide Organe waren nach oben und der Länge nach durch
einen dünnen Kanal verbunden, der vielleicht ein Blutgefäss war, und
mündeten durch einen feinen Ductus in dieselbe äussere Öffnung.
Beob. 34. F. A. Smitt, Desc ription d'un hermaphrodite. Arch.
de biolog. beiges, 1882.
Zu Anfang ist das Keimepithel indifferent und die Ausbildung des
Geschlechts ist ein sekundärer Vorgang, der bei den Fischen bisweilen lang-
sam verläuft. Man findet davon Beispiele unter den Geschlechtern Chryso-
phrys und Serra.nus (Teleostier). Bei dem Genus Bufo entwickelt sich neben
dem Hoden ein rudimentäres Ovarium. Bei den Serrani ist die Spezifikation
zum Teil doppelt, weil ein Teil der Epithelzellen sich zu männlichen Ele-
menten umbildet, ein anderer in Eier.
— 59 —
Beob. 35. v. Kölliker, Über einige Fälle von Hermaphrodis-
mus beim Schweine. Comptes rend. du Congr. period. internat. des
sc. med. T. I, Copenhagen, 1884.
Hermaphrodismus lateralis und äussere Geschlechtsteile weiblich. Diese
Beobachtung hat J. Keuter als Thesis seiner Inaug.-Dissert. gedient. Würz-
burg, 1884.
Beob. 36. Bonnet, Hermaphrodismus transversalis bei
einem Eind. Münchner Jahresber., 1884, p. 96.
Beob. 37. Jos. Reuter, Ein Beitrag zur Lehre vom Herma-
phrodismus (drei Zwitterbildungen beim Säugetier, darunter ein Fall von
Herm. verus lateralis). Verhandl. d. physik. med. Gesellsch. zu Würzburg,
1885. N. F. Bd. XIX, p. 13, 60.
Die drei Schweine waren Abkömmlinge derselben Sau. Bei der einen
fand sich alternierender Hermaphrodismus, also auf einer Seite der Hode,
auf der anderen das Ovarium, wie in dem Falle von Gast beim Menschen.
Ein anderes Schwein von zwei Monaten hatte einen rudimentären Penis, und
unter ihm mündete der ziemlich weite Ductus utero-vaginalis. Der Uterus
hatte zwei Hörner, die sich in die Trompeten fortsetzten. An dem abdomi-
nalen Ende der linken Trompete hing das Ovarium mit vielen Follikeln. Im
rechten Ligamentum latum befand sich ein Hode mit Nebenhoden von nor-
malem Bau. Auf derselben Seite endigte die Trompete nahe am Schwänze
des Nebenhodens. Prostata und Samenblasen fehlten. Diagnose: Hermaphr.
altern ans.
Er bringt ferner 18 Beobachtungen von Hermaphrodismus verus beim
Menschen.
Beob. 38. C, H. Debierre, Note sur un merlan (Weissfisch).
Comptes rend. de la soc. de bioL, 1886, Serie 8 a, Tom. IV, No. 3.
Beob. 39. F. Laulanie, Sur l'evolution comparee de la sexua-
lite dans l'individu et dans l'espece. Comptes rendus. T. 101,
p. 393. Seance du 3 Aoüt, 1885. Soc. de BioL, 1887.
Er beschreibt bisexuelle Produktionen sowohl an den Ovarien, als an
den Hoden bei Vögeln und Säugetieren.
Beob. 40. Hermann Pütz, Ein Fall von Hermaphrodismus
verus unilateralis bei einem Schweine. Deutsche Zeitschr. f.
Thiermedizin. Leipzig, 1889, Bd. XV, p. 91.
Er fand bei einem Schwein auf einer Seite einen Hoden und ein Ova-
rium; auf der anderen keine Geschlechtsdrüse.
Beob. 41. L. Guinard, Hermaphroditisme glandulaire chez un
animal de l'espece caprine. Journ. de med. veterin. de l'ecole de Lyon.
JuUiet, 1890, p. 326.
Die Ziege hatte eine Vulva, die sich nach unten verlängerte, sie war
mit einer ziemlich grossen Clitoris versehen, die den Eintritt in eine eben-
falls entwickelte Scheide erlaubte. Innerlich fand man zwei normale Ovarien
in Verbindung mit dem Ligam. latum und mit dem zweihörnigen Uterus,
ferner zwei Hoden von der Grösse einer Haselnuss und sehr schlaff, in der
Leistengegend liegend. Sie hingen am Ligam. latum mittelst einer Art von
serösem Frenulum fest. Die Nebenhoden fehlten, aber es waren zwei
— 60 —
Stränge vorhanden, die von den Hoden nach der Beckenhöhle liefen und
dem oberen Eande des Uterus innerhalb der Dicke der Ligam. lata folgten
und ganz nahe am Blasenhalse endigten. Der Verf. erklärt diese Stränge
für. D. deferentes. Der spezifische Bau der einzelnen Drüsen wurde mikro-
skopisch bestimmt.
Beob. 42. C. Benedictis, Contributo alle studio del ermafro-
ditismo. Giom. di Veterin. militare, 1893, T. VI, p. 356.
Bei einem Ochsen fand sich ein zweihörniger Uterus, Anhänge des Uterus
(fallopische Trompeten und Eierstöcke mit Graafschen Follikeln), Beste der
durch Kastration mittelst endoscrotaler Drehung atrophierten Testikel,
Hodenstränge, Penis, Präputium und Scrotum.
Die Enden der Hörner des Uterus setzten sich in einem fibrösen Strang
fort bis zu der Stelle, wo sich die Hoden im Scrotum hätten finden müssen.
Diese Hoden wurden rechts durch einen formlosen Haufen von Fett, links
durch einen von Fett umgebenen Kern von kreidiger Substanz dargestellt -
Der untere Teil des Uterus zeigte das Os tincae, hing äusserlich an der
Blase fest und mündete in den Blasenhals. Folglich fehlten die Vagina,
die Samenblasen imd die Ductus ejaculatorii. Die äusseren Geschlechts-
organe (Penis, Präputium, Scrotum etc.) waren für einen Ochsen normal
gebildet.
Die beim Schlachten gemachten Zerstörungen Hessen den Verf. über
mehrere Punkte in Ungewissheit.
Beob. 48. A. Boswald, Über Hermaphrodismus. Tierärztl. Heil-
kunde, 1894, Jahrg. XVII, p. 305. — J. Otto Duschanek, Hermaphro-
dismus beim Schweine. Tierheilk., 1894, Jahrg. XVII, p. 224.
Beob. 44. W. Gart, Zwei Fällevon Hermaphr. verus bei
Schweinen. Beitr. zu der Lehre von der Zwitterbild, bei Säugetieren.
Giessen, 1894. Mit 2 Tafeln.
Ein Schwein hatte auf beiden Seiten hermaphr. Drüsen (die Spermato-
zoen fehlten). Ein zweites Schwein zeigte dasselbe nur auf einer Seite, auf
der anderen war die Drüse bei der Kastration entfernt worden.
Beob. 45. P. Metrophanow, Un cas d'hermaphroditisme chez
la grenouille. Bibliographie anatomique, 1894, Jan vier.
Beob. 46. Frank J. Cole, A case of hermaphroditism in Eana
t e m p 0 r a r i a. Anat. Anzeiger , Jena, 1896, Bd. XI, p. 104. 4 Fig. Mit
Bibliogr.
Beob. 47. Fr. Kopsch und L. Szymoncwicz , Fall von Hermaphro-
dismus verus bilateralis beim Schweine. Anatom. Anzeiger, Jena,
1896, T. XII, p. 6. — Anat. Instit., Berlin, 1896, Bd. XII, No. 6, p. 129—139,
Beob. 48. E. Becker, Über Zwitterbildung beim Schweine.
Verhandl, der physik. med. Gesellsch. zu Würzburg, 1897, T. XXXI.
Bei einem Schweine fand er auf einer Seite den Hoden, auf der anderen
das Ovarium.
61
Note 3a. Hermaphrodismus der aplasischen Greschleclits-
drüsen.
(Atrophisclier oder neutraler Herrn aphrodismus.)
Beob. 1. P. Ärtley Cooper, Guy's kosp. Eep., 1840, p. 243.
Eine Frau von 86 Jahren hatte eine ausserordentlich lange Clitoris,
der Eingang zur Scheide fehlte Ibei unvollkommener Entwickelung der
Ovarien.
Beoh. 2. Emilio Emiliani (Faenza), Caso di supposto ermafro-
ditismo. Bull. sc. med. di Bologna, 1862, Ser. 4, T. XVIII, p. 241.
In der Leiche einer ledigen Frau von 80 Jahren fand der Verf. ein
11 cm langes männliches Glied mit Eichel und Präputium, ohne Frenulum
(von dem aber Spuren vorhanden vraren) und ohne Urethra. Er sah femer
zwei leere Labia majora, aber statt der Öffnung der Vulva fand er nur die
der Urethra. Bei der Sektion entdeckte er zwischen Blase und Eectum den
Uterus, 6 cm lang, mit Ligamentis latis und rotundis, der sich nach unten
in die Scheide fortsetzte, die in die Urethra mündete. Vom Uterus gingen
die Trompeten ab, die zwei je 9 cm lange Stränge bildeten und mit dem
Ende an einem zungenförmigen, aus Zellen bestehenden Körperchen fest-
hingen. Es fehlten Prostata, Hoden, Kanälchen und Samenblasen.
Die Frau war 160 cm hoch, mit männlichem Habitus, grossem Kopf,
vorspringendem Larynx, kleinen Brüsten mit rudimentären Drüsen, ohne
Mons Veneris. Sie hatte brünette Haut, schwarze, starre Haare an den
Stellen, wo sie sich bei Männern finden, die aber im Gesicht nicht sichtbar
waren, weil sie im Leben den Bart abrasierte.
Endlich meinte der Verf., die beiden zungenförmigen Körper seien im
primitiven Zustand zurückgebliebene Geschlechtsorgane, die sich sowohl in
männliche, als in weibliche Organe hätten verwandeln können; doch war ein
Vorwiegen des Weiblichen anzunehmen.
Beob. 3. Nicodemo Pacciotti (Neapel), Su d' una mostruositä
degli organi genitali di Giuseppe Marzo. Eendic. della E. Acc.
med. chir. di Napoli, 1865. T. XIX, F. 1, p. 43. Con 4 tavole (troppo
convenzionali) — Luigi de Crecchio (Napoli), Sopra un caso d' appa-
rasza virite in una donna. II Morgagni, Napoli, 1865, p. 151, con
2 tavole. — Canstatt's Jahresber. 1865, Bd. IV, p. 10.
Die Leiche eines Mannes von 64 Jahren war 1,50 m hoch, gut gebaut,
mit dichtem Bart und dichter Behaarung am Pubes und Nabel, mit Penis
von gewöhnlicher Grösse, aber mit dem ersten Grade von Hypospadie und
(was am meisten auffiel) ohne Scrotum, ohne Spur von Hoden, mit breitem,
glatten Perineum.
Dieser Mann wurde als Weib getauft, aber nach 4 Jahren für einen
Mann anerkannt und Giuseppe genannt. Zur Pubertät gelangt, zeigte er
Haare im Gesicht, die später dicht wurden, männlichen Habitus und Neigung
zum weiblichen Geschlecht. Er war von reizbarem Charakter, zum Streiten
geneigt, sowie zum Müssiggang. Er nahm Dienste bei mehreren Familien,
— 62 -
zeigte sich, unbeständig und später ernst; schweigsam, nachdem er von
einem Mädchen verlassen worden war. Von seinem späteren Lehen weiss
man nur, dass- er sich dem Trunk ergab, und dass er nachher von Diarrhöe
ergriffen wurde, die ihn ins Grab brachte.
Bei der Sektion fand man, dass der Penis mit einer Urethra versehen
war, und diese mit Bulbus und Prostata, welche drei Öffnungen hatte : eine
grössere, die in die Scheide führte, eine zweite kleinere, die mit einem
Samenbläschen in Verbindung stand und eine dritte, die in einen blind
endigenden Kanal führte. Die Scheide lag zwischen Darm und Rectum,
und die Blase setzte sich unmerklich, zum Uterus fort. An der Scheide
hingen zwei Schleim enthaltende Samenblasen, aber ohne Spermatozoen.
Man fand keine D. deferentes, und auch keine Hoden.
Endlich war der Uterus mit fallopischen Trompeten und Ovarien ver-
sehen, aber nicht mit Ligam. rotundis, und das merkwürdigste ist, dass in
den Ovarien sich keine Reste der Corpora lutea befanden.
Beob. 4. Houze d'Aulpoit, Reflexions teratologiques medico-
legales au sujet d'un hermaphrodite neutre, presentant
plusieurs arrets de formation et de developpement. Bullet,
medic. du Nord. Lille, 1867, Ser. 2, T. II, p. 180.
Beob. 5. Ä. Tardieu, Question med. legale de l'identite
dans les rapports avec les vices de conformation des or-
ganes sex u eis, contenant les souvenirs et impressions
d'un individu, dont le sexe etait meconnu. Paris, 1872, in 8°,
1874 (2. edit.).
In einem der von dem Verf. angeführten Fälle erkannte er die Not-
wendigkeit, ein neutrales Geschlecht anzunehmen.
Beob. 6. R. Jacoby, Zwei Fälle von Hermaphroditen-Bild-
ung. Dissert. Berlin, 1885. — Jahresber. für 1885, Bd. I, p. 285 (7).
Verf. nennt den ersten Fall (nach Klebs) Pseudo-Hermaphrodismus
femininus externus, oder Hypertrophie der Clitoris (nach Ahlfeld). Verf.
machte eine Operation, um der Frau den ehelichen Beischlaf möglich zu
machen. Er teilte die zusammenhängende Labia minora bis zur unteren
Kommissur und untersuchte dann. Er fand keine Ovarien und nur einen
atrophischen Uterus.
Beob. 7. H. Gimckel, Über einen Fall von Pseudo-Herma-
phrodismus femininus. Diss. Marburg, 1887. — Jahresber. für 1887,
Bd. I, p. 272 (4).
Mann von 48 Jahren, äusserlich von männlichem Aussehen, aber ohne
Hoden. Innerlich fand sich ein fleischiger Uterus mit zwei am Ende blinden
Trompeten und zwei kindlichen Ovarien. Auch die Vagina war vorhanden,
die sich an die Prostata ansetzte.
Beob. 8. Polaillon (Paris), Hermap hroditisme, Gaz. med. de Paris
1887. Ser. 7, T. IV, 18. Juin, p. 289. Mit Abb.
Ein unverheirateter Mann von 31 Jahren mit zarter Konstitution,
weiblicher Stimme und Formen, starb an einem Leberabscess. Er hatte
einen rudimentären Penis, 4 cm lang, mit Urethralöffnung, breitem Becken
wie bei einer Frau und zwei Labia majora. Zwischen diesen und unter
— 63 —
dem Penis befand sich ein kleines, welkes Scrotum oline Hoden, und unter
diesem keine Öffnung, die einen Scheideneingang darstellte.
Im Ahdomen zeigte sich weder ein Uterus, noch Trompeten, noch
Ovarien, auch kein Bruchstück der Wolff sehen Körper; wohl aber die
Harnblase mit der Urethra, aber ohne Samenblasen. So fehlte jede Spur
von Ovarien und Hoden, und Verf. meinte, es handele sich um einen neu-
tralen Hermaphroditen.
Dieses Urteil ist nur eine Vermutung, denn Verf. bekennt, dass die
Beobachtung sehr eilig gemacht wurde, weil die Verwandten nur wenig Zeit
zur Sektion verstattet hatten.
Beob. 9. WI. A. Walker, A case ofpseudohermaphroditism.
New- York, Med. Journ. 1894, Oct. 6, p. 434.
Mann von 24 Jahren mit Hypospadie, ohne Bart, mit gut entwickelten
Brüsten, der an Epistaxis litt (vicarierend für Menstruation). In der
Leiche fanden sich Vagina, Uterus und Ovarien mehr oder weniger rudi-
mentär. (Das Journal „Teratologia" von London sagt nichts über das
Scrotum).
Note 3a. Die Drüsen des einen CrescMechts in Yerl)indiing
mit sekundären Teilen des anderen Gesclileclits.
(Ps endo -Her maphrodismus.)
A. — a. Hoden mit Fortbestehen von Fragmenten der MüUerschen
Kanäle.
(MännlicherPseudo-Hermaphrodismus.)
Beob. 1. Jean Louis Petit (Namur), Acad. K. des sc. bist. Annee.
1720. Paris 1722, p. 29.
Bei der Sektion eines Soldaten bemerkte man, dass im Scrotum die
Hoden fehlten. Im Abdomen fand man einen Uterus hinter der Blase, die
in die Urethra prostatica mündete. Der Uterus hatte zwei fallopische Trom-
peten, die sich an zwei eiförmige, Hoden ähnliche Körperchen ansetzten.
Jeder davon hatte eine Art von Nebenhoden und einen D. deferens, der in
das betr. Samenbläschen mündete und dieses in die Urethra.
Beob. 2. Giraud, Conf ormation extraordinaire. Eecueil period.
de la Soc. de med. de Paris. T. 11. 1797. — Mem. de la Soc. d'emulation,
1798, 2me edit. p. 399.
Weib von 40 Jahren mit nicht durchbohrtem Penis und zwei Hoden in zwei
Hautfalten. Unter dem Penis drang man in die Vagina ein, in welche die
Urethra mündete. In der Leiche fand man weder Uterus, noch Ovarien,
wohl aber die Prostata mit dem Prostatabläschen, in das die D. deferentes
mündeten. Auch Samenbläschen fanden sich.
Klebs stellt diesen FaU trotz des Vorhandenseins der Scheide zu den
männlichen äusseren Pseudo-Hermaphroditen.
— 64 —
Beob. 3. Vincenzo Malacame (Saluzzo), Pseudo-ermafrodito.
Mem. di mat. e di fis. della Soc. ital. Modena, 1802, T. IX, p. 109.
Im Perineum eines Mannes, in der Höhe von 2 ZoU hinter der Blase
fand sich ein hügeliger, innerlich runzliger, nach dem Rectum gerichteter,
mit stinkendem Talg gefüllter Körper, der jetzt für ein Beispiel eines männ-
lichen Uterus gehalten wird.
Beob. 4 Jacobus Fid. Ackermann, Infantis androgyni historia
et Iconographia. Jena, 1805^ In Fol. cum 5 Tab.
Ein Kind von 6 Wochen hatte Hypospadie und Scrotalspalt mit dem*
Aussehen einer Vulva. Über der Scheide lag ein Uterus in Form von Cysten
Die Hoden lagen vor den Leistenringen, mit normalen Samengängen.
Beob. 5. Schneider-Sömmering, Kopps Jahrb. für Staatsarzneik.
8117, Bd. X. Citiert von Arnold, Virchows Arch. 1869, Bd. 47, p. 22.
Ein Mann mit kurzem Penis , an dessen Wurzel sich die Urethra
öffinete. Das Scrotum war geteilt und die Hoden ragten in der Leisten-
gegend vor. Die D. deferentes streiften den Grund des Uterus masculinus
und öffneten sich in den Sinus urogenitalis. Man fand Samenblasen, aber
keine Prostata.
Beob. 6. K. G. F. R. Leuckart (Leipzig), Illustr. mediz. Zeitschr.
1817, Bd. I.
Eine vor kurzem verheiratete Bäuerin trennte sich vom Gatten. Sie
starb 74 Jahre alt. Bei der Sektion fand man nichts, als das Rudiment
einer Scheide in Verbindung mit Samenbläschen durch zwei Kanäle. Im
übrigen nur männliche Charaktere.
Beob. 7. Georg Steglehner, De hermaphroditorum natura
tractatus. Bamberg und Leipzig, 1817, p. 120.
Ein Mädchen von 23 Jahren hatte vollständige äussere Geschlechts-
teile und Körperhabitus, aber männliche Stimme und vorspringenden Laryns.
Bei der Sektion fand man Fehlen des Uterus, der Trompeten und Ovarien,
und eine sehr enge Scheide. In den Weichen fanden sich aber Hoden mit
vollständigen Samenwegen und zwei D. ejaculatorii, die sich in die Scheide
öffneten.
Beob. 8. Aug. C. Mayer (Prof. in Bonn), Fälle von Hermaphro-
dismus. Journ. für Chir. und Augenheilk. T. VIII, p. 194, 1826. —
Icones selectae praeparationum museianatomici. Bonnae,
1831. S. Bullet, de Ferussac, 1827, T. X, p. 15.
Bei einem Kinde von 6 Monaten mit 12 Linien langer Clitoris, die
unterhalb durchbohrt war, und aus der der Urin austrat, so dass sie für
einen Penis mit Hypospadie gehalten wurde, mit zwei leeren Falten unter-
halb, fand Mayer in den Leistenkanälen zwei den Hoden ähnliche Körper;
ausserdem einen Uterus mit fallopischen Trompeten, die nach der Leisten-
gegend gerichtet waren und die genannten Körper erreichten, und eine Va-
gina, die unter der Clitoris mündete. Eierstöcke fand er nicht.
Beob. 9. Giuseppe Ricco, Cenno storico su d'un neutro-uomo.
Con Tab. Filiatre Sebezio. NapoU, 1832, — La medicina pittoresca. Napoli,
— 65 —
1840, p. 213. — Antonio Grille (Prof. a Napoli). T. IV. Dell' ermafro-
dismo. (Storia della fabbrica del corpo umano). Napoli, 1832, Vol. 5, p. 99.
In der Leiche einer 80 Jährigen Frau waren die äussern Geschlechts-
teile normal, die Scheide war ohne Eunzeln und endigte blind nach einer
Länge von 2 Zoll. Ferner fand man zwei kaum aus den Leistenringen aus-
getretene Hoden mit regelmässigen D. spermatici, die Can. deferentes gingen
zu den Samenbläschen, die zwischen Blase und Scheide lagen. Sie endigten
in eine häutige Ausbreitung, so dass Ductus ejaculatorii fehlten. Es war
keine Spur vom Uterus vorhanden, noch von Ligamenten, Ovarien oder fallo-
pischen Trompeten.
Beob. 9 a. J. G. St. Hilaire, Gas sing ulier et paradoxal d'her-
maphroditisme, observe ä Naples, sur un sujet octogenaire.
Gaz. med. de Paris, 1832, T. III, p. 75.
Er erzählt den Fall von Gius. Ricco (Giorn. della due Sicilie, 1832,
23 Gen.). Er erzählt auch, dass Klaret (Mem. de l'acad. de Dijon, T. II)
einen ähnlichen Fall bei einem 17jährigen Burschen publiziert hat. (Er
sagt nur, dass die Ärzte ungewiss blieben.) Dann zeigt er, gestützt auf
die vergleichende Anatomie und auf die Veterinäre Teratologie die Wahr-
scheinlichkeit der obigen Beobachtung. (Beob. 9).
Beob. 10. E. H. Weber, De vesica prostatica, rudimento
uteri in corpore masculino. Annotationes anatomicae et
physiologicae. Lipsiae, 1836, in 4P, T. I, p. 4—7.
Eine vorher und nachher mehrmals wiederholte und in den Ann.
univ. di med. e chir. Milano, 1847, Vol. 123, p. 346 reproduzierte Be-
obachtung.
Fötus von 32 Wochen von männlichem Geschlecht mit einem häutigen
Bläschen, ähnlich dem Uterus, zwischen Blase und Kectum.
Beob. 11. E. H. Weber, Zusätze zur Lehre vom Baue und den
Verrichtungen der Geschlechtsorgane. Mit 9 Tafeln. Leipzig, 1846.
Er erkannte zuerst die weibliche Natur der Prostatablase infolge seiner
Studien der vergleichenden Anatomie. Es war aber nicht richtig, dass er
das vergrösserte Bläschen den männlichen Uterus nannte.
Beob. 12. A. F. Günther, Commentarius de hermaphroditismo,
cui adjectae sunt nonnullae singulares observationes. Cum
iconibus lapide incisis. Lipsiae, 1846.
Ein Mann mit Hypospadie und Scrotalspalte, ohne Neigung zu einem
von beiden Geschlechtern, hatte oberhalb der Scheide einen ziemlich kleinen,
dreiteiligen (dreiförmigen) männlichen Uterus. Das mittlere Hörn verlor
sich unter der Serosa der Blase; die beiden seitlichen setzten sich in Cana-
les deferentes fort, die in Stränge verwandelt waren. Die Hoden mit den
Nebenhoden waren ins Scrotum hinabgestiegen.
Beob. 13. Joseph HyrtI, Eine unpaarige Höhle der Geschlechts-
organe nebst Mangel der Samenbläschen beim Manne. Österr.
med. Wochenschr. Wien, 1841, p. 1037.
Ein Mann mit normalem Penis, Scrotum, Urethra und Prostata. Die
Hoden waren im Scrotum enthalten, die Samengänge mündeten in den Utri-
Taruffi, Hermaplirodismus. 5
— 66 —
culus prostaticus. Es war ein Uterus mascnlinus Torhanden mit einem
Hörne, das sich in das Caput gallinaginis der Prostata öffnete. Die Samen-
Ibläschen fehlten.
Beob. 14. Theile (Prof. in Bern), Anatomische Untersuchung
eines Hypospadiacus. Arch. für Anat. von J. Müller, Berlin, Jahrg.
1847. p. 47. Tafel III.
In Fig. 4 stellt er den Utriculus prostaticus stark vergrössert dar.
Beoh. 15. Friedr. Betz (Tübingen), Über den Uterus masculinus.
Arch. für Anat. und Physiol. von J. Müller, Berlin, 1850, p. 65, Taf. 2,
Bei einem männlichen Neugeborenen mit wohlgebildeten äusseren
Genitalien fand Betz einen rudimentären Uterus mit Scheide, die am Verum
montanum mündete. Samenbläschen fehlten. Der rechte Hode befand sich
im Abdomen, der linke im Scrotum; beide hatten Nebenhoden und Can.
deferens, und beide Kanäle setzten sich an die Eänder des Uterus an.
Beob. 16. E. Follin, Individu, qui presente ä la fois les organes
genitaux mäles et femelles. Gaz. des hopit. 1851, 4. Dec. p. 561.
Ch. Honel, Description du Musee Dupuytren. Paris, 1862, Sect. III,
No. 268, p. 816.
Ein Individuum, zuerst für eine Frau, dann für einen Mann und end-
lich für einen seitlichen Hermaphroditen erkannt, zeigte Hypospadie mit
gespaltenem Scrotum und besass auch einen Uterus mit zwei Trompeten.
Die linke stieg in das Scrotum herab, wo sie an einem Hoden festsass.
Von der rechten Seite des Uterus ging ein Strang aus, der nach der
Leistengegend lief, wo er in eine seröse Cyste endigte. Ovarien fehlten,
aber nicht die Scheide.
Beob. 17. Luca Cozzi (Milano), Sopra un caso d' ermafroditismo
incompleto etc. Ann. univ. di medic. Milano, 1852, Vol. 140, p. 490.
Er sezierte eine Ehefrau von 52 Jahren, die amenorrhoisch und steril
gewesen war, mit normalen äusseren Geschlechtsteilen, aber 2 Geschwülsten
in den Weichen. Nach Öffnung des Abdomens fand man weder den Uterus,
noch seine Anhänge, wohl aber die blind endigende Scheide, über die sich
ein fibröses, gelb-weisses Körperchen legte, das eine kleine Höhlung ent-
hielt. Nach Durchschneidung der Leistengeschwülste entdeckte man zwei
Hoden mit Nebenhoden, von denen sich jeder in ein Bündel fortsetzte, das
seitlich an dem genannten Körperchen endigte. Keine Spur von der Prostata,
den Samenbläschen und den Canales ejaculatorii.
Beob. 18. Leuckart, Hypospadiacus et Uterus masculinus.
niustr. med. Zeitschr. München, 1852, Bd. I, p. 87. — Ahlfeld, Miss-
bildungen. Tafel 40, Fig. 3, 4, 5.
Er beschrieb zwei Kinder, die neben den Hoden eine Blase zeigten,
die den Uterus darstellte, ohne Anhänge, an die hintere Wand der Urethra
angelagert, die mit einer Prostata versehen war. Im zweiten Falle mündete
ein dem ersten ähnliches Bläschen in die Urethra.
Beob. 19. C. K. Langer, Uterus masculinus eines 63jährigen
Mannes. Zeitschr. der K. GeseUsch. d. Ärzte in Wien, 1855. — Canstatts
Jahresbericht für 1853, Bd. IV, p. 30.
— 67 —
Mann mit Hypospadie und Scrotalspalte, der mit 63 Jahren starb.
Nnr der linke Hode war ins Scrotum herabgestiegen. Die Samenhläschen
fehlten und die Can. deferentes mündeten, der eine in die Urethra, der
andere in das vergrösserte Prostata-Bläschen. (Männlicher Uterus oder
männliche Scheide.) Oberhalb dieses Bläschens sah man einen zweihörnigea
Uterus mit zwei sehr langen fallopischen Trompeten.
Beob. 20. Nuhn, Hypospadiacus et uterus masculinus. lUustr.
med. Zeitschr. München, 1853, Bd. III, p. 92, Fig. 4. — Förster, Miss-
bildungen. Tafel XXI, Fig. 11.
Beob. 21. S. T. Sömmering, Präparat, etc. Pars 1, No. 1384, vom
Sömmeringschen Museum. No. 49. — Leuckart, Abhandlung über
das Webersche Organ. lUustr, med. Zeitschr. München, 1859. Bd. I,
p. 89, Fig. 18, 19.
Der Penis ähnelte einer Clitoris, mit einem Präputium, das zwei kleine
Lippen aussandte, wie Flügel, die das trichterförmige Vestibulum umgaben.
Unterhalb war der Meatus urinarius zwischen zwei Schleimfalten, nach Art
des Hymens der E a a b. Aus dem Vestibulum gelangte man in die 6 cm
lange, blind endigende Vagina, wo die beiden Can. deferentes mündeten und
die Eudimente der Samenbläschen anhafteten. Man fand einen einzigen
Hoden mit Nebenhoden im Leistenkanal (die Seite wird nicht angegeben).
Die Prostata fehlte.
Beob. 22. E. Godard, Eecherches teratol. sur l'appareil
seminal del'homme. Paris, 1866.
In der Leiche eines Mannes mit Hypospadie fand er einen Uterus
von gewöhnlicher Grösse. Aber statt der Trompeten hatte dieser zwei
solide Stränge, die nach den Leistenkanälen liefen. Nur links befand
sich ein Hode mit rudimentärem Nebenhoden und obliteriertem Can.
deferens.
Beob. 23. v. Franque, Hermaphroditisme transversal. Scan-
zonis Beitr. zur Geburtsk. und Gynäkol. Würzburg, 1859. Bd. IV, p. 57.
S. Kölliker, Embryologie. Trad. franc. 1882, p. 1043.
Im Würzburger Museum befindet, -sich ein Präparat, an dem man die
äusseren männlichen Geschlechtsteile sieht (Penis mit Hypospadiasis und
Scrotum mit Hoden). Nach oben befindet sich dagegen eine Scheide, die sich
in die Prostata öffnet, und ein gut entwickelter Uterus mit Oviducten.
Beob. 24. Aug. Förster (Würzbarg) ,. D i e Missbildungen des
Menschen. Jena, 1861, p. 154. — Uterus masculinus, T. XXI, Fig. 17, 18.
Präparat der pathol. Sammlung in Würzburg.
Beob. 25. Potier-Duplessy, Un cas d'hermaphroditisme masculin.
Eec. de mem. de med. milit. 1867. Ser. 3, T. XIX, p. 433.
Der Penis litt an Hypospadie.
Beob. 26. Wrany, Hermaphrodische Verbildung der Geni-
talien. Hernia inguinalis congenita. Prager Viertel] ahrsschr. 1867. H. 1.
Mit Abbild.
In der Leiche eines 12 jährigen Mädchens fand man auf der rechten
Seite des Abdomens einen Uterus unicornis mit Trompete und Liga-
5*
mentum latum, an dessen Ende sich ein mit Can. deferens verseliener Hode
befand.
Beob. 27. 0. WS. van Wlons, Note sur un cas d'hermai^lirodi-
tisme masculin chez deux jumeaux. Journ. de med., physiol. et
pbarmaeol. Bruselles, 1868, T. 47, p. 417 (nicht bestätigt).
Beob. 28. J. Arnold (Heidelberg), Fall von Uterus masculin us,
angeborener Striktur der Harnröhre und hochgradiger
Dilatation der Harnblase und der Harnleiter. Virchows
Arch. Berlin, 1869, T. XL VII, p. 7.
Neugeborener mit Penis und Scrotum, erweiterten Ureteren und
Blase und cystischer Degeneration der Nieren. Zwischen Blase und Rectum
fand sich ein kleiner solider Körper, welcher sich an zwei Körper an-
setzte, die Hoden und Nebenhoden ähnlich waren. Der Uterus setzte sich
in eine kurze 'Scheide fort, die sich zugleich mit der Urethra in die Uro-
genitalhöhle öffnete.
Der Verf. fügt 26 der seinigen ähnliche Beobachtungen hinzu, darunter
die von Mayer (1831), von Henriette (1855), von Dorham (1861), von Pelvet
(1865), so dass wir sie übergehen können.
Beob. 29. N. v. Tolmatschew (Kasan), Ein Fall von semilunarer
Klappe der Harnröhre und von vergrösserter Vesicula
prostatica. Virchows Arch. Berlin, 1870. Bd. 49, p. 348, Tafel XL
Neugeborener, der in der Urethra eine Klappe hatte, gerade vor dem
Samenhügel, welche die Erweiterung der Blase und der Ureteren, sowie die
Degeneration der Nieren erklärte. Er hatte ferner einen Sack hinter dem
Grunde der Blase, der durch die erweiterte Vesicula prostatica festgehalten
wurde. Die Samenbläschen fehlten.
Das Präparat ist wegen seiner Seltenheit im Museum von Tübingen
aufbewahrt worden.
Beob. 30. John Wood, The pelvis and genital organs of an
Hermaphrodit. Transact. of pathol. anatomy, Soc. T. 23. London, 1872.
p. 169. — Jahresber. für 1872, Bd. I, p. 230.
In einer Leiche von weiblichem Aussehen fand Verf. einen kleinen,
nicht durchbohrten Penis, die Labia majora waren gross und jedes enthielt
einen Hoden mit seinem Strange. Ferner fand er die kleinen Schamlippen
und einen kurzen Scheidenkanal, der nach einem zwischen Blase und Rectum
liegenden Sacke führte. Die Prostata war vollkommen, während einige
Masse des Beckens männlich, andere weiblich waren.
Beob. 31. J. English; Zur Pathologie der Harn- und Geschlechts-
organe. Österr. med. Jahrb. 1873 H. I, p. 61. — Jahresber. für 1873, Bd. II,
p. 191 (7).
Die erste Beobachtung betrifft den Verschluss des Sinus pocularis, die
zweite handelt von einer Cyste in der pars supramontana der Prostata.
Beob. 32. Odin, Hermaphrodisme bisexuel. Lyon medic. 1874,
T. XVI, p. 214. — Gaz. des höpit. 1874. — Jahresber. für 1874, Bd. I,
p. 299 (34).
Ein Mann von 63 Jahren, der nur am Pubes behaart war, besass einen
10 cm langen Penis mit einer Furche statt der Urethra. Das Scrotum wurde
— 69 —
durch zwei Labia majora dargestellt, zwischen denen sich ein Spalt befand,
der nach oben die Öffnung der Urethra enthielt und sich nach unten in
einem 8 cm langen Kanal fortsetzte, der zuerst durch eine Art von Hymen
verschlossen wurde und dann in einen rudimentären Uterus überging. Im
linken Leistenringe befand sich ein kleiner Körper, der für einen Hoden ge-
halten wurde; dasselbe fand sich rechts, mit dem Unterschiede, dass der
Hode grösser war. Beide Hoden hatten Samenbläschen, die zusammen am
Blasenhalse vor der Scheide mittels der Can. deferentes mündeten. Die Pro-
stata fehlte.
Beob. 33. J. A. Boogaard, Persistentie der Müllersche Gangen
bij een volwassen Man. Verst. en Meded. der K. Acad. van Wetensch.
afd. Naturkund e D. IX, E. 2. Amsterdam, 1874. Con tavola.
In der Leiche eines Mannes von 66 Jahren fand Verf. einen zweiten
Ureter, der von innen nach aussen den Kopf jeder Niere umkreiste, an ihrer
Oberfläche festhaftete und dann, sich erweiternd, innerlich zu dem normalen
Ureter herabstieg, an der Blase festhing, und nach oben am Verum mon-
tanum der Prostata mündete, ohne die Lage der Ductus ejaculatorii zu
ändern.
Beob. 34. Hans Eppinger, Pseudo-Hermaphrodismus mascu-
linus internus. Prager Vierteljahrsschr. für prakt. Heilk. 1875, Bd. 125.
— Jahresbericht für 1875, Bd. I, p. 31 (34).
Ein Mann von 52 Jahren mit Bart u.nd behaarten Pubes besass Penis
und Scrotum, das zwei Hoden enthielt. Die Sektion zeigte interstitielle
Nephritis links; Ureter, Samenbläschen und Vas deferens waren normal.
Kechts war die Nebenniere normal, aber die Niere rudimentär, die Nieren-
arterie obliteriert. Von den Resten der Niere stieg ein Kanal herab, der
in den Samenhügel mündete. In seinem Verlaufe fanden sich sowohl makro-
als mikroskopische Unterschiede, die dem Verf. die Annahme erlaubten, zu-
erst sei eine fallopische Trompete vorhanden gewesen, die sich dann in ein
Uterushorn verwandelte, dann in eine Scheide, die in den Samenhügel
mündete, und dass in dem letzten Teile sich eine schleimige Flüssigkeit
befand, die Spermatozoen enthielt. Der männliche Apparat war vollständig;
es fanden sich Hoden, D. deferentes, Samenbläschen, Can. ejaculatorii, die
Prostata und die Blase, in der die Mündung des rechten Ureters fehlte.
Beob. 35. W. Gruber. Saccus ventricularis extra laryngeus
lateralis und Eeste vom Uterus masculinus höheren Grades bei
einem Erwachsenen. Virchows Arch. 1876, Bd. 67, p. 361.
Ein Mann von 30 Jahren mit wenig entwickelten Genitalien, bei dem
die Can. ejaculatorii in den Utriculus prostaticus mündeten, zeigte eine
peritoneale Falte zwischen Blase und Rectum mit einem vertikalen Muskel-
streifen, der an der Wand des Utriculus prostaticus endigte.
Beob. 36. F. E. Martin (Paris), Sur un cas de persistance des
canaux de Müller, obliteration des voies urinaires, neutralite
sexuelle. Journ. d'anat. et de physiol. 1878, T. III, p. 21.
Unreifer Fötus mit Anschein einer Vulva, ohne innere Geschlechts-
organe. Er hatte zwei Nieren mit ihren Ureteren, ferner zwei andere Kanäle,
— 70 —
die in die Blase mündeten, aber einen freien Ursprung hatten und von dem
Verf. für Müll er sehe Kanäle gehalten wurden. Die Urethra fehlte, mit
ungeheurer Ausdehnung der Blase, in der der Urachus verschlossen war.
Das Colon descendens fehlte.
Beob. 37. Barth, Anomalie de developpement de rutricnle
prostatique; persistance de l'organe de Müller du cote droit, en
forme de poche diverticulaire, passant sous la vessie; souleve-
ment de la muqueuse vesicale formant valvule (retention d'urine;
dilatation consecutive des ureteres et hydronephrose double). Bull, de la
Soc. anat. de Paris, 1878, T. LIII, p. 483.
Der Müllersche Kanal entsprang dünn im Niveau der Nebenniere,
und schien mit einer Gruppe von Cysten in Verbindung zu stehen von der
Grösse kleiner Linsen (Eeste des Wolf f sehen Körpers); dann erweiterte er
sich, drang zwischen die Häute der Blase ein und öffnete sich in den
Utriculus prostaticus mit einer Öffnung, die eine starke Sonde aufnehmen
konnte.
Beob. 38. Krabbel, Ein Fall von Hermaphrodismiis. (Pseudo-
Hermaphrodismus masculinus, Klebs). Arch. für klin. Chir. Berlin, 1870,
Bd. XXIII, p. 652.
Beob. 39. W. M. Ord, Malformation of the genital organs of a
man. Brit. med. Journ. 1 Nov. 1879. — Transact. med. chir. Vol. 63, p. 11.
— Jahresber. 1880, p. 292.
In der Leiche eines 36jährigen Mannes fand Verf. einen dicken Kanal,
der vom oberen Teile der rechten Niere ausging und nach der vorderen
Seite der Blase lief. Er begann oben blind und öffnete sich unten in dem
mittleren Teile der unteren Seite des urethralen Teils der Prostata mit einer
über den Can. ejaculatorii gelegenen Öffnung. Das obere Ende der genann-
ten Niere war mit einer kleinen, drüsigen Masse bedeckt, die sich mit dem
genannten Kanäle berührte und den Bau einer geschrumpften, degenerierten
Niere hatte. Der Verf. hielt sie für den Best eines Teils des Wolf f sehen
Körpers, während er den Kanal für eine nicht atrophierte Müllersche Köhre
erklärte.
Der rechte Hode war im Leistenkanale zurückgeblieben; -der Can.
deferens und die Samenbläschen waren durchgängig, aber unvollkommen
entwickelt.
Beob. 40. Ch. Remy, Über den Utriculus prostaticus und den
Müllerschen Kanal beim Manne. Journ. anat. et phys. Paris, Mars, 1879.
In der Leiche eines 10jährigen Knaben fand Verf. vor dem rechten
Ureter den Müllerschen Kanal im Zustande der Embryonalperiode. Nach
oben stand dieser Kanal im Niveau der Niere mit einem Haufen von Cysten
in Verbindung, die für Beste des Wolf f sehen Körpers betrachtet wurden.
Nach unten verband sich dieser Kanal mit dem Utriculus prostaticus. Beide
Hoden besassen Nebenhoden und die Hydatide von Morgagni.
Beob. 41. M. Nussbaum, Über eine Cyste am Blasengrunde (ver-
grösserter Uterus masculinus). Centralbl. für klin. Med. Bonn, 1880, p. 401.
— 71 —
Cyste von Nussgrösse, helle Flüssigkeit enthaltend, einen Uterus pro-
staticns darstellend.
Beob. 42. Gine y Portogas (Prof. in Barcelona), Gas sing ulier
d'liermaphrodisnie. Kev. anthropol. Paris, 1881, p. 376.
Ein Mann von 28 Jahren hatte rechts männliche Organe, kurzen Penis,
Scrotum mit Ehaphe und einem einzigen Hoden. Der linke Hode wurde
nicht gefunden, aber auf dieser Seite befand sich eine vollkommene grosse
und kleine Schamlippe und eine Scheidenöffnung, ohne Clitoris, Hymen
und Carunkeln. Der Meatus urinarius befand sich auf der Glans. Die
genannte Öffnung führte in den 4 cm langen Scheidenkanal, der blind
endigte. Bei Untersuchung durch das Eectum fand sich keine Spur eines
Uterus.
Beob. 4:B. C. Langer (Wien), Ein neuer Fall von Uterus mas-
culinus beim Erwachsenen. Arch. f. Anat. u. Physiol. Leipzig,
1881, p. 392, Taf. XYI.
Soldat, Selbstmörder mit Ektopie eines Hodens und zweihörnigem Uterus,
der an der Basis der Prostata ansass. Die Can. deferentes standen in Ver-
bindung mit den seitlichen Wänden des Uterus.
Beob. 44. Honel, Pieces d'hermaphrodites conservees au
musee Dupuytren. Bull. Soc. d' Anthropol. Paris, 1881, Ser. 3, T. IV,
p. 554.
Ein Mann mit Penis und zweigeteiltem Scrotum und einer Spalte, die zu
Scheide und Uterus führte. Dieser war gut entwickelt, aber rechts war er
ohne Ovarium, während links ein Hode ohne Spermatozoen da war.
Beob. 45. Gasser, Embryonalreste am männlichen Genital-
Apparat. Sitzungsber. der Marburger Naturforscher - Gesellsch. 1882,
30. Aug. — Jahresber. für 1882. Bd. I, p. 102 (29).
Bei einem Neugeborenen fand Verf. nahe am Vas deferens einen
kleineren Kanal, den er für einen Eest des Müller sehen Ganges hielt.
Beob. 46. Fr. Ahlfeld, Die Missbildungen des Menschen.
Abschn. VI, p. 250. Uterus masculinus. Leipzig, 1882.
Verf. sammelt neue Thatsachen über die Eeste der Müller sehen
Kanäle und bildet sie ab. Aus ihnen kann man für eine neue Monographie
Nutzen ziehen.
Beob. 47. K. Henrichsen, Pse-udo-Hermaphroditismus mas-
culinus externus completus. Virchows Arch. Bd. 94, p. 211,
Tafel VI. — Jahresber. für 1883, Bd. J, p. 295 (9).
Eine Bäuerin von 27 Jahren, die für ein Weib galt, hatte nach der Pubertät
nur Molimina menstrualia mit Schmerzen im Unterleibe und in den Hüften.
Mit 21 Jahren hatte sie zwei Tage lang Katamenien. Von Jugend auf
bemerkte sie Schwellung in den Weichen und als sie mit 26 Jahren beim Heben
eines Heubündels einen Schmerz verspürte, der sich dann auf die linke
Weiche verbreitete, wuchs auf dieser Seite die Geschwulst schneller als links,
und wurde dauernd. Sie hatte keine erotischen Neigungen, nahm die Artig-
keiten der Männer nicht an, hatte auch keine gesclüechtlichen Neigungen
zu Frauen und sagte selbst, sie sei weder Mann noch Weib.
— 72 —
Da die örtlichen Beschwerden zunalimen, begab sich die Bäuerin ins
Hospital, wo man einige weibliche Charaktere bemerkte, wie hinreichende
Entwickelung der Brüste, weibliche Stimme, Wachstum der Haare, die be-
sondere Form des Präputiums, eine Vagina, die sich im Sinus urogenitalis
mit der Urethra yereinigte, und Molimina menstrualia. Sie hatte auch
folgende männliche Charaktere: zwei Hoden und C. deferentes, links ein
Samenbläschen mit nächtlichen Pollutionen und ein männliches Skelet. Der
Penis war kindlich, ohne Erektionen und undurchbohrt, und rechts fehlte
das Samenbläschen und die Prostata. Das Scrotum war zweigeteilt, seine
rechte Seite gut entwickelt. Die Mündung des Sinus urogenitalis war 6 cm
vom After entfernt.
Beob. 48. Carl Rieder (Basel), Über die G artners che n (Wolff-
schen) Kanäle beim menschlichen Weibe. Virchows ArcMv,
Berlin, 1884, Bd. 96, p. 100, Tafel VTII.
Beob. 49. Samuele Pozzi (Paris), Pseudo-hermaphrodite male.
Comptes rend. de la Soc. de biolog. 1884, Ser. 8, T. I, p. 42. — Memoires,
1. c. 1885, p. 21.
Ein Individuum mit männlichem Habitus und Neigung zum weiblichen
Geschlechte war als Weib gekleidet. Es hatte eine Vulva mit grossen und
kleinen Schamlippen und ermangelte der Menstruation. Andererseits hatte
es zwei eiförmige Körper in den grossen Schamlippen, mit nächtlichen
Pollutionen (in denen man keine Spermatozoen fand), und einen 5 cm
langen Penis mit Präputium und totaler Hypospadie. Der Meatus urinarius
war in der Spalte der Vulva verborgen und dazu kam ein kleines halbmond-
förmiges Hymen. Man fand weder Scheide, noch Uterus, noch Ovarien.
Beob. 50. C. B. Lockwood, Persistent Müllerian du ct. Joum.
of Anat. London, 1892. Vol. 26, p. 1.
Beob. 51. Bernh. Winkler, Über einen Fall von Pseudo-Herma-
phrodismus masculinus internus. Zürich, 1893. Mit 1 Taf.
Tnaug.-Dissert.
Die Samenbläschen waren ausserordentlich lang.
Beob. 52. Ribbert, Correspondenzblatt für Schweizer Ärzte.
Basel, 1894. Mai.
Innerer männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Beob. 53. R. C. Hill, Medical Eeview, St. Louis, April 1894. Von
S e j 0 u s zitiert.
Innerer männlicher Pseudo-Hermaphrodismus.
Beob. 54. Edgar Willett, Transverse hermaphroditisme in a
male. Transact. of pathol. Soc. of London, 1894—95, p. 102, Vol. 45.
Der Hermaphrodit hatte zwei Hoden, Can. deferentes, Samenbläschen
mit einem unvollkommenen weiblichen Uterus und Anhängen. Aber die
Ovarien wurden nicht nachgewiesen.
Beob. 55. Gustav Brühl, Über Hermaphrodismus im Anschluss
an einen Fall von Pseudo-Hermaphrodismus masculinus com-
pletus. Freiburg, 1894. Inaug.-Diss.
— 73 —
Beob. 56. Paul Kaplan, Hermaplirodismus und Hypospadie.
Inaug.-Diss. Berlin, 1895. Virchows Jaliresber. für 1895, Bd. II,
p. 433 (34).
Perineale Hypospadie mit männlichem Uterus am Ursprung der
Urethra aus der Blase.
Beoh. 57. Wilh. Bittner, Hermaphroditismus spurius masculinus
completus. Prager med. Wochensch. 1895. Jahrg. XX, No. 43, p. 491.
Mit 3 Fig.
Beob. 58. Samuel Shöttoch, A male foetus showing reptilian
characters in the sexual ducts. Transact. of the pathol. Soc. of
London. London, 1895. Vol. 46, p. 248, Plate XIV.
Der Fötus hatte zwei Hoden, das linke V. deferens mündete in den
Ureter. Die beiden Müll ersehen Kanäle bestanden fort und endigten
in der Blase, nahe der Mündung der Ureteren. Die Harnblase war estro-
flektiert.
Beob. 59. P. Jacques, Uterus male et Utricule prostatique.
Nancy, 1895, avec fig. — Bibliogr. anat. Paris, 1895, p. 87.
Beob. 60. B. Will, Ein Fall von Pseudo-Hermaphrodismus mas-
culinus. GreifswaJd, 1896.
Beob. 61. Benno, Ein Fall von Pseudo-Hermaphrodismus mas-
culinus. Greifswald, 1896. Inaug.-Dissert.
Beob. 62. K. Raake, Beitrag zur Lehre vom Hermaplirodismus
spurius masculinus internus. Würzburg, 1896. 8 o, p. 16, 1 TafeL
Beob. 63. Gust. Klein (München), Zur normalen und pathologischen
Anatomie der Gartnerschen Gänge. Verh. der Ges. Deutscher Naturf,
und Ärzte, 68. Vers, in Frankfurt a. M. 21.— 26. Sept. 1896, 97. — Ann. di
ostetr. e di ginecol. di Milano. Luglio, 1897, p. 565. — Die Geschwülste
der Gartn ersehen Gänge. Virchows Arch. 1898, Bd. 134, p. 63.
Mädchen von 4 Monaten, bei dem ein Müller scher Gang in die
Scheide, nach innen vom Hymen mündete.
Beob. 64. Ströbe, Pseudo-Hermaphrodismus masculinus. Zieg-
lers Beitr. Jena, 1897, Bd. 22, p. 300.
Ein Mann mit männlichem Habitus, die Hoden im Abdomen, und ein
nur mit Trompeten versehener Uterus.
Beob. 65. J. Kostens, Ein neuer Fall von Hermaplirodismus
spurius masculinus. Berlin, 1898. Mit 1 Fig.
Beob. 66. Ettore Grüner (Torino), Utero e trombe di Fallopio in
un uomo. Giorn. della K. Acc. di Med. di Torino, 1897, Ser. 4, Vol. III,
p. 257. Con una brutta tavola.
Ein Mann von 36 Jahren, der an einer Hernie im linken Leistenkanal
zu leiden glaubte, stellte sich im Spital vor. Hier unternahm der Chirurg
die Operation und fand zuerst einen Tumor, den er für den Hoden hielt
und entfernte ihn. Dann entdeckte er einen Uterus zwischen Blase
und Rectum, der nur an der Prostata festsass. Der Verf. entfernte den
Uterus mit einer Trompete und dem D. deferens. Der Kranke genas per
secundam intentionem. Die mikroskopische Untersuchung zeigte in dem
— 74 —
Tumor einen entzündlichen Vorgang mit Leukozyten und Degeneration des
drüsigen Organs, die keine sichere Diagnose erlaubte.
Beob. 67. Primrose (Toronto), Un caso di utero masculino.
65. Congr. dell' Assoz. med.-britann. Montreal, 31 Ag. 1897. — La Eiforma
medica, 1897. Anno XIII, No. 237, Ottobre, p. 137.
Ein Mann starb infolge der Entfernung eines grossen Sarkoms des linken
Hodens. Bei der Sektion fand man einen rudimentären Uterus mit Trompeten
und Scheide zwischen Rectum und Blase. Die Vagina mündete in die
Urethra prostatica vor den Samenkanälen.
Beob. 68. Giulio Filippini (Oberchirurg in Brescia), Utero nel sacco
erniario d' un uomo. Operiert im November 1898.
Eine nicht veröffentlichte Beobachtung, die in kurzem von dem Autor
ausführlich beschrieben werden wird. Ein Mann von 30 Jahren, seit 5 Jahren
verheiratet, ohne Kinder. Mit dem Alter von 14 Jahren fing er an, leb-
hafte geschlechtliche Gefühle für die Weiber zu empfinden, die ihn zur
Onanie trieben, und mit 25 Jahren heiratete er. Aber schon im Alter von
18 Jahren war im Leistenkanale eine nussgrosse Geschwulst aufgetreten,
die schnell wuchs, in wenig Monaten die Grösse eines Hühnereies erreichte,
aber leicht reduzierbar blieb.
Von dem Leben dieses Mannes wissen wir, dass er sich in dem an-
gegebenen Alter dem Verf. vorstellte, um die Eadikalheilung der beider-
seitigen Leistenbrüche zu unternehmen. Die Operation wurde auf beiden
Seiten vorgenommen, aber rechts war der Verf. zuerst genötigt, den Tumor
durch Anstrengungen des Kranken in den Sack herabsteigen zu lassen.
Dann fand er nach Öffnung des Sacks mit grossem Erstaunen, dass dieser
einen Uterus enthielt, mit dem Boden nach unten und mit nach dem inneren
Leistenringe gerichtetem Hals, zugleich mit den Elementen des Samenstrangs,
die schlaff an der Vorderseite des Uterus befestigt waren.
Dieses Organ wurde ganz weggenommen mit Ausnahme eines kleinen
Teils des Cervix, der in der Wunde gelassen wurde, um den Leistenring zu
schliessen. Die Uterushöhle zwischen Körper und Hals mass 6V2 cm und
die Wände waren 1 pm dick mit normalem Aussehen. Von den beiden
Hörnern gingen die beiden Tuben aus, die ungefähr 3 cm massen.
Der Bruchsack hatte sehr dünne Wände, umfasste den Uterus und
stieg tiefer ins Scrotum herab, als dieser. Er hielt sich überall unabhängig
von der Scheidenhaut des Hodens, welcher weich und von der Grösse einer
Haselnuss war. Diese Atrophie erfolgte in den letzten Jahren.
Auf der andern Seite befand sich ein Leistenbruch und an seiner Basis
ein gut entwickelter Hode.
Beob. 69. P. Delageniere (Tours), Anom alles des organes geni-
taux. Ann. de Gynecol. et d'obstetr. Paris, 1899, T. 51, p. 57, mit Fig.
Eine Ehefrau von 27 Jahren, ohne Haare im Gesicht, oder am Pubes,
war von Anfang an amenorrhoisch, aber mit monatlichen Schmerzen. Ferner
hatte sie in den Lfeistengegenden zwei beginnende Hernien; die äusseren Ge-
schlechtsteile waren normal, Neigungen und Beschäftigungen weiblich. Bei
der Scheidenuntersuchung fand Veif. einen Blindsack in der Höhe von 5 cm.
— 75 —
Keine Spur eines Uterus, was später durch die Laparotomie bestätigt wurde.
Dagegen fand man zwei atrophische Hoden, die in die Leistenkanäle ein-
drangen und amputiert wurden. Dann schloss man die Kanäle. Die Kranke
genas nach 20 Tagen. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Hoden er-
schien die Atrophie als sekundär nach Hyperplasie des Bindegewebes, sowohl
des peripherischen, als des interstitiellen.
b) Männlicher Pseudo-Hermaphrodismns (Hoden) mit äusseren
weiblichen Gleschlechtscharakteren.
Beob. 70. Giambattista Mosti (Brescia), Mostruosa conformazione
delle parti genitali. Giern, di Med. di V. L. Brera. Padova, 1813,
T. III, p. 362.
Verf. untersuchte einen Mann von 32 Jahren, der statt des Scrotums
zwei Beutel hatte, von denen jeder einen Hoden und seinen Samenstrang
enthielt. Der Körperhabitus und die Stimme waren männlich, aber er hatte
keinen Bart. Die Beutel ähnelten zwei grossen Schamlippen. Der Penis
war ähnlich dem eines 8 jährigen Knaben, mit nicht durchbohrter Eichel und in
überreichliche Vorhaut eingehüllt. Der Meatus urinarius befand sich einen
Querfinger unter der Eichel, und weiter unten war eine Öffnung, die in einen
blinden Kanal führte und zu einem Drittel den Zeigefinger einliess. Verf.
hielt diesen Kanal für die Vagina, deren Öffnung nach unten eine Gabel
hatte, ähnlich der eines nicht deflorierten Weibes.
Beob. 71. Bart. Saviard, Nouveau recueil d'observations chirur-
gicales. Paris, 1702, p. 150. — Encyclopedie, T. VIII, p. 134. — Giuseppe
Tortosa, Istituzioni di medicina forense. Bologna, 1829, Vol. I, p.l23.
Kind mit gut gebildetem Penis, nicht durchbohrter Glans und in zwei
Lippen geteiltem Scrotum, von denen jede einen Hoden enthielt. Die me-
diane Spalte ähnelte dem Scheideneingange. Innerlich kein weiblicher
Charakter.
Beob. 72. Ad. Wilh. Otto, Monstrorum sexcentorum descriptio.
Vratislaviae, 1841, p. 305, No. 538, p. 806, No. 539. Herm. spurius, Tab. XIII,
Fig. 5. Hermaphr. falsus. Tab. XIII, Fig. 5.
Knabe von 8 Jahren, der oft Urin mit faeces vermischt von sich gab,
die Afteröffnung verschlossen, ein zweigeteiltes Scrotum ohne Hoden, und
ein nach unten gekehrter, gekrümmter Penis mit kürzerem unterem Teile.
In dem unteren Teile des Penis war eine Spalte mit geschwollenen Eändern,
einen Zoll lang, die sich in die Zweiteilung des Scrotums fortsetzte. In
dieser lag die Mündung der Urethra, aus der Urin mit faeces gemischt aus-
trat. Nach einem Jahre starb der Knabe an Enteritis und man fand die
Hoden im Abdomen nahe an den Leistenkanälen. Das Eectum endigte
blind, und ein Divertikel mündete in den hinteren Teil der Urethra.
Kind von 4 Jahren mit kleinem Penis und kaum erkennbarem Scrotum
ohne Hoden. Der Habitus ziemlich zart, dem weiblichen ähnlich. Die Urethra
hatte ausser dem Meatus an der Glans eine andere grössere Öffnung an der
Basis des Penis, nahe der Khaphe des Scrotums.
- 76 —
Beob. 73. Chesneut (La Eoclielle), Question d'identite. Vice de
conf ormation des organes genitaux: hypospadie. Ann. d'hyg.
publ. et de med. legale. Juillet 1860, p. 206. — E. Goujon, Gas d'herm-
aphrodisme bisexuel imparfait chez l'homme. Journ. d'anat.
et de Physiol. Paris, 1869. A. VI, p. 599. Planches XVI et XVII. —
Tardleu, Question medico-legales de l'identite. Paris, 1874.
Alessia B. wurde im J. 1839 in einem Dorfe von anständigen Eltern
geboren. Sie besuchte religiöse Schulen und trat im J. 1860 als Lehrerin
in ein Pensionat ein. Zur Zeit der Pubertät ersclüen keine Menstruation
und sie blieb amenorrhoisch. Sie war mager, ihr Gesicht unentschieden
zwischen männlich und weiblich. Ihre Stimme war sanft, sie hatte Flaum
an der Oberlippe und den Armen. Ihre Brust glich der eines Mannes,
Becken und Hüften waren männlich. Sie schloss (wie sie erzählte), eine
liebevolle Freundschaft mit einer Pensionsfreundin, und wurde von unbe-
stimmten Gefühlen bewegt, die zuletzt in eine echte Leidenschaft ausgingen,
die man jetzt geschlechtliche Umkehrung nennen kann.
Darauf hatte Alessia mehrere üble Zufälle, die sie zwangen, sich von
Chesneut untersuchen zu lassen, welcher sie in einem Bericht für einen
Hermaphroditen mit vorwiegendem männlichen Geschlecht erklärte.
Unter dem Eindruck dieses Urteils, das sie nötigte, nicht nur ihre
Kleidung zu ändern, sondern auch auf ihre Instinkte und gesellschaftlichen
Beziehungen zu verzichten, zog sie sich zurück, lebte allein und beschäftigte
sich bei einer Eisenbahnverwaltung. Aber sie vermochte nicht, dieses Leben
zu ertragen; so wurde sie von Lipemanie ergriffen und vergiftete sich,
30 Jahre alt, mit Kohlensäure.
Goujon machte die Sektion und fand einen nicht durchbohrten Penis,
unter dem sich die Vulva befand, in welche die Urethra und die D. ejacu-
latorii mündeten, aber er fand weder Uterus, noch Ovarien. Das Scrotum
war zweiteilig und enthielt rechts einen Hoden, während der linke in dem
Leistenringe zurückgehalten wurde.
Beob. 74. Schönberg, Ein Fall von anscheinender Zwitter-
bildung. Berliner klin. Wochenschr. 1875, No. 17. — Jahresber. für 1875,
Bd. I, p. 342 (35).
Ein Knabe von 16 Jahren mit männlichem Habitus und rauher Stimme
hatte äussere Geschlechtsteile von weiblichem Aussehen, mit geteiltem
Scrotum, zwei Labia majora bildend. In der rechten bemerkte man einen
beweglichen Hoden, nicht so deutlich in der linken. Wenn man die Lippen
voneinander entfernte, erschien ein 5 — 6 cm langer Penis, mit nicht durch-
bohrter Glans, denn die Urethra öffnete sich weiter unten. Unter dem
Ursprünge des Penis befand sich eine kreisförmige, durch eine Art von
Hymen geschlossene Öffnung, durch welche man in einen blind endigenden
Kanal gelangte. Scheide und Uterus waren nicht erkennbar. Menstruation
war niemals eingetreten.
Beob. 75. E. Magitot, Sur un nouveau cas d'hermaphr odi-
tisme. Bull, de la Soc. d'anthropol. de Paris, 1883, Ser. 3, T. IV, p. 487.
— 77 —
Ein 40 jähriges Weib hatte im Alter von 13^/2 Jahren einen reichlichen
Blutverlust aus den Genitalien, der zwei Tage anhielt, und sich noch zwei-
mal in Zwischenräumen von 3 Monaten wiederholte. Mit 17 Jahren ver-
heiratete sie sich, hatte aber nur unvollkommene geschlechtliche Beziehungen
und wurde mit 30 Jahren Witwe. Von da an wendeten sich ihre geschlecht-
lichen Neigungen den Frauen zu. Bei der Untersuchung der Geschlechts-
teile sah man einen Penis, ähnlich dem eines Kindes von 12 Jahren, mit
undurchbohrter Eichel, der sich bei der Erektion nach unten krümmte.
Unter diesem befand sich eine Vulvar-Spalte mit zwei grossen Lippen, von
denen jede einen Körper, wie einen Hoden mit Nebenhoden enthielt. Bei
Untersuchung der Spalte drang man in das Infundibulum ohne Hindernis
ein und erreichte nach 3 cm einen Blindsack, über dem die Urethra
mündete. Die Exploration durch das Rectum schloss die Gegenwart eines
Uterus aus. Auf die Erektion folgt Ejakulation des Spermas ins Infundi-
bulum.
Beob. 76. Schlossberger, Seltene Missbildung der Geschlechts-
organe. Wiener med. Blätter, 1885, No. 14. — Jahresber. für 1885. Bd. II,
p. 822 (84).
Ein Mädchen von 20 Jahren hatte eine ziemlich starke Brust. Die
kleinen Labia majora enthielten den Hoden, die kleinen waren normal,
die Clitoris nicht durchbohrt, bei der Erektion 2 cm lang, fähig zum Coitus
mit den Dienstmädchen, die Ejakulation eiweissähnlich. Die Urethra mün-
dete unter dem Penis.
Beob. 77. Wlax Simon, Ein Fall von sogenanntem Pseudo-
Herm aphro dismus masculinus externus. Erlangen, 1886. Inaug.-
Dissert. Mit Tafel.
Bei einem 14 jährigen Mädchen waren Kopf, Brust und Arme von
männlichem Aussehen, Becken und Beine von weiblichem. Bei der Unter-
suchung fand man im Becken keinen Uterus, und nahm das Vorhandensein
der Prostata und der Hoden an, die durch mandelförmige Körper dargestellt
wurden, und weil das Mädchen nicht menstruiert war. Die Mons Veneris
war behaart, wie auch die Labia majora und minora. Zwischen den beiden
Lippen der oberen Kommissur ragte ein 6 cm langer Penis hervor, stark
nach unten gebogen, wenig beweglich, mit zwei Frenulis und wohlgebildeter
Glans, aber ohne Urethral-Öffnung und ohne Erektionsfähigkeit. Zwischen
der unteren Kommissur der Lab. maj. war eine Öffnung, die in einen engen
3 cm langen Kanal führte, aus dem der Urin in dünnen Strahlen ausfloss.
Verf. hielt diesen Zustand der äusseren Geschlechtsteile für Hypospadiasis
mit geteiltem Scrotum.
Beob. 78. Winter, Pseudo-Hermaphrodismus masculinus
externus. Zeitschr. für Gynäkol. 1890. Bd. 18, H. 2. — Schmidts
Jahrb. Bd. 236, p. 518, Jahrg. 1890.
Beob. 79. Rud. Abel (Greifswald), Ein Fall von Pseudo-Herma-
phrodismus masculinus, Dissert. Greifsw., 1890. Vir cho ws Arch.
1891, Bd. 128, p. 420.
— 78 —
Eiae Frau von 20 Jahren starb an einem Unterleibstumor, die äusser-
lich weibliche Geschlechtsteile im kindlichen Zustand zeigte, ohne Brüste.
Im rechten Leisteukanale lag ein Hoden, mit einem Myom darüber, und im
Becken ein grosses Sarkom, das dem linken Hoden zugeschrieben wurde, in-
dem sich daran ein Strang befand, der zum linken Labium lief. Im übrigen
kein anderes Geschlechtsorgan.
Beob. 80. H. Braun, Pseudo-Hermaphrodismusmasculinus
externus. Zeitschr. für Geburtsh. und Gynäkol. 1894, Bd. 28, p. 375,
8 Kg. im Teste.
B. Fortbestehen der TVolffschen Kanäle.
(P s e u d 0 - H e r m a p h r 0 d i s m u s f e m i n i n u s.)
Beob. 81. Pierre Aug. Beclard, Description d'un individu,
dont le sexe a qu eigne chose d'equivoque. Bullet, de la faculte.
A. 1815, No. 2, p. 273.
Der Verf. untersuchte die 16 jährige Maria Lefort, die schon mit
8 Jahren menstruiert war. Sie hatte eine Clitoris von 27 mm, undurchbohrt,
mit einem beweglichen Präputium versehen. Unterhalb befand sich die
Urethra mit 5 Öffnungen in der Mittellinie. Unter der Urethra befand sicli
der Spalt der Vulva mit Atresie der Scheide, von Haaren umgeben. J. G.
St. Hiiaire bestätigte dies nach 16 Jahren und fügte hinzu, Maria habe
im Gesicht dichten Bart. Guinard erzählte dann, dass Maria im J. 1864 im
Hotel-Dieu de Paris in der Abteilung von Horteloup mit 65 Jahren starb,
und dann wurde das weibliche Geschlecht bestätigt, aber mit Verschluss der
Vagina und übermässiger Entwickelung der Clitoris und der Haare. Guinard
liefert noch vier schöne, von Debierre kopierte Abbildungen. Precis de
Teratologie, 1893, p. 296.
Beob. 82. Stefano Trinciiera, Sopra un caso di apparente erma-
frodito. Napoli, 1817. Con 2 tavole in 8».
Beob. 83. Giuseppe Gaimasi, Süll' ermafroditismo. Napoli, 1817.
In der Leiche eines österreichischen Soldaten von 28 Jahren fand man
einen 3 Zoll langen Penis mit undurchbohrter Glans und Präputium. Unter
dem Penis erstreckte sich ein roter Fleck längs der Rhaphe des Perineums,
in dem nach oben die Urethra mündete, die von der Blase herkam. Unter
dieser entdeckte man eine Scheidenöffnung, mit einer dem Hymen ähnlichen
Membran versehen, mit zwei Labia majora neben sich. Hoden fand man
nirgends und die Seiten (flanchi) waren dem sehr hohen Pubes genähert.
Nach Öffnung des Abdomens fand man im kleinen Becken einen kleinen
Uterus von gewöhnlicher Gestalt mit seinen Trompeten und Ovarien. Man
diagnostizierte also „ein schlecht ausgebildetes Weib."
Beob. 84. Natale De Agrö (von Troina), Osservazioni su una
donna di Palermo avente le apparenze d' uomo, etc. Giorn. de med.
prat. di V. L Brera. Venezia, 1817, Semestre 1, p. 204.
Ein Jüngling von 18 Jahren starb plötzlich, mit wenig dichtem Bart
im Gesicht und schwarzen Haaren an den Gliedern. Er hatte eine Vulva
— 79 —
und einen Penis mit Präputium ; die Urethra öffnete sich an seiner Wurzel
Auch hatte er einen normalen Uterus mit Trompeten und Ovarien.
Beob. 85. Schmidt, Beobachtung eines weiblichen Hermaphro-
diten. Hufelands Journ. der prakt. Arzneik. 1821, Bd. 46.
Beob. 86. Manec et Bouillaud j., Singuliere variete d'hermaphro-
ditisme. Jour. univ. de med. et de chinirg. prat. Paris, 1833. — Bullet,
de la E. Acad. de med. Seance 5 Mars, 1833, Vol. 2.
Ein Mann von 62 Jahren hatte einen Penis mit Hypospadiasis ersten
Grades, statt des Scrotums zwei kleine häutige Beutel ohne Hoden. Inner-
lich fanden sich vollständige weibliche Organe, aber die Scheide mündete
in die Pars membranacea der Harnröhre. Die Prostata war entwickelt.
Beob. 87. Bouiüaud j., Singuliere variete d'hermaphrodisme
observee chez l'homme. Journ. univ. et hebdom. de med. et chir. etc.
Paris, 1833.
Beob. 88. IVI"ie Boivin et A. Duges, Traite des maladies de l'uterus
et de ses annexes. Bruxelles, 1834, T. I, p. 31.
Boudelocque (der Enkel) fand einen Kanal, der von der rechten Trom-
pete ausging, innerhalb der Wand des Uterus verlief und sich in das Collum
uteri öffnete (Acad. de med. 12 Fevr. 1826). Ähnliches wurde von anderen
gesehen: Der Kanal teilte sich in zahlreiche Zweige im oberen Teile der
Scheide und schien vom Ovarium auszugehen. M a 1 p i g h i hatte entdeckt
und Gärtner wieder gefunden bei vielen Säugetieren zwei lange Kanäle,
die sich gegen die Trompeten hin verzweigten.
Beob. 89. Eschricht (Kopenhagen), Äusseremännlichemitinne-
ren weiblichen Genitalien bei einem menschlichen Fötus.
Müllers Arch. für Anat. etc. Leipzig, 1836, Heft 2, Tafel V, p. 139.
Ein Neugeborener mit äusseren männlichen Genitalien, aber ohne Hoden.
Innerlich fand man einen Uterus, links mit fallopischer Trompete und Eier-
stock versehen, während rechts diese beiden getrennt waren. Der Uterus
war nach unten geöffnet, die Scheide fehlte. Das Eectum mündete in die
Blase, der Anus war verschlossen.
Beob. 90. G. L Kobelt, Der Nebeneierstock des Weibes.
Heidelberg, 1847.
Unter fünf Sauen fand er bei dreien die Malpighi sehen Kanäle, und
auch bei Ziegen und Eehen.
Beob. 91. G. L. Kobelt (Freiburg), Der Nebeneierstock des
Weibes, das längstvermissteSeitenstückdesNebenhodens
des Mannes. Heidelberg, 1847, No. 429.
Es handelt sich um Eeste der Wolf f sehen und Müll ersehen Gänge
(Cysten der Trompeten und des Parovariums).
Beob. 92. Follin, Eecherches sur les corps de Wolf f. Paris
1850, p. 25, avec table.
Er fand bei der Sau die Gärtner sehen Kanäle.
Beob. 93. J. Neill, Monstruosities of sex. (The case of John
G. Allen.) Amer. journ. med. sc. Philadelphia, 1851, Vol. 22, p. 558. .
— 80 —
Verf. fand in der Leiche eines 25jälirigen Weibes von zweifelhaftem
Geschlecht die Clitoris 5 Zoll lang und 1 Zoll dick, ohne Urethra, aber mit
einer Furche, die von der Glans entsprang und das Perineum in Form einer
Öffnung erreichte. Im Scrotum waren zwei kleine Ovarien.
Beob. 94. P. Broca, Cystes multiples des ligaments larges.
Bullet, de la soc. anatom. Paris, 1852.
Beob. 95. H. J. Halbertsma, Over hermaphroditismus spur ins
feminin US. Verband, der K. Acad. der Wetensch. Amsterdam, 1856,
Deel III, 2 Platter (FoHo 17).
Beob. 96. C. Rokitansky, ÜberaccessorischeTubenundTubar-
an hänge. AUg. Wiener med. Zeitschr. 1859, No. 32.
Er spricht ebenfalls von den Cysten des Parovariums.
Beob. 97. Ed. Cruveilhier, Bapport sur un cas d'hermaphro-
disme. Bull. Soc. anat. de Paris, 1865, T. XL, p. 468—473.
Penis mit zweiteiligem Scrotum und Urethra, die sich in die zur
Kloake umgewandelte Scheide öffnete. Der Uterus hatte Ovarien.
Beob. 98. Agostino Barbieri, Cenni sul gabinettodel'Ospedale
maggiore di Milan o. Ann. univ. di med. 1866, V. 195, p. 94.
Hernie eines falschen Ureters, von dem hinteren Teile der Blase aus-
gegangen und durch die Urethra ausgetreten. Der falsche Ureter war von
Blutgefässen durchzogen, mit blutiger Flüssigkeit gefüllt, und stand nicht
mit der Niere in Verbindung. Neben dem falschen Ureter befand sich der
echte, der nach aussen von ihm in die Blase mündete. Die Kranke starb
unter Symptomen von Einschnürung.
Beob. 99. G. Veit, Handbuch der weiblichen Geschlechts-
organe. 2. Aufl. 1867, p. 544. Angeführt von E. Bieder,
Er leitet einige Fälle von Cysten der Scheide von der Erweiterung der
Wo Iff sehen Kanäle her.
Beob. 100. Blanche, Organes femelies pris d'abord pourdes
organes mäles. Bull. soc. anat. Paris, 1867, T. XII, p. 21.
Mit 15 Tagen gestorbenes Kind. Clitoris gross mit Öffnung an der
unteren Seite der Glans, die in einen Blindsack führte. Unter der Clitoris
sind die L. majora miteinander verlötet und täuschen ein Scrotum vor. In
der medianen Vertiefung fand sich eine Öffnung, die zur Blase führte. Die
Sektion zeigte einen Uterus mit Ovarien und die Scheide, die eine kaum
merkliche, über den Meatus urinarius liegende Öffnung hatte. Keine Spur
von Hoden.
Beob. 101. H. G. Versen, Fall von Hermaphr, transversalis
muliebris. Dissert. Berlin, 1868.
Ein unreifer Fötus hatte ein Scrotum und einen verhältnismässig stark
entwickelten Penis mit vollständiger Urethra, während innerlich sich ein
Uterus mit Ovarien und Tuben vorfand. Die Scheide mündete in den Hals
der Harnblase. Ausserdem zeigte der Fötus Hemicephalie , Spina bifida,
Spalte des Gesichts, des Thorax und des Bauches.
Beob. 102. V. Preuschen (Greifswald), Über Cystenbildung in der
Vagina. Virchows Arch. Berlin, 1877, Bd. 70, p. 111, Tafel 2, Fig. 9.
— 81 —
Er hat einen Gärtner sehen Kanal bei einer Katze abgebildet.
Beob. 103. E. Hofmann (Wien), Ein Fall von Pseudo-Herm-
aphrodismus. Wiener med. Jahrb. 1877, H. 3.
Ein im Alter von 38 Jahren gestorbener Kutscher hatte einen 4 cm
langen Penis, von dessen Basis eine schmale Furche bis zum Anus lief, von
3 cm Länge. An den Seiten der Furche waren zwei Erhebungen, grossen
Schamlippem ähnlich, zwischen denen sich zwei Offnungen befanden. Durch
die vordere gelangte man in die Blase, durch die hintere in die Scheide,
bis zum Uterus. Dieser war länglich, hatte links eine fallopische Tuba und
ein Ligament mit Ovarium. Kechts fehlte die Tuba, aber nicht das Ovarium,
das makroskopisch kenntlich war. In zwei Strängen in den Leistenkanälen
wurden keine Hoden gefunden.
Beob. 104. Herrmann Beigel (Wien), Zur Entwickelungs-
geschichtedes Wolffschen Körpers. Med. Centralbl. 1878, No. 27.
In 5 Fällen von embryonalem Uterus mit den Anhängen wurden die
Wolffschen Körper gefunden.
Beob. 105. Bart, Persistenza del condotto di Müller. Bull,
de la soc. anat. 14. Nov. 1878. — Joum. de l'anat. par C. Bob in, 1879,
A. 15, p. 175.
Kind von 6 Jahren mit Nieren von der Grösse derer eines Erwachsenen,
mit erweiterten Ureteren, so weit wie der Dünndarm, auf sich selbst zurück-
laufend und echte Windungen bildend, ehe sie die Blase erreichten, die bis
zum Nabel aufsteigt.
Über dem rechten Ureter verläuft ein cylindrischer Kanal von der-
selben Dicke und demselben Aussehen. Er entspringt mit dünnem, blindem
Ende ohne Verbindung mit der Substanz der Niere in der Höhe der Neben-
niere, und scheint verbunden mit einer kleinen Gruppe durchscheinender,
linsengrosser Cysten, in denen man leicht die Beste der Wolf f sehen Körper
erkennt. Diese Cysten sind ebenfalls unabhängig von der Niere ; der Kanal
läuft nach dem Boden der Blase, innerhalb des Ureters, wo er zwischen
Muskel- und Schleimhaut verläuft, um in den Utriculus prost aticus zu
münden. Auf der anderen Seite findet sich nichts ähnliches.
Beob. 106. A. Kölliker, Entwickelungsges chichte. 2. Aufl.,
1879, p. 986.
Er sah in reifen menschlichen Embryonen die Beste der Wolffschen
Körper in den Ligamentis latis.
Beob. 107. IVI. Litten und R. Virchow, Ein Fall vonAndrogynie
mit malignem, teratoidem Cystom des rechten Eierstocks
und doppelseitiger Hydrocele cystica processus vaginalis
peritonaei. Virchows Arch. 1879. Bd. 75, p. 329. Mt Tafel VI,
Fig. 1, 2.
Ein Fall von Hermaphrodismus spurius femininus (Androgynia), denn
im medianen und inneren Teile der Genitalien hatten diese weiblichen Typus,
wie auch der Habitus des ganzen Körpers, während die äusseren Genitalien
dem männlichen Typus ähnelten.
Taruffi, Hermaphrodismus. 6
Beob. 108. Ozenne (Paris), Persistance diicanal excreteur
du Corps de Wolff chez une fenime de 60 ans. Bull. soc. anat.
1880, T. 55, p. 271.
Bei einer 60 jährigen Frau fand man einen fibrösen (im mittleren
Teil hohlen) Strang, 33 cm lang, neben dem rechten normalen Ureter, der
die rechte Niere mit dem Collum uteri verband (Wolff scher Kanal).
Beob. 109. H. Coblenz (Halle a. S.), Zur Genese und Entwicke-
lung von Cystomen im Bereich der inneren weiblichen
Sexualorgane. Virchows Arch., Berlin, 1881, Bd. 84, p. 26, 44, mit
Tafel.
Verf. beschäftigt sich besonders mit den einigen Teilen des Wolff-
schen Körpers zugeschriebenen Cysten und giebt eine reiche Bibliographie.
Auf der Tafel zeigt er einige Punkte, wo er Gärtner sehe Kanäle ge-
funden hat.
Beob. 110. F. Tourneux, Des restes du corps de Wolff chez
l'adulte (mammiferes). Bull, scient. du dep. du Nord et pays voisins, etc.
Paris, 1882. T. V, p. 321—353, pl. 1.
Beob. 111. MaxGraefe, Zehn Fälle vonVaginalcyste. Zeitschr.
für Geburtsh. und Gynäkol. 1882. Bd. VIII, p. 460. — Jahresber. für 1882,
Bd. II, p. 532 (21).
Beob. 112. G. Veit, Über einen Fall von sehr grosser
Scheidencyste. Zeitschr. für Geburtsh. und Gynäkol. Berlin, 1882,
Bd. VIII, p. 2.
Er betrachtet die Cyste als Erweiterung der Wolff sehen Kanäle.
Beob. 113. Paul Guttmann, Fall von Zwitterbildung. Berliner
klin. Wochenschr. 1882, No. 35, p. 544. — Giorn. internaz. delle sc. med.
Napoli, 1883, A. V, p. 526.
Ein Kind hatte einen undurchbohrten Penis und drei Corpora caver-
nosa. Der Urin kam aus einer kleinen Öffnung an seiner Wurzel. Das
Scrotum war ohne Hoden. Innerlich fand sich ein Uterus mit vollständigen
Anhängen, und eine Scheide, die nach aussen durch die Urethra und nach
innen mit der Blase in Verbindung stand. Diagnose : Hermaphrod. femininus
internus.
Beob. 114. Kocks, Über die Gartnerschen Gänge beim Weibe.
Arch. für Gynäkol. 1883, Bd. XX, p. 287. Citiert von Bieder.
Er fand in Frauenleichen und auch bei Lebenden zwei kleine Öffnungen,
die in zwei feine Kanälchen am hinteren Rand der Urethra führten, und die
auch pathologischen Prozessen unterliegen können.
Beob. 115. G. Valenti, Rudimento del canale di Gärtner nella
donna. Bull. deUa Soc. tra i cultori deUe sc. med. Siena, 1883, A. 1,
p. 62.
Er fand bei Untersuchung vieler Scheiden die kleinen Blindsäcke, die
Kocks für Endreste des Gärtner sehen Kanals hält. Er bringt auch die
Geschichte des Gegenstandes. Er führt die Stelle von Malpighi an.
Beob. 116. R. Dohrn, Über die Gärtner sehen Kanäle beim
Weibe. Arch. für Gynäkol. 1883, Bd. XXI, p. 328, H. 2. — Jahresber. für
1883, Bd. II, p. 552 (12).
Er fand den Kanal in der Scheide eines 5 — 6 monatlichen menschlichen
Fötus und nahm die Entdeckung desselben für Malpighi in Anspruch.
Er bemerkte, dass man ihn auch im Ligamentum latum, im Uterus und im
Septum urethro-vaginale finden kann.
Beob. 117. Richard Geigel, Über Variabilität in der Entwicke-
lung der Geschlechtsorgane beim Menschen. Würzburg, 1883.
Inaug.-Dissert. 2 Tafeln.
Er beschäftigt sich besonders mit den Besten der Wolf f sehen Körper.
Beob. 118. M. Wassilieff, Betreffend die Beste der Wolf f sehen
Gänge beim Weibe. Arch. für Gynäkol. Berlin, 1883, T. XXII, p. 346.
Beob. 119. Böhm, Über Erkrankung der Gartnerschen
Gänge. Arch. für Gynäkol., 1883. Bd. XXI, H. 1. Von Rieder an-
geführt.
Er bestätigt die Beobachtung von K o c k s und fügt hinzu, diese Kanäl-
chen seien der Sitz eines Entzündungsprozesses, den man mit Blennorrhagie
•der Urethra verwechseln könne.
Beob. 120. W. Fischel, Beiträge zur pathologischen Histo-
logie der weiblichen Genitalien. Arch. für Gynäk. 1884, Bd. XXIV,
p. 119. — Jahresber. für 1884, Bd. I, p. 272 (4).
Beste der Wolff sehen Kanäle im Vaginalteile des Uterus. Dieser
FaU wird von Orth als Beispiel von innerem, weiblichem Pseudo-Herm-
^phrodismus betrachtet.
Beob. 121. Carl Rieder (Basel), Über die Gartnerschen (Wolff-
schen) Kanäle beim menschlichen Weibe. Virchows Arch.
Berlin, 1884. Tafel VIII. ~ Jahresber. für 1884, Bd. I, p. 97 (41).
Er bringt 6 Beobachtungen bei Haustieren und 10 beim Weibe, und
versichert, Spuren der Gartnerschen Kanäle bei ungefähr einem Drittel
der untersuchten Weiber gefunden zu haben.
Beob. 122. Ch. Debierre (Lyon), Sur les canaux de Gärtner chez
la femme. Comptes rend. de la soc. de biol. Paris, 22 Mai 1885, p. 318.
Er gieht an, das untere Ende der Wolffschen Kanäle erhalte sich in
Gestalt von 4 — 12 mm langen, blind endigenden Röhrchen, die neben der
Mündung des Uterus liegen. Er fand sie 23 mal bei 29 Weibern.
Beob. 123. Heinr. Gunckel (Marburg), Über einen Fall von Pseudo-
Hermaphrodismus femininus. Marburg, 1877. Mit Tafel. Jahresber.
iür 1887, Bd. I, p. 272 (4).
Elisabeth, als Weib gekleidet und erzogen, begann nach der Pubertät
Neigung zu Weibern zu fühlen, und später schien es, dass die Folgen mit
ihrer Stiefmutter eintraten. Jedenfalls lief das Gerücht um und wurde dem
Richter mitgeteilt. Der Verf. übergeht die ferneren Ereignisse.
Er untersuchte sie, als sie 48 Jahre alt war und fand männlichen
Jlabitus mit ebenfalls männlichen Brustwarzen und Bart. Der Penis war
6*
— 84 —
5 cm lang, nach hinten gebeugt und mit Hypospadiasis ; das Scrotum war
leer. Es war keine äussere Scheidenöffnung vorhanden. Die Leichenunter-
suchung zeigte dagegen weibliche Organe. Es fand sich ein fleischiger
Uterus mit Höhlung, zur Seite zwei blind endigende Trompeten und zwei
kindliche Ovarien ; ferner eine muskulöse Scheide, die in eine dicke Prostata
eindrang, und in Gestalt eines Knopflochs in die Urethra mündete. Hoden
fehlten. Man fand die Nebennieren in hyperplastischem Zustande, und ac-
cessorische Nebennieren im rechten Ligam. latum.
Beob. 124. John Philipps, Four cases of spurious hermaphro-
ditism in one family. Transact. obstetr. Soc. London, 1887, Vol. 28,
p. 158.
Eine Mutter gebar unter 9 Kindern 4 falsche Hermaphroditen, d. h.
Mädchen, die äusserlich männliches Geschlecht vortäuschten. Bei einem
derselben, welches starb, fand der Verf. den ganzen weiblichen inneren
Apparat.
Beob. 125. v. Ackeren, Entwickelungsgesch. der weibl. Sexual-
organe. Dissert. Leipzig, 1888. Angeführt von Klein.
Der Verf. beschreibt den Fall eines Teils des Kanals von Gärtner
(Malpighi) in der Wand der Vagina.
Beob. 126. Franz Tongl (Budapest), Beiträge zur Kenntnis der
Bildungsfehler der Urogenitalorgane. Virchows Arch. Berlin, 1889,
Bd. 118, p. 414.
Fall 1. Frau, 65 Jahre alt. Congenitale Atrophie und Dystopie der
linken Niere. Mündung des linken Uterus in den an beiden Seiten blind
endigenden persistierenden linken Gartnerschen Kanal. Uterus bilocularis
unicoUis.
Diese Frau wurde von Orth als Beispiel des inneren weiblichen Herm-
aphrodismus angeführt.
Beob. 127. G. Klein, Cyste des rechten Wolffschen Ganges.
Zeitschr. für Geburtsh. und Gynäkol. Stuttgart, 1890, Vol. XVIII, p. 82
bis 91, Tab. 1.
Beob. 128. A. Pilliet, Debris Wolffien surrenal de l'epididyme
chez le nouveau ne. Bull. Soc. anat. Paris, 1890, T. LXV, p. 471.
Beob. 129. S. Löwenthal, Ein Fall von cystischer Erweiterung
des Wolffschen Ganges. Würzburg, 1890, 8^.
Beob. 130. Ch. Debierre, Des hermaphrodites. Paris, 1891, p. 139,
160, jyiit drei Figuren.
Er untersuchte die Leiche eines Neugeborenen, der eine Eute im Ver-
hältnis zu seinem Alter hatte, mit Hypospadie an der Basis, das Scrotum vor-
stehend, so dass man glaubte, es enthalte Hoden. Bei der Sektion fand
man weibliche Organe, mit Ausnahme der Scheide; mit der Besonderheit,
dass der Uterus vor der Blase lag und sich mit seinem Halse in den vor-
deren, unteren Teil des Urinbehälters öffnete.
Beob. 131. F. Marchand, Über allgemeine Hyperplasie der
Nebenniere und einer accessorischen Nebenniere im Ligamen-
— 85 —
tum latum bei Pseudo-Hermaphrodismus f emininiis. Festschr.
Eud. Virchow gewidmet 1891, Bd. I, p. 554.
Eine Frau mit grosser Clitoris und leichter Hypospadie. Die Corpora
cavernosa urethrae trugen zur Bildung eines Bulbus bei, wie beim weiblichen
Geschlechte. Die Vagina mündete unter der Öffnung der Blase in die Urethra,
die von einer kleinen Prostata umgeben wurde. In die Scheide mündete
ein fleischiger Uterus mit seiner äusseren Öffnung; er besass Tuben und
Ovarien an der gewöhnlichen Stelle und mit zerstreuten Follikeln. Die
Nebennieren zeigten riesige Hyperplasie, und im rechtsseitigen Ligamentum
latum befand sich ein Körper von der Grösse eines Hoden, der unter dem
Mikroskop als eine accessorische Nebenniere erkannt wurde.
Beob. 132. N. N., Pseudo-Hermaphroditismus femininus
with hernia of the uterus. Arch. of Gynaecol. Obstetr. and Paediatr.
New York, 1892, Vol. IX, p. 261.
Beob. 133. G. Muscatello (Padova), Delle formazioni cystiche
dai residui dei dotti diWolff. Riv. med. di sc. med. Venezia, 1892,
Vol. XVII, p. 25. Con Tav.
Er beschreibt einen Fall von Scheidencyste, die er Vegetationen der
Reste der Wo Iff sehen Gänge zuschreibt. Dann fasst er alle Formen zu-
sammen, welche diese Reste annehmen können.
Beob. 134. H. M. Milton, Persistent Gärtners duct, treated
in one case by diver sion of opening from vagina to bladder.
The Lancet, 1893, p. 924. — Jahresber. für 1893, Bd. II, p. 663 (17).
Ein klinischer Fall bei einer Frau, die von Kindheit tropfenweis aus
einer kleinen Öffnung des Septum vesico-vaginale ganz nahe bei der Mittel-
linie 60 g Serum ohne Urate in 24 Stunden verlor. Mit einer feinen Sonde
drang der Verf. bis zur Nierengegend vor.
Beob. 135. Alfred Kurz, Ein Fall von Ps endo -Her map hrodis-
mus femininus externus. Deutsche med. Wochenschr. 1893, Jahrg. XIX,
No. 40, p. 964.
Beob. 136. Brohl, Eine Hernia uteri bei Pseudo-Hermaphro-
dismus femininus. Deutsche med, Wochenschr. 1894, Jahrg. XX, No. 15,
p. 338. — Jahresber. für 1894, Bd. II, p. 737.
Der weibliche Pseudo-Hermaphrodismus war äusserlich. Der Uterus
war zweihörnig und lag in einer Hernia labialis ; er wurde exstirpiert wegen
seiner Irreduktibilität.
Fälle von Hernia uterina wurden auch bei Pseudo-Hermaphr. mascu-
linus gesehen und ebenfalls exstirpiert.
Beob. 137. Jackson Clarke, A case of Pseudo-Hermaphrodism.
Path. Transact. 1894, V. 44, p. 120.
Uterus und Vagina wohlgebildet, es fehlte nur das rechte Ovarium.
Der Penis war von der Urethra durchbohrt, die Blase erweitert. Sie ent-
hielt zwei Säcke, in welche die Ureteren mündeten. Es war auch ein Ru-
diment der weiblichen Urethra vorhanden, und es fehlte nicht nur der männ-
liche Typus, sondern auch die Hoden.
Beob. 138. Gustav Klein, Congr. d. deutschen Gynäkol. Gesellsch. in
Wien, 1895.
Bei einer Neugeborenen konnte er in mikroskopischen Serienschnitten
den Wolf f -Gart n er sehen Kanal verfolgen; vom Parovarium ausgehend
verfolgte er ihn unter den Tuben ins Ligamentum latum und in den Körper
des Uterus. Der rechte Kanal stieg in die Substanz des Uterus hinab über
die innere Öffnung des Uterus und endigte blind im Cervix. Der linke
Kanal verlängerte sich im Parametrium bis zum Körper des Uterus, vro er
ein kleines Stück entlang atrophisch wurde, um nach oben am Orificium
internum wieder zu erscheinen, stieg dann mit Krümmungen in die Scheide
hinab, um am freien Eande des Hymens zu münden.
Beob. 139. v. Recklinghausen, Die Adeno-Myome und Cyst-
Adenome des Uterus und der Tubenwandung, ihre Abkunft
von Resten des Wolffschen Körpers. Berlin , Hirschwald , 1896.
Ausser den Cysten spricht er auch von den Wolffschen Kanälen,
die er in Verbindung mit den inneren Geschlechtsorganen des Weibes ge-
funden hat.
Beob. 140. Jr. Amann, Über Cysten desWolffschen Ganges.
Centralbl. für Gynäkol. 1896. No. 43.
Grosse Cysten der Uteruswand.
Beob. 141. Liersch, Pseudo-Hermaphrodismus bei zwei
Schwestern. Ärztl. Sachverstand. Zeitg. Jahrg. II, 1896, p. 519.
Beob. 142. A. Krokiewicz (Lemberg), Ein Fall von Hermaphrodi-
tismus spurius complettis femininus. Virchows Arch. 1896, Bd. 146,
p. 525, Taf. VIII.
Er erinnert daran, dass K 1 e b s zwei Fälle anführt, einen von M a n e c
und Borcilott und den anderen von De Crecchio (Handb. der pathol.
Anat. p. 746), bei den innerlich alle weiblichen Genitalien und äusserlich
die männlichen vorhanden waren, mit Ausnahme der Hoden.
Jetzt fügt er eine eigene, gleiche Beobachtung hinzu.
Beob. 143. Jos. Bullinger, Über den distalen Teil der Gärt-
ner sehen (Wolffschen) Gänge. München 1896. Inaug.-Dissert. 8^.
Beob. 144. Palm, Eine Hymenalcy st e, u. s. w. Arch. f. Gynäkol.
1896. Bd. 51, H. 3.
G. Klein schreibt diese Cyste dem Endteile des Gärtner sehen
Kanals zu.
Beob. 145. Neugebauer, Fünfzig eigene Beobachtungen von
Vaginalcysten. Rev. de Gynecol. et de chir. abdom. 1897, No. 4.
Die Cysten wären meistens durch Ektasie des G a r t n e r sehen Ganges
hervorgebracht, selten waren es Retentions-Cysten.
Beob. 146. Otto Burckardt (Basel), Cyste des linken Gartner-
schen Ganges. Monatsschr. für Geburtsh. und Gynäkol. Berlin, 1897.
Bd. V, H. 6, p. 616.
Beob. 147. L Switalski, Über das Verhalten der Urnier eu-
res te bei weiblichen Embryonen und Kindern. Krakau , 1898.
Mit 34 Abbild.
— 87 —
Beob. 148. G. Klein (Münclien), DieGescliwülste derGartner-
schen Gänge. Vircliows ArcMv 1898. Bd. 154, p. 63.
Die Geschwülste, (gewöhnlich einfache oder zusammengesetzte Cysten),
die aus den Gärtner sehen Gängen entspringen, wurden im Ligamentum
latum, in der Muskelwand des Corpus, im Cervix uteri und im Hymen ge-
funden. Mit Bibliographie.
C. Männlicher und weiblicher Pseudo-Hermaphrodisrnns bei Tieren.
Beob. 149. Giulio Obsequente (Vaterland unbekannt), Prodigiorum
Hb er. Aldo, 1508. No. 26.
Von einem hermaphroditischen Lamme.
Beob. 150. Giovanni Langius (Leoberg. In Pisa promoviert). Medi-
cinalium epistolarum miscellanea. Basileae , 1534. Francofurti,
15S9.
Berichtet über einige Hasen und einen Hirsch mit Hermaphrodismus.
Beob. 151. Simeone Majolo (Asti), Dierum canicularium. Franco-
furti, 1642. Collect. 1. Pars 1.
Erzählt von einem hermaphroditischen Schweine.
Beob. 152. Paolo Zacchia, Quaestiones medico-legales. Lug-
duni 1661. Libr. 7, tit. I, quaest. 9, No. 15.
Im Jahre 1621 sah er in Rom einen Esel mit sehr grossem Penis,
wie er bei Eseln zu sein pflegt, aber verdreht, wie bei den Hypospadiern.
Ausserdem hatte er eine wohlgebildete Vulva, deren Öffnung den kleinen
Finger einliess. Die Lage der Genitalien war die gewöhnliche, aber unter
dem Steiss befand sich ein grosser Spalt, der nach oben, nahe am Schwanz,
sich zwischen den beiden Hoden durch die ganze Länge des Gliedes er-
streckte. Aber nach Überschreitung der Vulva war der Spalt sehr ober-
flächlich, so dass das Glied von hinten durch ihn in zwei Glieder geteilt
erschien. Das Tier urinierte nicht nur durch den Penis, sondern auch durch
die Vulva ; es richtete den Penis auf und besprang die Eselinnen, konnte
aber nicht mit ihnen fertig werden Avegen der angefühlten Krümmung des
Glieds.
Beob. 153. Phil. Jac. Hartmann (Prof. in Königsberg), Anatome vi-
tulae herm aphroditae. Ephem. nat. curios. Dec. II, A. VII. 1688.
Norimbergae 1689. Cum. flg., p. 62. Obs. 27.
Äusseres Aussehen eines Kuhkalbes mit Scheide. An den Seiten der
Blase lagen Hoden mit Nebenhoden.
Beob. 154. Fed. Ruysch, Thesaurus anatomicus octavus. No. 53.
Amstelodami, 1727, p. 17.
Schaf mit stark entwickelter Clitoris und mit Fettklappen an den Lippen
der Scheide, so dass sie Hoden vortäuschten. (Es kann sich nicht um
einen Hermaphroditen handeln.)
Beob. 155. Abram Konr. Boerhave, (Enkel von Herrmann), Historia
anatomica ovis pro hermaphrodito habiti. Novi Comment. Acad.
Petropolit. Petropoli, 1730. Anni 1747 et 48. T. I, p. 317, Tab. IX.
Fälle von Hypospadie bei 4 Tieren mit geteiltem Scrotum, in das die
Hoden spät herabstiegen. Memoria erudita.
Beob. 156. Albert v. Haller, De hermaphroditis; an dentur? Com-
mentarius. Comm. soc. E,. Göttingensis. 1752. T. I, p. LVII.
Ziege mit einer für einen Penis zu kleinen Clitoris, mit Präputium.
Er war spiralig gebogen mit zwei Corp. cavernosa. Darunter war eine sehr
enge Vulva, durch welche eine Sonde bald die Blase, bald einen langen
Kanal zwischen Eectum und Scheide erreichte, der sich in zwei teilte
(Uterushörner) und sich in zwei Hoden fortsetzte, die an der Stelle der
Ovarien lagen.
Beob. 157. Carrere, Description d'un äne pretendu herm-
aphrodite. Mem. de l'acad. R. des sc. de Paris, 1773. Collect, des mem. etc.
Paris, 1787, T. XV, p. 320.
Beob, 158. Antonio Penchienati, Observ. sur quelques pretendus
hermaphrodites. Mem. de l'acad. de Turin, 1793. T. X. (T. V des
Mem. A. 1790-91), p. 18
Zwei Fälle von Hypospadie, der eine bei einem Pferde, Der dritte
Fall betraf ein Beispiel von Ekstrophia vesicae, die nicht zum Hermaphro-
dismus gehört.
Beob. 159. Borkhausen, Beschreibung eines merkwürdigen
Schafzwitters. Ehein. Mag. zur Erweit, der Naturk, Griessen, 1793.
Bd. 1.
Beob. 160. Everard Home, An account of the dissection of
an hermaphrodite dog, to which are prefixed some obser-
vations on hermaphrodites in general. Philos. transact. of
London, 1799. P. I, p. 158, Tab. IV.
Eine Hündin ohne Zitzen, die niemals erotische Neigungen gezeigt
hatte, zeigte eine regelmässige Vulva mit grosser Clitoris, unter der sich
die Urethra öffnete. Bei der Sektion fand man ein die Vagina darstellendes
ligamentöses Gewebe, das sich in zwei feine, nicht durchbohrte Stränge
fortsetzte, die sich zu zwei an der Stelle der Ovarien liegende Körper be-
gaben, aber von zweideutiger Natur waren (ebenso, wie die Stränge), denn
sie waren zu klein und ohne Struktur, um für Hoden gehalten zu werden,
und zu unvollkommen, um als Ovarien zu gelten.
Beob. 161. Carlo Anselmi (Prof. in Turin), Genisse hermaphrodite.
Mem. de l'ac. E. des sc. (1805—1808). Turin, 1809, p. 103. Avec
planche.
Kalb mit rudimentärem im Präputium verborgenem Penis. Scrotum
und Hoden fehlten, während die Ductus deferentes vorhanden waren und in
die Blase mündeten. Es fehlte jede Spur von weiblichen Organen, so dass
es sich nach des Verf. Meinung um ein unvollkommenes Männchen
handelte.
Beob. 162. D. Reuss, Eep ertorium hermaphroditi. Göttingen,
1813. Vol. X, p. 227.
Sammlung von bibliographischen Anzeigen von bei Tieren gemachten
und in den Actis academicis publizierten Beobachtungen.
Beob. 163. Fed. Jacoby, De mammalibus hermapliroditis,
alterno latere in sexum contrarium vergentibus. Berolini,
1818.
Beob. 164. Vincenzo Stellati (Prof. in Neapel), Atti del E. istit.
d' incoraggiamento. Napoli, 1822. Vol. III, con tav.
Eine Ziege hatte einen unter dem Schwanz umgekehrt liegenden Penis,
ohne Urethra und mit einem 2 Zoll langen Corpus cavernosum versehen.
Das Scrotum fehlte, die Hoden lagen parallel am Abdomen unter der Brust,
die beiden Can. deferentes endigten an den Seiten der Scheide ohne Münd-
ung, von den Cowper'schen Drüsen umgeben. Einen Zoll unter dem Penis
befand sich die Öffnung der Vulva (mit der normalen Mündung der Urethra),
die sich in die Scheide und den Uterus fortsetzte. Es fanden sich fallo-
pische Trompeten, aber ohne Franzen; die Ovarien fehlten. Daher war eine
fruchtbare Begattung nicht möglich, weder aktiv noch passiv.
Beob. 165. J. J. Virey, Note sur un cheval repute herm-
aphrodite. Journ. complem. du dict. des sc. med. Paris, 1823. T. XV,
p. 140—142.
Ein Pferd mit Vulva, mit nach hinten gewendetem Penis, ohne äussere
Hoden, mit männlichen Instinkten.
Beob. 166. Mayer (Prof. in Bonn), Sur les conformations herm-
aphrodites. Journ. für Chir. und Augenheilk. T. VIII, H. 2, p. 194,
— Bullet, des sc. med. par le baron de Ferussac. Paris, 1827,
T. X, p. 15.
Er bringt 4 Beobachtungen: 1. Ein Ochse mit Hypospadie, mit
Hoden, mit Scheide, mit Uterus bicornis, der durch die Trompeten mit den
Hoden in Verbindung steht. 2. Ein Hund, ähnlich wie vorige Beobachtung.
3. Ein lebender Mensch mit Hypospadie, vorherrschendem männlichen
Typus. Bei ihm war das Vorhandensein weiblicher Organe nicht aus-
geschlossen. 4. In der Leiche eines Jünglings von 18 Jahren fand der
Verf. einen Penis, ein leeres Scrotum, eine Urethra, sowohl in Verbindung
mit der Blase als mit der Scheide, die sich in den Uterus fortsetzte. Der
Blasenhals war von der Prostata umgeben. Rechts befand sich ein kleiner
Körper, wie ein Hode.
Beob. 167. Carlo Mondini (Bologna), De hermaphroditis. Mem.
inedita riassunta da Medici. (Vita di Carlo Mondini, scritta da
Michele Medici.) Bologna, 1830, 2. edit. p. 59.
Ein Schaf von dem Aussehen eines Widders urinierte nicht durch den
Penis, sondern durch eine Spalte am Perineum. Bei der Sektion fand der
Verf. alle dem Männchen zukommenden Organe, aber der Penis war nicht
durchbohrt, die Urethra öffnete sich ins Perineum.
Beob. 168. E. F. Gurlt, Hermaphrodisia, Lehrb. der path.
A n a t. Berlin, 1832, p. 183. — Pseudo-Hermaphr. f emininus, p. 193.
Beob. 169. Is. G. St. Hllaire, Des anomalies. Paris, 1836, T. II,
p. 139. BruxeUes, 1837, T. II, p. 101.
Eeiche Bibliographie der Fälle von echtem und falschem Hermaphro-
dismus bei Tieren.
— 90 —
Beob. 170. H. Meckel, ÜberdenGeschlechtsapparateiniger
hermaphroditischen Tiere. Müller's Arch. für Anat. und Physiol.
Eine wichtige Studie über Teratologie bei Tieren.
Beob. 171. P. Rayer, Note sur un cas de faux h.ermaph.ro-
disme choz un belier. Gaz. med. de Paris, 184:8. Ser. 3, T. III, p.
352—54.
Beob. 172. v. Leuckart, Das Weber'sche Organ und seine
Metamorphosen. Illustr. med. Zeit. München, 1852, H. 2.
Bei Lämmern von männlichem Geschlecht fand er Uterus und Scheide.
Beob. 173. Rayer, Cas d'hermaphrodisme complexe. Comptes
rend. dela soc. debiol. 1854, p. 112. — Gaz. med. de Paris, 1854,
No. 1.
Stier mit dem männlichen komplizierten Hermaphrod. von Is. G. St.
Hilaire.
Beob. 174. Spiegelberg, Über die Verkümmerung der Geni-
talien (angeblich) verschieden geschlechtlicher Zwillings-
nachbarn. Zeitschr. für rat. Mediz. 1860. Ser. 3, Bd. X, No. 1—2. —
Cannstatts Jahresb. 1861, IV, 9-16. No. 85.
Wenn die Zwillingskälber männlich sind, ist eins davon oft ein Her-
maphrodit.
Beob. 175. Antonio Demarchl, Intorno ad un ermafrodito.
Giorn. di med. veterin. prat. Torino, 1861, A. IX, p. 425.
Es handelte sich um ein Pferd.
Beob. 176. Nicola Chicoli, Caso di ermafrod. femineo. Atti
della Soc. d' Acclimaz. Palermo, 1862. T. 2, No. 1. Mit AbbUd.
Weiblicher innerer Pseudo-Hermaphrodismus bei einer Ziege.
Beob, 177. F. Monaco, Un caso di pseudo-ermaf r odismo in
un bovino. L'Arch. di Veterin. Napoli, 1870. Ser. II, A. III, p. 337.
Ein Kalb von 14 Monaten, das einzige überlebende von einer Drillings-
geburt, zeigte einen Penis von der Grösse des Endes des kleinen Fingers;
er befand sich unter dem Anus in horizontaler Richtung zur Achse des
Körpers, mit ein Avenig nach oben gerichteter Glans. Die Urethra befand
sich an der oberen Seite des Penis mit Öffnung am Ende. Das Präputium
war übermässig entwickelt und vulvaähnlich gebildet. Keine Spur von
Eutern, nur zwei kleine Strichel an der gewöhnlichen Stelle. Das Scrotum
fehlte, aber bei der Untersuchung entdeckte man zwei Hoden in den
Weichen.
Bei der Sektion fand man vollständige männliche Organe, nur die
Samenbläschen waren stark entwickelt, und der männliche Uterus zeigte
eine knotige Gabelung, die Uterushörner darstellend, die denselben Lauf
verfolgten, wie die Can. deferentes.
Beob. 178. Antonio Bossotto, Ermafroditismo in un vitello.
n med. Veterin. Torino, 1871. A. VI, Ser. 3, p. 337.
Ein Kalb von 3 Monaten zeigte keine Spar von Scrotum und trug
längs der Rhaphe des Perineums eine längliche fleischige Erhöhung, eine
— 91 —
kleine, vollkommea geschlossene Vulva darstellend. Die Euter waren gut
entwickelt, und in der Regio hypogastrica, unmittelbar vor den Eutern,
sah man ein echtes, langhehaartes Präputium.
Bei der Sektion fand man Ovarien und einen gut entwickelten, mit
Müssigkeit gefüllten Uterus, mit fallopischen Trompeten versehen, der sich
in eine weite, kurze Scheide öffnete. Über dieser lag die Blase, deren
Ureteren eng an der Oberfläche des Uterus festhingen. Am hinteren Ende
der Vagina fand man eine enge Urethra, die zu dem kleinen, 5 cm langen
Penis gehörte. Die Scheide, statt sich in die Vulva zu öffnen, setzte sich
in diese Urethra fort. Hoden fehlten. Das Kalb war nicht als ZwiUing
gehören.
Diese Beschreibung ist sehr unvollständig.
Beoh. 179. Gaetano Gaddi, Sopra diversi casi d' ermafrodismo
nei suini. Gazz. med. veterin. Milano, 1875, A. V, p. 150. Con tavole.
Ein Schwein hatte eine Hernie in der linken Weiche zugleich mit
einem Hoden, und in der rechten lag der Hode unter der Haut. Innerlich
am Scrotum befestigt stand ein kleiner, nach hinten gewendeter Penis
hervor, der zwei Kanäle zeigte : einen oberen, die Urethra, und einen
unteren, ähnlich einem Beutel mit blindem Ende. Von der Blase, die keine
Samenbläschen zeigte, ging, wie gewöhnlich, die Urethra aus, der die
Prostata fehlte, und die in die Can. deferentes und die Vagina mündete.
Letztere setzte sich in einen zweihörnigen Uterus fort. Der Verf. schweigt
über die Ovarien. Dieses Schweinchen war von einer Sau geboren, die
schon andere Junge mit ähnlichen Missbildungen zur Welt gebracht hatte.
Beob. 180. G. Generali und E. Sertoli, Di un pseudo-ermafro-
ditismo in una capra. Arch. di medic. veterinaria. Milano, 1876, Vol. 1,
p. 22. Con 2 tavole.
Die Ziege hatte äusserlich Genitalien von weiblichem Aussehen und
Euter. Ausserdem war der innere weibliche Apparat vollständig. Aber sie
besass auch Hoden (ohne Spermatozoen), D. deferentes, Samenbläschen und
eine Art Penis, der aus der Vulva hervorkam.
Beob. 181. L. Corvini, Caso di apparente ermaf roditismo
osservato in un somaro. Arch. di med. veterin. Milano, 1877, T. II,
p. 28—34.
Beob. 182. F. Schnopfhagen, Hermaphrodismus verus bila-
teralis hei einer Ziege. Med. Jahrb. der k. k. Gesellsch. der Ärzte in
Wien, 1877. Bd. II, p. 341. Taf. VII.
Echter Hermaphrodismus bei einer Ziege.
Beob. 183. Lehmann, Zwitterbildung bei einem Rinde. Preuss.
Mitt. 1880. p. 66. — V. Jahresber. für 1880, V. I, p. 711.
Beob. 184. Sanson, Sur un nouveau cas de malformations
des Organe s^genitaux chez une vache jumelle d'un tauroau.
Bull. Soc. centr. de med. veterin. A. 1881. T. IV, p. 103.
Beob. 185. F. Negrini, Sopra un caso di pseudo-ermaf rodi-
tismo in un capretto. Clin. Veterin. Milano, 1883. A. IX, No. 6.
Beob. 186. v, Kölliker, Über Zwitterbildungen bei Säuge-
tieren. Sitzangsber. der physik. med. Ges. zu Würzburg. A. 1884, p. 85.
Sitz. 24. Mai 1884.
Schwein mit männlichem Typus. Zweihörniger Uterus. Samenbläschen,
Hoden, Penis atrophisch.
Beob. 187. Reuter, Ein Beitrag zur Lehre vom Hermaphro-
dismus. Vcrh. der phys. med. Ges. zu Würzburg. N. F, 1885, Bd. XIX,
No. 2.
Zuerst fasst er die Geschichte des Hennaphrodismus zusammen, dann
beschreibt er drei von derselben Sau geborene Schweine, von denen das
letzte vollkommener Hermaphrodit war, mit vollkommen entwickelten Ovarien
und Hoden.
Beob. 188. Spengel, Hermaphrodismus bei Amphibien. Biol.
Centralbl. 1885, Bd. IV.
Beob. 189. Stecker, Pseudo-Hermaphrodismus masculinus
externus beim Rinde. Tagebl. d. 50. Vers. Deutscher Naturf. und Ärzte
1886, p. 331.
Beob. 190. A.Johne, Ein Beitrag zur Kenntnis des Hermaphro-
dismus masculinus. Deutsche Zeitschr. für Tiermediz. Leipzig, 1887,
Bd. XIII, p. 178.
Beob. 191. A. Stricker, Pseudo-Hermaphrodismus masculinus
beim Binde. Arch. f. wiss. und prakt. Tierheilk. Berlin, 1887, Bd. XIII,
p. 95.
Beob. 192. R. Edelmann, Über Pseudo-Hermaphrodismus com-
pletus masculinus. Arch. für wiss. und prakt. Tierheilk. 1888. Bd. XIV,
H. 4 u. 5, p. 309.
Der Fall betraf ein Pferd.
Beob. 193. Pütz, Ein Fall von Hermaphrodismus verus uni-
lateralis beim Schwein. Deutsche Zeitschr. für Tiermed. 1889, Bd. 15.
Beob. 194. Mario Condorelli-Francavilla (Assistent am zoolog. Instit. in
Rom), Lo Spallanzani. 1891, A. 29, p. 136.
Pseudo-Hermaphrodismus beim Widder.
Beob. 195. C. Pistor, Ein F all von Pseudo-Hermaphrodismus
masculinus completus beim Schwein. München, 1892.
Beob. 196. Guicliard, Hermaphrodisme chez un belier. Journ.
de med. veterin. Lyon, 1892, Ser. 3, Vol. XVII, p. 144.
Diagnose : Monorchides Männchen, mit Atrophie und Hypospadiasis des
Penis und bedeutender Entwickelung des Uterus nach links, dem jedoch die
Ovarien beiderseits fehlen.
Ein Merinoschaf, ausnahmsweise ohne Hörner, hatte einen einzigen
Hoden im Scrotum und eine Perinealspalte, in deren oberem Teile der Ein-
gang zur Urethra war, ohne Prostata, der Penis war atrophisch und erschien
ebenfalls am oberen Teile der Spalte. Bei der Sektion fand man einen
Uterus, mit einer Trompete, aber kein. Ovarium am linken Hörne. Das
— 93 -
rechte Hörn war atrophisch. Der Uterus setzte sich in die Scheide fort,
die an ihrem Ursprung blind war. In der Urethra (nahe am Punkte der
Fortsetzung der Scheide) mündeten die Can. deferentes, mit dem Unter-
schiede, dass der rechte Kanal von dem erwähnten Hoden entsprang, während
der linke blind vom Lig. latum ausging.
Beob. 197. L Guinard, Precis de Teratologie. Paris, 1893, p. 280
Wichtige Sammlung von neuen Fällen von Pseudo-Hermaphrodismus,
sowohl beim Menschen, als bei einigen Haustieren, die auch die gerichtliche
Medizin interessieren können.
Beob. 198. La Valette St. George, Zwitterbildung beim kleinen
Wassermolch (Salamandra). Arch. für mikrosk. Anat. 1895, Bd. XLV.
— 94 —
Die vorstehende Abbildung und die sich darauf beziehende Beobachtung
gehören zum II. Teil dieser Arbeit über Hermaphrodismus und speziell zu
dem Art. IV über ungewisses Geschlecht beim Lebenden.
A. Filippi (Firenze), Uomo o donna. (Virginia Mauri, später genannt
Zepthe Akaire aus Tunis), LoSperimentale, Firenze, 1881, Anno XXXV,
T. 47, p. 536. — Manuale di medicina legale. Milano, 1896, Vol. 1,
Nota 1, p. 123. Con 4 fig.
A. Zuccarelli, L' anomalo. Napoli, 1892, A. V, p. 78.
G. Bergonzoli (Pavia), Di un caso d' ermafr oditismo f emminile
esterno. Bull, scient, Pavia, Marzo 1893, A. XV, No. 1, p. 9.
G. Ravaglia (Bologna), Conferenza. La Rassegna med. Bologna,
1896, A. IV, No. 7, p. 7.
A. Bruch, Ein Hermaphrodit. Nebst Bemerkimgen von R. Vir-
cho w. Berliner med. Gesellsch. 2. Febr. 1898. — Berl. klin. Wochenschr. 1898,
No. 8, p. 177.
C. Taruffi, Un gedruckte Beobachtung vom Jahre 1896 mit
Abbild, von Ravaglia.
Virginia Mauri, geboren in Rom im Jahre 1859, erzählte folgendes. Sie
hatte zwei Schwestern am Leben und war mit 16 Jahren schon menstruiert.
Zuerst fühlte sie Neigung zu Männern, so dass sie zweimal schwanger
wurde, obgleich der Coitus ihr Schmerzen verursachte. Die Schwangerschaft
erreichte ihr Ende nicht, sondern wurde jedesmal durch Abort unterbrochen.
In der Folge habe sie auch Neigung zu Frauen gefühlt.
Mit 20 Jahren war Virginia 188 cm hoch, ihre Beine waren kurz im
Verhältnis zum Rumpf. Ihre Haut war überall brünett, ausser an der Brust,
wo sie weiss war. Ihre Behaarung war schwarz, wie auch die Haare des
Gesichts und des Pubes. Die Brüste und die Stimme waren männlich.
Als Virginia im Jahre 1896 nach Bologna kam, hatte sie schwarzen,
ziemlich dichten Bart, lange Haare von derselben Farbe. Sehr wichtig war
es, dass Dr. Ravaglia während ihres Aufenthaltes in der Stadt die Men-
struation bestätigte.
Virginia hatte unter dem Pubes einen vorstehenden, fleischigen Cylinder,
der im schlaffen Zustande 5^2 cm mass, mit Eichel und Vorhaut und mit
der Andeutung eines Frenulums versehen war. (Siehe Abbildung.) Dr. Ra-
vaglia erfuhr, dass ursprünglich die Glans an der Haut des Cylinders fest-
hing, und dass ein Chirurg das zusammengezogene Gewebe an der Stelle
des Frenulums quer durchschnitten hatte. Auf diese Weise konnten sich
die Teile verlängern, und man erkannte das Fehlen des Kanals der Urethra,
— 95 —
indem nur eine Furche mit glatter Oberfläche und einigen blinden Ver-
tiefungen übrig blieb.
Unter dem fleischigen Cylinder zeigten sich die Labia majora, zwischen
denen auch die L. minora kenntlich waren, sowie nach oben die Mündung
der Urethra. Zwischen diesen Labien drang man leicht in die Vagina ein
und erreichte mit dem Finger das Collum uteri. Aber man vermochte
weder Hoden noch Ovarien zu finden, weder in den Schamlii3pen, noch
in den Weichen. Die Untersuchung durch das Eectum wurde nicht ge-
stattet.
Zweiter Teil.
Der klinische Hermaphrodismus.
Äusserer Pseudo-Hermaphrodismus.
Erster Abschnitt.
Feminismus i).
(Der feminierte Mann.)
Unter den verschiedenen Formen der nutritiven Degradation,
die sich am Äusseren des Organismus zeigen, giebt es eine sehr
gewöhnliche und zu jeder Zeit sehr bekannte, die von den
Ärzten wenig beachtet wurde, weil sie eine sekundäre Er-
scheinung ist, die an und für sich weder der Pathologie, noch
der Klinik, noch der tierischen Biologie angehört. Diese De-
gradation hat, wenn sie einen hohen Grrad erreicht, neuerlich
den Namen Feminismus erhalten; wenn sie dagegen in sehr
geringem Grade, also leicht und teilweise auftritt, bleibt sie
meist unbemerkt, falls nicht das degradierte Kind eine offen-
bare Ähnlichkeit mit der Mutter, der Tante oder der Gross-
mutter aufweisst und es sich nicht um einen nach vielen
Brüdern geborenen Sohn handelt: dann rührt diese Erscheinung
von erblichen Verhältnissen innerhalb des physiologischen Be-
weises her.
Die geringe praktische Wichtigkeit, die man gewöhnlich
diesen Anomalien beilegt, haben die nötigen Studien zur Ab-
fassung einer geeigneten Monographie verzögert. Höchstens
können wir wiederholen, dass die ersten Nachrichten über
^) Die ia diesem Abschnitt angeführten Beobachtungen gehören alle
zu Note 2.
— 97 —
feminierte Männer den Eunuclien und kastrierten Sängern
(Kontraalten) entnommen wurden. Bei den Tieren erhielten
wir die ersten Nachrichten von den Pflegern ausgewählter
Eassen und dann von den Tierärzten durch jene Verstümme-
lung, die Varro Kastration genannt hat. Schon früher hatte
Aristoteles diesen Zustand gekannt und auch bemerkt, dass
er eine Verwandlung eines Mannes in ein Weib darstellt
(wenigstens nach der Übersetzung des Griechen Gaza: Execta
omnia mutantur in foeminam)i) und daraus entnahm er eine
Lehre über den Ursprung des geringeren oder schwachen Ge-
schlechts (siehe Note 1).
Aristoteles führte kein Wort für die auf die Kastration
folgenden Erscheinungen ein, aber die italienischen Schrift-
steller der Renaissance und die späteren nannten infemminiti
oder effemminati solche Männer, die von Natur oder durch Er-
werbung weibische (donnesco) (s. Crusca) Sitten oder Gesinn-
ungen haben. Es giebt kein Beispiel, dass diese Benennungen
auf Tiere angewendet worden wären. Erst im Jahre 1864
schrieb Marzuttini, ein ausgezeichneter Arzt in Udine, in Be-
zug auf eine seiner Beobachtungen, „die Kastration verweibischt
(infemminisce) die wilden Tiere" (s. Note 2, Beob. 7).
Später fühlten die Franzosen das Bedürfnis, dieselben Er-
scheinungen mit einem Worte anzuzeigen, welcher Art auch
ihre Ursache sein mochte, und der erste, der diese Lücke aus-
füllte, war, wie es scheint, Faneau de la cour (Paris 1871),
der seine These betitelte „Du feminisme et de l'infantilisme
chez les tuberculeux"; von den letzteren untersuchte er 35 unter
Inspiration des Prof. Lorain. Er hatte das Glück, dass die
beiden Worte schnell in Frankreich angenommen und dann, wie
gewöhnlich, auch in Italien nachgesprochen wurden (Imoda und
Ferranniui). Wir werden jedoch fortfahren, uns des Wortes
„verweiblichen" (infemminire) zu bedienen, und werden es auch
anwenden, wenn die obengenannten Charaktere sich nicht nur
in den Gewohnheiten, sondern auch im Organismus äussern;
^) Theodore Gaza, Flüchtling aus dem griechischen Reich, wurde von
Nicolo V. beauftragt, die Bücher des Aristoteles „über die Tiere" ins
Lateinische zu übersetzen, die er dann Sixtus IV. dedizierte. Ich kenne nur
die Pariser Ausgabe von 1533, wo der obige Ausspruch im Index des
Lib. V, cap. 7, ZeUe 61 steht. (S. Note 1 u. 2.)
Taruffi, Hermaphrodismus. 7
doch werden wir jedesmal hinzufügen, ob sie sich beim Men-
schen, oder bei Tieren gezeigt haben. Dies ist nötig, weil in
unserer Zeit gewisse Schriftsteller mit theatralischem Gebahren
das Wort Feminismus auch solchen "Weibern beigelegt haben,
die einige ihrer moralischen und intellektuellen Eigenschaften
übertrieben haben.
Wenn wir jetzt zu den häufigsten Eigenschaften übergehen,
welche deutlich und physisch verweiblichte Männer zeigen,
müssen wir vorausschicken, dass wir die zu allgemein ausge-
sprochene Behauptung Meige 's') nicht annehmen können, dass
diese nämlich nach Überwindung der Pubertät eine Entwicke-
lungs-Umkehrung der sekundären Greschlechtscharaktere zeigen.
Man kann diese Entwickelung wohl zugeben, aber nicht unbe-
schränkt, denn die Veränderungen selbst sind zahlreich und
verschiedenartig, und jede kann ausbleiben, während andere un-
gewöhnliche hinzukommen.
Wenn man die auf das Gesicht und die Glieder beschränkten
feministischen Ähnlichkeiten, die wir physiologische nennen
wollen, bei Seite lässt, und dagegen die Veränderungen der
ErnähruDg an einem mehr oder weniger ausgedehnten Teile
des Körpers betrachten, die von einem bald offenbaren, bald
verborgenen pathologischen Zustande der Eltern herrühren,
können wir annehmen, dass man gewöhnlich bei Männern nach
der Pubertät folgende Veränderungen antrifft: Kopf und Körper
sind mehr oder weniger von geringerer als Mittelgrösse; die
Ernährung und der Panniculus carnosus sind spärlich; Gesichts-
züge fein und zart; die Haare im Gesicht, in der Achselhöhle
und am Pubes sind spärlich oder fehlen; die Kopfhaare braun-
blond, oder rötlich, frühzeitig grau oder grauweiss; die Stimme
weiblich ohne vorstehende Schilddrüse; Intelligenz massig,
Charakter sanft, mit schwachen Geschlechtsinstinkten.
Wenn wir jetzt zu den Abweichungen von diesen Charak-
teren kommen, bemerken wir, dass das Gesicht nicht blass,
sondern voll und rosig sein kann (Ferrannini)^), aber früh
^) Henry Meige, L'infantilisme , feminisme et les hermaphrodites
autiques. — L' Anthropologie, Paris, 1895. T. XIV, No. 3, p. 257.
2) Gr. Eummo und L. Ferrannini, Prof. in Palermo, Geroderma
genito-distrofico. La riforma med. Napoli, 1897, 3 Aug. — II policlinico,
Koma, 1898. A. V, No. 8, p. 227.
— 99 —
die Zeichen des Alters annimmt (Brouardel). Wir bemerken
ferner, dass, statt mager, der Verweiblichte fett mit Neig-
ung zur' Obesität sein kann (ein Beispiel davon sahen wir
auf der Strasse an einem kaum mannbaren Burschen) und dass
die Grösse nicht nur eine mittlere, sondern kleiner sein kann, ja
bisweilen mehr oder weniger hoch, wie in den Fällen von
Godard, Marzuttini und Hallopeau (s. Beob. 6, 7, 31).
Es kann auch vorkommen, dass die Stimme nicht hoch ist,
sondern den Klang derjenigen eines erwachsenen Mannes hat
(Niecolin i, s. Beob. 32). Weniger selten sind dann die Fälle,
in denen die Christoe des Beckens nach aussen vorstehen
(weibliches Becken), wo der Thorax schmal, die Hände klein
sind, und der weibliche Gang nicht selten Gelegenheit zum
Spott giebt. Um solche Abweichungen zu erklären, muss man
zur Anamnese greifen, d. h. zu den Charakteren der Eltern der
Verweiblichten.
Wir sahen schon anderwärts, als wir von den unteren
Graden der menschlichen Natur sprachen, dass man bei den
Völkern gewöhnlich sowohl eine Maximal- als Minimalgrösse
findet, die nach der geographischen Lage etwas verschieden
ist, und sprachen auch von einer ausserordentlichen maximalen
(Kiesenwuchs) und minimalen (Zwerghaftigkeit) Statur. Ausser-
dem haben wir beobachtet, dass man die geringste Grösse der
gewöhnlichen Statur im Mittel für jetzt zu 1350 mm annehmen
kann, so lange die Beobachtungen nicht weiter ausgedehnt und
überall sorgfältig wiederholt worden sind. Wenn man dieses
Mass annimmt, muss man festsetzen, dass die Mikrosomie von
da an beginnt, um bis zum Nanismus herabzugehen, für den im
allgemeinen die Höhe eines Meters festgesetzt ist, und in sehr
seltenen FäUen noch weniger. Wenn diese letzten Fälle bei
Verweiblichten noch nicht eingetreten sind, und wenn es anderer-
seits wahr ist, dass man bei ihnen meistens eine ziemlich kleine
Statur antrifft, so dass man sie unter 1350 mm ansetzen muss, was
wir selbst bestätigt haben, so muss man annehmen, dass die
Mikrosomie eine häufige Eigenschaft der Verweiblichung ist.
Andere Charaktere sind bei beiden teratologischen Zu-
ständen gleichförmig. So finden wir die Armut an Haaren am
Pubes und an den anderen Stellen, die sie zu besitzen pfiegen,
die Blässe und frühzeitige Greisenhaftigkeit, die sich besonders
- 100 -
im Gesichte zeigen, das selbst eine erdig-gelbliche Farbe an-
nehmen kanni). Aber die Mikrosomie im kleinsten G-rade
(Zwergenwuchs) besitzt ausser der Kleinheit noch andere Eigen-
schaften.
Wir haben schon im Jahre 1889 bemerkt 2), dass bei Mikro-
somie Veränderungen im Skelett vorkommen, die man jetzt zum
grossen Teil mit denen der Eunuchen vergleichen kann, abge-
sehen von der Statur und der Grösse des Schädels. Wir be-
obachteten auch dieselben Veränderungen bei Hirnaffektionen,
wie bei gewöhnlichem Idiotismus, bei Mikrocephalie und bei
einem kretinartigen Idioten 3), Hier folgt der Vergleich:
Mikrosomie (Taruffi).
Kopf gross im Vergleich mit
der Kürze des Körpers; der
Vorderarm und das Bein sind
ausser Verhältnis mit dem Ober-
arm und dem Schenkel. Im
allgemeinen ist jedoch die un-
tere Gliedmasse im Mittel zu
kurz für die Statur. Sehr kleine
Mikrosomen zeigen ferner ein
Fortbestehen der kindlichen
Form mit der zugehörigen
Stimme, die sich bald mit den
Eunuchen (Guinard).
Die Eunuchen sind gewöhn-
lich gross, der Thorax ist kurz,
aber Arme und Beine sehr
lang*), der Humerus verhält-
nismässig kurz, Radius und
Cubitus lang und schwach. Die
Knochen der Hand sind lang
und schmal, so dass die Hand
schmal ist. Die Knochen der
Beine sind schwach, Tibia und
Fibula übermässig lang, so auch
die Phalangen und Metatarsen
^) Für die erdig-gelbliche Farbe hat Prof. Ferrannini das neue
Wort Geroderma eingeführt. Er beobachtete sie bei einem Manne mit halb
atrophischen Hoden, daher er das Beiwort „dystrophisches Kind" (genito-
distrofico) beifügte. Doch liefert er von diesem Falle und einigen anderen,
kaum angedeuteten, keine hinreichende Beschreibung. La Eiforma med.
NapoH, 1897, 3 Aug.
2) C. Taruffi, Storia deUa Teratologia, T. V, p. 456. — Micro-
somia, Bologna, 1889.
^) Ders., Über einen kretinoiden Idioten. Mem. della Acc. R. de sc. di
Bologna, 1883, Ser. 4, T. V, p. 253.
^) E. Godard, Eecherches teratologiques sur l'appareil seminal de
Fhomme. Paris, 1860. — De Amicis, 1883, Constantinopoli, Paris, 1887.
— 101 —
Mikrosomie (Taruffi).
Zügen der Reife verbindet, so
dass noch junge Männer das
Gesicht von Greisen und erdig-
gelbliche Hautfarbe zeigen.
Eunuchen (Guinard).
(Lortet)i). Die Schultern
bleiben schmal, nicht selten
entwickeln sich die Brüste wie
bei den "Weibern 2). Der Eunuch
behält die Stimme des Kindes.
Indem wir zur Verweiblichung und ihren Varietäten zu-
rückkehren, müssen wir die Aufmerksamkeit auf einige Altera-
tionen von verschiedener Art lenken, die sehr häufig, um nicht
zu sagen allgemein und von grösster Wichtigkeit sind, weil
man sie nicht sowohl als Charaktere, sondern vielmehr als die
gewöhnlichsten ersten Ursachen der besprochenen Degradation
betrachten kann. Diese Alterationen haben ihren Sitz in den
männlichen Geschlechtsorganen, und besonders in den Hoden,
dem Penis und den Samenwegen. Ihre Formen lassen sich auf
zwei zurückführen, nämlich auf Hypomorphie und Fehlen der
Organe (Hypoplasie und Aplasie). Aber unabhängig von den
verschiedenen, von den örtlichen Alterationen angenommenen
Formen, hat Laurent mit Eecht im Jahre 18943) ^[q y^r-
weiblichten Männer zu den Pseudo- Hermaphroditen gerechnet,
und diese Annäherung verdient Lob, denn die männlichen Or-
gane machen einen Teil der geschlechtlichen Verdoppelung aus
und die weiblichen Charaktere im übrigen Teile des Körpers
den anderen Teil, so dass bei Alteration des einen der beiden
Teile der Pseudo -Hermaphrodismus nicht ausgeschlossen wird.
Die häufigsten Alterationen der Geschlechtsteile finden in
den Hoden statt, indem diese bald fehlerhaft sind, bald fehlen,
bald ausserhalb ihres natürlichen Platzes liegen. Dagegen sind
die Mängel des Penis selten (allein oder zugleich mit denen
der Hoden), sowie die der Samenwege. Wenn man alle Miss-
büdungen summiert, erhält man, wie schon Aristoteles be-
merkt und die Viehzüchter jeder Zeit sich zu Nutzen gemacht haben,
den Beweis für eine kausale Beziehung zwischen den Hoden und
^) L ort et, Presentation d'un squelette d'eunuque. Soc. de med. de
Lyon, 16 Mars, 1896. — P 0 n c e t , Influence de la castration sur le developpement
du squelette. Congr. de l'Assoc. frang. pour l'avanc. des sc. Le Havre, 1877.
2) Guinard, 1897. (Osserv. cit. p. 485.)
^) E. Laurent, Les bisexues etc. Paris 1894, p. 175.
— 102 —
gewissen an der Oberfläche des Körpers mehr oder weniger
sichtbaren Charakteren, sowie für physische und moralische
Veränderungen bei dieser Art des Hermaphrodismus. Hier folgt
das numerische Eesultat der Beobachtungen.
f Hypoplasie (Beob. 3, 12, 13, 14, 15, 17,
23, 25, 26) 9 Fälle
Anorchidie (Aplasie) (Beob. 2, 6, 7, 11,
16, 18, 19, 20, 23) 9 „
(Im Falle 23 fehlte nur ein Hode.)
Hode im Abdomen (Beob. 4,
19?, 25, 27) ... . 4 „
(19, 23, 25 sind wieder-
holt.)
In den grossen Schamlippen
(Beob. 9, 10) ... . 2 „
Penis, Hypoplasie (Beob. 1, 2, 5, 11) ... . 4 „
Penis und Hoden, Hypoplasie (Beob. 8) . . . 1 „
Hoden
. Kryptorchie<
Summa 29 Fälle
Wiederholt 3 „
Bleiben 26 Fälle
Über das numerische Verhältnis zwischen Verweiblichung
und Gynäkomastie sehe man die betreffende Tabelle.
Das Gesetz der Korrelation, das aus obiger Tabelle her-
vorgeht, erlaubt auch zu beobachten, wie selten die Ausnahmen
bei diesem Gesetze sind, und dies erhöht seine Wichtigkeit;
denn die organischen Erscheinungen, zu denen mehrere Koeffi-
zienten beitragen, bleiben oft aus, oder werden auf verschie-
dene Weise verändert. Wir haben nur den Fall von Borelli
(Beob. 18) gefunden, bei dem die Hoden gross waren, und den
von Lerebouillet (Beob. 14), bei dem die Verweiblichung
erworben und durch beiderseitige Orchitis verursacht war,
worauf Gynäkomastie und Atrophie der Hoden folgte. Endlich
erwähnen wir den wichtigen Fall von Eezzonico (Beob. 10),
der ein Beispiel von erworbener Gynäkomastie liefert, worauf
Infantilismus und Hypertrophie der Brüste folgte, die dann
nach 7 Jahren von selbst heilte. Aber der Verf. hat keine
Veränderung der Geschlechtsorgane angegeben.
— 103 —
Ebenso selten sind, die Fälle von Fehlen des Penis. Wir
kennen nur den von Facen, bei dem die Glans mit dem
Meatus urinarius vorhanden war, es fehlte die Vorhaut und der
Penis, so dass die Glans sitzend war und sich nicht verlängern
konnte (Beob. 9), und den anderen Fall von Jones (Beob. 11).
"Weniger selten sind dagegen die Anomalien der Samenwege.
Ein schönes Beispiel wurde von Marzuttini (Beob. 7) publi-
ziert, bei dem nicht nur die Hoden fehlten, sondern auch das
Verumontanum und die Samenöffnungen.
In dem Fall von Binet (Beob. 21) war die Prostata klein
und die Samenbläschen bestanden aus blossen Divertikeln,
während der Utriculus prostaticus stark entwickelt war. Neuer-
lich sind von Anatomen und Chirurgen mehrmals mangelhafte
Prostatas in Verbindung mit Alterationen der Testikel gesehen
worden, und Launoisi) hat die Beziehungen zwischen diesen
beiden Organen wissenschaftlich bestätigt. Es ist auch bemerkt
worden, dass bei einseitiger Kryptorchie und Aplasie gewöhn-
lich der entsprechende Lappen der Prostata, und diese bei
bilateraler Läsion der Hoden ganz atrophisch ist (s. Guinard, 1. c,
p. 480).
Unter den Anomalien der Samenwege führen wir den Fall
von Fischer (Beob. 2) an, bei dem die beiden D. deferentes
blind endigten. Ebenso verdienen Erwähnung die drei von
De Matteis gesehenen Brüder, die sämtlich an Hypospadie
litten. Diese Beobachtung führt uns dazu, auf einen seltsamen
Unterschied in der Häufigkeit der Hypospadie bei männlichen
Pseudo-Hermaphroditen aufmerksam zu machen, denn bei diesen
fanden wir 14:mal unter 68 Fällen Hypospadie 2),
Infantilismus.
Wir dürfen nicht vergessen, dassFaneau dem Titel seiner
These den Namen „Infantilismus" hinzugefügt hat, um Kinder
zu bezeichnen, die, nachdem sie Jünglinge und Männer ge-
^) Lauüois, Castration et atrophie de la prostate. Assoc. frang. pour
l'avancem. des sc. Caen, 1894.
2) Mem. della E. Acc. delle Sc. dell Istit. di Bologna, 1899. Ser. 5,
T. VII, Note 3, p. 740. Beob. 4, 8, 12, 14, 16, 18, 19,. 20, 22, 23, 25,
44, 56. — Vgl. p. 64 ff.
— 104 —
worden sind, das Gepräge der Kindheit beibehalten. Wir
müssen hinzufügen, dass die Erscheinung zu jeder Zeit als
richtig erkannt worden ist, und dies erklärt es, warum das
neue Wort günstig aufgenommen wurde: Fere^), Barety^),
Brouardel^) u. And. Wir bemerken jedoch, dass die Ärzte immer
geglaubt haben, die Erscheinung sei die Folge von verschiede-
nen krankhaften Ursachen, die meist angeboren seien, wie
Phthisis, Scropheln, Eachitis und allen chronischen Krankheiten,
welche die Eltern schwächen, so dass Kinder geboren werden,
die entweder die eiofachen Charaktere des Infantilismus zeigen
(also mit somatischer Hypoplasie), oder mit diesen Charakteren
das Erbe der elterlichen Krankheiten verbinden.
Wenn man diesen Unterschied annimmt, vermeidet man
nicht die klinische Schwierigkeit, den Infantilismus von der
Verweiblichung (Infeminismus) zu unterscheiden, denn von
Kindheit an beginnend (abgesehen von den Geschlechtsorganen)
ist er eine Degradation, die bei beiden Geschlechtern bis zur
Pubertät eintritt, ja man kann annehmen, dass der Infantilis-
mus dem Feminismus vorhergeht. Wenn junge Mädchen das
kindliche Aussehen beibehalten, unterscheidet man sie nicht
sicher von Knaben, ausser durch die Verschiedenheit der Ge-
schlechtsteile. Man kann auch nicht sagen, dass der Infanti-
lismus sich durch Aplasie der Brüste unterscheide, denn an
vergleichenden Beobachtungen hierüber fehlt es ganz. Beim
Manne hat man dem Fehlen des Barts und der Hypoplasie der
Geschlechtsteile grossen Wert beigelegt, aber diese beiden
Charaktere sind auch bei dem Infeminismus häufig, wie auch
bei beiden Zuständen Missbildungen der männlichen Geschlechts-
organe sehr häufig sind. Daher ist es ziemlich schwer, nicht nur ein
klinisches Urteil in dieser Beziehung abzugeben, sondern auch
einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden Degra-
dationen festzustellen.
1) Ch. Pere, Contribution ä l'etude des equivoques des caracteres
sexuels accessoires. Eevue de med. 1. Juillet 1893.
^) Barety , De rinfantilisme, du senilisme, du feminisme, da masculinisme
et du facies scrofuleux. Nice med. 1876.
^) Brouardel, Type infantile. Gaz. des hopit. 18. Janvier 1887,
p. 59. Bei einem Individuum (er sagt nicht, ob es ein Päderast war) von
25 Jahren fand er eine rudimentäre Prostata, Fehlen der Musculi ischio-
und bulbo-cavernosi, einen kleinen Penis und ein sehr enges Becken.
— 105 —
Meige gab im Jahre 1895 die Beschreibung einiger Arten
von erblicher Degradation des Organismus, aber in Bezug auf
den Infantilismus änderte er sie auf folgende Weise ab: ein
physisch-moralischer Zustand, bei dem man eine Entwickelungs-
Hemmung der Geschlechtsorgane, massige Grösse (abgesehen
von verschiedenen Fällen von bedeutendem Wachstum), Mangel
an Behaarung am Pubes und in den Achselhöhlen, dünne und
rauhe Stimme und endlich einen dem kindlichen ähnlichen
Geisteszustand antrifft (wie ich es bei einem kretin artigen
Idioten beobachtet habe) i). Der Verf. schweigt über den Habitus
des Körpers, und sagt nur, dass bei der weiblichen Pubertät
das Anschwellen der Brüste fehlt^). Dann fügte Laurent^)
zu den Charakteren des Infantilismus ausser der kleinen Ge-
stalt die Magerkeit und die Zartheit hinzu und erklärte, die
Entwickelungshemmung der Geschlechtsteile bestehe in Klein-
heit des Penis und der Hoden, so dass sie denen eines Kindes
glichen.
Endlich stellt Fournier jun.*) den Infantilismus zu den
Wirkungen der erblichen Syphilis, und schreibt dieser folgende
Charaktere zu: Langsames Wachstum der Statur, der Glieder,
Zartheit der Person, verspätetes Laufen, Sprechen und Er-
scheinen der Zähne, deren Krone oft erodiert ist. Wie die frühe-
ren Autoren legt er der Hypoplasie der Hoden und des Penis grosse
Wichtigkeit bei. In Bezug auf das Geschlecht nimmt Four-
nier an, dass bei den Weibern die Menstruation spät oder
garnicht erscheint und dass die Männer wenig oder gar keine
Haare im Gesicht haben.
Fournier jun. hat auch 20 Beobachtungen hinzugefügt,
welche nicht gerade Fälle von erblicher Sj^philis mit der be-
^) C. Taruffi, Interno ad un idiota cretinoide. — Mem. della E.
Accad. delle sc. delF Istit. di Bologna. — Sess. del 23. Dec. 1883. Ser. 4,
T. V, p. 253. Con tavola.
2) H. Meige, L'Infantilisme, etc. — L' Anthropologie , Paris 1895.
T. XIV, No. 3, p. 257. Idem, Suite, No. 4, p. 422. — Idem, Infantilisme
dans la femme. — Nouvelle iconogr. de la Salpetriere, 1895, No. 4.
3) E. Laurent, Les bisexues, Paris, 1894, p. 175. Er vergleicht die
intellektuellen Fähigkeiten der Infantilisten mit denen des Weihes und be-
richtet, dass in Paris die passiven Paederasten von Profession sich aus
solchen Individuen rekrutieren, wofür er diverse Beispiele bringt.
^) Edmond Fournier, L'Heredo-syphilis. Paris, 1898, p. 7.
— 106 —
kannten Beschaffenheit betreffen, sondern Fälle von dystrophi-
schen Erscheinungen, deren syphilitischer Ursprung aus ätiolo-
gischen Daten und aus der Summe der negativen Charaktere
geschlossen oder geahnt wurde. Die Kenntnis dieser Gruppe
von Affektionen, deren Wesen oft durch die Therapie bestätigt
worden ist, macht sowohl dem Vater, wie dem Sohne Four-
nier grosse Ehre, die auf diese Weise die Ätiologie des In-
fantilismus bereichert haben. In Beziehung auf den Unterschied
zwischen den beiden vermuteten Arten von Dystrophie, wieder-
holen wir, dass ihre Ähnlichkeit mit einander sehr gross ist;
denn wenn wir von den 20 Beobachtungen die Weiber und die
Kinder vor der Pubertät ausschliessen, bleiben vier FäUe übrig
(Beob. 12, 22, 24, 27), bei denen es zweifelhaft ist, ob der In-
fantilismus nur durch mangelnde Ernährung, oder vielmehr
durch erbliche Syphilis entstanden ist.
Wenn man in vielen Fällen den menschlichen Feminismus
als eine mit angeborener Anomalie der männlichen Greschlechts-
teile verbundene Erscheinung erklären kann, wonach er nicht
nur zu dem äusseren Pseudo-Hermaphrodismus, sondern auch
zur Teratologie gehört, so haben ihn die Ärzte in anderen
Fällen von chronischen spezifischen Krankheiten abgeleitet, wie
Syphilis, Scropheln u. s. w., welche die Ernährung der Eltern
schädigen, oder ungenügend machen. So ist der Feminismus
bei den Nachkommen eine zusammengesetzte, wenig bekannte
Erscheinung, die wegen ihres grossen wissenschaftlichen Inter-
esses besonders in Kinderspitälern studiert zu werden verdiente.
Aber es giebt ausserdem eine grosse Zahl von Fällen, derent-
wegen man sich weder an die Teratologie, noch an die Patho-
logie wenden kann, und die wir physiologische nennen wollen:
sie werden durch die Ähnlichkeit, besonders im Gesicht, zwischen
Mutter und Sohn geliefert. Diese Erscheinung gehört aus-
schliesslich der Vererbung an und hat keine medizinische
Wichtigkeit. Spezifische Studien fehlen ganz und wegen der
Folgen befinden wir uns in demselben Falle, wie bei der Gynä-
komastie, über welche die beobachteten Thatsachen für jetzt
keine theoretische Aufstellung erlauben.
107 —
Grynäkomastie i).
Bei Beschreibung des Feminismus haben wir absichtlich
unterlassen, von der Gynäkomastie zu sprechen, also von dem
Vorkommen weiblicher Brüste bei Männern, denn (trotz der
Verwandtschaft, der Ähnlichkeit und der gemeinschaftlichen
Komplikationen) rühren diese beiden Formen des äusseren
Pseudo-Hermaphrodismus nicht immer von derselben Ursache
her und sind nicht immer von denselben Umständen begleitet,
wie entzündliche Vorgänge, Neuralgien, spezielle Infektionen,
die man bei Hyperplasie der Brustdrüse antrifft, daher wir uns
entschlossen haben, getrennt davon zu sprechen 2).
Das Erscheinen weiblicher Brüste beim Manne wird, ob-
gleich nicht sehr selten, erst zu Anfang des 7. Jahrhunderts
p. C. von Paulus von Aegina berichtet, der ein Operations-
N^erfahren lehrte, um diese Missbildung zu entfernen 3). Dieses
Verfahren wurde später von dem Perser Ali Abbas gegen
Ende des 9. Jahrhunderts und von Abulcasi, der in der Nähe
von Cordova lebte 4), wieder erwähnt. Man gelangt zum 16. Jahr-
hundert, ehe man einen Chirurgen findet, der wieder von dieser
Operation spricht, und dieser Chirurg war Fabricius ab Acqua-
pendentes), dem bald andere folgten, die mehr oder weniger
1) Die in diesem -Artikel angeführten Beobachtungen gehören immer
zu Note 3, mit Ausnahme der wenigen Fälle, in denen auf Note 2 oder 4:
verwiesen wird.
2) Diese Trennung zweier FäUe, die oft gleichförmige Charaktere haben,
hat uns natürlich dahin geführt, bald dieselben Thatsachen, bald dieselben
Betrachtungen vorzubringen.
^) Paulus Aegineta, Opera, Basileae, 1556. Lib. VI, cap. 46, p. 225.
— De turgentibus mammis in viris. Quemadmodum in foeminis, ita etiam
in maribus circa pubertatis tempus mammae aliquantulum inturgescunt.
Verum plerisque rursus subsidunt. In quibusdam vero initio sumpto auges-
cunt, adipe subnascente. Haec itaque res, cum effoeminatae naturae oppro-
brium afferat, chirurgiam merito requirit.
*) Genaue, neuere Nachrichten über diese beiden arabischen Autoren
finden sich bei Häser, Geschichte der Medizin, Jena, 1875, Bd. 1, p. 598. —
B. Schuchardt, Langenbecks Arch. Berlin, 1884, Bd. 31, p. 83.
^) Opera chirurgica. Padua, 1635, Pars 1, cap. 30, p. 200, in 4**.
- 108 —
vollständig der Greschichte der Kranken und den Ausgang der
Operationen erzählten. Aber wir müssen bis auf unsere Zeit
weitergehen, um eine wissenschaftliche Arbeit zu finden, die nicht
nur die Klinik, sondern auch die Anatomie und Physiologie
des besprochenen Organs in Betracht zieht. Diese Arbeit
Wurde im Jahre 1866 von W. Gruberi) mit aller Sorgfalt
ausgeführt; doch erschöpfte er weder den Gegenstand, noch fand
er neue Ansichten.
Man darf nicht vergessen, dass vor dem Meisterwerke
dieses berühmten Anatomen besonders Langer2) und andere
Mikroskopiker den Bau und die Entwickelung der Brustdrüsen
behandelt haben, aber Grub er fügte zu den eigenen Unter-
suchungen über normale Anatomie Beobachtungen über abnorme
Sekretion der Milch auch bei Gynäkomastie hinzu, und was das
wichtigste ist, er führte noch andere FäUe an, mit denen Fehler
der Geschlechtsorgane kompliziert waren, wie Epispadie, Hy-
pospadie und Hermaphrodismus transversus. Die grösste Auf-
merksamkeit verdient jedoch der Fall eines Gynäkomasten ohne
die gewöhnlichen Komplikationen.
Grub er wagte übrigens nicht, über die beschriebenen
Thatsachen irgendwelche Betrachtungen anzustellen, weder im
allgemeinen, noch im besonderen. Einer solchen Zurückhaltung
befleissigte sich aber der junge Olphan^) in seiner These von
1880 nicht, in der er (mit wenig Genauigkeit) über 14 Fälle
berichtet, worunter einige noch unbekannte; er zog aus diesen
Thatsachen viele willkürliche, sogar von den Klinikern ange-
nommene Schlüsse. Diese Kühnheit wurde jedoch von seinen
Nachfolgern nicht angenommen. Schuchardt^) beschränkte
sich im Jahre 1882 darauf, das Verzeichnis der Thatsachen in
Bezug auf die abnorme Sekretion der Milch wieder herzustellen
^) über die männliche Brustdrüse und über Gynäkomastie. Mem. de
l'acad. de St. Petersbourg, 1866, Ser. 7, T. X, No. 10, mit Abbildung.
Jahresber. für 1866,. Bd. I, p. 12 (4).
2) Über den Bau und die Entwickelung der Milchdrüsen bei beiden
Geschlechtern. Denkschr. der K. Akad. der Wiss. Wien, 1852, Bd. III,
Abt. 2, p. 25r
^) Ettore Olphan, Gynecomastie, etc. These, Paris, 1880.
^) B. Schuchardt, Über die Vergrösserung der männlichen Brüste.
Langenbecks Arch. Berlin, 1884, Bd. 31, p. 59.
— 109 —
und zu erweitern. Über die Gynäkomastie brachte er 38, zum
grossen Teil sclion bekannte Beobachtungen zusammen, leistete
aber einen grossen Dienst durch Anführung einiger ganz unbe-
kannter. Er enthielt sich, ebenso wie G-ruber, aller allge-
meinen Betrachtungen. Später wurden wertvolle Abhandlungen
veröffentlicht, die, von einigen Original -Beobachtungen aus-
gehend, die Monographien verbesserten (Lerebouillet, Lau-
rent).
Im Jahre 1894 versuchten wir, ohne die Schrift von
Schuchardt zu kennen, dieselbe Arbeit in der Absicht, an einige
vergessene italienische Autoren zu erinnern; wir fanden nur
bei 36 derselben einige klinische Angaben i).
Bei Analysierung der angeführten Arbeiten wird man
veranlasst, einerseits die bedeutenden, nützlichen Fortschritte,
auf der anderen die nicht geringen, übrig gebliebenen Lücken
und die schwer zu beantwortenden Fragen zu erkennen. Die
einfachste derselben betrifft die grössere oder geringere Häufig-
keit der Gynäkomastie, denn wenn man aUe von den Autoren
angeführten Beobachtungen zusammenzählt, erhält man eine be-
deutende Zahl; wenn man aber alle mehrfach aufgezählten ab-
zieht, schmilzt die Summe stark zusammen, wie wir an den
67 Fällen, die wir hier anführen werden, nachw^eisen können.
Diese enthalten als Zugabe nur einige übersehene und die
neuerlich publizierten; aber von den früheren müssen wir acht
Fälle von falscher Gynäkomastie abziehen (s. weiter unten
Neoplasmen); in anderen Fällen wurde Fetthypertrophie mit
Drüsenhypertrophie verwechselt, wie es Cloquet geschah,
welcher bekannte (E. Ac. med,, 1828), Fettgewebe statt der
einfachen Hypertrophie gefunden zu haben. Trotzdem bringt
Olphan diesen Fall zu den Gynäkomasten. Wir werden
hier jedoch die traumatischen und kongestiven Gynäkomastien,
sowie die Mastodynien einbegreifen.
Um einige Daten zu gewinnen, die diese Beobachtungen
der Wirklichkeit nahe bringen können, haben wir die offiziellen
Berichte über den physischen Zustand der Rekruten in einer
gewissen Zahl von Jahren durchsucht, aber auch in dieser Be-
ziehung haben wir nur eine kurze Notiz von Puech über die
1) C. Taruffi, Storia deHa teratologia. Bologna, 1894, T. VII, p. 521.
— 110 —
französischen Konscribierten gefunden, die ohne die Stütze der
relativen Dokumente ist; die Notiz giebt einen Konscribierten
auf 15000 ani). Dieses Resultat ist etwas grösser, als wir es
für Italien in drei Jahren gefunden haben (1875, 76 und 77),
nach Berichten des Generals Torre über 788318 Rekruten,
unter denen sich 32 Gynäkomasten befanden. Wenn wir eine
Proportion bilden, erhalten wir einen Fall von Drüsen-Hyper-
trophie unter 24635, also weniger, als Puech; aber wenn wir
die französischen und italienischen Berichte für eine grössere
Zahl von Jahren durchsehen, werden sich die beiden Resultate
wahrscheinlich einander näher kommen.
Aus den 59 übrigen Beobachtungen, ohne die örtlichen
oder entfernten Komplikationen auszuschliessen, folgte, dass
die Gynäkomastie in der Gegenwart weiblicher Brüste bei
Männern in derselben Form, mit demselben Bau und mit der
gleichen Dauer besteht. Es giebt jedoch Fälle von leichten
Verschiedenheiten der Struktur und der Hautoberfläche, und
bisweilen auch der Menge des Fetts und des Bindegewebes
(Israel, Beob. 64). Bei dem Manne bildet die Hyperplasie der
Mamma in weiblicher Gestalt ohne Zweifel einen Charakter,
der dem männlichen Geschlechte widerspricht, so dass der
Mann mit Verdoppelung der Geschlechtscharaktere begabt ist.
Laurent hat Recht, wenn er diese Individuen zu den Bi-
sexuellen rechnet; wir aber betrachten sie als zu der Klasse
der äusseren Pseudo-Hermaphroditen gehörig, und so finden sie
endlich eine Stelle im teratologischen System.
Aus den angeführten Beobachtungen folgt ferner, dass die
Gynäkomastie meistens bilateral ist und sich nur bisweilen auf
einer einzigen Seite findet. Seltener findet man überzählige
Brüste oder Brustwarzen beim Menschen, und wir haben im
Jahre 1881 11 derartige Fälle aufgezählt 2).
1) Alb. Puech, Les mammelles. Paris, 1876, Ch. VI, p. 101.
2) C. Taruffi, Storia della teratologia. Bologna, 1881, T. IV,
p. 335. Mammelle sopranumerarie nell' uomo. Note 6, Beob. 17, p. 335.
Petrequin. Ein Mann mit drei Brüsten hatte 5 Kinder, von denen drei
Knaben eine überzählige Papille unter der rechten Brustwarze hatten, und
zwei Mädchen mit überzähliger Brustwarze auf der rechten Seite. —
Beob. 26. K 1 0 b , J. Brustwarze auf dem Deltamuskel. — Beob. 30, 31. Puech
beschreibt zwei Männer, von denen der eine eine überzählige Brustdrüse
— 111 —
Endlich ist die Gynäkomastie sehr selten erblich, denn
wir kennen nur drei Fälle davon. Der erstere von Bedor
betrifft zwei gleich affizierte Brüder (Note 3, Beob. 6), der
zweite von Handuside, der ebenfalls zwei Brüder beschrieb,
die nicht nur Gynäkomasten, sondern auch Polymasten waren
(Beob. 40). Der dritte Fall gehört Laurent i), der einen Vater
mit anormalen Hoden beschrieb, der im 25. Jahre Vergrösserung
der Brüste zeigte. Er hatte einen Sohn mit Hyperplasie der
Mamma, der im Alter von drei Jahren, und einen zweiten,
der an Peritonitis starb. Am merkwürdigsten aber war ein
dritter Sohn, der mit nussgrossen Brüsten geboren wurde; in
seinem neunten Jahre waren sie so gross wie Mandarinen.
Wenn wir jetzt zu der Beschaffenheit der hypertrophischen
Brüste beim Manne kommen, müssen wir mit den anderen Autoren
wiederholen, dass sie sich nicht von jener der Weiberbrüste
unterscheiden, denn bei Gynäkomastie bleibt die Haut glatt,
von normaler Farbe und schmerzt nicht bei Berührung, aber
wir glauben nicht, einen Verlust an Feinheit wahrzunehmen,
wie Laurent angiebt, wenn nicht ein bedeutender Unterschied
von dem homologen Teile vorhanden ist. Wir haben allerdings
Beispiele, in denen das Venennetz durchscheint und die Warze
bläulich ist, die Grösse, die Konsistenz und das körnige Gefühl
bei der Berührung sind nach dem Alter und der Dauer der
Anomalien verschieden, denn die Grösse ist zuerst die einer
Mandarine, erreicht dann den Umfang einer Orange und zuletzt
den des Kopfes eines ausgetragenen Fötus. Dann kann das
Organ mehr oder weniger hängend werden (Petrequin,
Beob. 28).
Was den Bau der Hypertrophie der Mamma betrifft, so
erklärte Langer im Jahre 1852 (s. Beob. 21), dass dabei kein
pathologischer Prozess vorliege, sondern eine üppige Verzwei-
unter der rechten Brustwarze hatte, der andere unter der linken Mamma
eine Brustwarze mit Areole. — Beob. 34. Bartels. Ein Mann hatte eine
überzählige Brustwarze unter der linken Brustwarze. — Note 7, Beob. 10.
Fracois et Bradin. Jeder von ihnen sah einen Mann mit 4 Brüsten.
— Beob. 21, 22, 27, 29, 33. In allen 5 Fällen waren am Thorax zwei
überzählige Warzen.
1) B. Laurent, De l'heredite des gynecomastes. Ann. hyg. publ. et
med. legale. 1890, p. 43.
— 112 —
gung der Milchgänge, und wenn ein örtlicher Zerfall (risoluzione)
eintrete, erkenne man die Üppigkeit nicht mehr. Dieses Re-
sultat ist sehr unsicher; dagegen geschieht es öfter, dass die
Zunahme des Tumors einen Stillstand erfährt, bei dem Schau-
mann fand, dass das Glewebe sich nicht von dem des Normal-
zustandes unterschied.
Selten ist die Hypertrophie der Mamma beim Manne von
Milchsekretion begleitet; wir finden sie nur viermal unter 59
Fällen angegeben (Beob. 2, Schur ig; Beob. 5, Ansieux;
Beob. 26, Nelaton; Beob. 38, Paventa). Bei dem Manne
ohne Anomalie ist diese Sekretion mehrmals angetroffen wor-
den, und unter den Sammlern von Beispielen haben wir schon
Grub er und Schuchardt genannt. Jetzt fügen wir unseren
eigenen Namen hinzu, da wir im Jahre 1894 über 14 meist
alte Fälle berichtet haben. Zum Nutzen derjenigen, die ihre
Untersuchungen auch auf die Milchsekretiou Neugeborener aus-
dehnen wollen, bemerken wir, dass schon 1824 Monteggiai)
die heute vergessene Lehre vortrug, diese Sekretion sei die
Folge der Unterbindung der Nabelarterien. Er erklärt auch
die Fälle, in denen diese Sekretion spät eintrat, und schreibt
sie wiederholtem Saugen zu.
Bei Neugeborenen findet sich nicht nur Milchsekretion,
sondern auch Schwellung der Mamma. Eiberi sah im Jahre
1837 ein Kind von anderthalb Monaten, das auf jeder Seite
eine kugelige, elastische, schmerzlose Geschwulst von der Grösse
einer mittleren Orange und von natürlicher Farbe hatte. Bei
Druck tröpfelte aus der Warze eine milchige Flüssigkeit, und
bei Wiederholung des Drucks nach 13 Tagen verschwanden die
Tumoren und die Drüsen wurden klein und gesund 2).
Wir haben angegeben, dass die Gynäkomastie bisweilen
nur eine einzige Mamma betrifft. Dass dies nicht häufig ist,
1) Die Lehre von G. B. Monteggia wurde von L. Brera in seinem
Griorn. di med. pratica, Padova, 1814, Vol. V, p. 424 vorgetragen. Er fügte
den Titel der Arbeit hinzu: Saggio fisiologico sopra 1' uso delle mammelle
nei maschi. Istit. delle sc. di Milano, 1814. Es ist uns nicht gelungen, im
Vol. II von 1814—15 diese Arbeit zu linden, oder diesen Mangel zu
erklären.
2) A. Eiberi (Kliniker in Turin), Eepert. delle sc. fis. med. 1837. —
Eegnoli e Eanzi, Lez. di med. operat. e di patol. chir. Firenze, 1850>
Vol. IV, p. 479. — Eiberi, Opere minori, Torino, 1851. T. I, p. 117.
— 113 —
kann man daraus schliessen, dass sie nur 17 mal unter 59 Fällen
vorkommt. Wenn man nun diese 17 Fälle untereinander ver-
gleicht, ergeben sich einige Umstände von verschiedener Wich-
tigkeit. Der erste betrifft die verschiedene Häufigkeit des
Ortes der Hypertrophie der Mamma. Denn von der rechten
Seite des Thorax liegen elf Beispiele vori), während man auf
der linken nur sieben zählt 2), Dazu fügen wir den von Eez-
zonico erzählten Fall eines 13jährigen Knaben, dessen linke
Mamma infolge eines Faustschlags über 1 cm hervorragte; in
seinem 20. Jahre war die Geschwulst fast verschwunden 3).
Dieser Unterschied kann verschwinden, wenn die Zahl der Be-
obachtungen zunimmt, wenn sie aber fortbesteht, ist sie uner-
klärlich. Ein anderer bemerkenswerter Umstand bezieht sich
auf das Alter des Subjekts, denn die Erscheinung ist meistens
zur Zeit der Pubertät eingetreten, selten vorher. So sah Cou-
tagne (Beob. 36) ein Kind von 10 Jahren mit Hypertrophie
rechts, Laurent einen 13jährigen Burschen. Dagegen be-
schrieben Nelaton (I.e.) und Bruant*) zwei von 23 Jahren
und Laugier einen von 26. Eine einseitige Gynäkomastie
kann auch mit einem Krebs verwechselt werden, ein Irrtum,
der zuerst von Syme 1837 bei der klinischen Untersuchung
begangen und eingestanden wurde (1. c). Nach der Amputation
erkannte er den Bau der Brustdrüse.
Aus der Untersuchung der 17 Fälle ergiebt sich noch ein
anderer Umstand von grosser Bedeutung, dass nämlich bei
^) Die rechtsseitige Gynäkomastie ist gesehen worden von Syme im
J. 1838 (The Edinburgh med. and surgical Journal, 1838), von Cruveilhier
(Beob. 23), von N. N. (Beob. 31), von Peters (Beob. 33), von Coutagne
(Beob. 36), von Labbe (Beob. 41), von Morgan (Beob. 43), von Puech
(Beob. 45), von Wagner (Beob. 58), von Bruant (Beob. Note 1) und von
Ssawitzky (Beob. 62).
2) Die Gynäkomastie zur Linken ist gesehen vrorden von Ansieux
(Beob. 5), von Hoffmann (Beob. 25), von Nelaton (Beob. 26), von Poot
(Beob. 35), von Laugier (Beob. 39), von Olphan (Beob. 53).
^) Ant. Rezzonico, Ann. univ. di med. Milano, Marzo 1861, Vol.
199, p. 60. — C. Taruffi, Storia etc. Vol. VII, Beob. 7, p. 258.
. ^) Bruant, Gaz. med. de Lyon, 6 Mars 1884. — Ein Offizier von
23 Jahren mit regelmässigen Geschlechtsfunktionen bemerkte seit 3 Monaten
eine Schwellung der rechten Mamma, die zunahm und bei Reibung der
Kleider schmerzte. Die Drüse war hart, von der Grösse eiaes Hühnereies
und man unterschied viele Lappen.
Taruffi, Hermaphrodismus. 8
— 114 —
12 Fällen Alterationen der G-esclilechtsteile ganz fehlten, was,
wie wir glauben, mit dem Befund bei bilateraler Gynäkomastie
in "Widerspruch steht, bei der Hypoplasie dieser Organe die
Eegel ist. Die fünf zur einseitigen G-ynäkomastie gehörigen
Fälle wurden von Bedor (Beob. 6), von Nelaton (Beob. 26),
von Laugier (Beob. 39), von Olphan (Beob. 53) und von
Schaumann (Beob. 63) beschrieben. Dieser Unterschied der
Zahlen ist von bedeutender negativer ätiologischer Wichtigkeit,
weil man in den 12 übrigbleibenden Fällen von einseitiger
Gynäkomastie die Ursache weder der Missbildung des Penis,
noch der Hoden, noch der Urethra zuschreiben kann, sondern
einen anderen Umstand aufsuchen muss.
Wenn wir bedenken, dass in der Pubertätszeit und der
darauf folgenden die Jünglinge zu körperlichen Übungen geneigt
sind, was sie Stössen und Stürzen aussetzt, lässt sich ver-
muten, dass dadurch Anschwellungen der Brustdrüsen entstehen
können, wie Coutagne (Beob. 36) und Wagner (Beob. 58)
bewiesen haben, und wie es ähnlich mit der einseitigen Ele-
phantiasis der Weiberbrust geschieht i). Aber in allen anderen
Fällen schwiegen die Autoren über die Ursachen, und nur
Nelaton (Beob. 26) schloss jede Hypothese aus. Wenn wir
aber daran erinnern, dass zwei negative Thatsachen sich ver-
binden, nämlich das Fehlen der angeborenen Anomalien des
sekundären Feminismus der Geschlechtsteile und das Fehlen
anderer Ursachen, gewinnt unsere Hypothese eine neue Stütze.
Auf jeden Fall bilden diese 15 Fälle eine eigene Gruppe von
Gynäkomasten, bei der es sich nicht um einen teratologischen,
sondern um einen krankhaften Vorgang handelt, was den äusseren
Pseudo-Hermaphrodismus nicht ausschliesst, sondern nur die Bil-
dungsweise desselben.
Wenn wir zur bilateralen Gynäkomastie übergehen, stossen
wir sogleich auf eine Schwierigkeit, die der Vervollständigung
der Geschichte unseres Gegenstandes schadet, nämlich, dass
wir nicht die sieben Beobachtungen von den 39, die wir noch
zu prüfen haben, benutzen können, denn wir haben uns weder
1) C. Taruffi, Storia etc. 1894. T. VII, p. 248: Meclianische
Wirkungen.
— 115 —
Beschreibungen, noch. Auszüge i) verschaffen können und bei
vier anderen Beobachtungen waren die Angaben so unvoll-
kommen, dass wir nicht entscheiden konnten, ob die Gynäko-
mastien einfach oder kompliziert waren 2), so dass unsere Prü-
fung sich auf 32 Fälle beschränkt.
Ehe wir von diesen sprechen, müssen wir vorausschicken,
dass es bilaterale Hypertrophien der Mamma von einfachster Form
giebt, also ohne Komplikationen in anderen Organen, wie die
Fälle von Eve (Beob. 24)3), von Bertherand (Beob. 27)*),
von Scheiber (Beob. 44)5) und von Schmit (Beob. 54)6), der
zwei Fälle von Gynäkomastie ohne bemerkbare Ursache beob-
achtete. Zu denselben Fällen kann man auch die von Petre-
quin (Beob. 28) und die beiden Rekruten Paulickys (Beob.
57) rechnen, bei denen Normalzustand der Geschlechtsorgane
vorhanden war, sowie die Beobachtung von Hoffmann, bei der
die Gynäkomastie remittierend war, im 16. Jahre entstand und
im Mannesalter verschwand (Beob. 25). In dieser Gruppe von
bilateralen Gynäkom asten finden sich nicht die Charaktere der
physischen (Feminismus) und moralischen Degradation (Ar-
mut des Intellekts und Gedächtnisschwäche), die ihnen Lau-
rent 7) im allgemeinen zuschreibt.
Im Bezug auf die Komplikationen der Gynäkomastie ist
es zweckmässig, sie in zwei voneinander ziemlich verschiedene
Serien zu teilen. Einige Individuen mit bilateraler Gynäko-
mastie litten an pathologischen Alterationen der hypertrophi-
schen Drüsen selbst. In anderen Fällen hatte zwar die Hyper-
trophie die gewöhnliche Beschaffenheit, aber es fanden sich
zugleich Anomalien anderer Organe und Gewebe. Auch jede
der beiden Serien verdient besondere Aufmerksamkeit: so ent-
hält die erste zwei symptomatisch verschiedene Charaktere, die
^) Die Fälle, deren Eiazelheiten wir nicht kennen, gehören Knaff
(Beob. 13), Fernandes (Beob. 52) und Schmit (Beob. 54).
^) UnYoUkommene Berichte wurden geliefert von Cloquette (Beob. 9),
Petrequin (Beob. 28) Krieg (Beob. 48) und Ssawitzky (Beob. 62).
3) P. F. Eve, s. Beob. 24. .1854.
^) Bertherand, Gaz. med. 1856.
5) Scheiber, Beob. 44, 1875.
^) Beobachtung angeführt.
'^) Laurent, Les bisexues. Paris, 1894, p. 87 und 100.
— 116 —
sich, bisweilen miteinander verbinden. Der ersten geben wir
den alten Namen Mastitis, oder besser Gynäkomastie mit
Hyperämie in verschiedenem Grade, und die zweite nennen
wir Mastodynie, oder besser örtliche Schmerzen in einer hyper-
trophischen Brustdrüse.
Die Fälle von einfacher Mastitis sind selten. Alb er s^)
sah im Jahre 1843 einen 13jährigen Burschen mit Anschwell-
ung der Brustdrüsen mit chronischem Verlauf, die zuerst heilte
und dann wieder erschien. Der Verf. hatte ähnliche Fälle ge-
sehen und nannte die Affektion Mastitis pubescentium virilis.
Brian t publizierte später einen Fall von bilateraler Entzündung
der Brustdrüsen mit wechselnden Schmerzen 2), Aber wir haben
die Krankengeschichte nicht prüfen und so den Grad der Ent-
zündung sowie die anderen Umstände nicht beurteilen können.
Zu dieser Gruppe gehört wahrscheinlich der Fall von Leisrink
(Beob. 42), bei dem im 14. Jahre eine schmerzhafte Schwellung mit
heisser Haut an beiden Organen und Fieber eintrat; das selt-
samste war, dass das Fieber nach 7 Tagen verschwand und
mehrmals wiederkehrte, wobei sich die Brüste in platte, sehr
empfindliche Scheiben verwandelten.
Die Bestimmung, ob man im konkreten Falle die Hyper-
plasie des subcutanen Bindegewebes den Entzündungen oder
den Neubildungen zurechnen müsse, halten wir für eine Ord-
nungsfrage (di ordinamento); wir werden sie hyperplastische
Entzündung nennen; und dann erweitert sich diese kleine
Gruppe von Fällen von Gynäkomastie und umfasst auch die,
bei denen die hypertrophischen Brüste hart anzufühlen sind,
und zu ihnen gehört auch der Befund von Krieg (Beob. 48),
bei dem nämlich die peripherischen Milchgänge solid geworden
sind und die Enden der Acini unkenntlich machen.
Wir fügen hinzu, dass die Verhärtung der Mamma, selbst
wenn die Hyperplasie von örtlichen Schmerzen begleitet ist,
auch bei einseitiger Gynäkomastie eintritt, wovon Hoff mann
ein Beispiel geliefert hat. Er sah (Beob. 25) ein junges Mäd-
chen von 17 Jahren, dereu linke Mamma voll harter Knoten
und bei Druck schmerzhaft war. Ein anderes Beispiel wurde
^) J. F. A 1 b e r s , Corresp.-Blatt rliein. und westf äl. Ärzte, 1843, No. IL
2) Briant, Beob. 37, 1868.
— 117 —
von Coutagne angeführt (Beob. 36), in dem die Mastitis die
Folge eines Faustschlags auf die rechte Mamma war, und ein
drittes Beispiel gehört Bruant ani). Auch von anderen 2)
wurden traumatische Ursachen angegeben, und dies erhöht die
Wahrscheinlichkeit, dass die Mastiten, besonders die einseitigen,
durch mechanische Einwirkung verursacht werden. Die schmerz-
hafte Hypertrophie des Bindegewebes tritt auch bei bilateraler
Gynäkomastie auf und Leiserink beobachtete einen Fall, bei
dem der Schmerz intermittierend war (Beob. 42).
Die Mastodynic kann sich mit Hyperplasie der männlichen
Brüste verbinden, in einer oder in beiden, ohne dass sie ent-
zündet scheinen. Ein Beispiel wurde im Jahre 1813 von
Villen euve (Beob. 7) geliefert, mit einem Manne, bei dem in
seinem 30. Jahre die Brüste ausserordentliche Grösse erreichten,
zugleich mit lebhaften Schmerzen. Dann erzählte Be au (Beob.
18) von einem 16jährigen Jüngling, bei dem die Brüste ange-
schwollen seien, mit einzelnen, ohne Grund eintretenden Stichen.
Später erzählte Cruveilhier (Beob. 23) von einem 23jährigen
Manne, bei dem die rechte Mamma so schmerzhaft wurde, dass
sie amputiert werden musste. Aber schon Syme (1. c. 1838)
hatte eine vergrösserte Mamma entfernt, die er wegen lanzi-
nierender Schmerzen für krebsig hielt, während die anatomische
Untersuchung drüsigen Bau nachwies.
Diese, wenn auch wenigen Fälle, werfen eine ziemlich
schwierige, ätiologische Frage auf, denn man kann wohl an-
nehmen, dass entzündliche, besonders chronische Vorgänge die
Schmerzen verursachen, zumal wenn die Nerven durch Ver-
dickung der Scheiden komprimiert werden ; aber wenn kein
Anzeichen für diese Hypothese vorliegt, sei es uns erlaubt,
gegen unsere Gewohnheit eine andere aufzustellen. Wir haben
zwei Jahre lang an akuten Neuralgien gelitten: die erste war
ein Rückfall der Krankheit von Morton^) im linken Fusse;
^) Bruant, Gaz. med. de Lyon, 6 Mars, 1884:.
^) Leon, Hypertrophique du sein chez Fhomme. Arcli. de med. rurale.
Paris, 1879, T. 31, p. 213.
^) Der erste von dem Verf. erlittene Fall wurde von ihm selbst publi-
ziert unter dem Titel: Zwei Fälle von Mor tonscher Krankheit. Arch. di
Ortoped. Milano, 1897, A. XIV, No. 1. In diesem Falle enthielt er sich der
Äusserung einer eigenen Meinung über die Ursache, denn diese war schlecht
— 118 -
der zweite sass im linken Tibialis anterior. Bei beiden konnte
ich mich der nächsten Ursache versichern, nämlich eines kalten
Luftstroms, der direkt mein schwitzendes Bein traf, so dass
ich nicht zweifle, dass es sich um eine rheumatische Ursache
handelte. Der Analogie nach halte ich dieselbe Ursache bei
Mastodynie für möglich, denn der Mann setzt sich leicht bei
offener Brust Temperaturwechseln aus.
Wir kommen jetzt zu der zweiten Reihe von Kompli-
kationen, nämlich zu den mit anderen Anomalien oder gewöhn-
lichen Krankheiten verbundenen Grynäkomastien, und schreiten
sogleich zu der Betrachtung der verhältnismässig häufigen und
wissenschaftlich besonders wichtigen Thatsache, welche die an-
geborenen oder erworbenen Fehler der G-eschlechtsorgane be-
trifft. Von solchen Fehlern ist es uns gelungen, 20 Fälle zu
sammeln, ohne die zu zählen, die spezieller dem äusseren
männlichen Hermaphrodismus angehören, mit dem wir uns
anderwärts beschäftigt habend). Wir haben die 20 Fälle in
folgender Tabelle zusammengestellt, um die bald sehr häufigen,
bald sehr seltenen Umstände hervorzuheben.
(Siehe TabeUe I auf Seite 120 und 121.)
Ein auf den ersten Blick sehr auffallender Umstand ist
das jugendliche Alter der von Gynäkomastie Befallenen, denn
fast immer waren sie nicht über 30 und nicht unter 21 Jahre
alt. Dies erklärt sich dadurch, dass die Individuen Land- oder
See-Eekruten waren und fast niemals den Anfang des Übels
angaben. Als einziges Mal haben wir diese Nachricht bei
einem Burschen von 16 Jahren gefunden (Beob. 3). Auch die
Profession der jungen Männer vor dem Militärdienst wird nicht
angeführt.
Die männlichen Geschlechtsorgane zeigten in obigen 20
Beobachtungen Alterationen, die im allgemeinen zu den Ent-
beobachtet und zweifelhaft. Der hier erwähnte Kückfall trat im J. 1898
ein und wurde nicht publiziert, obgleich er es wegen des glücklichen Heil-
versuchs mit Methyl- Sali cylat verdiente.
^) Die von uns publizierten Fälle von männlichem Pseudo-Hermaphro-
dismus haben wir angeführt. S. Tabelle I. Beob. 59 u. 67. S. hier Gruber
und Taruffi. S. die gegenwärtige Arbeit, I.Teil, Über Hermaphrodismus
p. 41 und 63. Mem. della E. Accad. delle sc. del istit. di Bologna, 1899.
T. VII.
— 119 —
wickelungshemmimgen (Hypoplasien) gehören, was mit der Hyper-
plasie der Mamma in Widerspruch steht, während die Altera-
tionen selbst von einander nach Sitz und Art verschieden
waren. So finden wir unter den 20 Fällen sieben, bei denen
Hoden und Penis zugleich litten, bei neun betraf die Hyper-
plasie nur die Hoden, und in drei Fällen war nur der linke
Ho de ergriffen.
Aus der betreff. Tabelle folgt, dass die Gynäkomastie selten
von UnvoUkommenheit des Penis allein begleitet ist, denn da-
für liegen nur die Beispiele von Durham, Grruber (Beob. 30
und 34) und Charvot (Beob. 61) vor, und wir fügen jetzt
den ausserordentlichen Fall von Fenolio im Jahre 1842 hin-
zu i). Dieser sah einen Soldaten mit zwei Brüsten, ähnlich
denen einer Jungfrau, mit zweiteiligem, die Hoden enthaltendem
Scrotum, mit einem durch eine kleine Drüse dargestellten Penis
und darunter liegender Öffnung der Urethra 2). Endlich sind unter
den 20 Fällen zwei mit chirurgischer Hypospadie (d. h. von
mittlerem Grad), (Beob. 26 und 64,) und ein Fall von Epispa-
diasis mit geteiltem Scrotum (Beob. 34).
Wir bemerken in Bezug auf das männliche Glied, dass
Vorhandensein von nur drei Fällen von Gynäkomastie mit
Hypoplasie des Penis nicht den Schluss erlaubt, die Entwicke-
lungshemmung sei eine seltene Erscheinung. Wir haben seit
18943) 16 Fälle unter 18 gesammelt, bei denen der Penis
fehlte oder rudimentär war (ohne die Fälle mitzuzählen, in
denen die Mängel des Penis mit denen der Hoden verbunden
waren), was übrigens natürlich ist, da es sich entweder um Neu-
geborene, oder um Knaben vor der Pubertät handelte, und die
Fälle selbst beweisen auch, dass die UnvoUkommenheit der
Genitalien eine hyperplastische Eeaktion in den Brustdrüsen
hervorzubringen vermag. In Note 2 der gegenwärtigen Arbeit
haben wir weitere vier Fälle gesammelt, mit dem einzigen
Unterschied, dass mit ihnen Feminismus verbunden war ; dabei
^) Fenolio (Torino), Singolare deformitä delle parti genitali d' un.
soldato. Giorn. delle sc. med. Torino, 1844, Vol. VIII, p. 301. — Taruffi,
Storla etc. Bologna, 1894, T. VII, Beob. 5, p. 264.
2) C. Taruffi, Storla etc. Bologna, 1894. Beob. 2, 3, 4, p. 268— 69.
^) Taruffi, Un caso d' agenosomia. Mem. della E. Acc. delle sc.
deU' istit. di Bologna, 1894. Ser. 5, T. IV, p. 82.
120 —
Tabelle I. Grynäkomastle mit
Autoren
Beob.
Jahr
Alter
Hoden und Penis
Eenauldin
3
1797
24 Jahre
bedeutende Hypoplasie
E. Home
4
1799
23 Jahre
Hypoplasie
H. Bedor
6
1812
Rekrut
—
Lieber
10
1834
Siehe Gruber
Hypoplasie
Holtr op
14
1840
19 Jahre
—
John Gorham
17
1846
junger Matrose
^
C. Weber
20
1852
21 Jahre
Hypoplasie
Nel at on
26
1856
Mann
Hypoplasie
D ur h am
30
1859-60
25 Jahre
Hoden normal
W. Grub er
34
1866
18 Jahre
—
L. Lerebouillet
46
1877
23 Jahre
—
M, L. J a g 0 t
47
1877
28 Jahre
— .
Lambert
49
1877
28 Jahre
—
Ch. Liegeois
50
1877
25 Jahre
—
E. Olphan
53
1880
17 Jahre
—
S. Pozzi
59
1885
Jüngling
männl. äusserer
Pseudo-Hermaphrodism.
C h a r V 0 t
61
1891
junger Soldat
Hypoplasie der
Hoden und des Penis
H. Schaumann
63
1894
19 Jahre
—
E. Laurent
66
1894
25 Jahre
männl. äusserer
Pseudo-Hermaphrodism.
G. Natalucci
67
1899
24 Jahre
—
1
Anhang zn
Gynäkomastie mit äusserem
W. Gruber. Die männliche Brustdrüse und über Gynäkomastie. Mera.
de l'ac. Imp. de Sc. de St. Petersbourg. VII. Serie, T. X, 10, 1866.
Ders. Gynäkomastie mit Hypospadie in hohem Grade. No. 7.
Ders. Gynäkomastie mit seitlichem Hermaphrodismus. No. 8.
121
Hypoplasie der Oeschleclitsorgane.
Hoden
Penis
Urethra
Eigentum li chkeiten
Feminismus
—
Ursprung v. 16 Jahr.
Feminismus
—
—
—
—
Feminismus
Atropliie der
zugleich mit seinem
Hoden
Bruder
Hypoplasie
—
Syphilis
—
Atrophie,
bedeutend, rechts
—
—
Fall auf den Eücken
—
.
—
Beob. 26
mit Hypospadie
—
Feminismus
—
kurz und klein
—
—
Feminismus
—
Penis atrophisch,
Scrotum geteilt
Epispadie
—
—
hedeut. Atrophie
—
—
Mumps
Feminismus
linker Ho de
atrophisch
—
—
Blennorrhagie
—
linker Hode klein
—
—
—
—
Atrophie beider
—
—
—
—
linker Hode
ziemlich klein
_
Mumps
—
—
Kryptorchie
mit Hypospadie
—
Feminismus
Hoden klein
—
—
—
—
Tabelle I.
männlichemPseudo-Hermaphrodismus.
C. Taruffi, Storia deUa teratologia, etc. Vol. VII, p. 251, 1894.
Ders. Gynäkomastie mit transversalem Hermaphrodismus. Beob.
No. 6.
Ders. Gynäkomastie mit Hermaphrodismus. No. 3.
- 122 —
hatten alle das Alter von 27 Jahren überschritten, ja der eine
war 46 Jahre alt (Beob. 5, 9, 16, 18). Endlich führen wir
den FaU von Rizet ani) über einen infeminierten Soldaten
mit sehr kleinem Penis, Tenorstimme und weiblichen Instinkten,
ohne andere Eigentümlichkeiten.
Indem wir jetzt zu anderen Umständen übergehen, die der
Gynäkomastie vorausgehen, wollen wir noch einmal unsere
Aufmerksamkeit auf die mechanischen Ursachen bei der
bilateralen Gynäkomastie richten, nachdem wir schon wahre
und wahrscheinliche Beispiele solcher Ursachen hei einseitiger
Hyperplasie der Mamma bei normalen Hoden angeführt haben.
Wir haben schon in der Note an die Fälle von Galliet (Beob.
19) und Grub er (Beob. 34) erinnert, und werden in Note 4
(Beob. 1) den schönen Fall von Curling besprechen, von einem
Soldaten, der nach Verwundung im Nacken und an der Stirn
von Atrophie des Penis und des rechten Hodens befallen wurde
und alle geschlechtlichen Neigungen verlor. Weiterhin werden
wir den Fall von Martin erwähnen, in dem die Hoden in der
Jugend amputiert wurden und das Individuum nachher Hyper-
plasie der Mamma zeigte.
Jetzt werden wir drei andere Fälle anführen, die noch selt-
samer sind, als die vorigen. Lau gier 2) sah einen Mann ohne
linken Hoden, welcher dann Hypertrophie der Mamma derselben
Seite bekam. Thomson (Beob. 12) erzählt: ein Mann fiel auf
die Brust, und nach einigen Wochen schwollen seine Brust-
drüsen an mit bläulicher Areole, zu gleicher Zeit wurden seine
Hoden atrophisch und der Geschlechtstrieb verschwand. Selt-
sam ist auch der Fall von Gorham (Beob. 17) von einem
Matrosen, der nach Verwundung am Rücken infolge eines Falles
unfähig zur Arbeit wurde; dann trat ungleiche Atrophie der
Hoden und Anschwellung der Brüste ein.
Diese Fälle würden, auch wenn sie von einer genügenden
Beschreibung begleitet wären, immer schwer zu erklären sein.
^) Eizet, Eecueil de med. et de chir. milit. Paris, 1862.
2) M. Laugier, Monorchidie-hypertrophie mammaire. Beobachtung
publiziert von Le Den tu. Des anomalies du testicule. Paris, 1869,
p. 102.
— 123 —
Dasselbe lässt sich, von dem Falle von Beclere sagend), der
eine akute Orchitis bei einem 15jährigen Burschen beobachtete,
ohne Anschwellung der Parotiden, während eine Epidemie
von Mumps herrschte; dabei wurden vorher drei seiner Ge-
fährten von Mumps befallen, und gleichzeitig auch eine seiner
Schwestern.
Wenn solche Fragen noch immer schwer zu beantworten
sind, dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir an die Zeit
denken, wo die berichteten Fälle dem Grebiete der Wissenschaft
noch nicht angehörten.
Mit Übergehung der Beschreibung des Hippokrates von
der Epidemie von Mumps, gelangen wir bis zum Jahre 1573,
um die deutliche Beschreibung einer gleichen Epidemie in
Bologna durch den Chronikschreiber Rinieri zu erreichen 2).
Später wurden gleiche, aber besser geschriebene Nachrichten
in Italien mehrmals gegeben. Wir führen nur die aus der
Romagna vom Jahre 1753 an, denn in demselben Jahre trug
Tommaso Laghi^) der Akademie der Wissenschaften zu Bologna
einen Bericht vor, der für klassisch erklärt wurde, und von dem
wir folgende Zeilen anführen: „Fuerunt autem permulti, quibus
tumor a parotidibus, quod mirum sane videri possit, ad scrotum
transiens testiculos infestabat, interdum unum, nonnunquam
ambos" etc. 4) .... pag. 118: „nemo ante pubertatem ex in-
flatis parotidibus innaturalium suorum tumorem incidit, nuUus
propemodum senex, maxime quod illi aetati, si paucos excipias,
morbus ex toto pepercit".
^) Beclere, OrcMte ourlienne d'emblee saus tumefaction desgland.es
salivaires. Soc. med. des hopit. Seance 27 Mai 1898. — La Sem. med. Paris,
1898, p. 267.
2) V. E, i n i e r i , Diari deUe cose piü notabile seguite nella cittä di Bologna,
dair anno 1520 al 1613 ; mss. nella biblioteca della E. Universitä di Bologna.
T. I, p. 77. — A. Corradi, Annali delle epidemie etc. Parte II, dal 1501
al 1600. Mem. della soc. med. cMr. di Bologna. 1867—76, Vol. VI, fasc. 4,
p. 872.
^) T. L agil i (aus Bologna), Historia epidemica constitutionis, in qua
Parotides seroso-glutine tumentes redduntur, cum peculiaribus symptomatibus,
quaeque constitutio ineunte anno 1753, Bononiae contingit. Comment. instit.
Bonon. Tom. V, p. I, Comp. 65, Opusc. p. 117—18.
^) Diese Stelle genügt, um die Behauptung Lerebouillets zurück-
zuweisen (Beob. 46), dass nämlich Murat schon im Jahre 1803 angegeben
habe, bei einer Epidemie von Parotidis komme Atrophie der Hoden vor.
— 124 —
Ausserdem teilte Laglii mit, dass auf die epidemische
Krankheit eine Orchitis folgen könne, sobald der Kranke die
Pubertät überschritten habe, und andere Autoren, worunter
Borsierii), der dieselbe Epidemie in Faenza im Jahre 1753
beschrieb, haben bei solchen Epidemien die Behauptung Laghis
bestätigt. Drei Jahre später beobachtete auch Hamilton von
Edingburgh zwei Fälle von Orchitis bei Erwachsenen infolge
einer epidemischen Parotitis 2), und dies wurde später auch von
anderen beobachtet. Wir bedauern, nicht finden zu können,
wo der Autor behauptet hat, die Metastase könne bei Mumps
auch auf andere Organe stattfinden, um so mehr, als V all ei x 3)
versichert, Hamilton führe einige günstige Fälle an; aber nie-
mand hat später diese Wanderung bestätigt.
Nach den Beobachtungen von Laghi verdienen besondere
Erwähnung die des trefflichen Schotten Curling (1843 — 55),
welche sich nicht gerade auf die Gynäkomastie beziehen, aber
auf einen Umstand, der ihr bisweilen vorhergeht, nämlich die
Atrophie der Hoden. Curling sammelt einige sehr wichtige
Thatsachen (s. Note 4), aus denen er schliesst, dass die Ge-
schlechtsinstinkte und die Atrophie der Hoden die Folge von
Läsionen des Gehirns sind, und leitet daraus her, dass die
Funktionen dieser Organe vom Gehirn abhängen. Er fügt
hinzu, dass die Physiologen nicht verfehlen werden, die
Schnelligkeit zu bemerken, mit welcher die Atrophie in einigen
Fällen auf die Kopfwunde folgt und den Grad, den sie erreicht,
u. s. w.
Soviel wir wissen, haben die Physiologen niemals die
nötigen Untersuchungen angestellt, sondern das sehr bequeme
System angenommen, über diese und andere sehr schöne Fragen,
die Zeugung betreffend, zu schweigen.
Ein weiterer Fortschritt wurde in Bezug auf die Wirkung
der Atrophie und der Exstirpation der Hoden gemacht. Riberi
erzählt schon 18534), er habe in der Leiche eines Mannes, dem
er vor sieben Jahren einen Hoden amputiert hatte, während der
^) Gr. Borsieri (Arzt in Faenza), Institutiones medicinae practicae,
Mediolani, 1785, T. III, p. 296.
2) Hamilton, Phil, trans. Edinb., 1756, Vol. II, Art. 9, p. 59.
^) Valleix, Guide du medecin praticien. Paris, 1860, T. III, p. 551.
^) A. Riberi, Opera minori. Torino, 1851, Vol. I, p. 106.
— 125 —
andere schon seit lange atrophisch war, die Prostata atrophisch
gefunden. Bei einem anderen, dem er vor 9 Jahren in zwei
Zeiten die Hoden amputiert hatte, fand er 8 Jahre später bei
Untersuchung durch das Rectum fast keine Spur der Prostata
mehr, obgleich er sie vor der ersten Operation rund und deut-
lich erkennbar angetroffen hatte. Le Eoi d'Etiolles berichtet
ebenfalls über einen Fall von Atrophie der Prostata, die auf
Amputation beider Hoden gefolgt war.
Die Anwendung der Kastration zur Heilung der Ver-
grösserung der Prostata wurde in den letzten Jahren wieder
aufgenommen und erlangte eine gewisse Beliebtheit, besonders
in England und Amerika. Launois bemerkte im Jahre 1884
bei Experimentaluntersuchungen an Hunden, dass auf Kastration
Atrophie der Prostata folgte. White bestätigte 1893 diese
Thatsache nicht nur für Tiere, sondern wendete sie auf die
menschliche Chirurgie an, geleitet durch die Idee, es bestehe
Identität zwischen der hypertrophischen Prostata und den
Fibromyomen des Uterus, denn wie dieses Organ nach der Ab-
tragung der Ovarien atrophisch wird, so muss auch die Pro-
stata nach Resektion der Hoden atrophisch werden. Wegen
weiterer chirurgischer Anwendungen verweisen wir auf die
chirurgischen Handbücher i).
Später beobachtete man einen noch engeren Zusammen-
hang zwischen diesen Organen, denn wenn nur ein Hode atro-
phisch oder verstümmelt wird, wird auch nur die Mamma der-
selben Seite hyperplastisch, undLaugier^) hat 1869 ein schönes
Beispiel dafür von der linken Seite angeführt; aber was die
Priorität betrifft, so schreibt Lerebouillet die erste hierher
gehörige Beobachtung G üb 1er zu, die nicht veröffentlicht
wurde, und zwei andere seinen Schülern Rendu und Lang-
lois, die in einer These mit ganz anderem Titel gesammelt
wurden 3).
^) V. ßocliet, Traite de la dysurie senile et de ses diverses com-
plications. Paris, 1899, p. 365. — F. Durante, Trattato di patologia e
terapia chixurgica. Eoma, 1899, Vol. III, p. 1046.
2) M. Laugier, MonorcMdie-Hypertropliie mammaire. Nicht bekannt
gemachte Beobachtung, publiziert von LeDentu. Des anomalies du testi-
cule. Paris, 1869, p. 102.
^) Collette, Sur une forme d'arthropathie. These inaugur. Paris,
1872.
— 126 —
Zu diesen seltsamen Thatsachen kommt noch eine Beob-
achtung, die mit ihnen in einem gewissen Gegensatze steht,
dass nämlich Haustiere, wie die Hunde, die während einer
Mumps-Epidemie unter den Menschen an Parotitis leiden, nicht
der Orchitis und noch viel weniger der Anschwellung der Euter
unterworfen sind. Diese Thatsache wurde von Hertwigi) be-
obachtet und von Vacchetta^) bestätigt. Auch Laveran^)
bezweifelt eine Beobachtung von Busquet (einem Militärarzt),
dass eine Hündin an einer dem Mumps gleichwertigen Parotitis
erkrankt sei.
Wir erwähnen zuletzt noch einige Beobachtungen, die in
den letzten Jahren zusammengekommen sind, aber die Er-
klärung der obigen Erscheinungen nicht besonders fördern.
Malassez^) sah 1876, dass die Architis infolge von Mumps nur
parenchymatös ist, mit schnellem Verlauf und nachfolgender
Sklerose, während die syphilitische interstitiell ist. Letzerich^)
besäte im Jahre 1895 Kartoffeln mit Blut und Urin von Mumps-
Kranken und sah Kolonien von Bacillen entstehen, die er für
spezifisch für die Infektion hielt. Michaelis^) fand in der
Flüssigkeit des Stenon sehen Ganges und in einem periparoti-
dischen Abszesse eine grosse Menge von Diplokokken, kleiner
als der Gonokokkus, und nicht auf Tiere überimpfbar.
Nachdem wir gezeigt haben, dass die Anomalien der Ge-
schlechtsorgane nach der Pubertät oft von Gynäkomastie be-
gleitet sind, so dass wir annehmen, die ersteren seien die Ge-
legenheitsursache der zweiten, werden wir jetzt sehen, dass sie
oft von Feminismus begleitet sind, mit der Bemerkung, dass
1) C. H. Hertwig, Praktisches Handbuch der Chirurgie für Tierärzte.
3. Aufl. Berün, 1874.
2) Vacchetta, La chirurgia speciale negli animali domestici. Pisa,
1887, Vol. I, p. 114 und Vol. III, p. 499.
^) De la transmissibilite des oreillons de l'homme au chien. Acad. de
med. Seance du 5 Oct. 1897. — La sem. med. 1897, p. 365.
^) Malassez beiP.Eeclus: Du tubercule du testicule et de rorchite
tuberculeuse. These de Paris, 1876.
^) L. Letzerich, Le bacille des oreillons, Allgem. med. centr. Zeit.
1895. — La sem. med. Paris, 1895, p. 395.
^) Michaelis und Bein (Berlin), Des microbes des oreillons. Soc.
de med. Berlinoise 20 Mars 1897. La sem. med. Paris, 1897, p. 123.
— 127 —
wir hier auf die nutritive und formelle Degradation des Indi-
viduums hinweisen, und nicht auf die ph^^^siologische Ähnlich-
keit von mütterlicher Seite. Um die Häufigkeit dieser Ver-
bindung mit Gynäkomastie festzustellen, findet man die Schwierig-
keit, dass bei den alten Beobachtungen der lymphatische Habitus
oft in verschiedenem Sinne verstanden wird, aber man kann
aus dem Zusammenhange schliessen, dass man das meinte, was
man jetzt Feminismus nennt, und noch im Jahre 1862 ge-
brauchte Rizet den Ausdruck mit dieser Bedeutung in einem
Falle von Aplasie des Penis. Aus allem diesen kann man
schliessen, dass die mit Gynäkomastie verbundene physische
Degradation häufiger ist, als man nach den veröffentlichten
Beobachtungen schliessen kanni).
(Siehe Tabelte n auf Seite 128 und 129.)
Aus dieser Tabelle sieht man sogleich, dass die Gynäko-
mastie in der Regel mit geschlechtlichen Missbildungen ver-
bunden Ist, seien sie angeboren oder erworben. Wenn man die
einzelnen Beobachtungen betrachtet, schliesst man, dass die
Hyperplasie der Mamma nicht die Gelegenheitsursache der ge-
nannten Degradation sein kann, sondern dass die Missbildung
der Geschlechtsorgane das ursprüngliche ist. Wir haben schon
aus Tabelle I gesehen, dass diese Missbildungen die einzige
Ursache des Feminismus und seltener der Hyperplasie der
Mamma sind. Godard2) berichtet, dass bei einem Unteroffizier
infolge einer doppelten syphilitischen Orchitis Feminismus
und später Gynäkomastie eintrat, und Martin^) sah einen
Mann, der beim Platzen einer Haubitze Penis und Hoden ver-
lor, aber leicht genas. Aber bald verlor er den Bart, der
Klang der Stimme änderte sich und die Brüste wurden hyper-
trophisch. So bleibt bei den Fällen von Gynäkomastie nur die
Frage zu beantworten: wie und wann üben die äusseren Ge-
schlechtsorgane diesen doppelten Einfluss aus?
Ehe wir auf weitere Untersuchungen über die Gynäkomastie
verzichten, die auf Hypoplasie der Geschlechtsorgane folgt.
^) Diese Folgerung stimmt zu dem, was wir den statistischen Eekruten-
rollen entnommen lialjen.
^) Godard, Reclierches sur l'appareü seminal de 1'h.omme, 1866
p. 66.
3) E. Martin, Gaz. ]iel)dom. 1877, p. 591.
— 128 —
Tal)elle n. Feminisiiius
Autoren
Jahr
Noten und
Alter des
Deformität der
Beobachtungen
Kranken
Hoden und des Penis
Renauldin
1797
Note 3, Beob.
3
24
starke Hypoplasie
Home
1799
Note 3, Beob.
4
23
starke Hypoplasie
Weber
1852
Note 3, Beob.
20
21
starke Hypoplasie
Curling
1854
Note 4, Beob.
5
59
—
D u r li a ni
1859—60
Note 3, Beob.
30
25
—
Caff e
1866
—
—
—
J. Jones
1871
Note 2, Beob.
11
Mann
—
L i e g e 0 i s
1877
Note 3, Beob.
50
25
—
Lerebouillet
1877
Note 3, Beob.
46
23
—
Er. Martin
1877
Beob. im Teste
junger
Soldat
—
Przewoski
1881
Note 3, Beob.
55
23
—
B 0 r e 1 1 i
1882
Note 2, Beob.
18
27
Aplasie
Polaillon
1887
Note 2, Beob.
24
31
—
T a r u f f i
1890
Note 2, Beob.
27
24
—
Urdi
1874
Note 2, Beob.
12
50
—
Scbaumann
1894
Note 3, Beob.
63
19
—
P 0 z zi
1885
Note 3, Beob.
59
puberer
Jüngling
männlicher Pseudo-
Hermaphrodismus
Laurent
1894
Note 3, Beob.
65
21
Hypoplasie
lind Gynäkomastie.
129 —
Deformität
der Hoden
Deformität
des Penis
Deformität
der UretMa
Feminismus
Gynäkomastie
Einzelheiten
—
—
—
Feminismus
Gynäkomastie
—
— .
—
—
Feminismus
Gynäkomastie
—
—
—
Hypospadie
Feminismus
Gynäkomastie
—
—
—
—
—
Gynäkomastie
—
—
kurz u. klein,
Hoden normal
—
Feminismus
Gynäkomastie
— '
Anorchidie
Hypoplasie
—
Feminismus
—
—
Erbsengross
—
—
Feminismus
Gynäkomastie
—
starke Atrophie
—
—
Feminismus
Gynäkomastie
nach Mumps
A-mputation der
ausser. Organe
—
Incontinentia
urinae
nacMolgender
Feminismus
Gynäkomastie
—
unbekannt
—
-
Femimsmus
Gynäkomastie
—
—
—
—
Feminismus
Gynäkomastie
—
AnorcMdie
—
—
Feminismus
—
—
doppelte
KryptorcMe
—
—
Feminismus
—
—
ein Hode
rudimentär
—
—
Feminismus
Gynäkomastie
—
KryptorcMe
—
Hypospadie
Feminismus
Gynäkomastie
—
—
—
—
Feminismus
— ,
—
Feminismus
Gynäkomastie
Taruffi, Hermaphrodismus.
— 130 —
müssen wir daran erinnern, dass sowohl die erbliche, ^Is die
erworbene Syphilis mit oder ohne Atrophie der Hoden, und die
blennorrhagische Orchitis bisweilen dem Feminismus und
seltener der Gynäkomastie vorhergehen. Da die Krankheits-
geschichten von Syphilis zahllos sind, haben wir nur wenige
Untersuchungen über diesen Gegenstand angestellt, aber diese
wenigen reichen hin, um dieses Vorkommen zu beweisen.
Wir haben schon die Beobaclitungen von Lewin und Edm.
Fournier (Note 2, Beob. 13, 23, 25) über Vererbung mit In-
fantilismus (Dystrophie) und in einem Falle mit massiger
Aplasie der Geschlechtsorgane angeführt. Zu diesen Beispielen
fügen wir den Bericht von Hallopeau (Note 2, Beob. 33) über
einen 15 jährigen Burschen, der wahrscheinlich an erblicher
Sj^philis litt und sehr kleine Organe und hyperplastische Brüste
zeigte. Er hatte auch Geschwüre ohne Angabe des Sitzes.
Erwähnen wir endlich noch den Bericht Godards über einen
Unteroffizier (Note 3, Beob. 32), der an Syphilis litt, worauf
Orchitis folgte. Der Verf., der den Kranken nach zwei Jahren
sah, fand ihn mit atrophischem Penis und Hoden; sein Körper
war feministisch geworden. Aber er sagt nicht deutlich, ob
die Brüste sich vergrössert hatten.
Bisher haben wir über die Hyperplasie der männlichen Brust-
drüsen gesprochen, wir haben jedoch noch einige Nachrichten
über Hyperplasie anderer Organe hinzuzufügen, welche die
Gynäkomastie vortäuschen. Man könnte dies Pseudo-Gynä-
komastie nennen, wodurch zuweilen Missverständnisse hervor-
gerufen werden.
Luigi Porta, Kliniker in Pavia, amputierte gegen das
Jahr 1837 einem Manne den Stiel der rechten Mamma, welche
die Gestalt einer langen Gurke angenommen hatte, während
die linke weniger gross war. Bei Untersuchung des Tumors
fand der Chirurg nur Übermass von Bindegewebe i). Olphan
erklärte für Fibrome den Inhalt zweier orangengrosser, harter
Brüste bei einem Manne ohne Fehler an den Hoden. Diesen
Befund würde man wahrscheinlich oft antreffen, wenn man die
^) Petrequin, Fragments d'un voyage medical en Italic. Gaz. med.
Paris, 1837. — C. Taruffi, Storia deUa teratologia. Bologna, 1894, T. VII,
Beob. 3, p. 257.
- 131 —
Berichte der chirurgisclien Kliniken durchsähe. Weniger häufig
ist die Hyperplasie des Fettgewebes, denn beim Manne haben
wir sie nur bei der Beobachtung Cloquetsi) angetroffen, der
einen Krankenwärter sezierte, dessen Gynäkomastie aus Fett-
gewebe bestand. Diese Seltenheit steht in Übereinstimmung mit
dem, was bei der Hyperplasie der Weiberbrust stattfindet 2),
bei denen Lipome vorkommen, die hypertrophische Brüste vor-
täuschen. Wir können einige Fälle von echten oder wahr-
scheinlichen Lipomen an der Oberfläche verschiedener Körper-
teile hinzufügen, die man für Brüste gehalten hat, und die bei
Weibern vorkamen.
Bartolino sah im Jahre 1688 eine Frau, die auf dem
Kücken eine Mamma ohne Warze hatte und zweifelte nicht
daran, dass es wirklich dieses Organ sei 3). Im Jahre 1875
erhielten wir die Leiche einer Dementen, die eine accessorische
Brustdrüse hatte. Auf der zweiten falschen Rippe rechts sass
ein weicher Tumor mit allen Eigenschaften dieses Organs, aus-
genommen, dass die Warze glatt und ohne Pigment war. Die
Untersuchung zeigte, dass es sich um ein subcutanes, an
fibrösem G-ewebe armes Lipom handelte. Zu gleicher Zeit
beobachtete Raggi (Note 3, Beob. 56) im Irrenhause einen
maniakalischen Jüngling, der ein Weib zu sein glaubte, weil
seine Brüste angeschwollen waren und Milch auströpfeln Hessen,
während die Geschlechtsorgane normal waren. Nach einem
Jahre begannen bei ihm sowohl die Veränderungen der Brüste,
als die psychischen Erscheinungen zu schwinden *).
Man findet endlich in der Litteratur einige Beobachtungen
ohne anatomische Untersuchung, die nicht zu schliessen erlauben.
^) J. Cloquet, Acad. de medic. Paris, 1828.
2) Taruffi, Storia etc., 1894, T. VII, p. 244.
^) T. Bartolino, MisceUanea curiosa academiae naturae curiosorum etc.
Annus secundus (MDCLXXI) Francofurti et Lipsiae, 1688. Beob. 72, p. 133.
— Taruffi, Storia etc. B. 1881, T. IV, p. 335.
"*) Obgleich wir nicht geneigt sind, eine genetische Beziehung zwischen
echter uüd falscher Gynäkomastie und Geisteskrankheiten anzunehmen, dürfen
wir doch nicht verschweigen, dass erstere auch bisweilen bei Hypochondri-
schen, Hysterischen und verschiedenen Neuropathischen aufgetreten ist. Bei-
spiele sind gesammelt worden von Magnan (Commun. faite ä la soc.
med.-psychologique. Seance du 2 Fevr. 81887. — Arch. de neurol. Mai 1888,
T. in, p. 416) und von Laurent (Les bisexues, Paris, 1894, p. 25).
9*
- 132 —
ob die NeubilduDg eine überzählige, heterotopiscbe Mamma oder
ein von der Brust entferntes Lipom war. Dieser Zweifel wurde
schon von Haller i) ausgesprochen, und wir wiederholen ihn
bei dem Falle von Kl ob (Note 3, Beob. 29). Er beschrieb
einen Mann mit einem einer im Fettgewebe begrabenen Brust-
warze ähnlichen Tumor auf dem Deltamuskel. Derselbe Zweifel
kann auch bei der Beobachtung von Hiller (Note 3, Beob. 16)
eintreten; sie betrifft einen kachektischen Jüngling von 17 Jahren,
dessen Mutter und Tante krebskrank waren, und bei dem die
erdfarbenen Mammae anschwollen. Was einen anderen Fall
von Gynäkomastie mit Geschwulst des Nebenhoden betrifft, den
Galliet2) im Jahre 1850 beschrieben hat, so würde heute nie-
mand zweifeln, dass die Mamma von metastatischem Krebs er-
griffen war.
^) A. Hall er, Elementa physiologiae. Lib. XXVIII, Bernae, 1765, p. 4.
2) Galliet, Sur deux cas de coincidence de developpement anormal
de la jnammelle chez l'liomme avec uue tumeur de l'epididyme. Comptes
rend de la soc. de biologie. Fevr. 1850. — Gaz. med. de Paris 4 Mai 1850.
Ser. 3, No. 45, p. 351.
Noten zu dem zweiten Teile.
Der klinische Hermaphrodismus.
Note 1.
Aristoteles, De geDeratione animalium, Lib. V, cap. VII,
lin. 60. Interprete Theod. Gaza. Parisiis, 1533.
Tauri autem omnium nervis continentur, quapropter cum aetate
florent, robustiora sunt, minus enim compacta nervataque sunt, quae minora
natu adhuc sunt. Item recentiorum nervi nondum intenduntur: senescen-
titim jam laxantur, quam ob rem ad motum quoque sunt imbecilliora, sed
potissimum tauri nervosi sunt : et eorum cor ita constat. Itaque contentiorem
eam obtinent partem, qua spiritum movent, quasi fidiculam intentam, talem
cordis bubuli esse naturam signiflcatur, yel eo osse, quod in nonnullis
gignitur, ossa enim naturam nervorum requirunt. Execta omnia in
foeminam mutantur, et quoniam vires nervosae in suo originali principio
laxantur, similem foeminis mittunt vocem, laxatio vero similis fit.
Aristoteles, De animalium historia, Lib. VIII, cap. II, pag. 20.
Opera omnia, Vol. III, p, 147. Parisiis, 1854. Firmin Didot.
Horum (animalium) autem omnium natura videtur quasi distorta esse,
quo etiam modo mascula quaedam foeminina oriuntur, et in sexu foemineo
masculina facie : et enim animante, adeptae parvis in membris differentiam,
multum diJEferre totius natura corporis yidentur. Hoc evidens est in exectis :
pusilla namque particula mutilata, mutatur in foeminam animal: igitur
manifestum est, in primordia concretione immutata magnitudinis ratione
parte quadam minutissima, si principii dignitatem habeat, fieri vel foeminam,
vel marem: illa autem penitus sublata, neutrum. Itaque secundum utrum-
que modum tam terrestre, quam aquatile fieri contingit animal, pusiilis
mutatis membris, ita ut alia evadant terrestria, alia aquatilia. Atque borum
quidem alia in neutram partem vergunt, alia autem in utramque, propterea
quod in constitutione generationis quandam partem praeceperunt materiae,
e qua victum parant; quod enim secundum naturam est, expetitur ab omni
animali, sicut jam dictum est.
Aristoteles, Opera omnia. Vol. III. Parisiis. Firmln Didot ed. 1854.
De generatione animalium, L. I, cap. II, p. 321, lin. 15.
In genere etiam exsangui discrimen maris et foeminae est, quibus haec
sexus oppositio data est. Differunt forma inter se partes ad coitum dele-
- 134 —
gatae in sanguineo genere; sed animadvertendum est, si principium
exiguum immutetur, multa ex iis quae principium insequuntur simnl
immutari solere. Patet h.oc in exectis, quibus, parte genitali tantum cor-
rupta, tota fere forma usque eo commutatur, ut aut foeminae esse videantur,
aut parum abesse, tamquam non qualibet sui corporis parte, aut potentia
animal sit foemina aut mas. Constat igitur principium guoddam manifesto
esse marem ac foeminam: itaque multa simul immutantur, quum animal
immutatur, quatenus foemina aut mas est, quasi principium dimoveatur.
Note 2. Äusserer Pseudo-Hermaphrodismus.
A. Feminismns beim Manne.
Beob. 1. Gius. de Mattheis, Arzt in Eom. Sopra un apparente
cambiamento di sesso negliindividuid'unainterafamiglia.
Eoma, 1805. — Effemeridi clin. med. dell' anno 1804, Semester 2. Milano,
1805, p. 92.
In einer Bauernfamilie nahe bei Eom wurden 4 Töchter geboren, von
denen eine sich verheiratete und Kinder hatte, aber die andern drei änderten,
als sie erwachsen waren, ihren Habitus und verwandelten sich in Männer.
Alle drei hatten einen Penis von der Grösse des kleinen Fingers, wenn
er im höchsten Grade der Erektion war, die Öffnung der Urethra befand
sich an seiner Wurzel, das Scrotum war in zwei Beutel geteilt; sie hatten
wenig Bart und waren von kleiner Gestalt.
Eine ähnliche Thatsache ist aufgezeichnet im Journ. de la Soc. med.
d'emulat. Vol. V, p. 150. Hier wird von 5 Schwestern erzählt, die im
Alter der Pubertät alle zu Brüdern wurden.
Beob. 2. A. Fischer (Boston), The amer. journ. of med. sc.
PhUadelphia, 1838. Vol. XXIII, p. 352. — London med. Gaz. Vol. XXVIII,
p. 817.
Ein Buchhalter von 45 Jahren, der an Pneumonie starb, hatte eine
weibliche Stimme und keinen Bart ; in der Leiche fand man das Scrotum
klein, schlaff und ohne Hoden. Die Tunica vaginalis communis war beider-
seits normal ; über diese verbreitete sich der Cremaster, und der Samenstrang
fand sich wie gewöhnlich, aber von geringer Dicke. Die D. deferentes
waren auf beiden Seiten von gewöhnlicher Dicke und gingen am Ende des
Samenstranges in einen Blindsack aus.
Beob. 8. Giraldes, Atrophie des organes genitaux chez un
homme. Comptes rend. sc. la soc. de biol. Paris 1854—55. Ser. 2,
Tom. I, p. 111.
Ein 36 jähriger Mann vom Aussehen eines Eunuchen hatte einen 3 cm
langen Penis und sehr kleine Hoden. Bei der Sektion fand man das Klein-
Mrn klein im Verhältnis zum Grosshirn.
— 135 —
Beob. i. E. Ä. Pech, Auswahl einiger seltener und lehr-
reicher Fälle, beobachtet in der chirurg. Klinik zuDresden.
Dresden, 1858. Mit 8 Tafeln.
Angeführt von Herrmann, weil er das Beispiel eines Mannes
liefert, der das äussere Aussehen eines Weibes hatte.
Beob. 5. Kl. Curling, Undeveloped sexual organs of a male
adult. Transact. path. soc. London, 1859—60. T. XI, p. 137,
In der Leiche eines Mannes von 46 Jahren von weiblichem Aussehen
fand der Verf. den Penis sehr klein, wie den eines fünfjährigen Kindes.
Auch das Scrotum war klein, enthielt aber Hoden.
Beob. 6. E. Godard, Becher ches teratologiques sur l'appa-
reil seminal de l'homme. Paris, 1860, p. 84, pl. V et VI.
Im Hosp. de la Charite in Paris starb ein Ciseleur von 61 Jahren an
einem Herzleiden. Er war von Körper und Charakter schwach, ohne Bart,
von weiblichem Aussehen. Er liebte die Spirituosen und war oft betrunken.
Die Leiche mass 175 cm, hatte blond und weiss gemischte Haare,
rötliche in den Achselhöhlen und am Pubes. Der Penis war von der
Grösse des kleinen Pingers. Das Scrotum fehlte ganz, an seiner Stelle war
die Haut leicht gefaltet und Hess die Ehaphe sehen. Die Leistenkanäle
waren leer. Auch im Abdomen und im Becken suchte man Hoden und
Nebenhoden umsonst. Die D. deferentes waren je l^/a mm dick, entsprangen
von der Prostata etwas gewunden, liefen um die Blase herum und ver-
wandelten sich in ein Filament, das im Peritoneum der Inguinalgegend
endigte. Die Samenbläschen waren weniger voluminös, als die D. deferentes,
und die D. ejaculatorii gut angelegt. Die Blase hatte ein Divertikel der
Schleimhaut.
Beob. 7. G. B. Marzuttini (Udine), Uomo nato senza testicoli
morto a 78anni. Gazz. med. ital. delle prov. Venete. Padova, 1864,
T. VII, p. 51.
Ein Graf von Spilimbergo, von hoher Gestalt, war mit 78 Jahren
noch kräftig, während er weiblichen Typus und Ausdruck mit
weisser, zarter Haut zeigte. Die Glieder waren lang, das Temperament
nervös. Der Kopf war verhältnismässig klein, mit glattem Hinterkopf, leb-
haften Augen, ohne Spur von Bart und ohne Haare in den Achselhöhlen
und am Pubes. Er war ohne Adamsapfel, die Brust nach unten stark ent-
wickelt, wie bei Frauen und das Becken weit.
Er war geschwätzig mit scharfer, weiblicher Stimme, neugierig,
flüchtig und furchtsam wie ein Mädchen. Er liebte Gesellschaft, Frivolitäten,
Kinder und begnügte sich mit platonischer Liebe.
Im Alter von 78 Jahren erkrankte er mit trockenem Husten, Fieber,
unregelmässigem Puls und Ödem der Beine, das bald in Anasarca überging,
und starb nach einmonatlicher Krankheit am 29. Nov. 1829 unter den Er-
scheinungen eines Herzleidens.
Bei der Sektion fand man das Kleinhirn verhältnismässig klein, die
Brüste stärker als beim Manne und die Warze ziemlich vorragend, die
grossen Trochanteren weiter voneinander entfernt als beim Manne, das Herz
— 136 —
liypertrophisch , Sklerose an den Semilunarklappen, Kalkinkrnstationen
längs der ganzen Aorta. Man fand die Nieren vergrössert mit engem
Becken. Im Abdomen fehlten die Hoden, die Arteriae und Venae sper-
maticae und die Samenbläschen. Ebenso fehlten in dem leeren Scrotum
Hoden und Samenstränge; das männliche Glied war von natürlicher Länge
und Form; der Urethra fehlten das Vera montanum und die Ostia seminalia.
Beob. 8. Brouardel, Sur un cas d'atrophie des organes geni-
taux de Thomme. Bull. soc. anat. de Paris, 1864. T. XXXIX, p. 547.
Ein Mann von 32 Jahren, mit dem Aussehen einer alten Frau und
Atrophie der Geschlechtsorgane.
Beob. 9. Jac. Facen (Fonzasco, prov. di Belluno), Gazz, med. ital.
prov. Venete. Padova, 1865, A. VIII, p. 297. Appendice,
Verf. besuchte einen Mann von 30 Jahren von Aussehen und Gestalt
einer Frau. Er hatte eine Eichel mit Meatus urinarius, aber Vorhaut und
Penis fehlten, so dass die Eichel sitzend war und unfähig, sich zu ver-
längern, als wäre sie eine Clitoris. Sie ähnelte dieser um so mehr, als an
den Seiten zwei Nymphen herabstiegen. Auch Labia majora waren vor-
handen mit Hoden und Samensträngen. Von einer Vulva war keine Spur.
Der Mann war geneigt, zu heiraten, hatte Ejakulationen und dann wurde
die Glans hart. Er hatte also nur das äusserliche Aussehen einer Frau.
Beob. 10. Ant. Rezzonico, Ann. univ. di med. e chir. Milano, 1867,
Vol. CXCIX, Marzo, p. 60.
Verf. sah einen Knaben von Como, 13 Jahre alt, mit ungenügender
körperlicher Entwickelung, so dass er einem Kind von 8 Jahren glich. Seine
linke Mamma ragte 4 cm vor, war indolent, fleischig und beweglich. Er
schrieb die Vergrösserung einem starken Stoss zu, den er als Kind erhalten
hatte. Der Verf. sah den Burschen wieder, als er 20 Jahre alt war, und
fand seine körperliche Entwickelung wenig gebessert, aber die Mamma war
fast ganz verschwunden.
Beob. 11. J. Jones, Singular and distressing case of mal-
form ation of genital organs. Med. Eecord. New York, 1871, T. VI,
p. 198.
Ein Mann ohne Bart mit weiblichem Habitus ; Penis ^/4 Zoll lang, sonst
gut gebildet. Scrotum sehr klein, ohne Hoden. Die Untersuchung durch das
Rectum brachte kein Licht.
Beob. 12. Urdy, Note sur un cas remarquable d'anorchidie. Gaz,
höpit. 1874, No. 8, p. 58.
Ein Mann von 50 Jahren hatte normalen Penis ; das Scrotum war rechts
ohne Hoden und Samenstrang und ähnelte einer blossen Hautfalte; links
enthielt das Scrotum ein Rudiment des Hodens von der Grösse einer kleinen
Mandel. Den Samenstrang dieses Hodens fühlte man kaum. Die Prostata
fühlte man durch das Rectum. Die Erektion war leicht und vollständig;
keine Ejakulation beim Coitus. Während der Nacht hatten bisweilen Erek-
tionen statt mit Ausfluss einer zähen Flüssigkeit, die Urdy nicht mikro-
skopisch untersucht hat. Der Habitus des Kranken war ganz weiblich, er
hatte glatte Wangen mit leichtem Flaum auf der Oberlippe. Der ganze
— 137 —
Körper war bis auf den Pubes unbehaart, die Brüste gross wie grosse
Orangen, die Stimme kräftig und von hohem Klang.
Im Alter von 17 Jahren fingen ihm die Brüste an zu schwellen und
sonderten reichlich Milch ab, so dass sein Hemd fortwährend durchnässt
war. Diese Milchsekretion dauerte ununterbrochen bis zum 24. Jahre, dann
in Zwischenräumen von 2 — 3 Monaten 8—10 Tage lang und hörte endlich
nach und nach zwischen dem 35. und 40. Jahre auf. In dieser letzten Zeit
wurde der feine Flaum auf der Oberlippe deutlicher.
Beob. 13. G. Lewin, Über Syphilis hereditaria tarda mit
Krankendemonstration. Berliner klin. Wochschr. 1876, No. 2 u. 3.
— Ed. Fournier, Stigmates dystrophiques. Paris, 1898, p. 13, Beob. 16.
Syphilitische Eltern eines 18 jährigen Jünglings. Er hatte Hutchinson-
sche Zähne, interstitielle Keratitis, Zerstörung des Gaumensegels, Hyper-
ostosen an beiden Tibien, Infantilismus (im Sinne Fournier s), das Aus-
sehen eines Kindes von ungefähr 10 Jahren, keine Behaaning, Hoden wie
ein Zwerg, ohne Erektionen oder Pollutionen.
Beob. 14. Lerebouillet, Contribution äl'etude des atroph ies
t esticulair e s et des hypcrtrophies mammaires, observees
ä la suite de certaines orchites. (Gynecomastie et feminisme). Gaz.
hebd. de med. et de chir. Paris, 1877.
Ein kräftiger Soldat, 22 Jahre alt, wurde 4 Monate von Mumps ohne
Fieber befallen, und 4 Tage darauf folgte doppelte Orchitis. Die Krank-
heit nahm schnell ab, die Geschwulst der Parotiden verschwand, und nach
20 Jahren wurden die Hoden atrophisch und so klein wie eine Bohne.
Das Gesicht blieb ohne Bart und nahm weibliches Aussehen an, die
Potentia virilis verschwand, und gleichzeitig entwickelten sich die Brüste
durch Hypertrophie der Lappen und nicht durch Zunahme des Fettgewebes ;
die Haut war von einem Venennetze durchzogen. Penis normal, Pubes
reichlich behaart.
Beob. 15. C. Liegeois, Atrophie testiculaire. Feminisme. Ibid.
1877, No. 38, p. 605.
Ein Soldat hatte wenig Bart am Kinn, sehr kleine Hoden und ent-
wickelte Brüste, wie beim Weibe.
Beob. 16. L J. Renauldin, Sur une conformation particuliere.
Mem. soc. med. d'emulat. . Paris, 1878, p. 241.
Jüngling von 24 Jahren, beide Brüste entwickelt wie beim Weibe,
weibliche Stimme, kindliches Gesicht, bartlos. Der Penis, von der Grösse
eines kleinen Tuberkels, erreichte bei Erektion 1^2 Zoll Länge, und die
Hoden waren von der Grösse der Haselnüsse.
Beob. 17. Lambert, Gynecomastie bilaterale. These. Paris,
1878—79. S. Olphan, Gynecomastia 1880, p. 74.
Jüngling von 21 Jahren, kleine Statur, fettleibig, rundliche Formen,
Weiberstimme, Becken normal. Testikel von der Grösse einer Olive, Penis
normal, ohne Geschlechtstrieb.
— 138 —
Beob. 18. Diod. Borelli (Napoli), Incompleto sYÜuppo degli
organi sessuali. Griorn. intern, delle sc. med. Napoli, 1881, Ser. 2,
T. III, p. 434.
Ein Mann von 27 Jahren mit Sumpfkachexie, ohne Haare am Pubes
oder im Gesicht, hatte einen kleinen, nicht erektionsfähigen Penis, Hoden
von der Grösse einer kleinen Olive und Weiberstimme.
Beob. 19. Przewoski, Gynaecomastia. Gaz. lekarska, No. 4 u. 5.
Warschau. — Jahresber. für 1881, Bd. 1, p. 282.
Ein 23 jähriger Tagelöhner zeigte bilaterale Gynäkomastie von normaler-
Grösse und drüsigem Bau, er hatte alle Charaktere des Feminismus mit
Einsclüuss der Beschaffenheit des Larynx und der Peritonealfalten des kleinen
Beckens. Der Verf. machte die Sektion, und der Berichterstatter spricht
nicht von den Hoden.
Beob. 20. Jlart de Riaz, Un jeune homme sans testicules.
Ann. med. psychol. Paris, 1882, Ser. 6, T. VII, Annee 20.
Ein Bursche ohne Haare, ohne körperliche oder moralische Kraft,
schweigsam, führte ein sitzendes Leben voll Langeweile ohne Wünsche, ohne
Geschlechtstrieb; die Scherze seiner Genossen belästigten ihn. Sein Zustand
vmrde bei der Aushebung bekannt. Er hatte wenig Haare am Pubes, der
Penis war einen Zoll lang, kleinfingerdick, das Präputium haftete an der
Glans fest, die von der Grösse einer Erbse war. Das Scxotum wurde durch
schwache Hautfalten gebildet, ohne Hoden oder Samenstränge.
Beob. 21. Ä. P. Binet, Infantilisme. Progres med. 1884, 21 Juin.
Ann. des malad, des organes genit.-urin. Paris, 1884, T. II, p. 516.
Kind von 10 Jahren mit 'wenig entwickelten äusseren Geschlechtsteilen,
mit sehr kleiner Prostata, aus blossen Divertikeln bestehenden Samenbläs-
chen, während die Can. deferentes und der Utriculus prostaticus stark ent-
wickelt waren.
Beob. 22. Sam. Pozzi, Pseudo-Hermaphrodisme. Mem. de la
soc. de biol. Paris, 1885, p. 26, Beob. 2. Mit ' 2 Figuren. (Siehe Taruffi,
Memorie della E. Acad. delle sc. del' istit. di Bologna, 1899,
Ser. 5; T. VII, p. 745, Beob. 49). Vgl. pag. 72, Beob. 49.
Beob. 23. Edm. Fourniej*, Op. citat. p. 11, Beob. 7, Ann. de dermatol.
et de syphil, 1885.
Ein Jüngling von 19 Jahren mit erblicher Syphilis hatte Narben um
den Mund und an den Lenden, Hyperostosen am Femur und geschwollene
Milz und Leber. Der Habitus war ganz kindlich. Behaarung fehlte, sehr
kleiner Penis, Monorchidie, Hode klein. Grösse 1,30 m.
Beob. 24. Polaillon, Herrn aphrodism e neu tre. Ann. des malad, des
org. genito-urin. Paris, 1887, T. V, No. 9, p. 566.
Ein Mann von 31 Jahren, ohne Bart, mit weiblicher Stimme und Ha-
bitus, hatte einen rudimentären Penis und ein kleines geschrumpftes Scrotum.
Bei der Sektion fand man keine Spur von Hoden, D. deferentes und
Samenstrang.
Beob. 25. Edm. Fournier, Opera citata, p. 11, Beob. 8. Ann. de
dermat. et de Syphil. 1899.
— 139 —
Jüngiing von 19 Jahren, Sohn syphilitischer Eltern. Erosion und Miss-
bildiing der Zähne, rechte Hornhaut opak, Tibia säheiförmig, Exostose am
Gaumen, viele Narben auf der Haut, auffallender Infantilismus ; Glieder selir
zart, Penis sehr klein. Grösse 1,36 m. Der Yerf. schreibt diese Charaktere
dem Infantilismus zu.
Beob. 26. E. Neuhaus, Ein seltener Fall von Aplasie der
Hoden. Diss. Kiel, 1890, S. 9, mit Tafel.
Jüngling von 21 Jahren, Sohn eines Grünkrämers, erhängte sich, nach-
dem er mehreren Personen seine Absicht, sich zu töten, mitgeteilt hatte.
Er hatte ein Jahr vorher drei Personen nacheinander erzählt, sein Vater
habe ihn zweimal kastriert, einmal, als er noch sehr klein, das zweite Mal,
als er 10 Jahre alt war.
Die Leiche war wohlgenährt, ohne Haare im Gesicht oder in der
Achselhöhle und mit nur wenigen zerstreuten am Pubes. Der Penis war so
gross wie ein Finger, mit enger Vorhaut. Das Scrotum war sehr klein und
konnte die Hoden nicht enthalten; einige blonde Haare sah man am Pubes;
aber man fand keine Narbe. Die Mammae waren klein, ungefähr thaler-
gross. Innerlich fand man die Can. deferentes sehr klein ; rechts fehlte der
Hode ganz, und links fand sich ein Rudiment des Nebenhodens und des
Hodens in länglicher Gestalt. Wegen dieser Umstände (und aus anderen
Gründen) verwarf der Verf. die Wahrheit der Erzählung des Selbstmörders.
Beob. 27. C. Taruffi, Osservazione inedita del 1890.
Ein 21: Jahre alter Maler hatte das Aussehen eines Kindes, war klein,
schmächtig, blass, ohne Bart, mit blonden Haaren, die bald grau wurden.
Dieser Zustand reizte seine Kameraden zum Spott ; sie hielten ihn für
einen Kastraten, obgleich er eine ziemlich männliche Stimme hatte, ohne
Vorstehen der Schilddrüse. Er war massig intelligent, daher er nur Kopien
von berühmten Gemälden ausführen und junge Leute im Zeichnen unterrichten
konnte. Als er alt wurde fing er an, Zeichen von Verfolgungswahn zu
geben, die mit den Jahren stärker wurden. Zuletzt hatte er im Jahre 1890
einen Schlaganfall und starb im Hospitale. Die Sektion wurde nicht gemacht,
aber man erfuhr von den Ärzten, das Scrotum sei klein und leer gewesen;
sie glaubten, es handele sich um Kryptörchie.
Beob. 28. Sam. Pozzi, De l'hermaphrodisme. Gaz. hebdom. de
med. et de chir. Paris, 1890, No. 30, p. 351, fig. 2.
Darstellung der äusseren Gesclüechtsteile eines Jünglings mit Hyper-
trophie des Frenulums des Präputiums in Gestalt einer Verlängerung längs
der Ehaphe des Scrotums und des Perineums. Es hatte von Anfang an
eine zweispaltige Fonn mit einem Spalt dazwischen, welcher die Ränder
der Labia minora vortäuschte. Ausserdem waren die Brüste entwickelt,
wie bei einem Weibe, der linke Hode war atrophisch und im Leistenringe
zurückgeblieben.
Beob. 29. Werther (Dresden), Infantilisme de la moitie supe-
rieure du corps, contrastant avec uneelongation excessive
des membres inferieurs. Deutsche med. Wochenschr. 1891. — Four-
nier Fils, Stigmates heredo-syphilitigues, 1898, p. 135.
— 140 —
Er bericlitct über die seltsame Beobachtimg und auch die Abbildung
handelt von einem 16jährigen Jüngling.
Beob. 30. V. Krafft-Ebing, Psicopatia sessuale. Übersetzung aus
dem Deutschen. Rom, 1891, p. 252.
Mann von 30 Jahren, der ursprünglich schlank, zum Spiel mit Kindern
geneigt, mit weiblichen Neigungen war. Mit 17 Jahren hatte er keinen
unabhängigen Charakter und war ein grosses Kind geblieben. Er hatte
Neigung zur Malerei, aber keine Beharrlichkeit, und zog weibliche Beschäf-
tigungen vor. Als er älter wurde, nahm er entschieden weibliche Gestalt
und Haltung an. Er hatte jedoch im 22. Jahre Beziehungen zu Frauen,
aber da er sich ermattet fühlte, gab er sie auf, und bemerkte, dass er viel-
mehr Neigung zu Männern habe, und Verf. glaubt, er habe Beziehungen zu
ihnen gehabt.
Derselbe fand, sein Körper habe weibliche Bildung, weil die äusseren
Geschlechtsteile wenig entwickelt waren und der linke Hode sich im Leisten-
kanal befand. Sein Mons veneris war fettreich und vorstehend, und wenig
behaart. Die Stimme war hoch, ohne männlichen Charakter. Die Pollutionen
waren selten und pathologisch geworden, weil sie ohne wollüstige Gefühle
verliefen.
Beob. 31. Hallopeau, Feminisme chez ungeant. La Sem. medic.
1899, 15 Fevr. p. 53.
Ein Mann von 38 Jahren, 1,85 m hoch und ohne Bart zeigt die Charaktere
des Feminismus. Sein Larynx steht wenig vor, die Brüste sind stark ent-
wickelt (Durchmesser 7 cm) ; der Querdurchmesser des Beckens ist viel
grösser, als der des Thorax, und das Gesäss stark vorstehend. Die Hoden
sind von der Grösse einer Haselnuss und der Penis ist sehr klein. Dennoch
vollzieht der Eiese den Coitus ungefähr zweimal in der Woche. Im 7. Jahre
hatte er eine Phlebitis der Schenkelvene, die eine starke Erweiterung der
Scrotalvene hinterliess.
Beob. 32. Nicolini (Galatz), Feminisme chez un adulte. La
Sem. med. 1899, 15 Mars, p. 87.
Ein 25 Jahre alter Bäcker, 1,75 m hoch, mit weiblichem Äusseren,
weisser, feiner Haut, gut entwickeltem Unterhautgewebe, ohne Bart im Ge-
sicht und mit wenig Haaren am Pubes, hatte einen Klang der Stimme ähn-
lich dem eines erwachsenen Mannes. Der Durchmesser der Brüste betrug
8—9 cm. Penis und Scrotum waren normal, während die Hoden nicht grösser
waren, als ein Taubenei. Der Mann erklärte, er habe nur alle 5 — 6 Monate
geschlechtliche Neigungen.
Beob. 33. Hallopeau, Feminisme et Syphilis hereditaire.
La Sem. medic. 1899. 15. Nov., p. 389.
Ein Bursche von 15 Jahren hatte stark entwickelte Brüste, während
Penis und Hoden äusserlich klein, waren die Muskeln wenig entwickelt, und
das subcutane Gewebe war sehr fettreich. Er hatte Geschwüre von syphi-
litischem Charakter, die mit Jodkalium und örtlicher Anwendung von
Sublimat heilten. Er hatte deutliche Missbildungen der Zähne.
■ — 141 —
Beob. 34. Ou^ttrociocchi (Eom), Tre c asi di femminismo e gine-
comastia. BoUet. della Soc. Lancisiana degli Osped. di Roma, 1899.
(Rendic. Accad. Eoma, 1899.) An. 19, fasc. I, p. 219—21.
Verf. beobachtete drei Eekruten. (zwei Abessinier und einen Eömer)
von riesigem Äusseren, mit weiblichen Brüsten und männlichen Geschlechts-
teilen, aber von geringer Grösse. Der Verf. giebt weder Maasse, noch Ver-
gleiche mit anderen Körpern an, fügt aber hinzu, dass der Apparat regel-
mässig funktionierte.
Note 3. B. (xyuäkomastie.
Beob. 1. Paulus Aegineta, Chirurgia. (Griechischer Text mit
französischer Übersetzung.) Paris, 1855, p. 213.
Hypertrophie der Brustdrüsen beim Manne.
Beob. 2. M. Schurig (Dresden), Syllepsiologia etc. Dresden,
1731, p. 319, ff.
Wo er von der Schwangerschaft spricht, führt er viele Fälle von
Vätern an, die ihre eigenen Kinder gesäugt haben.
Beob. 3. Renauldin, Mem. de la soc. med. d'emulat. Vol. I,
1797; 1802, p. 397, 2me edit. — Dict. des sc. med. T. XXX, Paris, 1818.
Art. MammeUe. p. 378.
Ein Kärrner von 24 Jahren hatte ähnliche Brüste, wie die Weiber.
Femer waren seine Schultern hoch, seine Brust schmal, die Stimme weib-
lich, das Gesicht kindlich; der Bart fehlte. Die Geschlechtsteile unter-
schieden sich von denen anderer Männer nur durch ihre äusserste Kleinheit.
Das Becken war breit, der Pub es hoch mit wenig Behaarung, die nur in den
Achselhöhlen vorhanden war.
Die Vergrösserung der Brust begann mit 16 Jahren, und später floss
aus ihnen eine milchartige Flüssigkeit aus; diese Sekretion dauerte bis zu
seinem 20. Jahre. Seine Neigungen waren ganz männlich.
Beob. 4. E. Home, Phil os. Trans a ct. of London, 1799, P. 2, No. X,
p. 65.
Verf. sah einen Seesoldaten von 23 Jahren, ohne Bart, mit Brüsten,
so gross wie die einer Frau von demselben Alter. Er zeigte Neigung zur
Fettleibigkeit, mit sehr feiner Haut für einen Mann und dicken, kleinen
Händen. Er hesass geringe Intelligenz und Körperkraft.
Der Pubes war mit Fett bedeckt wie der Mons Veneris, der Penis
äusserst klein und nicht erektionsfähig. Die Hoden waren nicht grösser,
als die eines Fötus. Er hatte keine Neigung zu Weibern.
Beob. 5. Ansieux, Sur quelques cas rares observes sur des-
conscrits. Joum. de med. de Corvisart. Paris, 1807, T. XIV,
p. 262. Angeführt von I. G. St. Hilaire.
Bei einem Eekruten fand sich die Hypertrophie nur auf der linken
Seite, aus der jede Woche eine Flüssigkeit austrat, die das Hemd gelb
färbte.
- 142 -
Beob, 6. H. Bedor, Notice physiologiquesur unindividu
masculin ayant des mamelles et inhabile ä la generation.
Journ. de med. chir. pharm. Paris, 1812, T. XXV, p. 171—75. Gaz. med.
de Paris, 1836, No. 44, p. 689.
Der Verf. hatte schon 1812 einen jungen Kekruten beschrieben, der
weibliche Brüste hatte und wegen Atrophie der Hoden unfähig zur Zeugung
war. Der Eekrut hatte einen Bruder mit derselben Anomalie.
Der Verf. teilt mit, er habe drei weitere Eekruton mit Gynäkomastie
gefunden, von lymphatischem Temperament und untauglich zum Militär-
dienst, weil die gewöhnlichen, auf der Brust geschlossenen Uniformen einen
unerträglichen Druck ausüben würden. Nur einer der genannten hatte
Atrophie der Hoden und ausserdem Hypospadie, und keiner wusste davon,
dass in seiner Familie die Gynäkomastie erblich sei.
Beob. 7. L. Villeneuve, Gynecomastie. Dict. sc. med. Paris, 1813.
T. XIX, p. 591.
Verf. erzählt zwei Fälle, wovon der zweite einen Mann von 60 Jahren
betrifft. Dieser war Vater mehrerer Söhne und hatte von Jugend auf
ziemlich starke Brüste gehabt, aber als er 30 Jahre alt war, wurden sie
ausserordentlich gross, besonders die rechte, mit lebhaften Schmerzen, die
sich durch Anwendung von Cicuta stiUen Hessen.
Beob. 8. A. Villeneuve, Gynecomastie. Dict. en 60 volumes.
Paris, 1817. T. XIX, p. 590.
Er bringt zwei eigene Beobachtungen und die vorhergehenden
Geschichten. Wahrscheinlich ist es derselbe Autor.
Beob. 9. Cloquette, Nouv, Bibl. med. 1828, T. I, pag. 429.
Ein Krankenwärter im St. Louis-Hospital in Paris hatte eine so grosse
Brustdrüse, wie ein AVeib.'
Beob. 10. Lieber, Caspers Wschr. für die gesamte Heilk.
Berlin, 1834, p. 124. (Siehe Grub er.)
Beob. 11. Fr. Torri, Giorn. dei letterati di Pisa. Sett. Ott.
1836, No. 89.
Ein Mann von 48 Jahren war mit einem dunkelroten Fleck in der
rechten Mammagegend geboren, der im Alter von 6 Jahren anschwoll, eine
weiche, elastische, schmerzlose Geschwulst bildend. Dann wuchs der Tumor
allmählich, so dass, als der Mann das genannte Alter erreichte, die Masse
enorm gross geworden war. Prof. Regnoli wurde konsultiert, und urteilte,
es handele sich um Elephantiasis der Mamma, denn der Tumor war teigig,
die Haut von natürlicher Farbe und das Gewicht verhältnismässig geringer,
als der Umfang. Torri führte die Amputation aus und fand in dem Tumor
eine ausserordentliche VermehruDg des Fetts, stellenweis dicht oder weich
und ölig; er diagnostizierte den Tumor für ein Lipom.
Beob. 12. H. Thomson, Preternatural enlargement in a
man; eunuchs and ther peculiarities. Lancet, London, 1837.
T. I, p. 356.
Ein Mann von 40 Jahren fiel bei einem Kampf auf die Brust. Nach
einigen Wochen schwollen seine Brüste an wie die einer Frau mit
— 143 —
einer Areole und einem bläulichen Venennetz. Zugleich wurde der rechte
Hode fast ganz atrophisch, der linke nahm um die Hälfte ah und der Mann
yerlor den Geschlechtstrieb.
In derselben Sitzung der Westminster-Gesellschaft (1837) berichtete
Bergess, einem Manne seien infolge Einnehmens einer grossen Menge
von Jod die Hoden atrophisch geworden und die Brüste stark ange-
schwollen.
Beob. 13. Knaff, Ein Fall von Gynäkomastie. Med. Jahrb. des
kais. kön! österr. Staates. Wien, 1840. T. XXI, p. 198.
Wir kennen die Einzelheiten nicht.
Beob. U. Holtrop, Schmidts Jahrb. d. ges. Med. Bd. XXXI,
p. 56, 1840.
Ein Grenadier von 19 Jaliren hatte syphilitische Geschwüre gehabt,
und begann an leichten epileptischen Anfällen zu leiden, dann klagte er
über Schmerz in den Hoden. Bei der Untersuchung fand man die Hoden
atrophisch, und zugleich die Brüste so stark entwickelt, dass sie denen
einer Frau glichen.
Beob. 15. J. F. Albers, Correspdbl. rhein. und westf. Ärzte.
1843, No. 13.
Der Verf. sah einen Burschen von 15—17 Jahren mit entzündlicher
Schwellung der Brustdrüsen mit chronischem Verlauf, die sich periodisch
wiederholte. Der Verf. nannte diese Affektion „mastitus pubescentium
virilis".
Beob. 16. Hiller, Hypertrophie der Mammae, neben erb-
lichem Brustcirrhus der weiblichen Glieder derselben
Familie. Preuss. Vereinszeit. 1844, No. 43. — Schmidts Jahrb. 1845,
Bd. 45, p. 320. — B. Schuchardt, Über Vergrösserung der männl.
Brüste. — Langenbecks Arch. Bd. 31, p. 76.
Ein Jüngling von 17 Jahren, Sohn einer an Brustkrebs gestorbenen
Mutter und NefEe von Tanten, mit schmerzhaften, verdächtigen Knoten in
den Brüsten, zeigt kachektisches Aussehen mit erdfarbiger Haut und ver-
grösserten Brüsten. In der Fettkapsel bemerkte man den Drüsenkörper mit
dem grössten Durchmesser von 1^/4 Zoll.
Beob. 17. John Gorham, Gase of extraordinary development
of the mammae of the human adult. London med. Gaz., Vol. II,
London, 1846, July. — W. J. Gorringe, Verletzung des Rückens mit
darauffolgender Vergrösserung der Brüste und Schwinden
der Hoden. Provinc. med. and surg. journ., T. III, p. 18, 1846. —
B. Schuchardt, Über die Vergrösserung der männlichen Brüste.
Langenbecks Arch. Bd. 31. Berlin, 1884, p. 73, 74.
Ein gut gebauter Fischer fiel während des Militärdienstes und ver-
wundete sich am Rücken. G 0 r h a m erzählt eingehend die Art des Falles
und die Polgen, die den Soldaten ganz zum Dienst unfähig machten.
Gor ringe sah dann den Kranken im J. 1840 und fand die Brüste sehr
gross und den rechten Hoden fast verschwunden, während der linke von
halber Grösse war ; der Kranke hatte die Erektion und den Geschlechtstrieb
— 144 —
verloren. Der Umfang der Brust betrug 14 Zoll, der Querdurclimesser 7 Zoll,
die Höhe 6 Zoll.
Beob. 18. Beau, Developpement feminin des seins chez un
jeune hemme. Gaz. des hopit. 1849, No. 140, p. 568.
Jüngling von 16 Jahren mit gleichraässig vergrösserten Brüsten. Breite
6 cm, Höhe 5 cm, Struktur lobulär. Die Warze ragte wenig vor und
sonderte keine Milch ab. Wechselnde Stiche ohne Ursache in den Brüsten,
die bisweilen nach Berührung entstanden. Die Geschlechtsteile waren ohne
Anomalien.
Beob. 19. Gailiet, Sur deus cas de coincidence de deve-
loppement anormal de la mamelle chez l'homme avec une
tumeur de l'epididyme. Comptes rend. de la soc. de biol. Fevr 1850. —
— Gaz. med. de Paris, 1850, Ser. 3, p. 351. Mai 4, No. 65.
Wahrscheinlich handelte es sich um Krebs, sowohl am Nebenhoden,
als an der Mamma.
Beob. 20. C. Weber, Normwidrige Entwickelung beider
Brustdrüsen bei einem Manne. Zeitschr. der d. chirurg. Ver.
Magdeburg, 1852, T. V, p. 336.
Ein Bombardier von sehr hoher Gestalt verliess das Soldatenleben im
Alter von 18 Jahren. Zwischen dem 21. und 22. Jahre nahmen seine Brüste
an Grösse zu, so dass sie Weiberbrüsten ähnlich wurden. Er hatte die
Stimme eines Kastraten, wenig entwickelte Hoden und einen sehr kleinen
Penis, so dass er zum Coitus wahrscheinlich unfähig war.
Beob. 21. C. Langer, Über den Bau und die Entwickelung
der Milchdrüse bei beiden Geschlechtern. Denkschr. der k.
Ak. der Wiss. Bd. III (mathem.-naturw. Klass). Zweite Abt., p. 25 u. 36,
Taf. VII, Fig. 16—29. Wien, 1852.
Anatomische Beschreibung mit Theorie über die Gynäkomastie.
Beob. 22. J. A. Laworie, Gase of acute hypertrophy ofthe,
mammae in an adult. Glasgow med. journ. 1853 — 54. Tom. I,
p. 20—24. Einzelheiten unbekannt.
Beob. 23. Cruveilhier, Traite de i'anatomie descriptive.
3me edit. Paris, 1854, T. III, p. 730, Note 1.
Im J. 1850 sah Verf. einen Mann von 25 Jahren, bei dem im Alter
von 21 Jahren sich die rechte Mamma vergrösserte, und 4 Jahre lang so
schmerzhaft wurde, dass der Kranke Exstirpation verlangte.
Beob. 24. P. F. Eve, Hypertrophy ofthe male mammae
removed. NashviUe journ. of med. sc. 1854. T. VII, p. 454.
Beob. 25. J. Hoffmann, ZurPathologie der männlichenBrust-
drüsen. Inaug.-Diss. Giessen, 1855.
Einem Burschen von 16 — 17 Jahren schwoll in kurzen Zwischenräumen
die linke Mamma an, die Warze richtete sich auf, sezernierte aber nicht,
mit gut pigmentierter Areola; bei Druck war sie schmerzhaft. Sie war
voll harter Knoten. Wenn man ein Purgans gab, oder eine Pollution ein-
trat, verschwand die Geschwulst. Auch nach mehreren Jahren, als der
Tumor verschwunden war, konnte man einen bohnengrossen Körper fühlen;
auf der rechten Seite fühlte man keinen Körper.
— 145 —
Beob. 26. Nelaton, Hyi^ertrophie doulourense de la glande
mammaire chez iin homme. Gaz. des hopit. Paris, 1856. T. XXIX,
p. 126. — Elements de pathologie cMrurgicale. Paris, 1857. T. IV.
Verf. fand die Gynäkomastie in Verbindung mit Hypospadiasis und
Atrophie der Geschlechtsteile. Er sah auch Fälle ohne diese Alteration.
Beob. 27. Bertherand, Des tumeurs du sein chez l'homme.
Gaz. med. de Paris, 1857. No. 14.
Ein Bursche von 16 Jahren, Onanist, mit übergrossen Geschlechts-
teilen. Die Brüste hatten sich seit 4 Jahren vergrössert, ohne stark ent-
wickeltes Fettgewebe.
Beob. 28. Petrequin, Anatomie topographique chirurgicale.
Paris, 1843, p. 231, l^e edit. 1857, 2me gdit.
Verf. sah in Pavia einen Mann von 48 Jahren, dessen Brüste herab-
hingen, wie lange Flaschen, wie bei den Weibern der Hottentotten.
Beob. 29. i. M. Klob, Zeitschr. der k. k. Gesellsch. der Ärzte
in Wien. 1858, No. 52.
Verf. beschreibt den Fall eines Mannes von 34 Jahren, der auf der
linken Schulter, und zwar auf dem Deltamuskel einen kegelförmigen Tumor
hatte, ähnlich einer im Panniculus adiposus begrabenen Brustwarze. Das
Drüsengewebe der Brüste war von der Grösse einer Linse.
Beob. 30. Durham, Peculiarities of the genitalorgans, and
extraordinär y development of the mammae in a male sub-
ject. Transact. of pathol. soc. London, 1859 — 60. T. XI, p. 163.
Ein Mann von 25 Jahren hatte das Aussehen eines Kindes. Der Penis
war kurz und klein (Verf. spricht nicht vom Scrotum) mit normalen Hoden
und deutlichen Nebenhoden.
Beob. 31. N. N., Gynecomasia in a young boy. Med. Times
and Gaz. London, 1860.
Knabe von 13 Jahren, ziemlich kräftig, der seit 6 Monaten in der
rechten Mamma einen faustgrossen, schmerzlosen, beweglichen Tumor hatte ;
dieser wurde für eine Hypertrophie der Drüse erklärt, worin man die Läpp-
chen unterscheiden konnte.
Beob. 32. E. Godard, Sur l'appareil .seminal de l'homme.
Paris, 1860, p. 66.
Ein kräftiger Jüngling wurde im J. 1840 unter die Jäger von Orleans
aufgenommen. Im J. 1843 wurde er syphilitisch, und 1844 bekam er eine
doppelte syphilitische Orchitis, die bei der gewöhnlichen äusseren und inneren
Behandlung nicht nur verschwand, sondern auch Atrophie der Hoden nach
sich zog, die 1846 von Bohnengrösse waren. Ferner verlor der Kranke die
Erektionen und Samenentleerungen, und der Penis kehrte zu der Grösse
des Glieds eines 7 jährigen Kindes zurück. Zugleich nahmen seine Körper-
formen weiblichen Charakter an. (Verf. spricht nicht ausdrücklich von Ver-
grösserung der Brüste.)
Beob. 33. D. C. Peters, Hypertrophy of the mämmar glands
in a soldier. Amer. med. Times. New York, 1863, T. VI, p. 96.
Taruffi, Hermaphrodisnms. 10
— 146 —
Ein Soldat hatte nur auf einer Seite Gynäkomastie. Er war ein kräf-
tiger Mann. Schuchardt, der diesen Fall citiert, sagt weiter nichts.
Beob. 34. W. Gruber, Gynäkomastie mit Hypospadie und
geteiltem Scrotum. Mem. de FAc. imp. des sc. de St. Petersbourg.
Ser. 7, T. X, No. 10, Nota 3, 1866. (Siehe Taruffi, Storia. T. VII, p. 265.
Beobachtung ohne Nummer.)
Ein Rekrut von 18 Jahren, hatte grosse, volle , bewegliche Brüste.
Der Penis war atrophisch, mit einer kurzen Urethralrinne am Rücken. Am
Mons Veneris fühlte man die Symphysis pubis, aus ligamentösem Gewebe
gebildet. Das Scrotum war in zwei Hälften geteilt, die das Aussehen der
weiblichen Labia majora hatten, und jede enthielt einen deutlichen, beweg-
lichen Hoden. Übrigens war das Individuum wohl gebildet.
Beob. 35. Foot, Remarks on Gynecomasia. Dublin journ. of
med. sc. May 1866, p. 451.
Knabe von 14 Jahren mit Hypertrophie der linken Mamma, aber ohne
Entwickelungshemmung der Geschlechtsteile und ohne Feminismus.
Beob. 36. Coutagne, Hypertrophie de la mammelle droite
d'origine traumatique. Gaz. med. de Lyon, 1867, No. 5.
Bei einem 10 jährigen Knaben war 3 Monate nachdem er einen Faust-
schlag auf die rechte Brustwarze erhalten hatte, die Mamma angeschwollen,
so dass sie der eines erwachsenen Mädchens glich. Mann fühlte einige
Drüsenläppchen im Zustande regelmässiger Hyperplasie und die Brustwarze
war etwas schmerzhaft.
Beob. 37. T. Briant, Gases of disposesinthe breast of a
male. Lancet, 9 Febr. 1868.
Hypertrophie (bilaterale) der Mamma mit Entzündung und stechenden
Schmerzen.
Beob. 38. Fr. Paventa, Giern, della R. Acc. di Torino, 1869,
Ser. 3, Vol. VIII, p. 310.
Eine Frau von 26 Jahren gebar bei ihrer zweiten Niederkunft einen
Knaben mit stark entwickelten Brüsten, von der Grösse einer halben Orange.
Man fühlte die Drüsenmasse, die bei Druck einige Tropfen einer weisslichen,
serösen Flüssigkeit entleerte, mit allen Eigenschaften der Milch. Auch die
Brustwarze war stark entwickelt.
Beob. 39. Laugier, M. Monorchidie. Hypertrophiemammaire.
— A. Le Dentu, Des anomalies du testicule. Paris, 1869, p. 102.
Ein Kommissionär von kräftigem Körperbau, 26 Jahre alt, stellte sich
vor. Seine linke Mamma war nach und nach sehr gross und etwas schmerz-
haft geworden. Sie war in allen Stücken der einer Frau ähnlich; wenn
man die Warze zusammendrückte, entleerten sich einige Tropfen seröser
Flüssigkeit. Der Mann war monorchid auf derselben Seite, weil der Hode
nicht herabgestiegen war.
Beob. 40. P. D. Handuside, Edinburgh. Quadruple mammae oc-
curring in two adult brothers. Journ of anat. and physiol.
Nov. 1870.
— 147 —
Verf. bringt die Geschichte einer Familie mit 5 Kindern, von denen
zwei Gynäkomasten und Polymasten waren.
Beob. 41. Labbe, Gaz. des hopit. 1870, No. 12, p. 46.
Die rechte Mamma hatte einen angeborenen Tumor, der im Alter von
5 Jahren die Grösse eines Hühnereis erreicht hatte, umschrieben und re-
sistent in der Gegend der Brustwarze. Im 12. Jahre fing er an, langsam
zu wachsen und eine gelbe Flüssigkeit in regelmässigen Zwischenräumen ab-
zusondern (von 15 Tagen bis zu einem Monat). Als er 22 Jahre alt war,
hatte die Mamma eine Grösse erreicht, wie gewöhnlich bei einer Frau, ohne
Veränderung. Die Geschlechtsteile waren im Alter von 15 Jahren regel-
mässig entwickelt, und verhalten sich auch jetzt normal.
Beob. 42. Leiserink (Hamburg), Über die Entzündung der
Mammae bei jungen Männern. Deutsche Zeitschr. für Chirurg. 1874,
Bd. IV, p. 19.
Ein kräftiger Bursche von 14 Jahren, von gesundem Vorleben, wurde
von Schmerzen an den Brüsten ergriffen, die in platte Scheiben verwandelt
waren, mit heisser, sehr empfindlicher Haut. Später schwollen die Achsel-
drüsen an. Es trat leichtes Fieber ein mit Verlust des Appetits, das zur
Bettruhe zwang. Nach 5 Tagen verschwand das Fieber mit Besserung an
den Brüsten. Aber nach 8 Tagen kehrte das Fieber zurück, worauf
wieder eine Pause folgte, und diese Intermittenzen wiederholten sich mehrere
Male ohne bedeutende Veränderung. Zuletzt verhinderte die vollständige
Entwickelung des Körpers (so zu sagen) neue Anfälle.
Beob. 43. Morgan, Gase of abnormal development of the
right breast in a Seaman at the age of puberty. Lancet,
Lo^idon, 1875, Vol. II, p. 767.
Ein Matrose mit rechtsseitiger Gynäkomastie seit der Pubertät.
Beob. 44. S. H Scheiber (Bukarest), Einige angeborene Ano-
malien, beobachtet im p athol. Instit. zuBukarest. Med. Jahrb.
von S. Steriker, Wien, 1875, p. 261, No. 7. Mit zwei Abbild.
Ein Mann von 45 Jahren hatte hypertrophische Brustdrüsen und starb
an einer Blutung. Er hatte gut gebildete Geschlechtsteile, und die Brüste,
von verschiedener Grösse, waren nicht symmetrisch gestellt.
Beob. 45. Albert Puech, Les m am m eil es et leurs anomalies.
Paris, 1876, p. 162.
Ein Jüngling von 16 Jahren litt an schmerzhafter Mastitis der rechten
Seite mit Anschwellung. Nach einem Monat begann auch die linke Drüse
anzuschwellen, und trotz der angewendeten Mittel erreichten nach zwei
Jahren beide Mammae dieselbe Grösse, wie die eines gleich alten Weibes.
Beob. 46. L. Lerebouillet, Contributionäl'etudedesatrophies
testiculair e s et des hypertrophies mammaires ohservees ä
la suite de certaines orchites. (Gynecomastie feminine.) Gaz.
hebdom. 1877, No. 34, p. 533.
1. Hypertrophie der rechten Mamma, ohne Anomalie der Geschlechts-
organe, aufgetreten im. Alter von 23 Jahren.
10*
— 148 —
2. Eia 22 jähriger Soldat, gut gebaut und kräftig, litt seit 4 Monaten
an Mumps, der in 4 Tagen verschwand. Darauf erschien doppelte Orchitis,
die den Umfang der Hoden verdreifachte. Diese begannen nach 30 Tagen
atrophisch zu werden und wurden so klein, wie Bohnen. Dagegen fingen
die Brüste an zu schwellen, und bald nachher fühlte man in ihnen eine
Drüse mit hypertrophischen Lappen und sah ein subcutanes Venennetz. Der
Bart fehlte. Aber der Penis blieb normal, während der Geschlechtstrieb
sich verlor.
Beob. 47. Wl. L. Jagot (Angers), Developpement considerable
des glandesmammaires, coincidant avecl'atrophiedutesti-
cule gauche. Gaz. hebdom. de med. et de chir. Paris, 14 Sept. 1877, No. 31.
Die Beobachtung wird von Laurent angeführt, Les bisexues, p. 88.
Ein Mann von 28 Jahren, dessen rechter Hode im Alter von 23 Jahren
ins Scrotum herabstieg, während der linke immer von der Grösse einer
Olive war. Er hatte an Blennorrhagie gelitten.
Beob. 48. Krieg, Ein Fall von Gynäkomastie. Württemb. med.
Korrespondenzblatt. 1877. Bd. 47, p. 75.
Einseitige Hypertrophie, mit soliden Milchgängen an der Peripherie.
Die varicösen Enden der Acini fehlten.
Beob. 49. Lambert, These. Gaz. hebd. de med. et de chir.
14. Sept. 1877.
Ein Mann von 28 Jalu'en, Arbeiter in einer Giesserei, mit männlichem
Habitus, breiter Brust, voluminösen Brustdrüsen, die in horizontaler Lage
5 cm von der Brust vorstanden, und deren Drüsen-Acini fühlbar waren.
Das Scrotum enthielt beide Hoden ; der rechte war normal und im
Alter von 23 Jahren herabgestiegen, der linke von der Grösse einer kleinen
Olive, glatt und hart. Er war niemals grösser gewesen, wie der Kranke
sagte ; Nebenhode und Samenstrang waren wohlgebildet ; die Erektion er-
folgte regelmässig.
Beob. 50. Ch. Liegeois, Atrophie testiculaire, feminisme.
Gaz. hebd. de med. et de chir. Paris, 21. Sept. 1877, No. 38, p. 605.
Ein kräftiger Soldat von 25 Jahren, 1,64 m hoch, litt an bedeutender
Atrophie der Hoden. Er litt niemals an Mumps, noch an Orchitis. Der
Penis war normal, aber die Hoden waren von Erbsengrösse, ohne Eja-
kulationen, doch fand Erektion statt. Der Pubes war behaart und leichter
Bart bedeckte Kinn und Oberlippe. Die Brüste waren wie die eines Weibes,
also hart und fest mit bräunlicher Areole und grosser Warze.
Beob. 51. Leon, Hypertrophie traumatique du sein chez
l'homme. Arch. de med. navale. Paris, 1879. T. 33, p. 213.
Beob. 52. Pulido y Fernandes, Lactamia paterna y gineco-
mastia. Indip. med. Barcelona, 1879—1880. Vol. VI, p. 305, Vol. VII,
p. 12.
Nicht untersuchte Beobachtung.
Beob. 53. Ettore Olphan, Sur la gynecomastie. These, Paris,
1880, p. 53, Beob. 3.
— 149 —
Ein Bursche von 17 Jahren, Hutmacher, gut entwickelt, hatte Brüste
von der Grösse der Orangen, vom Thorax durch eine Furche abgegrenzt,
in denen man die Acini der Drüse fühlte. Diese Hypertrophie hatte sich
in 8 Monaten entwickelt.
Beide Hoden waren ins Scrotum herahgestiegen ; der rechte war
grösser als gewöhnlich, der linke sehr klein, der Nebenhode aber nicht im
Verhältnis atrophisch. Der Penis war von gewöhnlicher Grösse. Der
Kranke hatte lebhaften Geschlechtstrieb.
Beob. 54. Schmit, Deux cas de gynecomastie, developpes
Sans cause appreciable. Kecueil de Mem. de med. milit. etc. Paris,
1881. Ser. 3, T. XXXVIT, p. 690-92.
Beob. 55. Przewoski, Gynaecomastia. Gaz. Cekarska, No. 4, 5.
Poln. Jahresb. für 1881. Bd. I, p. 282.
Bilaterale Gynäkomastie mit Feminismus, ohne Behaarung, bei einem
Tagelöhner von 23 Jahren.
Beob. 56. Antigono Raggi, Dirett. del Manie, di Voghera. Aber-
razioni del sentimento sessuale in un maniaco ginecomaste.
Ann. univ. di med. e chir. Vol. 259. Milano, 1882, p. 289.
Ein 25 jähriger Mann aus Jesi wurde 1875 ins Irrenhaus von Bologna
gebracht. Es waren keine Angaben über sein früheres Leben vorhanden.
Er war maniakalisch und hatte die Halluzination, er sei ein Weib, weil er
stark vergrösserte Brüste hatte, aus denen Milch tröpfelte. Im Jahre 1876
fing er an, sich zu bessern, der Gedanke, dass er ein Weib sei, wurde
weniger hartnäckig, indem die Milchsekretion abnahm und zuletzt ver-
schwanden beide Dinge.
Der Verf. bemerkt, dass die Geschlechtsteile keine Anomalie zeigten,
und das Individuum keinen Erregungen an den Geschlechtsteilen unter-
worfen war.
Beob. 57. Aug. Paulicky, Über kongenitale Missbildungen.
Zeitschr. etc. München, 1882, p. 222. — Schuchardt, Langenbecks
Ar eh. Bd. 31, p. 82. 1884.
Zwei Rekruten mit Gynäkomastie, ohne Fehler an den Geschlechts-
teilen, wurden vom Dienste befreit.
Beob. 58. A. Wagner, Ein Fall von Gynäkomastie (dextri
lateris). Virchows Arch. Bd. 101, p. 385. Berün, 1885. Mit
Taf. VII.
Bei einem 21jährigen Töpfer begann im Alter von 16 Jahren die
rechte Mammargegend bedeutend anzuschwellen, schmerzte bei Berührung,
und man schrieb dies dem Druck zu, den dieser Teil von dem Stricke erlitt,
mit dem der Bursch bei seinem Geschäft einen Wagen zog.
Der Thorax war rechts breiter als links, die Mamma hatte weibliches
Aussehen angenommen; sie war an der Basis 12 cm breit. Nach dem Ge-
fühl zu urteilen, enthielt sie echtes Drüsengewebe. Die Areole hatte einen
Durchmesser von 3,5 cm und die Warze war gut entwickelt. Links da-
gegen bewahrte die Mamma den männlichen Charakter, die Areole hatte
2,5 cm Durchmesser, und die Warze war weniger entwickelt. Es fehlten
— 150 -
Anomalien oder andere Affektionen des Hodens, Skrofulöse, sowie Anzeichen
des sogenannten Feminismus der Kastraten.
Beob. 59. Sam. Pozzi (Paris), Note sur deux cas de pseudo-
hermaplirodisme. Mem. soc. de biol. Paris, 1885, p. 24.
Ein Individuum von männlichem Habitus, den Weibern zugeneigt, war
als Weib gekleidet. Es hatte eine Vulva mit grossen und kleinen Scham-
lippen; Zeichen von Menstruation fehlten. Ausserdem hatte es zwei
eiförmige Körper in den grossen Schamlippen und nächtliche Pollutionen,
in denen man keine Spermatozoon fand. Sein Penis war 5 cm lang, hatte
ein Präputium und vollkommene Hypospadie. Der Meatus urinarius war
in der Spalte der Vulva verborgen, durch welche man zu einem kleinen
halbmondförmigen Hymen gelangte. Man fand weder Vagina, noch Uterus,
noch Ovarien.
Beob. 60. Magnan, Gynecomaste debile, qui presente des
acces delirantes. Arch. d6 neurol. Mai 1888, T. IIT, p. 416.
Ein Mann von 30 Jahren hatte von Kindheit an Krämpfe, studierte
die schönen Künste, und wurde ein erträglicher Porzellanmaler ; aber zugleich
wurde er reizbar, unsicher in seinen Bewegungen, mit Halluzinationen
und mit Verfolgungswahn. Bei der Untersuchung im J. 1885 fand man
bedeutende Atrophie der Hoden, kleinen Penis mit grosser Glans. Seine
Brustdrüsen waren von der Grösse einer Mandarine, die Warze klein. Der
Larynx ragte wenig vor, die Stimme war weiblich, die Behaarung blond.
Beob. 61. Charvot, Mumps. Semaine med. Paris, 18 Mars 1891.
Ein junger Soldat bekam nach Mumps eine doppelte Orchitis. Seine
Hoden wurden atrophisch und schwanden bis zur Bohnengrösse. Er verlor
den Geschlechtstrieb und wurde impotent. Bald fingen die Brüste an zu
schwellen und erreichten die Grösse einer Orange, mit bläulicher Entwicke-
lung der Areole.
Beob. 62. S. Ssawitzky, Ein Fall von stark entwickelten
Brustdrüsenbei einem Manne. (Gynäkomastie). Wratch., 1893, No 48.
(Russisch).
Beob. 63. H. Schaumann, Beitrag zur Kenntnis der Gynäko-
mastie. Würzburger Verhandl. 1894. Bd. XXVIII, p. 1. — Jahresber. für
1894. Bd. I, p. 438 (3).
Jüngling von 19 Jahren mit Hypospadiasis, Hoden im Leistenkanal
und weiblichem Habitus. Der Verf. hat viele Beispiele gesammelt und glaubt
nicht, man könne die drüsige Struktur einer normalen Mamma von der einer
gynäkomastischen unterscheiden.
Beob. 64. Eug. Israel, Zwei Fälle von Hypertrophie der
männlichen Brustdrüse. Berlin, 1894. Diss. inaug. Jahresber. für
1894. Bd. I, p. 438 (2).
Der Verf. beschreibt die gynäkomastischen Brüste zweier Jünglinge,
die Bergmann operiert hatte, und findet das Bindegewebe stark, das
Drüsengewebe massig vermehrt. Er bemerkt , dass für ähnliche Fälle
wenige mikroskopische Beobachtungen vorliegen.
— 151 —
Beob. 65. Em. Laurent, Les bisexues. Paris, 1894, p. 29.
Ein 21 jähriger Vagabund, an Gefängnisse gewöhnt, mit dem Aussehen
eines 16 jährigen Burschen, hatte weibliche Formen, kleinen Kopf, massige
Grösse, und einige Haare an der Oberlippe. Seine Haut war weiss und
zart, viel mehr als die der Männer desselben Alters, mit feiner Stimme, wie
die eines 13jährigen Mädchens. Sowohl die erste, als die zweite Zahnung
traten verspätet ein. Der Penis war kurz, die Hoden klein, der Cremaster
kontraktil, mit häufigen Erektionen. Die Brüste endlich hatten die Grösse
von Orangen und waren entwickelt wie bei einem 15jährigen Mädchen.
Beob. 66. Em. Laurent, Les bisexues. Paris, 1894, p. 78. Mit
Tafel.
Ein junger Mann von 25 Jahren, der niemals krank gewesen war, miss-
brauchte den Alkohol. Er hatte keinen Bart, weisse zarte Haut, wie die
eines Weibes, sanfte Stimme, war 1,5 m gross. Im Alter von 12—13 Jahren
begannen seine Brüste zu schwellen, und wuchsen so, dass sie in seinem
15. Jahre fast die Grösse des Kopfes eines Fötus erreichten. Durchscheinend
zeigten sie ein bläuliches Venennetz. Man fühlte eine drüsige Masse von
der Grösse einer Orange. Der Penis war kurz (2 cm). Unter dem Penis
befanden sich zwei Falten, welche die Labia majora der Vulva in rudimen-
tärem Zustande vortäuschten. Die Hoden waren so gross wie Sperlingseier.
Die Onanie lieferte jetzt kein Sperma. Der Mann versicherte, er voll-
ziehe den Coitus einmal wöchentlich. Keine Neigung zur Geschlechts-
umkehrung.
Beob. 67. Gius. Natalucci, Un caso di ginecomastia. Opusculo
in 8 0. Civitanova — Marche, 1899.
Ein Holzhacker von 24 Jahren, 1,64 m hoch, mit wenig entwickeltem
Haarwuchs, sehr kleinen Hoden, kaum von Erbsengrösse. Obgleich er der
Masturbation ergeben ist, hat er keine Ejakulation von Samen. Seine Brüste
sind stark entwickelt und zeigen folgende Maasse :
rechts links
Durchmesser an der Basis cm 9 8
Höhe auf der Brustwarze „ 5 4^/2
Umfang „ 24 22
Note 4. Fälle von Znsammeiiliang zwischen der Cereliro-
spinal-Achse und den Hoden, gesammelt von Curling.
Beob. 1. Baron Larrey, Mem. de chir. milit. Paris, 1812, p. 262.
Ein Soldat wurde durch eine Kugel verwundet, welche die Protuberantia
occipitalis inferior streifte. Nach der Heilung wurden die Hoden atrophisch,
der Penis zog sich zurück und wurde inaktiv.
Derselbe Autor erzählt, dass ein Säbelhieb einem kräftigen Manne den
ganzen konvexen, vorspringenden Teil des Hinterhaupts abtrennte und die
Dura mater entblösste. Dieser Mann verlor Gesicht und Gehör auf der
— 152 —
lechten Seite, und nach 15 Tagen hatten sich seine Hoden bedeutend ver-
kleinert, ja der linke war nur noch bohnengross.
Beob. 2. C. Lallemand, (Montpellier), Des pertes seminales
involontaires. Paris, 1836, Vol. II, p. 41.
Ein Mann von 30 Jahren hatte einen Säbelhieb in den Nacken erhalten,
und infolge davon versehwand bei ihm der Geschlechtstrieb ganz, die Erek-
tionen hörten auf und die Hoden wurden atrophisch.
Beob. 3. Th. Curling, Practical treatise on the diseases of
the testis, etc. London, 1843—55. Trad. fran§. Paris, 1857, p. 78.
Beob. 4. Curling, 1. c. p. 78.
Ein Mann von 30 Jahren, schon seit 2 Jahren gelähmt wegen einer
Wunde im mittleren Teüe der Dorsalgegend, hatte gesunde Hoden, (der eine
wog 8 Gramm, der andere einige Centigramm weniger), die aber keine
Spermatozoen enthielten.
Beob. 5. Curling, 1. c. p. 73.
Ein 59 jähriger Mann, Vater vieler Kinder, im Dienste der Königin
von Spanien, fiel beim Überspringen eines Grabens nach rückwärts, wobei
er sich am Hinterteile des Kopfes verletzte, und erhielt ausserdem einen
Säbelhieb auf die Stirn. Nach 2^2 Jahren kehrte er geheilt nach England
zurück, verlor aber seine Männlichkeit. Der rechte Hode war atrophisch
geworden von Bohnengrösse, und der linke hatte sich ebenfalls verkleinert.
Der Schädel erschien am Hinterkopfe etwas abgeplattet, und am Thorax
waren zwei Weiberbrüste entstanden.
Zweiter Teil.
Der klinische Hermaphrodismus.
Äusserer Pseudo-Hermaphrodismus.
Zweiter Abschnitt.
Iiivirilismus (Tirago).
Kapitel I. Anordnung.
Unter dem Worte Virilismus verstehen wir die angeborene
Entwickelung eines oder mehrerer Teile eines Weibes mit
physischen oder funktionellen Eigenschaften, die denen des
Mannes ähnlich sind. Die physischen Charaktere erkennt man
gewöhnlich an dem Äusseren des Körpers, während man die
Abhängigkeit der funktionellen von den Nervencentren aus der
Beobachtung schliesst, indem die auf verschiedene Weise mit-
einander in Verbindung stehenden mechanischen, nervösen oder
psychologischen Handlungen bedeutend an Energie zugenommen
haben. Weiber mit solchen Entwickelungsanomalien sind nicht
besonders selten, und wurden früher mit verschiedenen Namen
bezeichnet, wie Heroinen, Pittrici, Weise (sapienti), Amazonen,
Viragines und Tribaden.
Da jedoch diese Ausdrücke weder einen bestimmten oder
konstanten Sinn haben, noch alle Formen des physischen In-
virilismus, noch alle Fälle der dynamischen Erscheinungen um-
fassen, hat man besser für die klinischen Verhältnisse geeignete
Namen gesucht, die aber im allgemeinen die Bedürfnisse der
Wissenschaft nicht befriedigen. Doch zur Unterstützung der
Nosologie war es nötig, sich an gewisse Eigenschaften der
— 154 —
Anomalien zu halten, und auf diese "Weise ist es gelungen,
zwei Typen des Invirilismus zu unterscheiden: den einen, der
sich auf physische und anatomische Veränderungen eines Teils
bezieht, und den andern, bei dem die äussere Form nicht ver-
ändert ist, sondern nur die Funktion eines oder mehrerer Teile,
die von noch unbestimmten Nervencentren abhängen.
Diese beiden Typen lassen sich ihrerseits wieder in mehrere
Arten trennen. So gehört zu dem ersten Typus zunächst eine
Art, bei der die Form und der Bau des vermänulichten Organs
im wesentlichen erhalten ist, aber nicht die Eichtung und Aus-
dehnung einiger Linien desselben, so dass die G-estalt wenig
verändert ist. Beispiele dieser Art werden oft durch mehr
oder weniger übertriebene Abänderungen geliefert, welche die
äusseren Organe zeigen. Die zweite Art begreift die Fälle, in
denen die Form wenig verändert ist, wohl aber der Bau der
Weichteile, denn die Cutis ist alteriert, oder das subcutane
Gewebe ist infiltriert, bald mit sarkomatösen Fettzellen, bald
mit Lymphnetzen, so dass Hypertrophie des Teils entsteht, die
man gewöhnlich Elephantiasis nennt. Diese Art findet man
besonders an den Gliedern, und wenn sie noch im Anfang ist,
kann man sie auch Pseudo-Invirilismus nennen. Nun bleibt
noch die Betrachtung des dritten Typus übrig, der Fälle um-
fasst, die man als psychopathische Erscheinungen betrachten
kann, und die ein besonderes Kapitel erfordern; so gross ist
ihre Verschiedenheit von dem ersten Typus.
Zwischen der ersten und zweiten Art des ersten Typus
des Invirilismus findet sich oft ein ätiologischer Unterschied,
denn wenn nur eine Alteration der Form des Organs vorliegt,
ist diese oft erblich; ja in Fällen, wo dies nicht zutrifft, hat
Darwin 1) latente Charaktere der Voreltern angenommen, die
nach mehreren Generationen wieder erschienen sind. Wir ver-
schieben unser Urteil über diese Hypothese auf eine passende
Gelegenheit und führen hier zunächst eine andere theoretische
Ansicht über die Analogien der ersten Art an (Veränderungen
der Form des Organs), die im Widerspruch zu dem Geschlechts-
1) eil. Darwin , De la Variation des animaux, etc. Paris, 1868. T. II,
53.
— 155 —
Charakter der Person stehen. Denn wenn wir die Fälle be-
trachten, in denen das Auftreten männlicher Eigenschaften bei
einem Weibe stattfindet, sehen wir eine ähnliche Verbindung
entstehen, wie die bei Pseudo-Hermaphrodismus eintretende,
die die Annahme erlaubt, dass der schon aus der Embryologie i)
bekannte Vorgang demjenigen ähnlicli ist, der heutzutage für den
echten Hermaphrodismus angenommen wird.
Solche Angaben machen Jedoch nicht die Grrundlagen einer
Monographie aus; man muss vielmehr vorher die Charaktere
des Invirilismus feststellen, dann wird man diese neue Art des
Hermaphrodisiims rechtfertigen können. Aber hier müssen wir
bemerken, dass noch kein Kliniker sich mit diesem Gegen-
stande beschäftigt hat, vielleicht weil er zu keinem Zweige der
Medizin gehört, und nur wenige Anatomen haben die Körper-
form behandelt, die bei unserem Gegenstande in Betracht
kommt. Von diesen verdient nur der berühmte Wrisberg^),
Anatom in Göttingen, Erwähnung, der im Jahre 1806 den von
den Lateinern angenommenen Ausdruck wieder zu Ehren ge-
bracht hat. Das Erstaunlichste ist, dass er schon damals diese
Anomalie zu der Gruppe der Hermaphroditen stellte, und als
eine analoge, aber dem feministischen Habitus entgegengesetzte
Erscheinung betrachtete s). Er entnahm diese Bezeichnung aus
sechs Beobachtungen, die er aber nicht beschrieb, sondern in
zehn Schlüsse fasste, von denen jedoch einer die anatomische
Beschreibung enthält.
Die von Wrisberg aufgestellten allgemeinen Charaktere
sind:
1. Hohe, schlanke Gestalt, Hals und Glieder lang.
2. Haut oft weiss und glänzend, aber etwas hart und ge-
spannt, Augen matt, Gesicht mehr traurig als heiter, Iris und
Haare meist dunkel und massig lang; auch der Bart ist ziem-
^) J. Kollmanu, Lehrbuch der Entwicklungsgeschickte des Menschen.
Jena, 1898, p. 414. Fig. 245. — C. A. Eevelli, Perche si nasce maschi
0 femmine? Bullet, delle sc. med. Bologna. Bologna, 1900, agosto, p. 773.
^) H. A. Wrisberg, Commentatio de singulari genitalium deformitate
in puero hermaphrodito, etc. Göttingae , 1806 , cum tabula. — Commen-
tationum medici argumenti etc. Ibid. 1800, p. 504.
^) C. Taruffi, Infemminismo. Mem. della E. Acc. delle sc. del istit.
di Bologna. T. VIII, p. 415 e 444. Nota II.
— 156 —
lieh deutlich und wird im reifen Alter so dicht, dass er oft
geschoren werden muss.
3. Stimme tief, männlich, tönend und stark.
4. Geneigtheit zum Nachdenken und zur Spekulation, nicht
zum Schwatzen, geschwätzige Weiber werden geflohen.
5. Widerwillen, bisweilen Hass gegen weibliche Beschäfti-
gungen, bis zur Abneigung, darüber zu sprechen. Viragines
weisen mit Abscheu obscöne Eeden, weibliche Spiele, Unter-
haltungen über Geschlechts- und Liebesverhältnisse, über
Schwangerschaft, Geburt u. s. w. zurück.
6. Brüste klein, dünn, platt, von einander entfernt auf
dem M. pectoralis stehend. Clitoris meist verlängert und vor-
ragend.
7. Die Beschreibung des Falles, in dem die Sektion ge-
macht wurde, folgt unten.
8. Die Menstruation fehlt gewöhnlich. Wenn die Be-
schwerden der Plethora uterina überwunden sind, fliesst das
Blut sparsam und unregelmässig. Dagegen Neigung zu Fluor
albus, zu Kachexie und Phthisis, so dass diese Frauen selten
ein hohes Alter erreichen.
9. Unfruchtbarkeit häufig. Wenn die Frauen Kinder haben,
sind sie selten fähig, sie zu säugen, weil ihre Brüste klein sind.
Sie verschmähen die ehelichen Freuden und verwerfen den
Coitusi).
10. Ausser den Menstruations- Störungen sind sie auch
Fehlern der Geschlechtsteile und Verdauungskrankheiten unter-
worfen.
Die bei No. 7 angekündigte anatomische Untersuchung ist
folgende:
Wrisberg erzählt: eine Frau von 40 Jahren, die niemals
verheiratet war und an Phthisis nervosa starb, war niemals
regelmässig menstruiert. Bei der Sektion (die Körpergrösse
wird nicht erwähnt) fand er den Uterus so klein, dass er kaum
dem eines 10jährigen Kindes gleich kam, mit kleiner Höhle,
1) Wrisberg, (1. c.) sagt (p. 542: lubentius conjugium recusant et
coitum respuunt. — Meckel (s. unten) übersetzt . . . Abneigung gegen
Beischlaf und keinen weiblichen Geschlechtstrieb und Stimme.
- 157 —
aber von regelmässiger Gestalt. Die Ligamenta rotimda zeigten
sehr dichte Muskelfasern. Die fallopischen Trompeten waren
klein und eng, die Ovarien sehr klein; man konnte in
ihnen nur wenige und kleine Graafsche Bläschen erkennen,
und die benachbarten Teile waren klein und zart. Die Gegen-
wart des kindlichen Uterus wäre ein sehr wichtiger Charakter,
zur Erklärung einiger Eigenschaften, die oft den Invirilismus
begleiten.
Diese Charaktere wurden mit geringer Veränderung und
ohne Kritik von J. F. Meckeli) im Jahre 1816 angenommen
und angeführt, und verdienen um so mehr anerkannt zu werden,
als Wrisberg nicht nur die physischen Haupteigenschaften der
Viragines aufgezählt, sondern auch ihre unterscheidenden mora-
lischen Eigentümlichkeiten, sowohl die positiven, als die nega-
tiven, angeführt hat. Trotzdem hat der angeführte Autor das
Unrecht begangen, nicht darauf aufmerksam zu machen, dass
sein Symptomenbild viele Ausnahmen erfährt, wie die psychisch-
geschlechtlichen Störungen, und dass es einiger Zusätze und
Einschränkungen in Bezug auf die Gruppierung der angegebe-
nen Charaktere benötigt. Aber niemand hat daran gedacht,
dieses Bild zu verbessern, ausser Krafft-Ebing, der die Vira-
gines mit sexueller Perversion hinzufügte (wovon wir später
sprechen werden) und Meige im Jahre 18952), der eine
Varietät der erblichen Entartungen unter dem Namen Infanti-
lismus einführte. Dabei sprach er auch (oberflächlich) von
Invirilismus, ohne Wrisberg zu erwähnen.
Die Charaktere, die wir den Viragines Wrisbergs hinzu-
fügen wollen (mit den geschlechtlichen Psychopathien werden
wir uns später beschäftigen), müssen den Fällen entnommen
werden, in denen die Änderungen der Gestalt, der Grösse, auf
einen äusseren Teil des Organismus beschränkt ist, ohne dass
wesentliche anatomische, und noch weniger funktionelle Alte-
rationen hinzukommen, sondern nur solche, die sich auf die
Ästhetik des Teils beziehen, z. B. in den Organen des Gesichts
^) J. F. Meckel, Handbucli der patliologischen Anatomie. Leipzig,
1816, Bd. II, 201.
2) H. Meige, L'infantilisme etc. — L'Anthropologie etc. Paris, 1895.
T. XIV, No. 3, p. 536.
— 158 -
(Fälle, die gewöhnlich mit dem Namen „Elephantiasis" be-
zeichnet werden). Die Beispiele dieser Art findet man in den
Abhandlungen über Teratologie, Chirurgie, oder besser in den
Monographien über Krankheiten der Nase, der Ohren, des Kinns
u. s. w. Wir bemerken jedoch, dass wir bei vieljährigen Unter-
suchungen über die Anomalien kein Beispiel beim Weibe ge-
funden haben, so dass wir dadurch weiterer Untersuchungen
hierüber überhoben sind.
Mit noch mehr Grund können wir es unterlassen, eine
zweite Gruppe von Charakteren zu sammeln, nämlich Beispiele
von Hypertrophie der äusseren Organe mit Aussehen von In-
virilismus, während das Gewebe dem einer Neubildung ähnlich
ist, besonders wenn mehr oder weniger hervorstehende Knoten
oder Tumoren vorhanden sind, welche die Natur der Neubildung
verraten. Diese zweite Art des Invirilismus, die oft Vorläuferin
der Elephantiasis, des Lipoms i), oder des Sarkoms ist, kann
man besser, wie wir oben sagten, als Pseudo-lnvirilismus betrach-
ten, der zu Lebzeiten des Individuums nicht immer leicht zu diag-
nostizieren ist. So haben wir ein Fräulein von ungefähr 18 Jahren
gekannt, deren rechter Arm mit der Hand seit mehreren Jahren so
stark verdickt war, dass er den Umfang des linken Vorderarms im
Mittel um ungefähr 1 cm übertraf. Die Haut des rechten Arms
war übrigens weiss, blass, und halb durchscheinend, mit ge-
schwollenem, nachgiebigem Unterhautgewebe; die Funktion des
Gliedes und der Finger war nicht gestört.
Diese Art der Hypertrophie ist nicht so selten, wie die
vorhergehende, und kommt auch beim Manne vor, bei dem sie
verschiedene Namen erhalten hat, je nach dem Sitz und der
Natur der Neubildung, so dass man, wenn man die Namen
^) Wir haben in unser Museum im J. 1882 folgendes Beispiel einer
lipomatösen Hypertrophie aufgenommen: Gius. E,uggi, angeborene Hyper-
trophie der 3 ersten Zehen des linken Fusses, mit Lipomatose des Innern
Teils des Fusses. Exartikulation der drei hypertrophischen Zehen. Heilung.
Bellet, delle sc. med. Bologna, 1882. Ser. VI, vol. IX. — Die Lipomatose
machte nicht nur den Fuss hypertrophisch, sondern zeigte auch äusserlich
drei den beiden grösseren Zehen entsprechende Tumoren und hing inner-
lich an den Sehnen dieser Zehen fest. Die amputierten Teile wurden dem
Prof. Taruffi zugeschickt, um in seinem pathologisch-anatomischen Museum
aufgestellt zu werden.
- 159 —
kennt, leicht in den Abhandlungen die Haupt -Beispiele findet,
so die Fälle von Verlängerung des Kinns (cranio-progenio), die
bald Wirkung angeborener, bisweilen ererbter Zustände, bald
erworbener Krankheiten ist. Um die aufgezählten Charaktere
klarer zu stellen, fügen wir hinzu, dass die sowohl dem
Invirilismus , als den Viragines im Sinne Wrisbergs zuge-
hörigen bald vereinzelt, bald vielfach sind, und in beiden Fällen
einen der Zustände (termini) des Pseudo-Hermaphrodismus aus-
machen können; aber es ist auch zu bemerken, dass nicht alle
einfachen oder neoplastischen Hypertrophien den genannten
Terminus darstellen, denn nicht alle einfachen Hypertrophien
täuschen den Infantilismus vor, und dasselbe lässt sich von den
neoplastischen Hypertrophien sagen.
Um die Anordnung zn stände zu bringen, war es nötig,
alle Stellen zu bestimmen, an denen der Invirilismus auftreten
kann, aber es genügt, die Teile anzudeuten, an denen er vor-
kommt. Fonssagrivesi) bemerkte, dass die Anatomen die
Unterschiede zwischen Mann und Weib in den sekundären
Teilen des Körpers nicht anzugeben pflegten, ihre Beschreibungen
auf die Geschlechtsorgane beschränkten und den Anthropologen
gewisse Unterschiede im Skelett überliessen. Wenn es der
Mühe wert wäre, alle Fälle aufzuzählen, in denen ein oder
mehrere sekundäre Teile die des Mannes nachahmen, müssten
wir in eine Menge von Einzelheiten eingehen, die an den all-
gemeinen Charakteren des Invirilismus nichts ändern. Daher
können wir sie übergehen.
Kapitel II. Weibliche Makrosomie.
Der erste von Wrisberg bei den Viragines aufgestellte
Charakter war die hohe Statur, die wir Makrosomie nennen
wollen, wie in einigen anderen Fällen 2), und wir freuen uns,
gerade von ihr beim Invirilismus sprechen zu müssen, nicht
nur weil sie ein auffallender Charakter ist, sondern auch weil
man noch Unterschiede machen muss je nach den Fällen, die
^) J. B. F. Fonssagrives (Prof. in Montpellier), Education physique
des jeunes Alles. Montpellier. Paris, 1869.
2) C. Taruffi, Della macrosomia. Ann. univ. di med. e chir. Müano,
1879, Aprile. Vol. 247, p. 339.
— 160 —
übrigens einander sehr, nahe stehen, d. h. zu ähnlichen, aber
dem Grad nach wesentlich verschiedenen Erscheinungen ge-
hören (s. Note 1, Beob. 1, 2, 3).
Bei Betrachtung der gesammelten Beobachtungen stossen
wir sogleich auf zwei sehr bemerkenswerte Beispiele von
Körpergrösse, was nicht über die Häufigkeit dieser Erscheinung
täuschen darf, denn zunächst haben wir alle Beobachtungen
von mittlerer Wichtigkeit übergangen; denn diese, da sie ohne
Vergleich die häufigsten sind, stören die Illusion.
Diese beiden Beispiele sind zwei Schwestern von reifem
Alter, Grundbesitzerinnen, und durch ihr riesiges Aussehen
bekannt. Die Grössere misst 1,78 m, die Kleinere 1,75 m.
Beide waren immer unverheiratet und zeigten niemals Neigung
weder zur Ehe, noch zum Umgang mit Kindern, und am
wenigsten zum Weibergeschwätz. Ihre Eltern waren von hoher
Statur, und sie hatten nur einen Bruder, der noch grösser war
als sie, was jedoch, im Verhältnis seines Geschlechts zu dem
der Frauen, durchaus proportioniert war.
Alle drei Geschwister beschäftigten sich mit Vorliebe mit
Ackerbau und mit der persönlichen Behandlung der Zugpferde,
welche die Schwestern allein leiteten; ihre Kleider waren mit
männlichen untermischt, ihre Gesundheit immer vorzüglich. Es
ist bemerkenswert, dass sie stets ein so zurückhaltendes Be-
tragen beobachteten, dass ihre Ärzte niemals erfahren konnten,
wie es mit ihren Geschlechtsbeziehungen stehe, ausgenommen,
dass man erfuhr, bei der grösseren Schwester habe die Men-
struation im Alter von 49 Jahren aufgehört, wobei sie
immer, was am auffallendsten ist, die weibliche Stimme be-
hielt.
Ausser diesen beiden Fällen kennen wir eine Dame, die,
gesund und kräftig, das Alter von 81 Jahren erreichte. Sie
ist 183 cm hoch, 18 cm mehr als das mittlere Maximum der
Bologneser Frauen (1870). Von Jugend auf war sie eine ge-
schickte Reiterin und Liebhaberin von ermüdenden körperlichen
Spielen. Ihr Gesicht ist länglich, das Aussehen männlich, die
Gestalt schlank, ausser Verhältnis zur Grösse, ohne die Eleganz
des weiblichen Habitus. Ihre Menstruation war regelmässig
und hörte im Alter von 36 Jahren auf. Sie war Mutter eines
Sohnes von hoher, aber nicht riesenhafter Gestalt, der nicht
— 161 —
lange lebte. Diese Dame fühlte keinen Widerwillen* gegen das
männliche Geschlecht, wie es hei einigen Viragines vorge-
kommen ist. Dieser Fall ist jedoch unvollständig; ihm fehlen die
Hauptcharaktere des In viril ismus, und wir können ihn als ein
Beispiel von Macrosomia gracilis betrachten, die auch bei
Männern nachgewiesen ist. Später werden wir das Verfahren
erklären, durch welches wir das „gewöhnliche Maximum" der
Frauen festgestellt haben.
Aus der Beschreibung der ersten beiden Frauen überzeugt
man sich leicht, dass sie ein schönes Beispiel des riesigen
weiblichen Invirilismus darstellen, das zur Makrosomie gehört ;
aber eine so glückliche Gelegenheit hat sich nicht zum zweiten
Mal gefunden, denn seit 1880 fanden wir nur eine 181 cm hohe
25 jährige Bologneserin, die kein Zeichen einer Yirago darbot i).
Wir fügen dagegen einen vierten Fall hinzu (s. Note 1,
Beob. 3), bei dem die Körpergrösse eioen schwer zu lösenden
Zweifel erregt, nämlich, ob er das nötige Maximum erreicht, um
den Charakter des Invirilismus zu begründen. Dieser FaU be-
trifft ebenfalls eine unverheiratete Landbesitzerin aus der Um-
gegend von Bologna.
Sie hat niemals Kinder gehabt, obgleich sie früher der Ehe
zugeneigt war. Ihre Höhe beträgt 168 cm. Kopf, Thorax und
Becken sind gut entwickelt und im Verhältnis zu einander, aber
der Busen ist vorstehend. Sie ist von schlanker Gestalt und
die unteren Glieder sind sehr dünn. Aber was das wichtigste
ist, sie hat einen Bart im Gesicht, auf der Oberlippe, am
Sternum und in den Achselhöhlen, und rasiert das Gesicht
sorgfältig. Die Behaarung fehlt am Schamberg, doch sind die
äusseren Geschlechtsteile regelmässig, Haare und Augen sind
schwarz und der Hals ist so dick, dass man den Larynx kaum
sehen kann; dennoch ist die Stimme männlich.
Sie hat sich immer trefflicher Gesundheit erfreut und ein
nüchternes, regelmässiges Leben geführt; ihr Charakter ist
heiter und ihre Intelligenz ungewöhnlich.
Ehe wir ein Mittel aufsuchen, um wenigstens vorläufig
eine Grenze für die Körpergrösse festzustellen, die den Inviri-
lismus charakterisiert, dürfen wir nicht verschweigen, dass FäUe
1) Taruffi, Storia della teratologia, T. V, p. 363.
Taruffi, Hermaphrodismus. 11
— 162 —
mit wichtigen Kennzeichen der sogenannten Viragines vor-
kommen, bei denen die Körpergrösse zweifelhaft ist, wie im
vorigen Falle. Dieser Zweifel verschwindet auch in den Augen
des Volkes, wenn dieser Charakter negativ ist. Wir kennen
eine unverheiratete Dame von ungefähr 50 Jahren, die niemals
Neigung zur Ehe gezeigt hat und niemals krank war. Sie ist
152 cm hoch, also steht ihre Grösse dem Minimum der mittleren
Höhe des Weibes nahe. Von der Pubertät an zeigte sie schwarze
Haare auf der Oberlippe, die später einen wirklichen Schnurr-
bart bildeten, so dass sie der Schicklichkeit wegen jede Woche
abrasiert werden mussten. Ihre Konstitution ist kräftig, die
Glieder sind gut entwickelt und ihre Stimme steht zwischen
dem Klang der beiden Geschlechter. Sie ist sehr thätig bei
Besorgung der häuslichen Geschäfte und bei der Leitung einer
zahlreichen Familie, die sie nach dem Tode ihrer Mutter sehr
geschickt regiert hat. Letztere war grösser als ihre Tochter
und immer ganz gesund, während der Mann etwas zart, 164 cm
hoch war, mit schwarzen Haaren und ziemlich jung starb.
Bei derselben Dame finden sich ausserdem einige be-
merkenswerte ätiologische Umstände. Sie hat niemals Schwe-
stern gehabt, sondern fünf Brüder, von denen die beiden
älteren von mittlerer Grösse sind und nichts besonderes auf-
weisen. Die drei jüngeren sind kleiner als das arithmetische
Mittel der Bologneser (nämlich 169 cm; sind also um 17 cm
grösser als die Schwester), sie messen zwischen 163 und
164 cm. Die beiden jüngsten zeigen dieselbe Konstitution
wie ihre Schwester; sie haben einen sehr üppigen schwarzen
Bart und schwarze Haare. Sie wetteifern mit der Schwester
an Thätigkeit und leben einträchtig in der Familie.
Aus der Geschichte dieser unverheirateten Frau können
wir, auch ohne andere ähnliche Beispiele anzuführen, nützliche
Lehren ziehen. Vor allem, dass eine Frau einen Bart im Ge-
sicht, kräftige Glieder mit einer Muskelthätigkeit, wie sie
Männern eigen ist, Abneigung gegen die Ehe und geistige
Fähigkeit zeigen, und doch eine zahlreiche Familie geschickt
leiten kann, obgleich ihre Grösse geringer ist als das arithmetische
Mittel der Frauen von Bologna (1549 mm). Man kann also in
diesem Falle nicht von Makrosomie sprechen, sondern muss
die absolute, allgemeine Wichtigkeit derselben verwerfen, doch
— 163 —
bleiben noch die anderen, von Wrisberg angegebenen Haupt-
charaktere der Viragines übrig. Die zweite Lehre besteht
darin, dass diese Frau in Bezug auf die Grösse ein Beispiel
von naher, wenn auch nur teilweiser Vererbung darbietet, denn
sie hatte nur einen kleinen Vater mit schwarzen Haaren, und
die drei jüngeren Brüder waren für ihr Greschlecht ebenfalls
klein (5 cm unter dem arithmetischen Mittel), ohne von anderen
Eigenschaften von geringerer Wichtigkeit zu sprechen. So
kann auch die direkte Vererbung merkliche Unterschiede
zwischen den Brüdern aufweisen, und es können Charaktere
der Virago ohne Makrosomie vorkommen.
Wenn man die Makrosomie bei Frauen feststellen will, die
zum Invirilismus gehören, muss man zur persönlichen Anthro-
pometrie seine Zuflucht nehmen, also zu der Körpergrösse einer
grösseren Zahl derselben, um sie mit der gewöhnlichen Statur
anderer Weiber derselben Gegend zu vergleichen. Leider
kennen wir die Grösse der invirilierten nicht, und noch weniger
die derjenigen, die es nicht sind. Unter diesen giebt es jedoch
eine Ausnahme, denn 60 Frauen von Bologna wurden im Jahre
1881 von meinem früheren Assistenten Dr. Peli gemessen.
Aus diesen Messungen entnehmen wir, dass die mittlere arith-
metische Grösse 1549 mm beträgt i) und nur selten die des
Mannes erreicht. Wir übergehen hier die ausnahmsweisen
Maximalgrössen, die sich am häufigsten bei krankhaften Kon-
stitutionen finden, und von denen wir ein Beispiel bei der 183 cm
grossen Frau angeführt haben.
Wenn wir die im allgemeinen über den Gigantismus ge-
machten Studien betrachten, können wir wahrnehmen, dass der-
^) Gius. Peli, Delle misure del corpo nei bolognesi etc. — Mem.
della E. Accad. delle sc. del istit. di Bologna, 1881. Ser. 4, T. II, p. 421.
— Taruffi, Storia della Teratologia, Bologna, 1880. T. V, p. 363, 364
e 434. — Wir haben in der Vergangenheit die physiologische Grösse der
anthropologisch bekannten Völker in drei Gruppen geteilt: kleinste, mittlere
und grösste. Die kleinste Statur, die der Buschmänner, schwankt zwischen
1350 und 1400 mm. Die unter diesem Mass stehenden haben wir Zwerge
oder Mikrosomen genannt. Die mittlere Grösse der Weiber wurde von
Dr. Peli an 60 Frauenleichen gemessen; daraus folgt, dass die beiden
äussersten Zahlen 1445 und 1670 mm betragen , das Mittel also 1549, das
Maximum 1670. Man muss also in Bologna über 1670 mm grosse Weiber
als riesig betrachten, während sie um 276 mm kleiner sind, als das Maximum
der Männer (1946 mm).
11*
— 164 —
selbe niclit einen gleicMörmigen Typus mit gleichen Zuständen
und gleichen Gelegenheitsursachen darstellt, und darum wurden
schon einige besonders deutliche Varietäten unterschieden, z. B.
die athletische, die schlanke Makrosomie, die Akromegalie mit
Degeneration der Glandula pituitaria, etc. Neuerlich haben die
Geburtshelfer beobachtet, dass die meisten sterilen Frauen von
hoher oder junonischer Gestalt sind, während die mittelgrossen
oft erstaunliche Fruchtbarkeit zeigen i). In Bezug auf die inviri-
lierten Weiber können wir schliessen, dass auch die bei ihnen
vorkommende Makrosomie ihre Varietäten hat, sowohl in Bezug
auf den Grad und die Qualität, als auf die Übereinstimmung
ihrer Attribute, und wir schliessen besonders die schlanke Ma-
krosomie aus, die bei Frauen mit dem Aussehen von Viragines
häufig vorkommt. . Aber wir wiederholen es, dass es an Beob-
achtungen fehlt, um einen numerischen Vergleich zwischen
jenen Graden anzustellen. Aus den an den Bologneser Frauen
genommenen Massen können wir schliessen, dass die 168 cm
hohe Frau (Note 1, Beob. 3) über dem arithmetischen Mittel
steht, aber das Maximum nicht erreicht.
Kapitel III. Einfache Hypertrichosis bei dem Weibe.
Man hat immer gewusst, dass Frauen im Alter bisweilen
Haare an der Oberlippe und am Kinn zeigen, und auch Aristo-
teles erwähnt es, indem er bemerkt, dass dies mit dem Auf-
hören der Menstruation eintritt^). Diese Erscheinung ist jedoch
zu gewöhnlich und unschädlich und beeinträchtigt nur die
weibliche Schönheit, so dass wenige Ärzte sich damit beschäftigt
haben. Nur vereinzelte Geschichtschreiber und die Chronisten
haben einige merkwürdige Fälle erwähnt, die von Licetus^)
und Aldrovandi (Note 2, Beob. 2) gesammelt worden sind.
Während der Eenaissance haben einige Arzte weitere Beob-
achtungen von behaarten Weibern veröffentlicht, die an Einzel-
heiten und ätiologischen Untersuchungen sehr arm und von
späteren Autoren bis zu unserer Zeit wiederholt worden sind
^) Prof. G. E. Curatulo und Dr. L. Tarulli. La secrezione interna
delle ovaie. Eom, 1896, p. 69.
^) Aristoteles, Historia animalium, L. III, Cp. 11, lin. 35. Interpr.
Theod. Gaza.
^) Fortun. Licetus, De Monstris. Amstelodami, 1665. Cap. 45.
— 165 —
(Stricker, v. Siebold [Note 2, Beob. 35] und F. Rotlie)i),
ohne jedoch eine Zahl anzugeben, die auf die wahrscheinliche
Häufigkeit der Hypertrichose oder auf die sie begünstigenden
Umstände zu schliessen erlaubte.
Häufigkeit. Von den von den Bibliophilen angeführten
Fällen ist es uns gelungen, nur 56 zusammenzustellen, die von
einigen Nachrichten begleitet sind (ohne die von uns zufällig
angetroffenen zu zählen); aber nicht alle befriedigen die Be-
dürfnisse der Wissenschaft. Zum Beispiel wäre es von nicht
geringer Wichtigkeit, die Häufigkeit der Fälle von angeborener
Hypertrichose zu kennen, ferner der zwischen dem Erscheinen
und Verschwinden der Menstruation aufgetretenen, und endlich
das Alter der Weiber zu erfahren, bei denen Hypertrichose be-
standen hat. Ebenso wichtig ist die Kenntnis der früheren,
gleichzeitigen und sekundären Zustände des Haarwuchses. Wir
können diese Fragen wegen Mangelhaftigkeit der Dokumente
nicht genügend beantworten. Wir können ähnliche Fälle von
pathologischem Ursprung von den teratologischen absondern,
welche Frauen beleidigen, die Viragines, von uns invirilitische
und neuerdings von Brandt arrhenoide genannt worden sind^).
Dieser Ausdruck ist für Tiere vorzuziehen, denn er bedeutet
einem Manne „ähnlich", aber schliesst die Idee der Frau
nicht ein.
Einer dieser pathologischen Ausschläge ist der Naevus
pilosus, denn hier handelt es sich nicht bloss um behaarte
Flecken, sondern um eine Hautkrankheit, die durch dunkle
Pigmentierung, Hypoplasie der Gefässhäute und des Chorions,
bisweilen in warziger Form charakterisiert wird. Diese Flecken
sind bald vereinzelt und ziemlich gross, bald mehr oder weniger
klein, meist zahlreich, über den Rumpf und die Beine zerstreut.
Sie finden sich sowohl bei dem Weibe, als beim Manne. Wir
haben hier das seltene Beispiel eines Naevus am Arm eines
Mannes angeführt (Note 2, Beob. 7) und ein anderes, sehr
seltenes, im Gesicht, das wir im Museum aufbewahren (Präp.
^) F. Eothe, Untersuchungen über die Behaarung der Frauen. Diss.
Berün, 1894.
2) A. Brandt, (Prof. in Charkow), Ueber die Arrhenoidie in ihrer
Beziehung zum Herrn aphrodismus. Zeitschr. für wiss. Zool. 1896, Bd. 48,
p. 175.
— 166 —
No. 1545). Diese wenigen anatomischen Beispiele genügen, um
die Hanptunterschiede zwischen der teratologischeu Hypcr-
trichosis und den Muttermalen zu kennzeichnen, letztere wer-
den von den Dermatologen mit Recht als Hypertrophien des
Pigments betrachtet. Daher streichen wir aus der Zahl der
ersteren diese Flecken, die zu den Naevi pilosi gehören (Beob.
15, 18, 25, 34, 37)1), obgleich sie von grosser klinischer Wichtig-
keit sind, indem Frauen kurz nach der Hochzeit zur Scheidung
genötigt worden sind.
Eine andere Gruppe von Fällen von Hypertrichose wird
charakterisiert durch ein haariges Chioma an einer Stelle, die
man heterotopisch nennen kann im Vergleich mit dem normalen
Sitze der Haare, nämlich in der Sacro-Lumbargegend, und dies
findet sich bei beiden Geschlechtern. Diese Missbildung ist mit
Recht Spina bifida occulta genannt worden (Cripto-mero-schisi
Taruffi)2), Sie ist von Virchow im Jahre 1875 und von
Rizzoli im Jahre 1877 s) ausführlich beschrieben, der sie deut-
lich darstellte, und dann von anderen geschildert worden. Im
Jahre 1891 fügten wir den zwölf in der Litteratur gesammelten
einen neuen Fall hinzu, und von da an waren wir überzeugt,
dass die Hypertrichose in diesem Falle eine zusammengesetzte
Erscheinung ist, die wohl sekundär auf Spina bifida folgt, und
rechneten sie nicht zu der einfachen Hypertrichose, denn diese
pflegt bei Männern nicht ausserhalb der Gegenden vorzukommen,
die für die Haare bestimmt sind. Daher konnte man, wie
Realdo Colombo bemerkt, keine Behaarung an der Fusssohle
und an der Handfläche sehen (Note 2, Beob. 2) und ebenso-
wenig in der Lumbo-Sakralgegend.
Nachdem wir die Zahl unserer Beobachtungen auf 51 be-
schränkt haben, können wir versichern, dass diese in vier Jahr-
hunderten zusammengebrachte Zahl keine richtige Vorstellung
von der Häuflgkeit der einfachen Hypertrichose giebt, denn es
^) H. Hildebrand, Ueber abnorme Haarbildung bei Menschen. Schriften
d. phys.-ökon. Ges. Jahrg. XIX. Kgsb., 1877. M. 2 Abb.
2) C. Taruffi, Storia della teratologia, T. VI, p. 244. — Spina
bifida occulta. Bologna, 1891.
^) Fr. Eizzoli, Tumore idro-rachidiano congenito alla regione lom-
bare a guisa di coda formata da una lunga chioma, curato e guarito. Bollet.
delle sc. mediche. Bologna, 1877. Vol. XXIII, p. 401. Con figura.
— 167 —
genügt zu sagen, dass neuerlicli ein einziger Spezialist mit
Elektrolyse 110 Kranke an diesem Übel behandelt hati). Aus
unseren 51 FäUen können wir jedoch durch Analogie entnehmen,
welche Lebensalter am meisten von der Affektion betroffen
wurden ; sie erlauben nämlich, wenn nicht das wirkliche Alter,
so doch jenes festzustellen, in dem deri^rzt das Hautleiden unter-
sucht hat, und auf diese Weise wenigstens die Fälle zu unter-
scheiden, die vor oder nach der Menstruation, und auch
nach dem Ende der Menstruation vorgekommen sind.
Diese Methode ist das Mittel, das uns erlaubt, ein Re-
sultat zu erhalten, sobald wir die von den Physiologen an-
gegebenen Data annehmen, nämlich das mittlere iVlter des
Eintritts der Menstruation zwischen dem 14. und 16. Jahre,
und ihre Dauer von 30 Jahren, also bis zum 45. Jahre (Zawer-
thal)2). Wir wissen wohl, dass sie in manchen Fällen früher
oder später eintritt, als in diesem mittleren Alter. Es genügt
hier an den Fall von Lesser zu erinnern, betreffend ein Kind
von 3 Jahren mit allgemeiner Hj^pertrichose, reifen Geschlechts-
teilen und ziemlich entwickelten Brüsteu (Note 2, Beob. 48).
Die über die Dauer der Menstruation gegebenen Mittel-
zahlen stimmen nicht mit den bei anderen europäischen Frauen
gefundenen überein; wir erwähnen hier die von Winckel^) bei
deutschen Frauen erhaltenen Zahlen. Er sagt, die Menstruation
beginne im Mittel mit 15 Jahren und höre im Alter von
48 Jahren auf, dauere also 33 Jahre. Er erwähnt auch, dass
L. Mayer in seiner Statistik angiebt, wenn bei den deutschen
Frauen die Menstruation verfrüht eintrete, sie länger dauere,
als wenn sie später erscheint; er stellt folgende Proportion auf:
33 : 6 = 27 : 3 Jahren. Aber wie auch die Endpunkte liegen,
es giebt überall drei Perioden: eine anti-menstruale, eine inter-
menstruale und eine post-menstruale : die der Menopause.
Wenn wir die in unserer Note 2 angeführten Fälle be-
trachten, finden wir 16 Fälle vor der Menstruation, die wieder
^) L. Brorq, Cent-dix malades atteints d'Hypertrichosis , traites par
l'electrolyse. Ann. de dermatol. 1897. No. 8, 9.
2) Zawerthal, Enciclopedia medica italiana. Art. Mestruazione.
MUano, Aprile 1863, p. 583.
^) Win ekel, (Prof. in. Münclien) , Lehrbuch der Frauenkrankheiten.
Leipzig, 1886, p. 547.
— 168 —
unterschieden werden können in drei Fälle bei Neugeborenen
(Beob. 13, 20, 22), in vier von 2 bis 3 Jahren (Beob. 18, 39,
48, 51), in sechs von 6 bis 13 Jahren (Beob. 7, 8, 26, 27, 40,
42 und 44) und endlich drei Fälle, bei denen sich das Alter
nicht bestimmen lässt (Beob. 10, 13, 16). "Wenn man nun
fragt, ob unsere erste Gruppe von anti-menstrualer Hyper-
trichose auch für angeboren gelten könne, antworten wir, dass
wir es zum Teil annehmen können, da wir schon drei Beob-
achtungen angeführt haben. Erstlich ist die Sache niemals
bezweifelt worden; schon im Jahre 1557 hat Lycosthenes^)
einen ähnlichen Fall berichtet, der dann von den Chronisten
des 16. u. 17. Jahrhunderts 2) wiederholt wird. Unter diesen hat es
nicht an solchen gefehlt, die ohne deutlichen Grund die Er-
zählung der Thatsache abgeändert haben. Bei den anderen 13
Fällen ist der genannte Ursprung nur virtuell, denn man weiss, dass
die Haarkeime im dritten Monate des embryonalen Lebens in
der Haut erscheinen, und dass man an seinem Ende einen
leichten Flaum und einen talgartigen Überzug erkennt, und dass
die Haarwurzeln später auswachsen können. So erklärt es sich,
dass die Hypertrichose sich bisweilen vor der Menstruation,
bisweilen später entwickeln kann, und dass das Wachstum auch
erblich sein kann. Beispiele wurden angeführt von Aldro-
vandi, Gatta, Beigel und Ecker (Beob. 3, 15, 25, 36).
Wenn das Wachstum der Haare bei dem Weibe Hyper-
trichose hervorbringt (und ebenso bei dem Manne), findet sie
bald auf diffuse, bald auf umschriebene Weise statt. Es ist
1) Conr. Lycosthenes, Rubeaquensis , Chronicon prodigiorum ac
Ostentoriim, Basileae , 1557, p. 445. Der Autor sagt: „In Martini qnarti
Papae pontificatu es illustri quadam foemina pontificis necessaria, natus est
puer villosus et in speciem nrsi nnguiculis armatus, quo monstrifico partu
permotus pontifex omnes ursorum imagines, quae forte in ejus domo fuerunt,
jussit deleri, manifesto argumento receptae ab ea imaginationis in conceptu".
Vgl. Welsenburg, Das Versehen der Frauen. Leipz., 1899, p. 24. —
Die Lanugo der Neugeborenen ist bekannt genug und wird auch bei Tieren
angenommen.
2) Licetus Fortunatus, De monstris. Patavii, 1634, p. 149. —
Er führte Lycosthenes an unter dem Namen Rubeaquensis, seiner Vater-
stadt. Der Fall ist wahrscheinlich derselbe, den Turner anführt (Note 2,
Beob. 13), bei dem der Name und die Verwandtschaft des Papstes ganz
falsch angegeben sind.
— 169 —
kein Zweifel, dass das diffuse Wachstum im allgemeinen bei
Kindern vorkommt, also in der vormenstrualen Periode, und
dies lässt vermuten, dass die Neubildung der Haarscheide eine
Folge der Umbildung' des fötalen Flaums ist. In der späteren
Periode beobachtet man dagegen gewöhnlich das umschriebene
Wachstum, und als Ausnahme kennen wir nur den Fall von
Realdo Colombo, der einen ganz mit Haaren bedeckten
Spanier sah, mit Ausnahme des Gesichts und der Hände, und
den von Velsch von einem Mädchen, das ausser dem Körper
auch das Gesicht mit blonden Haaren bedeckt zeigte.
Wenn wir nun zu der post-menstrualen Hypertrichose
kommen, so ist diese meistens umschrieben und vorzüglich auf
das Gesicht beschränkt, von dem sie sich bisweilen auf das
Sternum (Beob. 4, 6, 53), selten auf die Arme (Beob. 38, 43),
auf den Eücken (Beob. 31) und endlich auf die Geschlechts-
teile mit Hypertrophie derselben ausbreitet (Beob. 19, 49). Das
Gesicht ist also die Anfangsstelle, wo das Wachstum bisweilen
die grösste Verbreitung zeigt, so dass es ganz mit langen,
rauhen Haaren bedeckt erscheint, wie der Kopf eines Affen
oder Hundes (Beob. 28, 29). Dies hat Gelegenheit zu einem
trefflichen Werkchen gegeben, mit dem Ecker im Jahre 1878
Theodor v. Siebold zu seinem Doktorjubiläum beglückwünschte,
worin treue Abbildungen der auffallendsten Typen von be-
haarten Männern und Weibern dargestellt sindi).
Eine nicht unwichtige Frage betrifft das Verhältnis zwischen
Hypertrichose und Menstruation, obgleich die Dokumente zahl-
reich sind. Wir haben schon gesehen, dass die Hypertrichose
häufig vor der Pubertät vorkommt, also wenn die Menstruation
bei dem Weibe weder angefangen, noch vollständig ist, und
daraus geschlossen, dass ein gleiches Wachstum sich auch nach der
Menstruation fortsetzt; hier bemerken wir, dass es als seltene
Ausnahme auch während der Amenorrhoe auftreten kann,
also wenn die Menses nach der Pubertät nicht erscheinen
(Beob. 12, 16, 29, 53). Dagegen kann die periodische Blutung
durch vielerlei Ursachen unterdrückt werden. Eine erste Be-
obachtung wurde von Zacchia im Jahre 1661 bei einer 30jähr-
^) A. Ecker, Über abnorme Behaarung des Menschen. 22. April
1878, Brannschweig.
- 170 —
igen Frau angeführt (Beob. 6)^ und wahrscheinlich wird mau
in der These von Burlin (1. c.) viele andere ähnliche Beispiele
finden. Endlich wirft die Häufigkeit der Hypertrichose bei
älteren Weibern die Frage auf, ob die schon eingetretene
Amenorrhoe eine gleichzeitige, durch das Alter bewirkte Er-
scheinung ist, oder die Ursache des Haarwachstums. Wir
glauben nicht, dass sie die Ursache des Wachstums ist, son-
dern nur eine Begleiterscheinung zu dem konstitutionellen Zu-
stande einiger Frauen, bei denen der venöse Kreislauf lang-
samer wird, während die Haarbälge, die keine Rückbildung
erfahren haben, weiter wachsen können.
Wenn man die Litteratur ausführlicher und gründlicher
durchsucht, als wir es thun konnten, wird man ohne Zweifel
Fälle finden, bei denen dem Auftreten der Hypertrichose Um-
stände vorhergingen, oder mit ihr gleichzeitig erschienen, die
von der Menstruation unabhängig waren. Wir aber kennen nur
drei seltsame, für jetzt unerklärliche Fälle. Der eine ist von
Turner (Beob. 23), der eine Frau sich in 3 Wochen mit
weichem Flaum bedecken sah, während sie an Brustkrebs litt.
Der zweite Fall rührt von Brand her (Beob. 52) und betrifft
eine Ehefrau, die nach einer Geburt zwei Monate lang an Metro-
Peritonitis krank lag. Unterdessen begannen auf dem Ab-
domen Haare zu erscheinen, die sich bis auf die Glieder ver-
breiteten. Später hatte sie einen Abortus, und darauf folgte
Sterilität. Der dritte Fall wurde von Zerubin beschrieben;
er ist ebenso dunkel wie die vorigen und wird besser seine
Stelle finden, wenn wir von der Elephantiasis der Clitoris
sprechen. Über den Fall von Brand ist zu bemerken, dass er
seine Beobachtung überschrieben hat: „Eine Virago", was nach
dem Verf. dasselbe bedeutet, wie „ein Weib ohne andere Eigen-
tümlichkeit als Hypertrichose". Aber wir bemerken, dass dieser
Charakter allein eine sehr unvollkommene Idee von einer Virago
giebt, derWrisberg, wie wir gezeigt haben, 10 Charaktere
zuschrieb; man könnte sie also höchstens eine Pseudo-Virago
nennen.
Wir wollen einige Beispiele von nicht riesenhaften Vira-
gines anführen. Lanzoni erzählt, eine bärtige Frau sei immer
amenorrhoisch und steril gewesen, habe einen männlichen Tho-
rax und keine Brüste gehabt (Beob. 12). In diesem Falle waren
— 171 —
nach unserer Meinung zwei Eigenschaften hinreichend, um In-
virilismus anzunehmen. Ein anderes dem vorigen sehr ähn-
liches Beispiel wird von Jablonsky geliefert (Beob. 53), mit
dem Unterschiede, dass dieses Weib rudimentäre Brüste hatte
und ihre Clitoris 3 cm lang war. Ausserdem spricht der Autor
von männlichem Habitus. Einen ähnlichen Fall, ausserdem mit
Hypertrophie der Clitoris und männlichem Habitus werden wir
bei der Elephantiasis jenes Organs erwähnen. Wer die Mittel
besitzt, andere Geschichten vollständig durchzulesen, kann die
Beispiele von Viragines ins unendliche vermehren.
Statt die passendste Ausdehnung des Wortes Virago zu
besprechen, wollen wir lieber auf eine wichtigere Untersuchung
eingehen, die bis jetzt nicht erschöpft ist. Wir meinen die
Thatsache, dass mit der Hypertrichose oft ein abnormer Zustand
der Zähne und des Unterkiefers verbunden ist. Darwin er-
zählt, eine spanische Tänzerin, Namens Julia Pastrana, habe
eine behaarte Stirn und dichten Bart gehabt und ausserdem
im Ober- und Unterkiefer eine doppelte Eeihe von Zähnen.
Ein Zahnarzt bildete die Form des Mundes nach. Ausserdem
bemerkte Darwin, dass das G-esicht stark prognat und dem
der haarlosen Hände ähnlich seii). Magitot (Nota II, ibid.)
bemerkte dagegen im Jahre 1878, als er diese Kinnlade im
Profil betrachtete, die Hypertrophie des Alveolarrandes, der
den Prognatismus vermehrte, und behauptete, es sei nur eine
Zahnreihe vorhanden. Mit Übergehung dieses Streits beobach-
tete Beigel an zwei Zwillingen mit Hypertrichose Fehler an den
Spitz- und Backzähnen (N. 2, Beob. 25). Ferner fand Fürst
Hypertrophie des Unterkiefers (N. II, Beob. 41); Parreidt
(Beob. 46) bestätigte die Häufigkeit der Missbildungen der Zähne,
und endlich Mechelson (Beob. 44) brachte 22 Fälle zusammen,
und fand, dass bei 12 Anomalien der Zähne vorhanden waren.
Die Untersuchung über den teratologischen Ursprung der Miss-
bildungen bleibt also noch unentschieden.
Wir verzichten auf diese Untersuchung und fähren noch
andere Komplikationen an, die jedoch im allgemeinen so selten
sind, dass sie keine Beziehung zur Hypertrichose zulassen;
^) Ch. Darwin, On the origin of species by means of natural selection.
London, 1859, T. II, Paris 1868, T. TI, p. 340.
— 172 —
daher wollen wir sie vorläufig verhältnismässig zufällige Kom-
plikationen nennen. Unter 46 Fällen hahen wir zweimal in
der ersten Kindheit beginnende Elephantiasis der äusseren Ge-
schlechtsteile angetroffen, und im zweiten dieser Fälle fing die
Menstruation im 3. Lebensjahre an (Beob. 20, 48). Kur einmal
fanden wir Elephantiasis der Clitoris (Beob. 53), aber im
folgenden Kapitel werden wir sehen, dass diese Anomalie
ziemlich häufig ist, bald allein, bald in Begleitung von ver-
schiedenen Zuständen. Noch seltenere Fälle sind als Kom-
plikation der Hypertrichose bei einem 3 jährigen Mädchen ein
sehr deutlicher Zwischenkieferknochen (Beob. 45); Mikrocephalie
bei einem 12 jährigen (Beob. 28); Hypospadie bei einem 12 jäh-
rigen Mädchen (Beob. 50) und Geschlechtsinversion in mehreren
FäUen (Beob. 42).
Aus der Prüfung der angeführten Thatsachen folgt, dass
weder Makrosomie, noch Hypertrichose Charaktere sind, die
für sich allein genommen, als wesentlich und ausschliesslich
für den Invirilismus betrachtet werden können, denn der eine
oder der andere, oder beide können fehlen, und dennoch können
Frauen aus anderen Gründen, die wir weiterhin vorbringen
werden, als Viragines zu betrachten sein. Aber die Körper-
rösse, auch wenn sie sehr bedeutend ist, hat keinen grossen
Wert, wenn der Habitus der Frau nicht mit ihr übereinstimmt.
Dasselbe lässt sich von der Hypertrichose sagen, die an be-
stimmten Stellen vorkommen und von bestimmten Charakteren
begleitet sein muss, um von Invirilismus reden zu kön-
nen. Was den Vorgang bei der Hypertrichose betrifft, so
hat man bald erkannt, dass die Haare in der Kindheit den
Charakter des Flaums haben, später struppig werden und
sich in die genannten Gegenden verbreiten. Über das Wachs-
tum sagte schon Ecker (1. c), der Vorgang sei eine Wieder-
holung dessen, was nach der Geburt geschieht, und die Hyper-
trichose unterscheide sich davon nur durch die Zeit, die Aus-
dehnung und durch die Menge der Haare, die hervorwachsen,
während die Haut normal bleibt.
Nicht alle Gelehrten begnügten sich damit, ihre Unter-
suchungen auf den Bildungsprozess der überzähligen Haare zu
beschränken, sondern wollten ihre Forschungen bis zu ihrem
ersten Ursprünge fortsetzen. Darwin war es, der die anderen
— 173 —
an Külinheit übertraf, denn er lässt den Menschen von behaarten
Tieren abstammen und betrachtet den Bart als ein atavistisches
Überbleibsel. Da dieser nun der Frau fehlt, meint er, sie habe
die Behaarung früher verloren als der Mann und betrachtet die
Viragines als ein atavistisches Überbleibsel.
Bei den Weibchen der Vögel können Arrhenoide entstehen
(diesen Namen gebraucht Brandt, um männliche Charaktere
bei Weibchen zu bezeichnen) durch Exstirpation der Ovarien
oder blosse Verletzung des Ovidukts, aber beim Weibe ist dies
noch nicht sicher beobachtet worden. Schon im J. 1567 sagte
Zacchiai), bei Frauen sei die Verstümmelung niemals gefunden
worden, und jetzt kann man sagen, dass sie vor der Pubertät
niemals ausgeführt worden ist.
Brandt begnügt sich damit, das Auftreten der Behaarung
im Gresicht des Mannes als eine geschlechtliche Zierde zu be-
trachten, ähnlich der Mähne des Löwen, den Geweihen des
Hirsches, den Sporen, Kämmen und Zierfedern der Vögel, die
auch bei Weibchen vorkommen können, wenn auch schwächer
als bei den Männchen, wie bei den Hühnern mit Hahnenfedern ;
bei alten Kenntierweibchen zeigen sich Geweihe, und bei den
Menschen kann man die Viragines als ein ähnliches Beispiel
betrachten. Diese Lehre zeigt die Analogie der sekundären
Erscheinungen bei beiden Geschlechtern in verschiedenen Tier-
klassen, befriedigt aber die Teratogenese bei weitem nicht.
Trotzdem nimmt der Verf. die alte Meinung an, dass das Auf-
treten eines Schnurrbarts und selbst eines starken, borsten-
artigen Bartes bei alten Weibern von dem Eintritt des kritischen
Alters herrührt und ohne Zweifel mit dem Aufhören der Funktion
des Ovariums zusammenhängt.
Kap. 4. Über Elephantiasis der Clitoris.
Die Elephantiasis der Clitoris hat die Aufmerksamkeit der
Ärzte, der Renaissance auf sich gezogen. Varolio (Bologna)
(Note 3, Beob. 2) teilte im J. 1591 mit, die Clitoris erreiche
bisweilen die Grösse des Penis, sei nicht durchbohrt, aber fähig,
^) P aiil Zacchia, Quaestionum medico-legalium etc. Lugduni, 1567,
T. 1, p. 184.
— 174 —
den Coitus auszuführen. Andere erklärten dies für eine Eigen-
schaft der Tribaden, und diese Meinung hat bis zur Mitte des
19. Jahrh. fortbestanden. Dagegen stellte Ruy seh im J. 1727,
ohne einen Grund anzugeben, die Weiber mit Hypertrophie der
Clitoris zu den Hermaphroditen. Diese rein theoretische An-
sicht lässt vermuten, dass diese Analogie oder besser, dieses Äqui-
valent damals bei den Anatomen gebräuchlich gewesen ist; es
ist aber gewiss, dass diese Ansicht in der Teratologie bis zu
diesem Jahrhundert in Geltung blieb, wie man aus dem Werke
von Is. G. St. Hilaire entnimmt i).
Bei der biologischen Neubearbeitung der Teratologie wurden
Nachrichten über die anatomische Bildung der Hottentotten-
weiber und über die auffallende Grösse der Clitoris einiger Affen,
besonders während der Brunst 2), beigebracht, und zum Nutzen
der anatomischen Schule entfernte Förster 1865 alle Anomalien
der Clitoris aus der Klasse des Hermaphrodismus und führte
sie wie die gewöhnlichen Alterationen anderer Organe in seiner
pathologischen Anatomie auf. Diese Änderung war an sich
richtig, aber nicht, wenn das Weib ausser der Hypertrophie
der Clitoris einige männliche Charaktere zeigt, wie Hyper-
trichose, die instinktiven und moralischen Neigungen des Mannes,
und wenn der äussere Habitus der Virago vorhanden ist. Daher
hat Wrisberg3) die Yergrösserung der Clitoris als einen häufigen
Charakter der Viragines und zum Hermaphrodismus gehörig
dargestellt.
Um die oben vorgetragenen Ideen zu beurteilen und end-
lich zur Aufstellung der Taxionomie der Elephantiasis der
Clitoris bei den Viragines zu gelangen, müssen wir voraus-
schicken, dass wir unter dem Ausdruck Elephantiasis alle Arten
von Affektionen begreifen werden, die dieses Organ auf die
Dauer vergrössern. Später werden wir die einzelnen Beob-
achtungen analysieren, um annähernd die Zahl, die Häufigkeit,
1) Is. G. St. Hilaire, Des anomalies, etc. Paris, 1836, T. II, p. 70.
")rerd. Pugger, De singulari clitoridis in simiis generis Alelis
magnitudine et conformatioiie. Berolini, 1835, cum Tabula.
^) H. A. Wrisberg, Commentationum inedic. etc. Göttingae, 1800,
Vol. I, p. 542 — 43. — „Viragines habuerunt characterem et notas in paucis
tantummodo aliquid diversitatis off erentes , f ere omnibus constantes : . . . .
In genitalibus externis longior plerumque clitoris cernitur admodum pro-
minula; hymen fere nihil diversitatis ostendebat".
— 175 —
den Ursprung dieser Spezies kennen zu lernen, und auch wo-
möglich ihre Wirkungen beim Lebenden. Wir beginnen diese
Analyse mit der Hypertrophie.
Die einfache Hypertrophie ist von vielen Autoren zu
allen Zeiten erwähnt worden. Daher sind wir erstaunt,
dass sie in 40 von uns gesammelten Beobachtungen nur
12 mal vorkommt (Beob. 1, 3, 4, 8, 9, 10, 24, 36,
40), so dass sie bei weitem nicht so häufig ist, als man
annahm. Aber wir haben 3 Fälle von grossem Interesse ge-
funden. Zwei beweisen deutlich, dass die Affektion angeboren
sein kann, und in einem Falle hielt die Hebamme das Mädchen
für einen Knaben (Beob. 10). Der zweite betrifft ein Mädchen
von 5 Jahren; Mason amputierte die Glitoris mit dem Ecraseur
(Beob. 25). Im dritten Falle, der von Tulpio erzählt wird,
kommt die Hauptwichtigkeit der Klinik zu, denn die Frau ver-
stellte ihr eigenes Geschlecht, gab sich für einen Soldaten aus
und lebte dann als Tribade, wofür sie grausam bestraft wurde
(Beob. 11). Aber der letzte Fall bleibt dunkel, wie die beiden
anderen, denn wir kennen bis jetzt keinen Umstand, der den
angeborenen Ursprung der Hypertrophie begünstigt.
Ähnliche Fälle, wie der von Tulpio erzählte, wiederholten
sich trotz der grausamen Strafen der Eichter, und wurden
leichter genommen, nachdem der Anatom Varolius die Wahr-
scheinlichkeit der sexuellen Perversion angegeben hatte. So
verbreiteten Dionis und Palfino die Meinung, dass also ge-
bildete Weiber andere Weiber missbrauchten (Note 3, Beob.
13, 14). Andere glaubten, die Häufigkeit der Hypertrophie
hänge von Onanie und Missbrauch des Coitus ab. Im jetzigen
Jahrhundert entstand Zweifel über die Häufigkeit dieses Lasters,
sowie dass dies die Ursache davon sei, so dass Parent-Ducha-
telet im J. 1837 an 6000 in Paris eingetragenen Prostituierten
untersuchte, wie viele Fälle von Hypertrophie bei ihnen vor-
kämen 1), und nur 2 fand, weshalb er diese Meinung für falsch
hielt. Aber in diesem Urteil muss ein Irrtum eingeschlossen sein,
denn man muss wissen, was Parent forderte, um Hypertrophie
anzunehmen ; wir haben auch ein fast entgegengesetztes Urteil
^) A. J. B. Parent-Diichatelet, De la Prostitution dans la ville de
Paris sous le rapport de rhygiene publique etc. Paris, 3''^^ edit. Balliere
et fils, 1857, Vol. II in 8».
— 176 —
von Charpyi). Unter nur 800 Prostituierten, besonders unter
den in Bordellen lebenden, und oft unter den Tribaden, fand
er in vielen Fällen die Clitoris bedeutend entwickelt und ver-
dickt mit erschlaffter Vorhaut.
Wenn man dagegen die Fälle von Hypertrophie direkt
sammelt, wie immer der Zustand des Weibes sei, dann fällt die
Häufigkeit sehr verschieden aus, und diesen Unterschied findet
man im allgemeinen in der Litteratur; aber eine Statistik fehlt
hierüber ganz. Unsererseits können wir nur die 40 Fälle über
die Anomalien der Clitoris untersuchen, die in Note 3 ge-
sammelt sind, und unter ihnen finden wir nur 3 Prostituierte
(Beob. 5, 8, 9). Die letzte von diesen wurde von Zacchia
untersucht, der die Clitoris von der Grösse des Ringfingers sah,
so dass sie den Coitus verhinderte. Man findet ferner drei
weitere Fälle, die der Masturbation zugeschrieben werden.
Velpeau (Beob. 20) sah ein Mädchen im Zustande des Maras-
mus infolge dieses Lasters. Eiberi (Beob. 21) erzählte, er
habe als Wirkung eine sehr schmerzhafte Entzündung gesehen,
und Villarmy (Beob. 24) kannte ein Mädchen mit Elephan-
tiasis der Clitoris und Nymphomanie.
Andererseits kann man nicht abweisen, was Baker
Brown 2) behauptete, dass nämlich der physiologische Reiz der
Clitoris, der die Frauen antreibt, die einsamen Grenüsse zu
missbrauchen, zuletzt ihre körperliche Gesundheit schädigt und
nach und nach zur Hysterie, zur Nymphomanie und zuletzt zur
Manie führt, wogegen er die vollständige Exstirpation der
Clitoris empfahl. Aber dieser Rat ist, nachdem er Gelegenheit
zu vielem Streit gegeben hatte, jetzt ganz verlassen, so dass
die Amputation nur bei den schon bekannten Alterationen an-
gewendet wird. Zuletzt hat Pozzi^) behauptet, aber ohne
Beweise dafür beizubringen, die Hypertrophie der Clitoris trete
oft bei den der Onanie ergebenen Weibern infolge blosser Ver-
änderung der Grösse auf.
^) Charpy, Des organes genito-externes chez les prostitutees. Ann.
de dermat. et de Syphilogr., No. 2, 1872.
2) Baker Brown, Surgical diseases of women. — Idem, On the
curability of certain forms of insanity. London, 1866.
3) G. Pozzi, Gynandrie, Gaz. hebdom. 1890, No. 30, p. 352.
- 177 —
Indem wir zu den Fehlern der Clitoris als Ursache des
Eeizes übergehen, erwähnen wir den Amerikaner Morris i),
welcher beobachtete, bei hysterischen oder rasenden (furiose)
Frauen sei die Clitoris unvollkommen oder unregelmässig ent-
wickelt, oder zeige Verwachsungen mit einer oder beiden
kleinen Schamlippen; wenn man diese löse, komme die Frau
zu ihrem ursprünglichen Charakter zurück. Bei dieser Gelegen-
heit dürfen wir auch die drei Beobachtungen von Mars 2) nicht
verschweigen, die er zugleich mit denen von Morris veröffent-
lichte, und die eine neue Ursache des Eeizes an den Ge-
schlechtsteilen betreffen. Es handelte sich um die unregel-
mässige Gegenwart von Haaren in den Geschlechtsteilen, denn
diese fanden sich in Menge auch an der inneren Seite der
Labia majora und erreichten selbst die Clitoris, sowie den
ganzen Umkreis des Yestibulums. Der Verf. sah, dass nach
Wegnahme der Haare der Pruritus aufhörte und wieder erschien,
wenn diese wieder wuchsen. Darauf griff er zu chirurgischen
Mitteln, um dauernde Heilung zu erreichen.
Die Clitoris ist, wie jedes andere Organ, Missbildungen
ausgesetzt, und die auffallendste derselben ist die Längs-
spaltung, die ihren doppelten Ursprung bestätigt. Diese Miss-
bildung ist aber nicht häufig, denn wir haben nur folgende
drei Fälle von ihr gesammelt: A. Morpain sah die beiden
Hälften der Clitoris bis an die Wurzel getrennt, und auch die
Labia minora waren nach oben getrennt; die Frau war ohne
Geschlechtstrieb (Beob. 21). F. G. He nie beobachtete ein
17 Jähriges Mädchen mit zwei Warzen, welche die geteilte
Clitoris darstellten (Beob. 26). Windle schliesslich sah das
Organ bis zu seiner Basis geteilt, die rechte Hälfte etwas
kürzer als die linke und mit doppelter Eichel (Beob. 29). Auch Neu-
bildungen und Degenerationsprozesse bringen Deformitäten hervor,
aber ehe wir von diesen sprechen, wollen wir den seltsamen Fall
von Fr. Neugebauer (Beob. 33) anführen, eine' Verdoppelung
in den Geschlechtsteilen betreffend, bei der es zweifelhaft blieb,
^) Morris, citiert von B. Guisy in Athen. Sur les difformites con-
genitales, etc. Le progres medical. Paris, 1896, A. XXIV, p. 371.
2) A. Mars, Beitrag zur Ätiologie des Pruritus vulvae und ein Fall
von mittelst einer neuen Operationsmethode geheiltem Pruritus vulvae.
Cracoviae, 1896, Jahresbericht für 1896, Bd. II, p. 550.
Taruffi, Hermaphrodismus. 12
- 178 -
ob es sich um zwei weit voneinander entfernt stehende Clitoris
handelte, von denen die eine monstruös war.
Eine 27 jährige Jüdin gebar glücklich einen wohlgebildeten
Fötus, aber die Mutter zeigte eine seltsame Anomalie an den
äusseren Geschlechtsteilen, obgleich Vulva und Clitoris normal
waren. Nämlich hinter der Vulva, auf der Mittellinie des Peri-
neums, 1 cm hinter dem Frenulum labiorum, erhob sich ein
dem Penis ähnlicher Körper, 45 — 52 mm lang, mit Eichel und
Vorhaut, mit am Pubes befestigten Corp. cavernosa und erek-
tionsfähig. Es fehlte jedoch der Meatus urinarius, daher der
Verf. zweifelhaft blieb, ob es ein rudimentärer Penis sei. Dieser
FaU. war ohne Zweifel ein Beispiel von einem wegen Mangels
der Urethra und ungewöhnlicher Stellung anormalen Penis bei
einer fruchtbaren Frau ; sie hatte also keine Analogie mit den
Viragines mit doppelter Clitoris, und ebensowenig mit den Bei-
spielen von symmetrischem doppeltem Geschlecht, wovon wir
zwei Fälle angeführt haben i), oder auch mit den sehr seltenen
Erscheinungen von sexueller Heterotopie , deren erster Fall,
soviel wir wissen, von Wolff im J. 1883 beschrieben wurde
(von dem obigen durch seinen Sitz verschieden), bei dem es
sich um Penis und Scrotum handelte, die auf der linken Scham-
lippe Sassen 2). Dieses seltene Beispiel von Heterotopie ist
nicht mehr das einzige, indem Neugebauer^) 37 Fälle von
Verdoppelung der äusseren Geschlechtsteile anführt. Bei den
37 Fällen fand er 28 mal doppelten Penis, 3 mal doppelte Vulva
und 6 mal Heterotopie der äusseren Geschlechtsteile. In allen
37 Fällen handelte es sich um gleiches Geschlecht, nahe bei-
einander.
Unter den 40 Beispielen unserer Sammlung haben wir nur
die folgenden von Neubildungen der Clitoris gefunden: Eodio
berichtet über eine Hypertrophie der Clitoris, die in einen
haarigen und warzigen Tumor endete, den wir für ein Der-
1) C. Taruffi, DipliaUus Gurlt. — Mem. della R. Acc. delle sc. del
ist. di Bologna, 1889, Ser. 4, T. IX, p. 551.
2) Idem — Ibidem, 1898, T. VII, p. 79. — Bei Anführung dieses und
ähnlicher Fälle stellte Taruffi die Gruppe der heterotopischen Parasiten
auf, d. h. derjenigen symmetrisch verdoppelten Organe, von denen das eine
von einem Zwüling herrührt und nicht dem des Autositen homolog ist.
3) Fr. Neugehauer (Warschau), Monatsschr. für Geburtsh. und
Gynäkol., 1898, Jahresber. für 1898, Bd. II, p. 609.
— 179 —
moid hielten (N. 3, Beob. 8); Schönfeld über eine granulöse
Geschwulst, die man für ein Cancroid halten kann (Beob. 18);
Mars hall über ein nussgrosses Sarkom (Beob. 31); Lambret
hat aus der Litteratur eine grössere Zahl von Fällen zusammen-
gebracht, wobei er nur die gutartigen Tumoren berücksichtigte
(Beob. 34). Von diesen trennte er 31 Tumoren ab und be-
merkte mit Beeilt, die Fibrome seien oft nicht von Hyper-
trophie geschieden worden, weil die histologische Untersuchung
fehlte. Dasselbe sagen wir von den bösartigen Tumoren (Sar-
kom und Krebs), wenn diese Untersuchung fehlt. Die Hyper-
trophie der Clitoris kann sich auch mit Stenose des äusseren
Endes der Vagina und Vulva verbinden, wie Realdo Colombo,
Blondel, Jacoby, Beclard-Guinard^) und Blanche ge-
sehen haben. Marchand dagegen sah sie rudimentär, Solowig
atretisch bei einem amenorrhoischen Mädchen von 21 Jahren
(Beob. 1, 33, 35, 37, 39, 40). Endlich nennen wir die Frau von
Gerin ohne Uterus und ohne Geschlechtstrieb (Beob. 25).
Eine unerwartete Verbindung von Hypertrophie der Clitoris
mit Acromegalie wurde neuerlich von F. G. Henle und V er-
st raeten beobachtet (Beob. 26, 27). Es wäre jedoch wünschens-
wert, dass diese Verbindung bei ähnlichem Zusammentreffen
bestätigt würde; einstweilen erklären wir, dass wir die Ein-
führung der Benennung Macrosomia peripherica für Acro-
megalie nicht zu rechtfertigen brauchen 2).
Es ist bemerkenswert, dass die angeborene Hypertrophie
der Clitoris (mit Ausnahme der bekannten Fälle der Tribaden)
selten von den anderen Charakteren des Invirilismus begleitet
ist, wie die Hypertrichose und der männliche Habitus. Da-
rum sind wir erstaunt, dass nur G. St. Hilaire Häufigkeit des
männlichen Habitus und der tiefen Stimme bei Elephantiasis
der Clitoris annahm. Unter unseren 40 Beobachtungen haben
wir nur folgende Ausnahmen gefunden: Bartholino sah eine
bärtige Frau mit grosser Clitoris (N. 3, Beob. 6), und Home
beschrieb eine Afrikanerin mit männlicher Haltung und rauher
Stimme, während die Brüste entwickelt waren (Beob. 17). Viel
^) Beclard-Guinard, S. Mem. della E. Acc. delle Sc. del ist. dl
Bologna. Ser. V, T. VII, Beob. 81, p. 748.
2) C. Taruffi, Storia della teratologia, Bologna, 1899, T. V, p. 299.
12*
— 180 —
interessanter ist der Fall von Cassano: ein löjähriges Mäd-
chen hatte männliche Körperform, das Gesicht war zum Teil
mit Haaren bedeckt, aber ihre Statur war niedrig. Sie wurde
schwanger und ergab sich nach der Geburt dem Tribadismus,
da ihre Clitoris drei Zoll lang war (Beob. 22). Ziemlich be-
kannt ist die Geschichte der Maddalena Lefort, die mit 16 Jahren
150 cm mass, mit Hypertrophie der Clitoris, Atresie der Scheide,
Haaren auf der Oberlippe, die sich im Alter von 30 Jahren
auf den Hals verbreitet hatten ^). Ein ebenfalls seltsamer Fall
ist neuerlich von Zar üb in beschrieben worden: die Frau
hatte männlichen Habitus, tiefe Stimme, allgemeine Hyper-
trichose. Nach einer Puerperalkrankheit entstand Kahlheit und
Hypertrophie der Clitoris (Beob. 30).
Da die Elephantiasis der Clitoris im allgemeinen nicht von
anderen Zeichen des Invirilismus begleitet wird, und ihre
Vergrösserung nicht die anatomischen Eigenschaften des Penis,
sondern nur eine grobe Ähnlichkeit zeigt, meinen wir, man
müsse sie, wie die Hypertrichose, als einen Pseudo-Invirilismus
oder Pseudo-Hermaphrodismus betrachten, der allein nicht den
Typus der Virago ausmacht, aber bewirken kann, dass die Frau
zur Tribade wird. Wir müssen hier bemerken, dass wir eine
Beobachtung von Diemerbroeck (N. 3, Beob. 12) eingemischt
haben, die nicht zu dieser Gruppe der Anomalien gehört, denn
es handelte sich um ein Mädchen mit Bart, mit einer Clitoris
von der Grösse eines Penis und einem einzigen Hoden in einer
der grossen Schamlippen. Also würde dieser Fall eher zu den
männlichen Pseudo-Hermaphroditen gehören 2). Endlich haben wir
bei der Elephantiasis der Clitoris noch zu erwähnen, dass diese
Anomalie, als angeborene Erscheinung, früher von Euy seh bei
einem Schafe gesehen worden ist 3), ferner von Kudolphi bei
^) Beclard, Bull, de la faculte, 1815.
2) C. Taruffi, Memoria III, SuU' ordinamento della teratologia.
Bologna, 1899, p. 740.
3) Fr. E u y s c h bewahrte im J. 1739 die Geschlechtsteile eines Schafes
auf, das an der Stelle des Penis eine unnatürlich dicke und lange, aus der
Vulva heraushängende Clitoris hatte. Thesaurus anat. VIII, No. 53, Amster-
dam, 1739, Tab. II, p. 17, Fig. 5.
— 181 -
einer Stute ^) und von Lecoq bei einem Kalbe 2). Neuerlich ist
es wahrscheinlich bei anderen Tieren gesehen worden.
Kapitel V. Der psychologische Invirilismus.
§ 1. Psychopathie.
Es giebt eine gute Zahl von klinischen Fällen, die lang-
sam in das Gebiet der Phrenologie, der Krankheiten der
Zeugungsorgane, und endlich in das der Geschichte der be-
rühmten Frauen eingedrungen sind. Nun haben die Ärzte ver-
sucht, diese zum Teil verschiedenartigen Fälle einander nahe
zu bringen, aber das ist immer auf nicht geringe, leicht vor-
herzusehende Hindernisse gestossen. Der Kürze wegen über-
gehen wir die Schwierigkeiten und bringen vielmehr die mehr
oder weniger direkten Folgerungen vor, die wir aus den
Fällen, besonders den gleichartigen, gezogen haben. Wir sind
zu der Annahme gelangt, dass dieselben im allgemeinen von
Veränderungen der Nervencentren abhängen, und diese Wirkungen
lassen sich in drei Gruppen teilen: 1. Fälle, in denen die Ner-
vencentren thätig auf die dem Willen unterworfenen Funktionen
einwirken; 2. Fälle, in denen die edelsten Fähigkeiten der
Intelligenz sich zum verhältnismässig höchsten Grade er-
hoben haben; 3. Fälle, in denen speziale Nervencentren die Ge-
schlechtsfunktionen nicht bessern, sondern stören, ohne dass
gleichzeitig anatomische Läsionen vorhanden sind.
Bei der ersten Gruppe weisen wir darauf hin, dass es
häufig Frauen giebt, die aus religiöser Glut, aus Liebe zur Fa-
milie oder zu einem Kinde zu edlen Handlungen und grossen
Opfern fähig sind, so dass sie dem Manne gleichkommen ; aber
auch jene sind häufig, die sich der Wollust und selbst laster-
haften Sitten ergeben, so dass sie fähig sind, die Männer darin zu
übertreffen. Die Beispiele dieser beiden Zustände übergehen
wir, denn sie sind zu gewöhnlich; wir wollen nur bemerken,
dass die geistigen Leidenschaften meist aus verschiedenen, mit-
1) K. A. Kudolphi, Bemerkungen aus einer Reise etc. Berlin, 1804
bis 1805, Bd. 1, p. 79.
2) Lecoq, Journ. prat. de med. veterin. par Dupuy et Vatel., 1827,
fevrier, p. 108.
— 182 —
einander verbundenen Affekten zusammengesetzt sind. Wir
führen das Beispiel der Pucelle d' Orleans an, die sich allen
Gefahren und Leiden des Krieges und des Gefängnisses aus-
setzte, um zugleich der Religion, der Verteidigung der Dynastie
und der Vaterlandsliebe zu dienen (Note 4, Beob. 1). Um
die Verschiedenartigkeit solcher Kombinationen zu zeigen, er-
innern wir auch an die Spanierin Noüa Alverez, die eine Händ-
lerin war und durch die Welt reiste, wie eine Zigeuneriu, und
zugleich einen ritterlichen, oder besser kampfesfreudigen Geist
voll Abenteuerlust hatte. Daher wurde sie oft in Duelle ver-
wickelt, worauf bisweilen Gefängnis folgte (Note 4, Beob. 2).
Eine zweite Gruppe von Frauen, die Ehre ihres Geschlechts,
sind die, welche sich in den schönen Künsten und Wissen-
schaften ausgezeichnet haben. Zu den ersteren gehören die
Malerinnen und Bildhauerinnen, die überall ihren Wert gezeigt
haben, die zuerst in Italien, und zumal in Bologna geblüht
und mit den tüchtigsten Künstlern gewetteifert haben. So wurde
ProperziaDe' Rossinach demi\.rchivio Gualandis^) in Bologna
im Jahre 1491 geboren und starb am 29. Febr. 1530, wenige Tage
vor der Krönung Karls des Fünften. Sie wurde unsterblich
durch ihre Skulpturen, die sie vorzüglich in S. Petronio aus-
führte und verdiente mit Recht eine Büste und eine Inschrift-)
in ihrem Geburtshause (Via Ripa Reno No. 49, Bologna). Später
werden wir Lavinia Fontana aus Bologna anführen, die im
Jahre 1552 geboren wurde und bedeutende Gemälde in verschie-
denen Kirchen Bolognas hinterliess, besonders in S. Giacomo
(N. 4, Beob. B).
^) M. A. Gualandi, Memorie risguardanti le belle arti. Bologna,
1843, Ser. V, p. 93-96. Der Verf. hat 3 Angaben über Properzia De'
Eossi in dem grossen Notariatsarchiv von Bologna gefunden, aus denen
man entnimmt, dass sie die Tochter Gerolamos und im J. 1516 25 Jahre
alt war. Er giebt dem Alidosi die Schuld, dass Tiraboschi der Pro-
perzia ein jüngeres Alter und Modena als Vaterland zuschreibt.
2) Properzia De' Rossis Inschrift:
XVI. Jahrhundert.
Clara stirpe exorta Propertia Rossia, mente
Clarior, eduxit vivos de marmore vultus.
Hier ruht Properzia De' Rossi von berühmter Abkunft, aber
berühmter durch ihren Geist, der dem Marmor Leben einflösste.
— 183 —
Endlich wollen wir uns bei zwei weiteren Bologneser
Malerinnen von grossem Verdienst aufhalten, die dem 17. Jahr-
hundert angehören. Die erste war Elisabetta Sirani, die in
Bologna im Jahre 1638 geboren wurde und im Jahre 1665
starb, so dass sie nur 26 Jahre alt wurde; was jedoch am meisten
überrascht, ist der Umstand, dass sie in so kurzer Zeit so viele
wertvolle Werke der Malerei und des Kupferstichs vollendete:
Arbeiten, die zum grossen Teil in den Galerien und Kirchen
Bolognas aufbewahrt werden. Der frühe Tod und die Krank-
heit dieser wunderbaren Frau haben zu phantastischen Erzähl-
ungen Veranlassung gegeben, die noch nicht verschwunden sind,
trotz der Veröffentlichung des Prozesses (Note 4, Beob. 4), Die
andere berühmte Malerin, namens Teresa Muratori (später
De Muratori genannt), wurde im Jahre 1662 geboren und war
die Tochter Robertos, eines Professors der Medizin. Sie
wurde von der Sirani im Zeichnen unterrichtet und starb im
Jahre 1708, und zwei Jahre vorher verzierte sie die ihrem
Vater und ihren Vorfahren Francesco und Achille, die alle
drei Professoren der Medizin waren, errichtete Inschrift. Es
giebt wenig Nachrichten über das Leben Teresas (Note 4,
Beob. 5), wir wissen nur, dass sich unter ihren vorzüglichsten
Gemälden ein S. Tommaso befindet, den man in der Kirche
der Madonna di Galliera sieht, und zu Füssen des Bildes liegt
die Malerin begraben. Die Malereien um die Inschrift sind
allegorisch und rühmenswert, aber durch die Zeit stark be-
schädigt, ebenso wie das Aussehen der Inschrift, die in der
oberen (an Gedenktafeln reichen) Halle des alten Bologneser
Studio, genannt Archiginnasio, aufbewahrt wird, und zwar rechts
vom Eingang in das anatomische Theater.
Italien hatte später auch das Glück, der Nachfolger
Griechenlands zu werden durch Frauen, die sich in der Litte-
ratur und in den Wissenschaften auszeichneten. Allerdings
blühten in Griechenland besonders die Dichterinnen, während
in Italien die Frauen in der lateinischen, griechischen und der
Landessprache, sowie in den Wissenschaften Gelehrsamkeit
erwarben. Wir erwähnen hier einige Berühmtheiten, die von
dem Senat mit dem öffentlichen Unterricht beauftragt wurden;
aber noch seltsamer war es, dass eine von ihnen im Jahre 1756 in
ihrem Geburtsort den Lehrstuhl der Anatomie bestieg, mit dem
— 184 —
Auftrage des Modellierens. Diese Frau war Anna Manzolini,
geborene Morandi (Note 4, Beob.6), die durch ihre darstellenden
Arbeiten so berühmt wurde, dass sie das Lob des berühmten
Physikers Luigi Galvani verdiente (s. Citat zu Note 4), wel-
cher, wie erzählt wird, zugleich Professor der Anatomie und
Geburtshilfe war. Die Morandi verdiente auch das Lob des
Physiologen Michele Medici (Note 4, Beob. 6), der ausser
dem Bilde auch das Verzeichnis der Präparate ihrer plastischen
Nachbildungen lieferte.
Wenn wir zu den Wissenschaften übergehen, die dem
zarten Geschlechte weniger widerstreben, nennen wir zwei
junge Bologneserinnen: eine von ihnen war Laura Bas si (Note 4,
Beob. 7), eine sehr gelehrte Schriftstellerin, die ihre lateinische
These gegen sieben Opponenten und in Gegenwart zweier
Kardinäle, Grimaldi und Lambertini (Benedikt XIV) in einer
Sitzung verteidigte, welche durch die darüber geschriebenen Briefe
denkwürdig geblieben ist. Dies trug der Laura im Jahre 1732
den Lehrstuhl der allgemeinen Philosophie ein, und im Jahre
1776 die Erwählung zu einem Sitz in dem berühmten Istituto
delle Scienze.
Die andere Bologneserin war Clotilde Tambroni (Note 4,
Beob. 8), die, wie aus ihren Oden hervorging, der griechischen
Sprache so kundig war, dass der Senat ihr im Jahre 1793 den
Lehrstuhl des Griechischen übertrug; später gehörte sie der
Accademia benedettina an. Da sie aber eine Frau von festem
Charakter war und an ihren Eidschwüren festhielt, gab sie im
Jahre 1798 den Unterricht auf. Im Jahre 1808 gab ihr jedoch
der Minister des Innern der Regierung Napoleons den Lehr-
stuhl wieder, und sie behielt ihn bis zu ihrem Tode.
Zu jeder Zeit war man der Meinung, die Frauen eigneten
sich weder für Mathematik, noch für Astronomie, aber schon
1748 gab es eine Ausnahme von dieser Regel, denn Maria
Agnesi aus Mailand (Note 4, Beob. 9) veröffentlichte in diesem
Jahre ihre analytischen Institutionen, die rühmlich bekannt
sind, und Benedikt XIV. berief sie nach Bologna, um analytische
Geometrie zu lehren. Schon ihr Vater hatte als Honorar-
professor diese Stelle inne gehabt. Wir wissen nicht, ob andere
nach dieser berühmten Frau sich in der Mathematik Ehre er-
worben haben. Von Frauen, die sich mit Astronomie beschäftigt
— 185 —
haben, können wir die Schwestern Eustacchio Manfredis,
Teresa und Maddalena (Note 4, Beob. 10) anführen, die
ihren Bruder bei der Zusammenstellung der Ephemeriden der
Himmelsbewegungen unterstützten. Aber heute ist diese Lücke
durch Prof. Porro (Note 4, Beob. 11) und einige andere reich-
lich ausgefüllt worden; sie haben mehrere, besonders in Amerika
lebende Frauen bekannt gegeben, die sich mit der Durchsicht
der Sternphotographien beschäftigten, die Umlaufszeiten der
Planeten berechnen, oder besondere, verschiedenartige astro-
nomische Studien betreiben. Es giebt also keine abstrakte
Wissenschaft, die den Fähigkeiten des Weibes unzugänglich
wäre, womit aber nicht gesagt ist, dass sie an Fähigkeiten
dem Manne überlegen sei.
Wenn wir zugeben, dass die weibliche Intelligenz der
männlichen nicht überlegen ist, aber mit ihr wetteifert und ihr
oft nahe kommt, so folgt daraus nur, dass diese immer exzep-
tionelle Thatsache regelmässig mit der Zunahme des Volumens
und des Gewichts des Grehirns verbunden ist, so dass es sich
dem männlichen nähert. Zwar spricht Magn an i) neuerlich von
einem weiblichen Gehirn in dem Körper eines Mannes, und
umgekehrt, aber daraus folgt nicht, dass die Höhe der Intelli-
genz von dem Gewicht oder dem Geschlecht abhängt. Es ist
allerdings wahr, dass Cuvier und andere berühmte Männer ein
sehr grosses und schweres Gehirn gehabt haben, aber umge-
kehrt schliesst dies nicht aus, dass kleine Frauen mit besonders
kleinem Kopf bisweilen hohe Intelligenz und feinen Geist zeigen,
je nach der Erziehung, die sie erhalten haben. Erst kürzlich
habe ich bei einer Modeneser Gräfin ein Beispiel davon ge-
sehen.
Wenn man fragt, ob diese ungewöhnlichen Frauen mit
psychopathischem Invirilismus auch andere Eigenschaften der
Viragines besassen, können wir antworten, dass es nicht be-
kannt ist, ob eine von ihnen riesengross gewesen, nur folgt aus
einigen Biographien und vier Porträts denen der (Properzia De
Eossi, Lavinia Fontana, ElisabettaSirani und Anna Manzolini, geb.
Morandi), dass sie von ansehnlicher Figur waren und ihr Rumpf
eine hohe Gestalt anzeigte, so dass man annehmen kann, sie
^) Magnan, Ann. med. psychol. Paris, 1885, p. 258
- 186 —
seien kräftige Frauen von hohem Wuchs gewesen, aber nicht
in dem Grade, dass sie zu Wrisbergs Viragines gehörten.
Die angeführten Frauen zeigten (was sehr seltsam ist) wiederholt
Gleichheit ihres Geburtsorts während des 16,, 17. und 18. Jahr-
hunderts, was wir an keinem anderen Orte Europas angetroffen
haben; und dies ist um so auffallender, als das Bologneser Land
damals von dem päpstlichen Hofe regiert wurde. Dieses mehr-
fache Auftreten gelehrter Frauen an demselben Orte lässt
mehrere Erklärungen zu, aber wir überlassen es den Geschichts-
schreibern, die natürlichste auszuwählen.
Wenn wir dann fragen, ob der psychopathische Invirilis-
mus bei den angeführten Frauen erblich gewesen sei, wie es
bei anderen Missbildungen der Fall ist, z. B. bei angeborener
Hypertrophie der Nase, des Kinns u. s. w., so finden wir keinen
Beweis dafür. Wir glauben, es wiederhole sich die an be-
rühmten Männern gefundene Regel, dass ihre Nachkommen an
Intelligenz ihren grossen Vorfahren nicht gleichen, und dass
also bei beiden Geschlechtern das Wort Dantes zutrifft:
„Selten erscheint in den Zweigen
Der menschliche Wert wieder; dies ist der Wille
Dessen, der ihn verleiht, damit man ihn von ihm erflehe."
Diese Verse wendete der Dichter auf Pietro III, König von
Arragonien und Sizilien an, der drei Söhne hatte. Nur der
eine, Alfonso, der früh starb, hatte seine Tugenden geerbt; die
anderen waren ausgeartet. Die Meinung Dantes wurde später
von Macchiavelli bestätigt (Note 4, Beob. 12).
§ 2. Der psychisch-sexuelle Invirilismus.
Wir haben angegeben, dass der physische und anatomische
Invirilismus bei der Frau nicht immer deutliche, entschiedene
Kennzeichen besitzt, die ihn von gewissen Krankheiten unter-
scheiden. Darum haben wir zu den echten Invirilismen die
Pseudo-Invirilismen hinzugefügt: wenn z. B. junge Frauen ge-
wöhnlich von Geburt an durch Oedem oder beginnende sarkom-
atöse Infiltration verdickte Glieder zeigen, so dass sie den
Gliedern von Männern gleichen, ohne von Veränderungen der
— 187 -
Greschleclitsorgane begleitet zu sein i). Auch die nervösen
Affektionen der Geschlechtsorgane müssen wir in zwei Klassen
teilen, denn einige zeigen keine anatomische Veränderung,
sondern nur sensitive Störungen dieser Organe. Dagegen giebt
es eine Gruppe von Frauen, die neuerlich beschrieben wurde,
bei denen die funktionelle Störung der Geschlechtsorgane sui
generis ist, wir meinen die Geschlechtsumkehrung, von der wir
später sprechen werden. Es giebt aber noch eine dritte Gruppe,
die sich durch Zunahme der Thätigkeit und Vollkommenheit
beim Gebrauche der Muskeln, Nerven und Sinne zeigte, so
dass sie mit den sowohl durch physische, als intellektuelle
Fähigkeiten ausgezeichnetsten Männern wetteifern, wie wir
schon gesehen haben.
Wir kommen jetzt zu den nervösen Erscheinungen an den
weiblichen Geschlechtsteilen und bemerken, dass diese ver-
schiedene Intensitätsgrade und verschiedene Arten des Auf-
tretens aufweisen, ohne zufällige Komplikationen auszuschliessen.
Ihre Varietäten sind bald habitus eroticus, bald Nymphomanie,
bald furor uterinus, bald lesbische Liebe, bald Tribadismus ge-
nannt worden. Aber wenn wir sowohl die allgemeinen Be-
schreibungen, als die einzelnen Geschichten prüfen, ünden wir,
dass diese Ausdrücke für ganz verschiedene Störungen (mit Aus-
nahme der lesbischen Liebe und des Tribadismus) im Ganzen
gleichbedeutend sind, denn die Alterationen, auf die sie sich
beziehen, sind einander ähnlich. Das Maximum der Störung
wurde im 2. Jahrhundert von dem Griechen Soranus Satyriasis
genannt; jetzt wendet man diesen Namen auf den Mann an,
während der Zustand beim Weibe Nymphomanie genannt wird 2).
Der griechische Autor verdient, nicht sowohl wegen seines
Alters, als weil er den ersten Schritt auf dem schwierigen und
dunklen Gebiete der Satyriasis gethan hat, dass wir das betreffende
Stück in Übersetzung wiedergeben, um so mehr, als es nicht nur
wenig bekannt ist, sondern die erste Andeutung von der Verwirrung
^) Taruffi, Storia della teratologia, T. V, p. 427. — Macrosomia
parziale, T. VIII, 513. — Elefantiasi congenita delle dita. 1894.
^) V. Schrenck-Notzing (München). La terapia deUe malattie ses-
siiali. Übersetzung. Turin, 1897, p. 33. Der Verf. beschäftigt sich hier
ausführlich mit Satyriasis und Nymphomanie.
- 188 —
der Intelligenz giebt, die mit den örtlichen Erscheinungen an
den Geschlechtsteilen verbunden ist.
Ehe wir jedoch dieses Stück anführen, können wir nicht
verschweigen, dass verschiedene Irrenärzte fortfahren, einige kli-
nische Varietäten zu unterscheiden, ohne konstante und wichtige
Symptome anzugeben, durch die sie sich von einander und von ande-
ren Varietäten unterscheiden. Einer von ihnen war Dr. F. Ve-
nanzioi), der die Charaktere des erotischen Habitus, oder besser
Temperaments geben wollte, indem er sagte, solche Weiber hätten
glänzende Haut, rote, schwellende Lippen, gut entwickelte
Muskeln und Brüste, w^eites Becken und dicke Beine. Wir
leugnen nicht, dass der Verf. eine Frau von dieser Beschaffen-
heit gesehen haben kann. Aber um seiner Beschreibung einen
Wert zu geben, musste er hinzufügen, in wievielen Fällen Weiber
mit erotischem Temperament diese Charaktere zeigten, und in
wievielen anderen Fällen sie fehlten.
Hier folgt die wichtige Stelle von Soranus.
Über Satyriasis.
Sorani Ephesii über de muliebribus affectionibus recensuit
et latine interpretatus estFranciscusZachariasErmerins, Tra-
jecti ad Ehenum, apud Kemink et filium, MDCCCLXIX, p. 256.
„Die Satyriasis kommt am meisten bei Männern vor, und
wir haben von ihr in den Büchern über akute Krankheiten
gesprochen. Aber bisweilen findet sie sich auch bei Weibern,
wie bei Männern."
„Bei ihr entsteht starkes Jucken der weiblichen Teile mit
Schmerz, so dass die Weiber beständig die Hände nach jenen
Teilen führen. Sie haben daher eine unzähmbare, mit Avahrer Wut
verbundene Neigung zu Geschlechtsgenüssen. Wegen des Consen-
sus zwischen dem Uterus und den Hirnhäuten zeigen sie eine Art
Störung der Intelligenz, die ihnen alle Scham nimmt. Die dem
Uterus benachbarten Teile entzünden sich, und die von ihnen
gewünschte fleischliche Berührung derselben macht das Übel
noch schlimmer, denn der Same findet keinen Ausweg, weil die
Kanäle durch die Entzündung undurchgängig geworden sind,
daher häuft sich im Körper eine grössere Menge von Flüssig-
keit an."
^) F. Venanzio, Ninfomania. Enciclop. med. ital. Milano. (Leider
ohne Datiim), iingefähr zwischen 1885 und 1890.
— 189 —
„Man muss dem Kranken sogleich einen Aderlass machen,
die Menge der Speisen vermindern und auf die Lenden und
den Pubes Aufschläge von erfrischenden und leicht adstrin-
gierenden Stoffen machen. Auf den Kopf muss man Eosenöl
(olio rosaceo) mit Essig ausgiessen, lauwarmes Wasser und
flüssige Speisen zu sich nehmen und alles Blähende und zum
Coitus Eeizende vermeiden. Zwei Tage nach dem Aderlass auf
die Teile Gurken auflegen, ohne sie zu zerschneiden. Im
übrigen die Behandlung, die wir bei der Entzündung des Uterus
angeben werden."
Wir überlassen es den Irrenärzten, die obige Beschreibung
der Satyriasis zu vervollständigen und zu verbessern. Uns
kommt es besonders darauf au, noch heute die Hypothese über
den Zusammenhang zwischen dem geschlechtlichen Leiden und
der Störung der Intelligenz bestätigt zu sehen, und wir haben
in dieser Beziehung keinen anderen gefunden als Krafft-
E bin gl), der diese Beziehung mit grösserer Wahrscheinlichkeit
auseinander gesetzt hätte. Er drückt sich so aus: Man muss
ein psycho-sexuelles Centrum annehmen, um die physiologischen
(und pathologischen) Erscheinungen zu erklären, welches nur
ein Konzentrations- und Kreuzungspunkt der Nervenbahnen sein
kann, die zu den notorischen und sensitiven Apparaten der
Geschlechtsorgane laufen, und die andererseits zu den Gesichts-,
Geruchs- u. s. w. Centren gehen, um dem Bewusstsein die Em-
pfindungen der Teile zuzuführen. Auf diese Weise bildet sich
die Vorstellung eines männlichen oder weiblichen Wesens.
Diese Lehre wird indirekt von Lippemann 2) bestätigt,
der behauptet, die geschlechtliche Wollust dauere bei den
Tieren nach der Kastration fort, und diese bringt auch den
Frauen keine Erleichterung bei nervösen Leiden der Geschlechts-
organe. In früherer Zeit wurden diese Thatsachen nicht nur
nicht angenommen, sondern geradezu geleugnet, aber Kraemer^)
berichtet, im Jahre 1896 habe eine Statistik unter 300 der
^) Kraf ft-Ebing, L' inversione sessuale nell' uomo e nella donna.
Eoma, 1897, p. 99.
■ 2) 0. Lippemann, Jahresber. für 1887. Bd. II, p. 693.
3) Contributo aUa questione della castrazione. Zeitschr. für Psychia-
trie, H. 1, p. 52. — La Clinica moderna. Firenze, 1896. Vol. II, p. 68.
— 190 —
Ovarien beraubten Frauen 200 Erfolge verzeicbnet, mit voll-
kommener Erhaltung des weiblichen Habitus und des Ge-
schlechtstriebs. Wenn dieser Bericht ferner bestätigt wird,
erhält man einen überzeugenden Beweis von dem Vorhanden-
sein und von der Wichtigkeit des psycho-sexuellen Centrums.
Wir hofften auch, dass Sektionen von Idioten und Kretins ge-
nauere Kenntnisse über dieses Centrum brächten; aber Studien
über diese Beziehung, also vergleichende Studien über die
Grade der Alterationen des Gehirns mit den Graden des in-
tellektuellen Verfalls (sowohl bei Idioten, als bei Kretins) sind
noch spärlich und einander widersprechend i), während sie für
die Wissenschaft von grossem Nutzen sein würden, wenigstens
um die Behauptung Solliers^) zu bestätigen, dass bei Idioten
der Geschlechtstrieb gewöhnlich fehlt, während er bei Imbecillen
gewöhnlich erhöht und bisweilen pervers ist. Früher hielt
Wenzel sogar die Erzeugung von Kindern für möglich. End-
lich glaubt man, dass kastrierte Männchen, so lange sie jung
sind, den Geschlechtstrieb nicht plötzlich und vollständig ver-
lieren, was wir selbst bei jungen Ochsen bestätigt haben.
Nachdem wir über die Gruppe der geschlechtlichen Er-
scheinungen gehandelt haben, die wir positiv nennen wollen,
die also in funktionellen, mehr oder weniger beschwerlichen
Störungen der Geschlechtsorgane bestehen, müssen wir, um die
Besprechung der Psychopathien nicht unvollständig zu lassen,
die Anführung der Fälle von Invirilismus und Pseudo-Hermaphro-
dismus unterbrechen und zu den negativen Erscheinungen dieser
Organe übergehen, nämlich zu den Apathien oder dem geschlecht-
lichen Widerwillen. Diese sind von den sachverständigen Ärzten zu
der von Zac Chi a normierten Impotenz aus Kälte (naturae fri-
gidae) gerechnet worden, die nachKrafft-Eb in g bei Weibern häu-
figer ist als bei Männern; doch führt er kein Beispiel von Apathia
congenita an, die er Anaesthesia congenita nennt^). Dagegen
^) Filippi, Medicina legale. Biblioteca medico-legale. Milano. (Ohne
Datum.) p. 1457. — Luys, Traite des maladies mentales. Paris, 1887,
p. 658. — E. Begis, Manuel pratique de medecine legale. Paris, 1885,
p. 119.
2) P. Sollier, Der Idiot und der Imbecille. Hamburg und Leipzig,
1891, p. 75.
^) Kraff t-Ebing, Psychopathia sexualis. 10. Aufl. Stuttgart, 1901,
p. 48.
— 191 —
weisen wir auf einen schönen Artikel des Prof. Borri über
nervöse Impotenz (ohne Unterscheidung des Grades) hin, worin
die (nur klinisch erschlossenen) Ursachen dieser Impotenz
analysiert sindi).
Aber um unser Programm nicht allzu sehr zu überschreiten,
wollen wir nur einige wenig bekannte Beobachtungen erwähnen,
die gewöhnlich mit den zu der Teratologie gehörigen angeborenen
Formen verbunden sind; ihr Einfluss ist sehr dunkel und sie
betreffen nicht ausschliesslich das weibliche Geschlecht. Sie
sind um so dunkler, als keiue regelmässige Beziehung zwischen
der Art der geschlechtlichen Anomalien und der funktionellen
Störung des Teils vorhanden ist. Dazu kommt noch, dass bis-
weilen eine teratologische Ursache existiert, die mechanisch
wirkt und die Funktion der weiblichen und männlichen Organe
verhindert. Diese mechanische Ursache ist die Gegenwart
zweier Penes, oder zweier Vulvae, die bald einander parallel
sind2), bald übereinander liegen^), wovon Neugebauer 37
Fälle in der Litteratur gesammelt hat.
Wir kommen jetzt zu den negativen Störungen der Ge-
schlechtsfunktionen und wenden unsere Aufmerksamkeit der
geschlechtlichen Apathie zu. Dies ist ein den Gerichtsärzten
wohlbekanntes Übel, das sich bisweilen mit Abneigung gegen
den Coitus verbindet. Den Teratologen ist es bekannt, wenn
die Apathie mit Missbilduug der Geschlechtsteile verbunden
ist; aber wir wissen nicht, ob von diesen beiden Arten die
Missbildung der Geschlechtsteile verhältnismässig mehr oder
weniger selten ist. Die geschlechtliche Apathie, mit oder ohne
"Widerwillen gegen den Coitus, ist nicht ganz der nervösen
Impotenz gleich, denn es sind Fälle von dieser Impotenz be-
kannt, während der Kranke den Geschlechtstrieb beibehielt;
auch von Frauen weiss man, dass sie sich passiv dem Coitus
hingaben, ohne Geschlechtstrieb. Diese Erscheinung fand man
bei einer Frau, die von T. Galland für hermaphroditisch ge-
^) Prof. L. Borri. Art. 1' impotenza. Enciclopedia medica del Val-
lardi. (Datum fehlt.)
^) C. Taruffi, Due casi nella specie umana del Diphallus Gurlt.
Memorie etc. Bologna, 25. Nov. 1888. Ser. 4, T. IX, p. 551.
^) Neugebauer, 37 Fälle von Verdoppelung der äusseren Geschlechts-
teile. Monatsschrift für Gynäkol. 1898, Bd. VII, H. 5.
— 192 —
halten wurde, und über die Laurent^) berichtet hat, ohne die
Sektion zu erwähnen. Es handelte sich um eine zweimal ver-
heiratete Frau, die niemals zum Coitus Neigung, oder während
desselben wollüstige G-efühle gehabt hatte. Ein etwas ähnliches
Beispiel, da es sich um eine 80 jährige Frau handelte, die
zweimal verheiratet gewesen war und niemals Geschlechtstrieb
oder Wohlgefallen am Coitus gefühlt hatte, ist von dem Nea-
politaner Eicco2) beschrieben worden. In diesem Falle fand
man bei der Sektion männliche Organe, und nur durch die
Vagina wurden die weiblichen vertreten.
Um den vorhergehenden einige andere Beispiele hinzuzu-
fügen, erwähnen wir den Fall von ItarddeEiaz^), betreffend
einen 22jährigen Jüngling ohne Geschlechtstrieb, mit weiblichem
Habitus, einem Penis von der Grösse des kleinen Fingers und
Scrotalfalten ohne Hoden. Wir erwähnen auch den Fall von
Günther 4), der Neigung zu keinem von beiden Geschlechtern
fühlte und an Hypospadie und Scrotalspalte litt. Wir lenken
auch die Aufmerksamkeit auf folgenden Fall, bei dem ausser
der Apathie auch Widerwille gegen die Frauen vorhanden war,
denn er wirft die Frage auf, ob es sich wirklich um Herm-
aphrodismus handelte. Blackmann^) sah ein Individuum von
36 Jahren mit dem genannten Widerwillen, mit monatlichem
Blutfluss aus der Urethra, fallopischen Trompeten und zwei
drüsigen Körpern, die mit Ductus deferentes versehen waren;
ausserdem fanden sich zwei Tuberkel (ohne Follikel), die für
die Ovarien gehalten wurden. Es handelte sich also wahrschein-
lich nur um einen Drüsen-Hermaphroditen, was die allgemeine
^) T. Galland, ein in den bibliographischen Noten nicht angeführter
Autor, der 1894 von E. Laurent, Les bisexues, Paris, 1894, p. 205 ge-
nannt wird.
2) Gius. Eicco, MariaArsano. — Taruffi, Memorie etc. Bologna,
1899. Beob. 9, T. VII, p. 740.
^) Itard de Riaz.v. Taruffi, Intorno adun feto umano agenosomo.
Memorie etc. Bologna, 1894. Beob. 2, Ser. 5, T. IV, p. 85.
*) A. E. Günther, Commentarius de hermaphroditismo. Lipsiae,
1846. — Taruffi, SuU' ordinamento della teratologia, Memorie etc. Bologna,
1899. Beob. 12. T. VII, p. 741. Mit Tafel. — Vgl. Seite 65. Beob. 12.
^) Blackmann, On hermaphroditism, with an account of two remar-
kable cases. 1853. — Taruffi, SuU' ordinamento della teratologia. Mem.
etc. Bologna, 1899. Beob. 14, T. VII, p. 734. — Vgl. Seite 55. Beob. 14.
— 193 —
Meinung nicht ausschliesst, die Hermaphroditen seien sexuell
indifferent.
Wir scMiessen diese kurze Aufzählung mit zwei anderen
seltsamen Fällen, die wir mit den früheren den künftigen phy-
siologischen Sachverständigen zur Erklärung übergeben. Der
erste Fall wurde voa Gerin berichtet i). Es handelt sich um
eine Frau von 26 Jahren, mit weiblichem Habitus, Amenorrhoe,
erektionsfähiger, 36 mm langer Clitoris, die Widerwillen gegen
das männliche Geschlecht hatte, trotz ihrer Beziehungen zu
demselben, und gegen Reibungen an der Clitoris gleichgültig
war. Ihre Scheide war 9 cm lang und endigte blind, ohne.
Uterus und ohae Ovarien. Woher der Widerwille gegen das
männliche Geschlecht?
Der zweite Fall wird von Magitot^) mitgeteilt, und be-
trifft eine geachtete und wohlerzogene Frau, die mit I71/2
Jahren einen Jüngling heiratete, mit dem sie 12 Jahre in gutem
Einverständnis lebte, obgleich der Coitus niemals regelmässig
vollzogen werden konnte. Als sie Witwe geworden war,
änderten sich ihre geschlechtlichen Neigungen und sie hatte
viele Liebhaber, mit denen die geschlechtlichen Beziehungen
regelmässig vor sich gingen; aber nach kurzer Zeit wurde sie
krank und starb. Bei der Sektion fand man einen Penis, ähn-
lich dem eines zwölfjährigen Knaben, mit Hypospadie, der je-
doch fähig war, sich zu erigieren und Sperma zu ejakulieren,
das keine Filamente enthielt. Das Scrotum war zweiteilig und
jede Hälfte enthielt einen Hoden. Innere weibliche Organe
fehlten. Indem wir diese schwierigen Fälle zur Seite lassen
und uns wieder zur Apathie wenden, empfehlen wir den Ge-
richtsärzten den schönen Artikel von Schrenck-Notzing^)
über die Ursachen, welche die Impotenz bei den Frauen be-
günstigen, worunter die Apathie begriffen ist; wir können nicht
länger von unserem Gegenstande abschweifen.
^) Gerin-Rose, Un cas d'hermaphroditisme , Gaz. des hopit. 1884,
No. 139. Soc. med. des hopit. 1884.
2) E. Magitot, Sur un nouveau cas d'hermaplirodisme. Bull, de la
Soc. d'Antiiropologie. 1881, p. 487.
^) A. Schrenck-Notzing-, Die Suggestionstherapie etc.
Taruffi, Hermaphrodismus, 13
— 194 —
§ 3. Sexuelle Pei'Tersion.
Die Liebe zwischen Weibern, wie zwischen Männern
(Päderasten) ist zu allen Zeiten vorgekommen, und für
die Weiber ist der beste Beweis die merkwürdige Ode
Sapphos, durch welche der Ausdruck „lesbische Liebe" ein-
geführt wurde, denn Lesbos war das Vaterland der Dichterin.
Dies führt uns wieder zum Invirilismus zurück, nur dass dieser
nicht körperlich und anatomisch, sondern psychopathischen Ur-
sprungs ist. Ehe wir jedoch geschichtliche Andeutungen geben,
und eine Definition des Gegenstandes liefern, die sowohl Männer
wie Weiber umfasst, erlauben wir uns die Bemerkung, dass
wir die Aufzählung von Thatsachen übergehen können, obgleich
sie die Basis der Besprechung bildet, weil im letzen Dezennium
die an Fällen reichen Publikationen über die sexuelle Per-
version so zahlreich waren, dass war unsere Aufzählung auf
vergessene oder wenig bekannte Beobachtungen beschränken
können (s. Note 4).
Die neueren Beobachtungen haben tüchtigen Ärzten Ge-
legenheit gegeben, sie zu analysieren, in ihrem verschiedenen
Auftreten zu vergleichen und dann je nach den erhaltenen
Resultaten zu klassifizieren. Schon haben diese Studien das
Erscheinen mehrerer Arbeiten und wertvoller Bücher veranlasst,
in denen neue Ideen und neue Benennungen oder Titel einge-
führt werden, welche die Modalität, oder den Ursprung, oder
die sozialen Folgen der Liebe zwischen Frauen betreffen. Wenn
man diese Benennungen aufzählt und ihren Ursprung hinzufügt,
berührt man zugleich die Hauptpunkte dieser neueren Gre-
schichte, die ein neues, wichtiges Kapitel der Biologie und be-
sonders der gerichtlichen Medizin gebildet hat. Dazu kommen
die neuen Probleme der Physio-Pathologie, denen, wie wir
hoJBfen, die Physiologen endlich ihre Aufmerksamkeit zuwenden
werden. Wenn wir jetzt zu den Benennungen und Definitionen
übergehen, bemerken wir, dass schon vor 40 Jahren (1860) ein
seltsamer Schriftsteller auftrat, ein Assessor in Hannover und
sehr gelehrter Mann, aber ein schamloser Lasterhafter, denn
er verlangte, dass die Liebe zwischen Individuen desselben
Geschlechts erlaubt sein soUe und sprach diese Idee bei mehreren
Gelegenheiten unter dem Pseudonym „Numa Numantius" aus.
— 195 —
während sein wahrer Name Heinrich Karl Ulrichs war.
Bei diesem Autor herrschte auch der Gedanke vor, den Ur-
sprung der Sodomie zu adeln, und statt des Namens Päderastie,
den die Griechen gebrauchten, nannte er sie Uranismus (nach
der Göttin Urania) i), und dieses Wort wurde später in „Urning"
verderbt. Das Wort wurde von Krafft-Ebing und Moll
verbreitet. Der Ursprung desselben stammt von Plato (Sym-
posion, c. Vin et IX), der ursprünglich ein drittes Ge-
schlecht von Lebewesen annahm, das der Hermaphroditen, das
aus Mann und Frau zusammengesetzt wäre, und auch weil
Uranus die Aphrodite ohne Mutter hervorbrachte.
Westphal, ein berühmter Professor der Psychiatrie in
Berlin, stellte die Definition und die Benennung der Gruppe
fest, die er von den geschlechtlichen Verirrungen trennte.
Guten Beobachtungen entnahm er eine Arbeit mit dem Titel:
„Konträre Sexualempfindung" 2), der dann in sexuelle Per-
version umgewandelt wurde, und definierte diese Yerirrung
als eine angeborene Erscheinung der geschlechtlichen Em-
pfindung (der männlichen oder weiblichen), die aber bei
dem Kranken von dem Bewusstsein des krankhaften Charak-
ters dieser Erscheinung begleitet ist. Von diesen beiden
Symptomen der Definition ist das zweite nicht angenommen
worden, denn es giebt viele FäUe, in denen die Leidenden
sich nicht bewusst sind, dass sie krank sind. Später war
es Krafft-Ebing 3), der durch seine Arbeiten den Begriff
der konträren Sexualempfindung besonders bereicherte, so dass
es jetzt genügt, die Wissbegierigen auf diese zu verweisen, um
unvermeidliche Auszüge zu vermeiden. Daher führen wir, um
die Geschichte zu vervollständigen, nur die Hauptpunkte an*).
^) K. H. U Iridis, Prometheus. Leipzig, 1870. Wegen weiterer Nach-
licliteii siehe A. Moll, Kontr. Sexualempfindung, p. 17 ff.
^) K. F. Westphal, Konträre Sexualempfindung. Arch. für Physio-
logie. Berlin, 1869, Heft II, Bg. 1, p. 109.
^) Der grösste Teil der Lehren Kr äff t-E bin gs findet sich in seinem
Buche : Psychopathia sesualis. Weitere Beobachtungen sind in allen seinen
Werken zerstreut.
^) Für eingehende historische Nachrichten, besonders was die kon-
träre Sexualempfindung heim Manne betrifft, verweise ich auf A. Moll,
„Die konträre Sexualempfindung". Mit Benutzung amtl. Materials und
13*
- 196 —
Zuerst hat er die Definition der konträren Sexualempfin-
dung verbessert, ohne zu übergehen, dass sie angeboren ist. Er
fügt hinzu, dass der Kranke, wenn er aus dem Kindesalter
tritt, nur Neigung und psycho - sexuelles Gefühl für das ent-
gegengesetzte Geschlecht hat. Da nun die Erscheinung sowohl
bei Männern als Weibern vorkommt und psychologisch dieselbe
ist, hat Krafft-Ebing 1) den Ausdruck „homosexuell" ge-
schaffen ; daher nennt er homosexuelle Gefühle solche zwischen
Personen von demselben Geschlecht, und wenn er ausdrücken
will, dass die Erscheinung zwischen Männern oder zwischen
Weibern vorkommt, so nennt er jene männliche oder weibliche
Urninge. Wenn aber die Neigung oder die Verbindung physio-
logisch ist, d. h. mit dem entgegengesetzten Geschlechte statt-
findet, nennt er die Erscheinung heterosexuell (zwischen zwei
Personen von verschiedenem Geschlecht); diese kann sich
zwischen die Akte des Urnings einschieben, kann also in un-
regelmässigen Zwischenräumen von einem mit der homosexualeu
Krankheit Behafteten ausgeführt werden.
In betreff der medizinischen Praxis unternahm Kr äff t-
Ebing wichtige Untersuchungen, um den Ursprung der kon-
trären Sexualempfindung zu bestimmen, bestätigte, dass sie bald
erworben, bald angeboren ist, und teilte sie in zwei verschie-
dene Arten. Nachdem dieser erste und schwerste Schritt ge-
than war, versuchte er, die Grade einer jeden der beiden Arten
zu zeichnen, dann eine gewisse Zahl von Ursachen anzugeben
und die Differential - Charaktere aufzustellen, die zur Diagnose
dienen können. Diese Diagnose ist oft von grosser Wichtig-
keit, bald um den Kurplan festzustellen, bald um den Grad
der Verantwortlichkeit des Kranken für die Ursachen der
Krankheit zu erkennen. Um die Diagnose zu erleichtern, hat
der Autor vier Grade der erworbenen konträren Sexualempfin-
dung unterschieden. Aber ehe wir zu den Graden kommen,
erwähnen wir, dass sich mit den Ursachen vorzüglich S ehren ck-
mit einem Vorworte von Krafft-Bbing. Berlin, Fischer, 1891. —
Untersucliangen über die Libido sexualis. ibid. 1898. Sehr wichtig für den
Unterricht.
^) Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis, p. 240.
— 197 —
Notzingi) beschäftigt hat, der über die Ursachen der Onanie
lind über die anderen Ursachen der konträren Sexualem-
pfindung eingehende Studien gemacht hat. Von den von Kraff t-
Ebing angenommenen G-raden besteht der erste (symptomatisch)
in der einfachen konträren Sexualempfindung, während der
Kranke diese Neigung als eine Verirrung und als dem eigenen
Geschlechte widersprechend beurteilt. Der zweite Glrad tritt
ein, wenn der Kranke das Gefühl hat, er habe sein Geschlecht
geändert; so z. B. fühlt sich ein Mann als Weib, selbst während
des Geschlechtsaktes; der Verf. nennt diesen Zustand „Eviratio"
(entmannt). Wahrscheinlich gehören zu dieser Art jene Männer,
die, wenn sie allein zu Hause sind, sich elegant als Frauen
kleiden ; ich erinnere mich des Falles eines Prozessrichters aus
meiner Studentenzeit.
Besondere Aufmerksamkeit verdient der folgende Grad,
dessen Wichtigkeit man nur würdigen kann, wenn man den
Autor selbst zu Rate zieht, wo er von der Paranoia spricht 2).
Eine Idee über diesen Grad kann man aus folgender Geschichte
entnehmen, die der Verf. sehr ausführlich erzählt, und die die
Basis des dritten Grades festlegt. Übergang zu der paranoischen
Geschlechtsverwandlung. Der Verf. erzählt, der Kranke sei
ein Arzt gewesen, und sagt: „Als Kind hatte ich weibliches
Betragen und Aussehen. Ich liebte leidenschaftlich männliche
Spiele, militärische Übungen, während ich den Mädchen aus-
wich. Im Alter von 15 Jahren verfiel ich dem Laster der
Onanie; aber wenn ich es ausübte, schien ich mir aus zwei
Teilen zu bestehen, einem männlichen und einem weiblichen.
Ich war genötigt zu heiraten, und der Coitus gewährte mir
keinen Genuss. Nach einigen Jahren mit nervösen Störungen
und Halluzinationen bekam ich Gichtanfälle, wobei ich warme
Bäder nahm; eines Tages war ich genötigt, das Bad schnell zu
verlassen, da ich mich als Weib fühlte und weibliche Be-
gierden hatte. Diese Erscheinung wiederholte sich nach einer
starken Dosis von Cannabis indica, und darauf wurde ich sanft
^) V. Schrenck-Notzing (München), Suggestionstherapie, p. .129
folgende.
2)- Krafft-Ebing, Lehrbuch der Psychiatrie. Paranoia primi-
tiva.
— 198 —
und geduldig, wie eine Frau. Aber ich schlief wenig und hatte
die Halluzination, meine Geschlechtsteile seien die einer Frau.
Glücklicherweise tröstete ich mich über meinen Zustand durch
die Religiosität, die ich immer bewahrt hatte, und diese hinderte
mich, der mehrmals wiederkehrenden Neigung zum Selbstmorde
zu folgen." — Krafft-Ebing definiert den vierten und letzten
Grad als „Paranoische Geschlechtsverwandlung". Der Verf.
meint, der Kranke sei zuerst neurasthenisch in Bezug auf
die Geschlechtsorgane, dann werde die Neurasthenie allgemein
im Sinne einer psychischen Krankheit bis zum Grade der
Paranoia, also bis zu der Monomanie, sein Geschlecht gewechselt
zu haben. Diese sehr seltene Monomanie findet sich sowohl
beim Manne, als beim Weibe.
Wenn die sexuelle Perversion angeboren ist, hält sie der
Verf. für krankhaft, obgleich das Geschlechtsorgan schon
differenziert ist; aber das Individuum zeigt eine seltsame
Apathie, ja Abneigung gegen das andere Geschlecht, und sym-
pathische Zuneigung zu Personen des eigenen Geschlechts. In
gewissen Fällen zeigt der Kranke sogar diese Neigung durch
Nachahmung der Beschäftigungen und der Kleidung. Auch
dieser Krankheitsprozess hat Grade, d. h. verschiedene Ent-
wickelungsformen, die Krafft-Ebing auf folgende Weise zu-
sammenfasst :
1. Während der homosexualen Empfindung zeigen sich
Spuren von heterosexualen Gefühlen (psycho - sexualer Herm-
aphrodismus).
2. Es. besteht keine andere Neigung, als die zu dem
eigenen Geschlechte (Homosexualität),
3. Das ganze physische Sein passt sich der abnormen
Geschlechtsempfindung an (Effeminatio und Viraginität).
4. Die Körperform nähert sich derjenigen, welcher der
abnormen Geschlechtsempfindung entspricht.
Wenn man diese Grade und die darauf bezüglichen Ge-
schichten mit denen der erworbenen Homosexualität vergleicht,
kann man leicht bemerken, wie wertvoll das Bestreben ist,
diese beiden Arten von einander zu trennen, also den er-
worbenen psychologischen Invirilismus von dem angeborenen;
aber zugleich begreift man leicht, wie gross die Schwierigkeit
— ige-
lst, in der Praxis den sehr komplizierten und veränderlichen
funktionellen (nicht körperlichen) Charakteren die Daten zu
entnehmen, die diese beiden Arten deutlich von einander unter-
scheiden lassen. Daher ist es nicht zweifelhaft, dass dieser
Punkt noch der Vervollkommnung bedarf, die nur durch Bei-
bringung neuer, besser charakterisierter Beobachtungen erreicht
werden kann.
Der Verf. hat in betreff der vielen von ihm untersuchten kli-
nischen Thatsachen geschlossen, dass man bei der zugleich patho-
logischen und angeborenen Perversion einen erblichen Zustand
wahrnehmen kann, eine Belastung, wie die Neueren sagen, und
wenn solche Zustände nach der Pubertät auftreten, werden sie
Krankheitssymptome; z. B. der bizarre, romantische Charakter,
lebhafte Leidenschaft für Musik oder Poesie, und bei Frauen die
ausschliesslichen Träume von Frauen, die neurasthenischen oder
hysterischen Leiden, die beide oft durch Masturbation unterhalten
werden. Zu den Ursprüngen übergehend, nimmt der Autor an,
dass es in den Familien Individuen mit Neurosen, epileptischen
Psychosen und mit Anzeichen von Degeneration giebt, z. B.
erblich syphilitische i). Aber auch in dieser Beziehung wieder-
holen wir, dass ausführlichere neue Beobachtungen nötig sind,
und da wir diese Aufgabe nicht übernehmen können, weil sie
unsere Absicht überschreitet, überlassen wir sie den Forschern.
Als wir das obige niedergeschrieben hatten, bemerkten wir, dass
schon Casper2) im Jahre 1833 behauptete, die Päderastie sei
oft eine angeborene Neigung. Neuerlich hat MolP) viele
Gründe dafür angeführt, dass die konträren Sexualempfindungen,
die man für erworben hält, gewöhnlich angeboren sind, und
eine wichtige Kritik über die Differential- Diagnose zwischen
den beiden Arten der Perversion vorgebracht, die Beachtung
verdient.
Wir haben die Charaktere der Viragines nach Wrisberg
aufgestellt und gesehen, dass viele davon den von uns dem
^) E. Fournier, Stigmates dystropMques de Theredo-sypliUis. Paris,
1898.
-) J. L. Casper, Vierteljahrsschr. für gerichtl. und öffentl. Medizin.
Berlin, 1833.
^) A. Moll, Die konträre Sexnalempfindung, p. 216 ff.
— 200 —
Invirilismus i) ziigeschrieljeiieu entsprecheu, und haben auch auf
die Notwendigkeit aufmerksam gemacht, eine unterste Grenze
für die Grösse der Viragines aufzustellen. Wir fügen nun hin-
zu, dass Meckel das Wort Gynandra als Synonym mit Virago
annahm^), und dass Krafft-Ebing bemerkte, viele der ange-
führten Charaktere verbänden sich bisweilen mit der konträren
Geschlechtsempflndung. So versichert er, dass Unterleib und
Geschlechtsteile dieser Weiber weiblich sind, während das Ge-
sicht und die allgemeine Form des Skeletts männlichen Typus
zeigt. Aber er liefert weder hinreichende anatomische Angaben
für den Zustand des Skeletts, noch für das arithmetische Mittel
der Körpergrösse.
Die Hauptcharaktere, die dieser Autor bei den Gynandren
angiebt, sind folgende. In der Kindheit liebt das Mädchen die
Belustigungen der Knaben und wetteifert mit ihnen bei ihren
Spielen. Sie liebt die weiblichen Arbeiten nicht und zeigt sich
ungeschickt bei denselben. Wenn sie älter wird, zeigt sie die
Neigungen einer Amazone. Sie trägt kurze Haare und kleidet
sich gern als Mann. Später fühlt sie sich den Frauen gegen-
über als Mann. Geschlechtliche Beziehungen zu einem Indivi-
duum des anderen Geschlechts scheinen ihr ganz unbegreiflich.
In vielen Fällen begnügen sich diese Frauen mit platonischer
Liebe, oder höchstens mit lesbischer Liebe oder Masturbation.
Dann spricht der Autor von der echten Gynandra (Mannweib)
und sagt, die zu dieser Art gehörenden Weiber hätten ähnliche
körperliche Beschaffenheit und Geschlechtsempfindungen, wie
die Viragines. Unter den körperlichen Eigenschaften ist die
Ähnlichkeit der Stimme, der Gesichtstypus und die Bildung des
Skeletts beachtenswert. Es g-iebt auch wenige, aber genügende
Beobachtungen, dass bei solchen Weibern das Becken, der
Gang und die Stellungen entschieden männlich sind, besonders
haben sie grobe Züge, tiefe, rauhe Stimme und bisweilen grosse
Hände und Füsse. In moralischer Hinsicht ist es merkwürdig,
dass die Schamhaftigkeit verschwindet, wenn sie sich einer
Person ihres eigenen, und nicht des entgegengesetzten Ge-
schlechts gegenüber befinden.
1) Vgl. p. 4:1.
^) Mcckel, Pathologische Anatomie. Leipzig, 1816, Bd. II, p. 200.
— 201 —
Was den Hermaphrodismus betrifft, haben wir schon ange-
geben, dass die bisexuellen Erscheinungen bei den Viragines
schon von Wrisberg erwähnt worden sind, und in unserer
Zeit bemerkte Casper, dass es Männer giebt, die geschlecht-
liche Beziehungen bald mit Männern (homosexual), bald mit
Weibern (heterosexual) haben. Der Kenntnis dieser Erschein-
ung hat Krafft-Ebing ein Kennzeichen entnommen, um den
ersten Grad seiner Einteilung der angeborenen konträren Sexual-
empfindung festzustellen (s. Grad 1, p. 198). Er sagt: „neben
der homosexuellen Empfindung sind Spuren der heterosexuellen
vorhanden", und diesen Zustand nennt er psycho -sexuellen
Hermaphrodismus. MolP) hat nachgewiesen, dass die Ent-
fernung der geschlechtlichen (heterosexuellen) Beziehungen
von einander nach der Zeit in verschiedenem Masse variiert,
und dass diese Varietät bei verheirateten Männern nicht be-
sonders selten ist, wenn bei ihnen die Geschlechtsteile nor-
mal entwickelt sind; dagegen kann die Abneigung gegen
heterosexuelle Individuen bedeutend wechseln.
In Betreff des Hermaphrodismus ist es zweckmässig, hier
zu erwähnen, dass wir bei verschiedenen Gelegenheiten dieses
Wort gebraucht haben. Bei beiden Arten des Invirilismus
haben wir Gelegenheit gefunden, diesen Ausdruck anzuwenden,
zunächst in den Fällen, in denen die anatomischen Teile den
männlichen ähnliche Formen angenommen haben, wie bei den
Viragines, bei Hypertrichose, bei einfachen Hypertrophien der
Teile des Gesichts, der Clitoris und der Glieder. Wir haben
aber seine Anwendung unterlassen, wenn es sich um falsche
Hypertrophie, hervorgebracht durch pathologische Prozesse,
handelte, also wenn nur Pseudo-Invirilismus vorlag. Wir haben
ihn dann bei der zweiten Art der Perversion gebraucht, nämlich
wenn die männlichen Eigenschaften aus den von Frauen aus-
geführten physischen oder moralischen Handlungen geschlossen
werden, um zu erklären, welche Handlungen man einer unge-
wöhnlichen Vollkommenheit oder Thätigkeit der psychischen
1) Über die Häufigkeit der Fälle scheint Moll nicht derselben Meinung
zu sein (1. c. p. 305). Er sagt, bei Weibern finde man alle Arten von
sexueller Perversion, aber am häufigsten die konträre Sexualempfindung,
wobei die Weiber sich am meisten von anderen Weibern angezogen
fühlen.
— 202 —
Funktionen zuschreiben muss. Zu diesen Handlungen gehören
auch die psycho-sexuellen, bei denen die Zunahme der Thätig-
keit in eine Krankheit ausarten oder auch umkehren kann
(konträre Geschlechtsempfindung). In diesem Falle nimmt die
Perversion nicht nur den Charakter des Pseudo- Hermaphrodis-
mus an, wie Krafft-Ebing will, wenn dasselbe Individuum
geschlechtliche Verhältnisse mit beiden Geschlechtern eingeht,
sondern auch, so oft eine Frau sich einbildet, ein Mann zu
sein und den verschiedenen Graden der Homosexualität ver-
fällt, denn auch dieses ist eine nervöse Erscheinung, die ihr
thätiges und Eeflexcentrum in einer Anomalie der Psyche hat.
Nachdem wir eine kurze Übersicht über die Perversion ge-
geben haben, mussten wir ein neues Verzeichnis von Thatsachen
aufstellen, das die Varietäten sowohl der anatomischen als
instinktiven Charaktere der konträren Geschlechtsempfindung
enthielte, um z. B. zu untersuchen, wie oft beim Weibe der
Invirilismus sich auf den Thorax erstreckt oder sich auf ihn be-
schränkt. Obgleich man diese Erscheinung für häufig halten
kann, haben wir doch nur die folgenden wenigen Beispiele ver-
zeichnet, da wir die von Birnbacheri) gesammelten Fälle
nicht kennen. Ferner unterlassen wir es, die Fälle von perineo-
scrotaler Hypospadie als Beispiele von Pseudo-Hermaphrodismus
zu betrachten, wie Krafft-Ebing^) anzunehmen geneigt scheint,
denn die Hypospadie findet sich zwar beim Weibe, aber ziem-
lich selten, und man findet nicht die Beschreibung des Zu-
sammenhangs mit der Vulva und weiterhin mit der Vagina.
Wer die physischen oder instinktiven Varietäten des männ-
lichen und weiblichen Pseudo-Hermaphrodismus kennen zu lernen
wünscht, möge die 148 Beobachtungen auf pag. 61 ff. durchsehen.
Hier fügen wir nur vier die Inversion betreffende Fälle hinzu,
die wir in den betreffenden Noten etwas ausführlicher be-
schreiben werden. Der erste ist von Ger in publiziert worden
(Note 5, Beob. 1). Es handelte sich um eine Frau mit männ-
lichem Habitus, die trotz ihres Widerwillens Verhältnisse mit
^) Birnbacher, Ein Fall von konträrer Sexualemp findung vor dem
Strafgericht. Friedreichs Blätter für ger. Med. 1891, p. 2. Jahresber.
für 1891, V. I, p. 502 (28).
") Krafft-Ebing, Psychopathia sexualis, p. 248.
— 203 —
Männern gehabt hatte; bei der Sektion fanden sich weibliche
Geschlechtsteile, aber ohne Ovarien. Gunckel (Note 5, Beob. 2)
erzählt, dass eine Frau mit männlichem Habitus, 5 cm laogem,
nach hinten gebogenem- Penis, aber ohne Hoden, der man ein
Liebesverhältnis mit ihrer Stiefmutter nachsagte, mit 28 Jahren
starb. Bei der Sektion fand man vollständige weibliche Organe,
ausgenommen, dass die Vagina in die Prostata mündete. Birn-
b ach er (Note 5, Beob. 3) berichtet von einer Frau, die männ-
liche Manieren nachzuahmen liebte und an lesbischer Liebe litt.
Skelett und Kopf waren weiblich, die Geschlechtsteile aplasisch,
ähnlich denen eines zehnjährigen Mädchens. Endlich erzählt
Müller (Note 5, Beob. 4) einen Fall (aus dem verflossenen
Jahrhundert) von Atresie der Geschlechtsteile bei einer Frau
mit konträrer Sexualempflndung, die sich der Sodomie ergeben
hatte und zum Tode verurteilt wurde.
Dieser Fall ist nicht vereinzelt und hat eine gewisse Ähn-
lichkeit mit dem infolge von Atresie der Scheide durch die
Urethra ausgeführten Coitus. Die merkwürdigsten Beispiele
der unter diesen Umständen betriebenen Sodomie sind unseres
Wissens zwei. Das eine stammt von Ant. Luisi) (Note 5,
Beob. 5), wobei die obscöne Handlung Folge der Heftigkeit
des Geschlechtstriebes war, unter Beistimmung beider Lieben-
den. Das zweite Beispiel gehört Fr. Eossi aus Turin an, bei
dem dasselbe Hindernis für den physiologischen Coitus bestand,
aber es scheint, dass der Gemahl allein den Ersatzweg kannte 2).
Er führt den Fall von Luis an (Note 5, Beob. 5), so dass sich
in der gerichtlichen Medizin eine verschiedene Verantwortlich-
keit zwischen Mann und Frau ergeben würde.
Wenn wir jetzt die von Krafft-Ebing angegebenen
Symptome der Grade der angeborenen Perversion betrachten,
finden* wir, dass essehr wenige sind und zu selten vorkommen,
um die Differentialdiagnose von den erworbenen Perversionen zu
^) Ant. Luis, Encyclop. varia, 1652. Angeführt von A. Hall er,
Biblioth. Chirurg. Bernae, 1765, T. II, p. 288. Vaginam in rectum intesti-
num, apertam fnisse, partum tamen a Cl. Pean feliciter expeditum.
^) Fr. Eossi, s. C. Taruffi, IV. Teil: Agenosoma Note 5. Beob.
11. — G. Herzfeld, Über Atrophie und Stenose der Scheide. Inaug.-
Diss. Berlin, 1869, p. 24.
— 204 —
erleichtern. Dazu kommt, dass die Ätiologie geringe Dienste
leistet, wenn wir bedenken, dass Neurasthenie, Hysterie, Para-
noia und die sogenannte Entartung (tara) Krankheiten sind,
die gewöhnlich zahlreiche klinische Formen und sehr verschie-
dene Wirkungen umfassen, bei denen meistens die sexuelle
Perversion fehlt, so dass die Gegenwart einer dieser Formen
einen sehr ungenügenden Beweis bildet, um sie als Ursache zu
erkennen. Man muss also zugeben, dass die Pathogenese nicht
einfach ist, und dass die angeführten Degenerationen für die
Atiologen nicht hinreichen, sowie dass das Hinzutreten anderer,
bis jetzt unbekannter Bedingungen nötig isti). Diese Dinge
sind ohne Zweifel dem berühmten Wiener Irrenarzte be-
kannt, der antworten kann, dass man bei rein nervösen
Krankheiten nur zu der mehr oder weniger entfernten Induktion
zu greifen braucht, um den Mangel gleichförmiger physischer
Zeichen zu ersetzen.
Wenn es unvermeidlich war, zur Induktion zu greifen, um
die Ursachen der Perversion aufzufinden, so muss man sich des-
selben Mittels, und mit noch grösserer Kühnheit bedienen, um
ihre Pathogenese aufzuklären, da wir noch in vollkommener
Unkenntnis der Beziehungen der Funktionen des Gehirns zu
denen der Geschlechtsteile sind. Aber es genügt nicht, nach einem
Auskunftsmittel zu greifen; man muss sich seiner auf die beste
Weise bedienen, um die Hindernisse zu vermeiden, oder zu
überwinden, indem man sie richtig erklärt. Nun ist auch dieses
Unternehmen von Krafft-Ebing auf bewundernswürdige
Weise ausgeführt worden; er hat einige Vorgänger überwunden,
die analoge Ansichten in embryonaler Weise ausgesprochen
hatten. Folgendes ist die Lehre des Verf. in ihren Haupt-
punkten. Er erwähnt zuerst, dass bei jungen Leuten beider
Geschlechter ein dem eigenen Geschlechte entsprechender mora-
lischer Zustand auftritt, unterstützt durch den Einfluss der
Umgebung und Erziehung; er bekennt jedoch, dass die Frage
noch lebhaft erörtert wird, ob das Erscheinen der vollständigen
^) Wer weitere Einzelheiten über das Ungenügende der den erworbe-
nen gesclilechtlichen Psychopathien zugeschriebenen Ursachen wünscht, mag
die „Suggestionstherapie der geschlechtlichen Psychopathien" von Dr. A.
V. Schrenck-Notzing (München) um Eat ziehen.
— 205 —
psychisch-sexuellen Entwickelung eine Folge des Einflusses der
Hoden und Ovarien, oder der Hirncentra sei. In dieser Be-
ziehung leugnet der Verf. nicht den wichtigen Einfluss der
sekundären Einflüsse des Organismus auf die Entwickelung,
was durch die Eunuchen und die Viragines bewiesen wird.
Aber dies erklärt nicht, wie sich eine der physiologischen
Neigung des Individuums konträre Geschlechtsempfindung ent-
wickelt.
Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, greift der Verf. zu
einer hypothetischen Anomalie, die ihren Sitz im Centrum des
Gehirns hat, so oft die Perversion angeboren und (wahrscheinlich)
die Wirkung einer Degeneration ist, die sich bei den Vorfahren
fand und durch Progression den Nachkommen überliefert wurde
(progressive Vererbung). Er meint endlich, dieser Zustand des
Gehirns sei ein Punkt der psychisch - sexuellen Konzentration,
wo die leitenden Nerven der motorischen und sensitiven Appa-
rate sich kreuzen, während sie andererseits zu Gesichts-, Ge-
ruchs- u. s. w. Centren verlaufen, indem sie dem Ganzen die
Idee eines männlichen oder weiblichen Wesens beilegen. Er
meint ferner, der anatomische Sitz des Konzentrationspunktes
liege in der Gross-Hirnrinde in der Nähe der Geruchssphäre,
denn niemand kann die engen Beziehungen zwischen dem Ge-
schlechtssinne und dem Geruchssinne leugnen i). Gegen die sinn-
reiche Hypothese eines einzigen Sitzes hat sich MolP) ge-
wendet, weil die Erfahrung zu der Annahme führt, das Gesichts-
und Gefühls-Centrum übten denselben Einfluss aus; statt eines
einzigen sexuellen Perceptionscentrums, glaubt er, seien mehrere
Centren in der Grosshirnrinde zers-treut.
Kapitel VI. Tribadismus.
Da wir keine weiteren hinreichend sicheren Fälle von
Invirilismus hinzufügen können, schliessen wir die gegenwärtige
Abhandlung mit der chronologischen Geschichte des Ausdrucks
^) Vgl. A. Hagen, Die sexuelle Osphresiologie. Die Bezieli-
ungen des Geruchssinnes und der Gerüche zur menschlichen Geschlechts-
thätigkeit. Berlin, 1901.
2) A. Moll, Die konträre Sexualempfindung, p. 228.
— 206 —
Tribadismus, der zu allen Zeiten gebräuchlich war, und mit der
Geschichte der ihm beigelegten Bedeutung. Dies wird, hoffe
ich, den Philologen angenehm sein, trotz der von uns offen
gelassenen Lücken, und auch den Gerichtsärzten nützen, indem
es sie darauf aufmerksam macht, dass dieser Name in der
Wissenschaft weder eine genaue, noch gleichförmige Bedeutung
hat. Dies rechtfertigt die neuen Benennungen, die zu den ver-
schiedenen Erscheinungen passen, welche als Tribadismus zu-
sammengefasst worden sind.
Wenn man bedenkt, dass die Geschlechtsinstinkte oft
übermässig waren und noch sind und bisweilen die Intelligenz
stören, kann man eine von Manethos gemachte Unterscheidung
erklären, die sich in einem seiner Fragmente findet (4,358)1),
worin Meretrices und Tribaden unterschieden werden: nÖQvac,
nal TQißdöag — , denn noch heute unterscheiden wir die käuf-
lichen Weiber, die auf gewöhnliche Weise die Geschlechts Ver-
bindung ausüben, von anderen, die instinktiv die ungewöhn-
lichsten Arten der geschlechtlichen Verirrungen aufsuchen oder
sich ihnen hingeben. Diese Unterscheidung gewinnt besondere
Wichtigkeit dadurch, dass Manethos der erste Geschichts-
schreiber Egyptens war, obgleich er griechisch schrieb, und zur
Zeit Ptolemäus I. lebte (367 ante Chr.).
Bei den Hebräern zeigte sich schon zu Moses Zeit grosse
Achtung der ehelichen Pflichten und Verachtung der instink-
tiven geschlechtlichen Laster; aber auch bei diesem Volk trat
später moralische Degradation auf, die gleichzeitig in Griechen-
land und Kleinasien sich stark vermehrte. Dies beweist der
Apostel Paulus in seinem Brief an die Eömer; darin liest man
(Kap. 1, Vers 27 — 28)2): „Nam foeminae eorum immutaverunt
naturalem usum in eum usum, qui est contra naturam. Similiter
autem et masculi relicto naturali usu foeminae, exarserunt in
desideriis suis in invicem, masculi in masculos turpitudinem ope-
rantes, et mercedem (quam oportuit) erroris suis in semetipsis
recipientes."
^) Die Mstorischen Fragmente des Manethos sind von dem Historiker
Flavius Josephus erhalten und überliefert worden.
2) Wir haben die beiden Verse der in Venedig bei Giolito, 1588 ge-
druckten Bibel entnommen.
— 207 —
Paulus gebrauclite weder in diesen beiden Versen, nocli
sonstwo 1) die Ausdrücke Tribaden und Sodomiter, da ihm die
Beschreibung der Akte genügte. Ausserdem näherte Paulus
die beiden Arten der geschlechtlichen Yerirrungen einander, als
ob zwischen beiden nahe Verwandtschaft bestände, und dies ist
18 Jahrhunderte später von Krafft-Ebing wissenschaftlich
anerkannt und festgestellt worden, indem dieser den Ausdruck
„homosexuelle Instinkte" einführte.
Bei der Fortsetzung unserer Untersuchungen kommen
wir zu dem berühmten Epigramm-Dichter Valerius Mar-
tialis, der, im Jahre 43 p. C. in Spanien geboren, in
seinem 65. Jahre in die Hauptstadt des Eeichs auswanderte
und hier noch 35 Jahre lebte. Hier schrieb er seine be-
rühmten Epigramme, von denen nur drei uns angehen (Lib. I,
Ep. 91, Lib. VII, Ep. 67, 70). Die wichtigsten sind die beiden
folgenden, die deutlich auf die Entartung Jener Zeit anspielen,
und obgleich sie das Wort Tribadismus nicht gebrauchen, zeigen
sie, dass solche Weiber sich nicht auf die geschlechtliche Per-
version beschränkten, sondern sogar der Zunge das Amt
der Scheide übertrugen. So ist der Instinkt und das Treiben
dieser Weiber viel mannigfaltiger, als wir bis jetzt angenommen
haben.
Martial, Epigramme. Lib. I, ep. 91. Ad Bassam triba-
dem2):
Inter se geminos audes committere cunnos,
Mentitiirque virum prodigiosa Venus.
Commenta es dignum Theliano aenigmate monstrum :
Hie, Tibi vir non est, ut sit adulterium.
^) Diese beiden Verse sind von den italieniscben Übersetzern der
Bibel zu undeutlich und ungenau ausgedrückt worden.
^) Dieses Epigramm ist schwer zu übersetzen und zu erklären. Gewöhn-
lich übersetzt man : „Du wagst es, eine Vagina mit der anderen zusammen-
zubringen, und die monströse Venus ahmt den Mann nach." Wenn man
aber das Wort Venus mit Vagina übersetzt, und da sie prodigiosa genannt
wird, annimmt, dass die Vagina eine penisähnliche Clitoris besass, versteht
man die Fortsetzung des Epigramms: „Du hast ein des thebanischen Unge-
heuers würdiges Rätsel erfunden, und hast es erreicht, dass man ohne
Mann Ehebrecherin sein kann."
— 208 —
Epigramme, VII, 67.
Gregen PMlene (die mehr cnnnilingua, als Tribade war):
Paeclicat pueros tribas Philaenis
Et tentigine saevior mariti
Undenas vorat in die puellas.
Non fellat; putat hoc parum virile
„Sed plane medias vorat pnellas"
Di meiitem tibi dent tuam, Plülaeni,
Cunnum lingere quae putas virile.
Aber wir wissen, dass man vor den Epigrammen Marti als
im zweiten Jahrhundert a. c. in Rom öffentlich die berühmten
Komödien des Plautiis vortrug, unter denen sich eine mit dem
Titel „Persianus" befand (Akt II, Szene 2), in der der Jüng-
ling Pegnius zu Sofoclidisca (einem Weibe von schlechtem
Lebenswandel) sagte: ne me attrecta, subagitatrix (ein Weib,
das unter den Kleidern agitiert). Dieses Beiwort beweist aller-
dings nicht, dass dieser Ausdruck der einzige von den latei-
nischen Schriftstellern gebrauchte war, denn Plautus schrieb
für das Volk und bemühte sich nicht um ausgesuchte Phrasen.
In dem Zeitalter des Augustus, das in seinen Sitten nicht
besser war, als das vorhergehende, finden wir zwar das Wort
Tribadismus, oder ein anderes gleichbedeutendes nicht, sondern
nur eine Beschreibung von obscönen Handlungen, die Phädrusi)
in seiner „Prometheus" überschriebenen Fabel hinterlassen hat:
. . . Prometheus
Naturae partes, veste quas celat pudor,
Qunm separatim toto finxisset die,
Aptare mox ut posset corporibus suis,
Ad coenam est invitatus subito a Libero,
Tibi irrigatus multo venas nectare,
Sero domum est reversns titubanti pede.
Tum semisomno corde et errore ebrio
Applicuit virginale generi masculo
Et masculina membra applicuit foeminis.
Ita nunc übido pravo fruitur gaudio.
^) Phädrus kam in dem Zeitalter des Augustus nach Rom; er war
aus Thrazien gebürtig. Buch IV, Fabel XIV. Turiner Ausgabe von Pomba.
— 209 —
In diesem Stück schreibt Phädrus dem Prometheus die
Macht zu, die menschlichen Körper aus den zuerst getrennten
Gliedern zusammenzusetzen, und erzählt, er habe, als er eines
Abends betrunken war, aus Irrtum weibliche G-eschlechtsteile
mit einem männlichen Körper verbunden, und umgekehrt, wo-
durch bei beiden Produkten, als sie lebendig geworden
waren, die Perversion des geschlechtlichen Instinkts entstan-
den sei.
Wir haben schon angegeben, dass vor dem ersten Jahr-
nundert unseres Zeitalters das Wort Tribadismus gebraucht
worden ist. Aber obgleich es an lasterhaften Weibern nicht
gefehlt hat, weder damals noch später, muss man doch bis zum
Jahre 139 p. C. gelangen, um den zu finden, der es wiederholt
hat. Dies war Claudius Ptolemäus, in der Thebaide ge-
boren, der im Jahre 161 der christl. Aeranoch lebte, ein berühmter
Mathematiker, Geograph und Astrolog, der unter andern das
berühmte Buch schrieb: Tetrabiblos syntaxis — AI ywämsg
. . . . al KaZo'öfisvai xQißdösg'^).
Ein Wort, das die Tribaden mit einbegreift, finden wir bei
einem Zeitgenossen des Ptolemäus, der bis 192 lebte; dieses
Wort war meretrix. Dieser Zeitgenosse war Lucianus aus
Samosata (Nordsyrien), geboren im Jahre 125 p. C. Er schweifte
im römischen Eeiche umher, wo er, wie wir es jetzt nennen,
Vorträge hielt. Er hinterliess viele Schriften in griechischer
Sprache, aus denen mau einen tüchtigen Rhetoriker des zweiten
Jahrhunderts, oder besser einen Schriftsteller von Profession
erkennt, denn er behandelte die verschiedenartigsten Gegen-
stände: die zeitgenössischen Sitten, das Christentum, die griechische
Philosophie, berühmte Persönlichkeiten, oder erzählte seine
Eeiseabenteuer in den verschiedenen Provinzen des Reichs.
Der allgemeine Charakter seiner Schriften ist oft kritisch, bis-
weilen ironisch und selbst satirisch. Aber das merkwürdigste
ist, dass er seine Pfeile gegen das Heidentum richtete, ob-
^) Claudii Ptolemaei, Operis quadripartiti in latinum sermonem
traductio, Ant. Gogava interprete. Lovanii, MDXLVIII, Seitenzahlen, nicht
nummeriert. Lib. III, cap. 18, de vitiis el morbis animi. „Foeminae vero
coitus praeter naturam instituti appetentes evadunt, salaces, oculis emis-
sitiis, et quas tribades appellant, virilia sibi munia sumentes".
Taruffi, Hermaphrodismus. 14
— 210 —
gleich er weder Christ war, noch die christliche Lehre
lobte 1).
Von seinen Schriften führen wir nur die „Unterhaltungen
der Courtisanen" an, weil sie von wirklichem litter arischen
Werte sind und auch auf unseren Gegenstand Bezug haben,
denn in diesen Unterhaltungen werden nicht nur einige ge-
schlechtliche Perversionen aufgezählt und beschrieben, son-
dern auch die intimen Sitten dieser Courtisanen. In ihnen
werden 15 Szenen ihres intimen Lebens geschildert (wahr-
scheinlich in Athen) und in lebhafter, populärer Sprache be-
handelt; man liest sie mit grossem Vergnügen, schon wegen
ihrer Wahrscheinlichkeit. Wir bezweifeln jedoch, dass Lucian
diese Unterhaltungen nur um seine litterarische Kunst erkennen
zu lassen geschrieben hat, denn er zeigt, dass selbst die
Courtisanen, so verdorben sie auch sind, einiger guter Glefühle
fähig sind, wie Luigi Settembrini meint. Aber noch leichter
kann man vermuten, dass der geschickte Schilderer obscöner
Handlungen diesen nicht fremd gegenüberstand; so erzählt er,
dassMegilla von kräftigem männlichen Habitus war (wie die Weiber
von Lesbos, die den Mann nicht begehren, sondern sich mit
Weibern paaren nach Männer Art), dass sie sich eines Abends
berauschte, sich mit Lena niederlegte und sie mehrmals küsste.
Dann nahm diese Megilla ihre Perücke vom Kopf und liess
sich Megillus nennen, indem sie erklärte, sie sei ein richtiger
Mann und nicht ein Hermaphrodit, mit allen männlichen
Neigungen; sie habe ein Instrument, das dasselbe Spiel spiele,
wie das männliche. Dann sagte sie „Liege still, dann wirst
du sehen". Lena blieb liegen und wurde mit einer schönen
Halskette beschenkt.
Diese kurze Erzählung, die andere von modernen Schrift-
stellern übertrifft, welche die konträre Sexualempfindung be-
schrieben haben, beweist nicht, dass Lucian keine anstän-
digen Gewohnheiten gehabt, oder Widerwillen gegen öffent-
liche Skandale gefühlt hätte. Dies ist um so weniger
ausgeschlossen, als er in den Dialogen III und VI ohne Ab-
scheu nach dem Leben beschreibt, wie eine Mutter ihre Tochter
^) Die vielen Vorzüge des Blietorikers Lucian erklären die wieder-
holten Übersetzungen des syrischen Autors ins Lateinische und Italienische.
— 211 —
zur Grefallsuclit und zur Prostitution auffordert, um Geld zu
verdienen. Ebenso wenn er in Dialog X, wenn auch kurz,
von Päderastie spricht. In diesem Dialog nennt Lucian auch
die Weiber Tribaden, die einfach die geschlechtliche Inversion
ausüben, ohne den Grad zu bestimmen.
Wenn wir so die Stellung Lucians zu den früher an-
geführten Autoren über die Geschichte des Tribadismus ange-
geben, können wir einen Vergleich mit zwei Arten von Zoologen
wagen, von denen die einen sich mit den körperlichen Eigen-
schaften und der Taxonomie der Tiere beschäftigen, die anderen
ihre Lebensweise studieren. Wir müssen dann sagen, dass
Lucian in Bezug auf die Geschichte der Courtisanen, mit den
Zoologen der zweiten Klasse vergleichbar ist.
Ein gleiches Laster, noch mit der Zugabe, dass es durch
einen Betrug verdeckt wird, ist von Leo Africanus be-
schrieben worden!), . der in Fez (Marokko) drei Arten von
Wahrsagern antraf. „Die dritte Art bestand aus Weibern, die
man in Europa Hexen nennt. Diese machen das Volk
glauben, sie ständen in Freundschaft mit gewissen Dämonen ver-
schiedener Art. Von diesen nennen sich einige rote, andere
weisse, und noch andere schwarze Dämonen, und wenn die
Weiber auf jemandes Wunsch wahrsagen wollen, reiben sie sich
mit gewissen Wohlgerüchen ein. Wenn sie so, wie sie sagen,
den Dämon herbeirufen, fährt dieser in ihren Körper ein. Nun
ändern sie plötzlich ihre Stimme, indem sie sich stellen, als
spräche der Geist durch ihre Zunge. Der Mann oder die Frau,
die gekommen ist, um etwas zu erfahren, fragt den Geist sehr
demütig, was sie wissen will, und wenn sie die Antwort erfahren
hat, lässt sie ein Geschenk für den Dämon zurück und geht. Aber
Männer, die zugleich gütig und klug sind und Erfahrung haben,
nennen diese Weiber Sahacat, was dasselbe bedeutet, wie im
Lateinischen Fricatrices. Und in der That haben sie diese ver-
fluchte Gewohnheit, eine die andere zu benutzen, was ich nicht
anständiger ausdrücken kann. Wenn nun unter den Frauen,
^) J. Leo Africanus (geb. in Granada 1483, gest. in Tunis 1552).
Della descrizione dell' Africa. — Vedi G. Batt. Ramosio (Treviso).
Raccolte delle navigazioni e viaggi. Venedig 1554. T. I, 1. Ausg. P. 3.
S. 39. Die erste Übersetzung wurde 1526 von Leo selbst gemacbt aiif
Befehl Leo's X.
14*
— 212 —
die sie um Eat fragen wollen, eine schön ist, verlieben sie sich '
in dieselbe, wie ein Jüngling in ein Mädchen. Nun verlangen
sie von ihnen im Namen des Dämons als Bezahlung den Coitus,
und die Frauen glauben, dem Geiste gefällig sein zu müssen,
und willigen meistens ein. Viele giebt es auch, denen dieses
Spiel gefällt und darum zu ihrer Gesellschaft zu gehören
wünschen. Daher stellen sie sich krank und lassen eine von
jenen rufen; oft ist der dumme Gatte der Abgesandte. Sie
teilen der Wahrsagerin ihren Wunsch mit, und diese sagt dem
Gatten, seiner Frau sei ein Dämon in den Leib gefahren, und
wenn er sie geheilt haben wolle, müsse er erlauben, dass sie
bei den Wahrsagerinnen eintrete und mit ihnen geheim ver-
kehre. Der einfältige Mann glaubt es, giebt in seiner Dumm-
heit die Erlaubnis und stellt für den ganzen Orden ein üppiges
Fest an; am Ende des Mahles wird nach den Instrumenten ge-
wisser Neger getanzt, und dann geht alles, wie es will. Aber
es giebt einige Männer, die ihren Weibern den Dämon durch
kräftige Stockprügel austreiben ; andere stellen sich, als wären
sie noch vom Dämon besessen und betrügen die Wahrsager-
innen auf dieselbe Weise, wie diese ihre Frauen betrogen haben."
Die Erzählung des Leo Africanus nötigt uns, noch
andere Überlieferungen zu erwähnen, die diesen mehf oder
weniger ähnlich sind. Vor allem findet sich in der Genesis
eine Geschichte von Riesen, die infolge des Umgangs von
Mädchen mit dem Teufel geboren wurden (Kap. VI). Wir unter-
suchen nicht, ob Ähnliches in anderen Teilen des Orients geglaubt
wurde; vielmehr gehen wir sogleich zum Mittelalter über, in
dem die Betrügerei der Incubi blühte, die mit Hülfe des Teufels
viele heimliche Liebesverhältnisse zu stände brachte. Wir
haben dies mit einiger Ausführlichkeit in unserer Geschichte der
Teratologie erzählt (V. I, p. 186 ff.) und mit neueren Belegen
die Geschichte der Monstra von E r n e s t M ar t i n erweitert (Histoire
des monstres, Paris, 1880, p. 32) i). Dieser Betrug wurde (viel-
leicht etwas zu spät) durch J. Wier^) in seinem Werke: Des
illusions et impostures des diables etc. enthüllt.
^) Vgl. Laurent-Nagour, Okkultismus und Liebe. Studien
zur Gescliiclite der sexuellen Yerirrungen. Berlin, 1903, p. 107 ff.
2) Job. Wier, Des illusions et impostures des diables etc. Paris,
1885. (Neudruck.) T. I, p. 427—28, cap. XXVII, mit Abbildung. Der Titel einer
— 213 —
Wenn wir von diesem Ä.iitor zu einem andern übergehen,
wird unsere Zeitrechnung ungewiss ; man weiss nicht, welchem
Jahrhundert Caelius Aurelianus angehört, wahrscheinlich dem
3. oder 4. Man weiss aber, dass er in Sicca, einer Stadt
Numidiens geboren ist und halb barbarisches Latein schrieb.
Aus seinen medizinischen Dissertationen sieht man, dass er die
Schriften des Soranus reichlich benutzte, wie er an einigen
Stellen selbst bekennt. Sein hinterlassenes Werk, das ohne
Zweifel sein Hauptwerk war, ist betitelt: De morbis occultis
et cronicis, Amstelodami, 1755. Das uns daraus angehende Stück
ist das folgende:
„Die Weiber werden Tribaden genannt, weil sie die eine
und die andere Venus benutzen, sich mehr mit Weibern, als
mit Männern zu vereinigen streben, den Weibern mit männ-
licher Wut nachstellen, und (wenn sie ihre Leidenschaft nicht
stillen können, oder eine augenblickliche Ruhe eingetreten ist)
andere zu verleiten suchen, welche dieselben Neigungen haben,
indem sie doppelten Geschlechtsgenuss üben. Infolge der häufigen
Trunkenheit stürzen sie sich auf die neuen Formen dieser ver-
derbten, durch ihre schändliche Gewohnheit unterhaltenen Wol-
lust, und geniessen die Schande, die sie ihrem eigenen Geschlecht
anthun. Ebenso sind die Wollüstigen (cinedi) von derselben Leiden-
schaft beherrscht; man kann keine körperliche Behandlung an-
wenden, sondern muss den durch so schändliche Laster beunruhig-
ten Geist bezähmen. Aber keiner hat seine Hitze durch den Um-
gang mit Weibern beruhigt oder durch Reiben besänftigt . . . ."
Dieses Fragment hat das Verdienst, eine bis jetzt nicht
bemerkte Eigentümlichkeit klar zu stellen, nämlich dass die
konträre Sexualempflndung bisweilen einen solchen Charakter
von Heftigkeit annimmt, dass sie eine wahrscheinlich ange-
borene pathologische Form bildet. Dieses Fragment, wie an-
dere vorhergehende, giebt uns ferner Gelegenheit, daran zu er-
innern, dass die Clitoris bisweilen hypertrophisch ist und ver-
schiedene Namen erhalten hat. Ein heidnischer Schriftsteller,
der sich zum Christentum bekehrt hatte, Namens Arnobius,
aus Numidien gebürtig, schrieb eine Abhandlung gegen die
früheren Ausgabe war, De daemonum praestigiis et incantationibus , Libri
sex. Basel, 1664:.
— 214 —
Heiden mit dem Titel „Adversus gentes". In einem der 7 Bücher,
aus denen sie zusammengesetzt, gedruckt in Eom 1542 (wir haben
nicht untersucht, bei welcher Gelegenheit), spricht er von der
Clitoris und nennt sie mit dem lateinischen Namen fricatrix
Abbenalis clintigenem. Eealdo Colombo (Mentula mulierum)
sagt: Sedes delectionis in mulieribus. Endlich erzählt Duval,
die schamlosen Weiber in Frankreich nannten sie gaude mihii).
Um unsere Geschichte des Tribadismus fortzusetzea, müssen
wir sämtliche Jahrhunderte des Verfalls der Wissenschaften
und Künste überspringen, ohne uns auch nur mit den Encyclo-
pädisten (Albertus Magnus und Vincent de Beauvais) zu
beschäftigen, um zur Renaissance zu gelangen, während welcher
die Neigung zu allen Zweigen des Wissens, besonders auch
zu den gelehrten Studien erwachte. Diese letzteren trieb
besonders Girolanio Mercuriale, ein berühmter italienischer
Arzt, geboren in Forli im 16. Jahrhundert, der sich haupt-
sächlich durch sein Buch über Gymnastik und durch seine
Schrift: Variarum lectionum in medicinae scriptoribus etc.
(Venezia, 1570 et 1598) auszeichnete. Über dieses Buch
urteilte Hall er: Miscellanea ex antiquitate sumpta, loci vete-
rum emendati, explicati, pleraque practica, conciliata ex poe-
tarum et aliorum veterum locis. In ihm finden wir zwei Stellen,
die sich mehr oder weniger nahe auf die Tribaden beziehen.
Die erste Stelle findet sich in L. VI, Kap. 20, wo der
Verf. die bedeutende Entwickelung der Clitoris erwähnt, was
die vielen von den Alten über Kinder erzählten Thatsachen
erklärt, die zuerst für Mädchen gehalten wurden und dann ein
männliches Glied zeigten, so dass sie für Knaben galten. Aber
noch seltsamer ist das 13. Kap. des 2. Buches, in dem der
Gebrauch der cunnilingui-Weiber im Altertum besprochen wird,
und es wäre der Mühe wert, die von ihm in griechischer Sprache
angeführten Citate auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Jeden-
falls vervollkommnen und erweitern die von Mercuriale ge-
sammelten Nachrichten die dem zweiten Epigramm Marti als
entnommenen (siehe p. 208), um die griechischen und römischen
Sitten vor und während des ersten Jahrhunderts unserer Zeit-
1) J. Duval, Prof. der Medizin. Traite des hermaphrodits. Eouen,
1612. Paris, 1880. Cap. X, p. 68, 69.
— 215 —
rechniiDg zu charakterisieren. Man sieht, wie die Litteratur
in ihrem Fortschritt zu Kompositionen gelangt, die Erzählungen
von moralischer Entartung einschliessen.
Das Wiedererwachen der G-elehrsamkeit war jedoch sehr
massig in Bezug auf die Studien über konträre Sexualempfin-
dung, denn Giovanni Eiolano (Sohn)i) sagte nur gelegent-
lich: „Istas mulieres, quae inter se sine viro, clitoridis bene-
ficio, Venerem exercerint, tribades vocant." Dasselbe kann man
von Plempius sagen 2), der in Bologna studierte und 1624:
Doktor wurde. In seinen medizinischen Institutionen erzählte
er, eine schamlose Frau habe eine grosse Clitoris gehabt und
fügt hinzu: „Dum in lupanaribus multas exercebat meretrices,
tum alicubi non paucas virgines vitiabat". Obgleich diese Ärzte
zu ihrer Zeit sehr berühmt waren, fügten sie den Ideen der
Alten keine neuen hinzu, und von den spätem ist keiner be-
kannt, der unserem G-egenstand Aufmerksamkeit zugewendet
hätte, bis endlich Casper^) und Ulrichs (Numa Numantius),
die wir schon erwähnt haben, seltsame Dinge erzählten, die zu
der Theorie der Urninge führten. Zu diesen kamen später
andere und schufen die neue Art der sexuellen Psychopathie,
die wir schon erwähnt haben.
Unterdessen suchten die Philologen die Bedeutung einiger
in der Vergangenheit gebräuchlicher Worte zu erklären, aber
bei dem Ausdruck Tribade wollten sie an seiner Etymologie
festhalten, indem sie seine Bedeutung allzusehr beschränkten,
statt sie mehr zu erweitern. So sagt Forcellinus*), Tribade
komme her von fricas, und definiert sie: „Dicitur de foemina
turpem libidinem cum pari plerumque exercente". Caninis)
dagegen sagt, tribo sei abgeleitet von frago und bedeute: ein.
^) G. Eiolano (Piglio), Anthropographia. Paris, 1626, 1649, Lib. II,
p. 188. — In Paris 1551 geboren, folgte er Maria De Medici in die Ver-
bannung und starb 1657. Er lebte 80 Jahre, nachdem er zweimal die
Cystotomie überstanden hatte.
2) Vopiscus Fortunatus Plempius, geb. in Amsterdam 1601,
gest. 1671. Fundamenta medicinae, Libri sex. Löwen, 1638, 16M etc.
^) J. L. C a s p e r , Klinische Novellen zur gerichtlichen Medizin. 1863.
^) Aegidius Forcellinus, Lexicon. Prato , 1875. T. VI, p. 166.
^) M. A. Canini, Etimologico dei vocaboli di origine Ellenica. Turin,
1865. T. II, p. 1003, Tribade.
— 216 —
Weib, das mit den Händen oder mit dem Olisbon (einer Art
von Penis aus Leder oder anderem Stoff) oder mit anderen
lasciven Dingen reibend die Wollust selbst befriedigt oder mit
einem anderen Weibe unuatiirliclie Liebe ausübt. Es ist nicht
nötig, die teilweise Ähnlichkeit und Verschiedenheit der beiden
Definitionen nachzuweisen; wir wollen lieber mitteilen, dass
Aristophanes von dem Olisbon i) sprechend, wahrscheinlich
in den Büchern über die attischen Courtisanen, sagt, es sei ein
ledernes Instrument gewesen, das den gottlosen, wollüstigen
Tribaden Kitzel erregte; es war nicht 9, sondern 8 Zoll lang.
Während sich die klinischen Studien über geschlechtliche
Psychopathien entwickelten, erschien ein neues, wichtiges ge-
lehrtes Werk, das in seinem weiteren Programm nach geo-
graphischer Einteilung auch die Geschichte der geschlechtlichen
Verirrungen umfasste. Dieses Werk war von Ploss^), einem
tüchtigen Schriftsteller über Geburtshilfe, und ist betitelt:
„Das Weib in der Natur- und Völkerkunde", Leipzig, 1884
bis 1885. Unter den vielen ethnographisch behandelten
Gegenständen befinden sich auch folgende: Keuschheit, Scham-
haftigkeit, Jungfräulichkeit, Beischlaf, Masturbation, Tri-
badismus, Prostitution, Ehe und Fruchtbarkeit. Gewiss sind
die betreffenden Nachrichten spärlich und unvollkommen, so
dass sie für jetzt keinen Vergleich untereinander, noch durch
die Jahrhunderte erlauben, aber jedenfalls sind die Nach-
richten immer wichtig. So schreibt er, der König von Slam
habe seine Konkubinen bestraft, die sich dem Tribadismus er-
gaben, und fügt hinzu (was in Europa schon bekannt ist), die
im Orient geübte Masturbation vergrössere die Clitoris so sehr,
dass die Weiber sich dem Tribadismus hingeben könnten. Er
erzählt das häufige Erscheinen nächtlicher Incubi, als Vorwand
für die weibliche Untreue; er spricht auch von einer gewissen
Insel, wo man ein Stück Fisch in die Vulva eines Weibes ein-
^) Die Stelle bei Aristophanes wird von Duval angeführt, 1. c.
p. 69, ohne Angabe der Quelle.
2) H. P. Ploss, geboren in Leipzig im J. 1819, gest. an Apoplexie
im J. 1885. Der erste Auszug dieser Arbeit erschien im Jahresber. 1891,
Bd. I, p. 342. Die zweite Ausgabe ist die oben angeführte von 1884—85,
Bd. I, p. 309. Die siebente, bedeutend vermehrte Auflage erschien
1902.
- 217 -
zuführen und daan den Coitus auszuüben pflegte; endlicli be-
richtet er auch, dass bei den Nama-Hottentotten die Mädchen
die gegenseitige Masturbation ausüben und in ihren Erzählungen
und Gesängen frei davon sprechen.
Nachdem wir einen allerdings sehr flüchtigen Blick auf
die neueren Studien über die sexuellen Psychopathien geworfen
haben, weil der Gegenstand allgemein bekannt ist, werden wir
uns dagegen bei der Betrachtung eines negativen Umstandes
aufhalten, der aus den über diese Studien erschienenen Schriften
folgt, nämlich, dass kein einziger Autor ein Kapitel oder nur einen
Artikel dem Tribadismus gewidmet hat. Nicht einmal Molli),
welcher erzählt, 25 Proz. der Berliner Prostituierten unterhielten
Verhältnisse mit Weibern und gingen innige Liebesverhältnisse
ein, mit Szenen von Eifersucht und endlichem Zusammenleben ;
er kannte einen Fall, bei dem diese Art von Ehe 7 Jahre
dauerte. Als die Verbindung zerriss, gab sich eine der Freun-
dinnen der Verzweiflung hin. Dabei dachte er gar nicht daran,
das Wort Tribadismus zu gebrauchen, während er die Fälle
als Immissio clitoridis in vaginam alterius bezeichnet, aber er
gebraucht den Ausdruck weder für solche, noch für andere
Fälle. Wenn wir die Ursache dieser UnterlassuDg suchen,
können wir sie vor allem darin finden, dass die immissio clito-
ridis (bei Hypertrophie) eine ausnahmsweise Handlung ist, die
zu einer Gruppe von Erscheinungen gehört, die mit derselben
Leidenschaft verbunden sind. Diese nannte man, wie wir ander-
wärts gesagt habeD, lesbische Liebe, und diese Akte nehmen
besondere Benennungen an, welche die Hypertrophie vermuten
lassen können, wenn sie in der That nicht vorhanden ist.
Diese Unterlassung ist auch natürlich infolge der antiken,
schon erwähnten Beispiele, die obscöne Akte verschiedener Art
einbegriffen und zum Teil mit lateinischen Namen bezeichnet
wurden, wie z. B. immissio clitoridis in vaginam, und immissio
penis in os alterius. Mit einer grossen Clitoris versehene Weiber
wurden in Eom Fricatrices oder Subigatrices genannt. Die
Päderastie hiess coitus in anum, und beim Weibe paedicatio
mulierum. Immissio penis in os mulierum wurde auch cunni-
1) A. Moll, Die konträre Sexualempfindung. Berlin.
— 218 —
lingus oder miüier lambens genannt, und zu den obscönen
Handlungen des Weibes muss man noch hinzufügen lambendo
lingua genitalia alterius feminae. Endlich erwähnen wir gegen-
seitige Onanie und gegenseitige Masturbation.
Die psychisch-sexuellen Entartungen bilden bisweilen, sowohl
bei Männern, als bei Weibern, Erscheinungen, die man patho-
logisch nennen kann, wie die häufig durch Masturbation ent-
standene und von ihr begleitete Nymphomanie. Zu derselben
Kategorie gehören die sogenannten Fälle von Sadismus; das
Wort stammt von dem Marquis De Sade (1710—1814), der
mit der Sodomie schmerzhafte und bisweilen grausame Hand-
lungen an den Weibern verband, die ihm geschlechtliche G-e-
nüsse verschafften 1). Man kann auch noch den Fetischismus
hinzufügen, wenn man die Gegenstände liebt, die der ge-
liebten Person angehören. Diese Liebe unterscheidet Moll
in physiologische und pathologische Affektion: in letzterem
Falle ist die Leidenschaft grösser für den Gegenstand, als für
die Person, der er gehört. In betreff der Gelegenheitsursachen
können wir annehmen, dass die Entartungen oft die Folge von
Übersättigung mit den gewöhnlichen Genüssen sind; denn das
Bedürfnis, mit ihnen abzuwechseln, hört niemals auf und
bringt die angeführten Laster hervor. Wir bemerken, dass bei
dem Weibe die Laster aus zwei Ursachen entstehen können:
1. aus der Gewinnsucht bei den Prostituierten, 2. aus dem über-
mässig herausfordernden Erotismus des Weibes.
Nachdem wir die wichtigsten historischen Nachrichten über
den Tribadismus gesammelt haben, schliessen wir aus ihnen,
dass die von den Grammatikern gegebene Definition weder mit
dem Zustande der Wissenschaft, noch mit den Beispielen der
neueren Schriftsteller übereinstimmt, so dass es nach unserer
Meinung nur zwei Mittel giebt, um diese Fehler zu verbessern.
Entweder muss man die Definition verbessern, oder das Wort
^) Wir verweisen hier besonders auf die „Studien zur Geschichte des
menschlichen Geschlechtslebens", deren erst er Band Dr. Eugen Dtihrens
schnell bekannt gewordene Monographie: Der Marquis de Sade und
seine Zeit enthält (3. Aufl. 537 pag. Berl,, 1901), während der zweite
und dritte Band das Geschlechtsleben in England behandelt.
(IL Ehe und Prostitution. III. DieElagellomanie etc.) Berl.
1901-2.
- 219 -
verwerfen uDd durch andere, ausdrucksvollere ersetzen. Elie
wir jedoch einen Vorzug aussprechen, müssen wir bedenken,
dass jede Benennung einer Handlung oder einer Erscheinung
die Natur derselben ausdrücken muss, und wenn diese un-
bekannt ist, muss man die wichtigste Eigenschaft der Sache
hervorheben und mit geeigneten Worten ausdrücken. Was
unseren Fall betrifft, so haben wir die verschiedenen laster-
haften Handlungen der Prostituierten schon angeführt, sowohl in
Bezug auf ihre Qualität, als auf ihre Zahl; so musste man
zuerst die Prostituierten unterscheiden, die ihr Geschäft auf den
gewöhnlichen Coitus beschränken, und jene, welche sich ver-
vollkommnet nennen (hohe Schule). Wenn wir diese Tribaden
nennen wollten, müssten wir sie definieren als „Prostituierte,
welche sich zu diversen geschlechtlichen Handlungen hergeben".
Aber wenn man bedenkt, dass diese Definition keine bestimmte
Handlung bezeichnet und ein Wort gebraucht, das keine Eigen-
tümlichkeit angiebt, also keine Art der Entartung, so ziehen
wir es vor, das Wort Tribade für den wissenschaftlichen
Gebrauch zu unterdrücken.
Noten
zum zweiten Teile des Hermaphrodismus.
Der äussere Pseudo- Hermaphrodismus.
Note 1. Makrosomia.
Beob. 1. Dr. A. Lamazzi, Ungedruckte, dem Prof. Taruffi übersandte
Notizen über eine Dame von hohem- Wuchs, die eine Villa in der Nähe von
Bologna bewohnt.
Vater und Mutter der Frau waren von hoher Gestalt ; ein Bruder misst
180 cm, die zweite Schwester ungefähr 175 cm.
Die Dame ist 178 cm hoch und jetzt 64 Jahre alt. Kegelmässig ge-
baut, hat sie sich immer vortrefflicher Gesundheit erfreut, und war bis zum
49. Jahre regelmässig menstruiert, wo die . Menopause eintrat. Sie blieb
unverheiratet und zeigte niemals deutliche geschlechtliche Neigung, weder
zu Männern, noch zu Frauen.
Ihr Kopf ist regelmässig und etwas gross, der Thorax weit und gut
entwickelt, die Stimme weiblich, das Becken weit und regelmässig. Die
Haare sind grau, fast weiss.
Von vollkommener Intelligenz interessiert sie sich für das Kartenspiel
und liebt es. Ihre Gewohnheiten zeigen nichts Auffallendes und sind die
gewöhnlichen einer Hausfrau.
Beob. 2. Dr. Gius. Beretta und Dr. Old. Rubini, Ungedruckte Nachrichten
über eine Schwester der obigen Frau, die in einem Dorfe der Provinz
Bologna wohnt.
Vater und Mutter waren sicher nicht kleiner als 180 cm. Die genannte
Schwester, die in ihrer Villa nahe bei Bologna wohnt ist 178 cm hoch. Ein
Bruder ist ebensogross, wenn nicht grösser.
Die Statur der hier besprochenen Dame beträgt ungefähr 175 cm. Sie
ist 50 Jahre alt und unverheiratet. Ihre Konstitution ist gesund und kräftig,
der Schädel symmetrisch, oval, der Hals an der Basis dick und breit, die
Brust breit und viereckig. Die Stimme hat fast männlichen Klang. Der
Verlauf der geschlechtlichen Funktionen ist unbekannt.
Die Haltung, die Gewohnheiten und der Charakter sind fast männlich.
Sie beaufsichtigt die ländlichen Arbeiten, sie behandelt allein die Zugpferde
und ist sehr geschickt in ihrer Leitung. Sie kleidet sich immer gleichförmig
— 221 —
weiblich, nach Laune mit Männerkleidern untermischt. Jacke, Strümpfe und
Schuhe sind männlich. Von normaler Intelligenz, ist sie freundlich gegen
Frauen, gleichgültig gegen Männer, nicht zum Schwatzen und zu wertlosen
Vergnügungen geneigt.
Beob. 3. Dr. Seb. D' Ormea,'^.Ungedruckter Brief. September 1900.
Geehrter Herr Professor.
Zur Beantwortung Ihrer Fragen schicke ich Ihnen folgende Angaben,
die ich habe sammeln können.
Frau N. N. stammt von ziemlich grossen Eltern, besonders ist es der
Vater. Ihre Brüder und Schwestern sind wenig über Mittelgrösse, so auch
ihre anderen nahen Verwandten. Über die früheren Vorfahren habe ich
nichts erfahren können.
Die Dame, 55 Jahre alt, ist von kräftigem Bau und hoher Statur
(gegen 168 cm), schlanker, aufrechter, starkbrüstiger Haltung. Der Körper
im allgemeinen dick ; der Kopf gross, proportioniert, mit dichten, schwarzen
Haaren; Gesicht oval, Stirn gross, Augen schwarz, Nase kräftig, Mund im
Verhältnis, Gesichtsfarbe rotbraun. Ein dichter schwarzer Bart (obgleich
immer sorgfältig rasiert), mit ebenfalls dichtem, schwarzem Backenbart be-
deckt ihr Gesicht, etwas weniger an den Wangen. Der Hals rund, dick
und kurz; den Larynx sieht man kaum, wenn sie den Kopf zurückbeugt,
der Busen ist stark, der Bauch dick und vorstehend, so dass man an ein
weites Becken denkt. Alle anderen Körperteile sind fast ganz behaart, aus-
genommen die Sternalgegend und die Achselhöhlen, wo man etwas langes,
schwarzes Haar sieht, während der Schamhügel fast unbehaart ist.
Die Geschlechtsteile sind normal, wie auch die Brüste; die Beine sind
sehr dünn.
Sie war immer regelmässig menstruiert, die Menstrua sind vor einigen
Jahren physiologisch verschwunden. Sie ist unverheiratet, und hatte nie-
mals Gelegenheit, ihre Zeugungsfähigkeit auf die Probe zu stellen.
Sie ist von gewöhnlicher Intelligenz ; Sprache leicht, Aussprache rein,
Stimme männlich, Charakter ziemlich heiter, weibliche Gewohnheiten, früher
Neigung zur Ehe.
Sie führt ein nüchternes, regelmässiges Leben und erfreut sich daher
immer guter Gesundheit.
Dies ist es, was ich Ihnen hierüber sagen kann.
Dr. S. D' Ormea.
Note 2. Hypertrichosis.
Beob. 1. Aristoteles, Historiaeanimalium. L. III, Cp. XI (De
pilis et cute, § 5).
Es ist bekannt, das Weiber, Kinder und Kastraten nicht dem Kahl-
werden unterworfen sind. Die Haare, welche später entstehen, zeigen sich
nicht bei denen, die vor der Pubertät kastriert worden sind. Eben diese
— 222 —
Haare (ausser am Pubes) sind die einzigen, die bei den nach der Pubertät
Kastrierten ausfallen. Am Kinn der Frau wachsen keine Haare, oder sehr
wenige nach der Menopause. Ein Beispiel davon findet sich bei den Priester-
innen in Carlen, und dies, sagt man, sei eben ein Anzeichen ihrer Weis-
sagungsgabe. Alle anderen Haare, die nach und nach entstehen (ausser
den oben erwähnten am Kinn) zeigen sich auch bei den Weibern, aber
spärlich. Es kann vorkommen, dass einem Individuum (Mann oder Weib)
die nach und nach wachsenden Haare fehlen; dies geschieht aus einem an-
geborenen Fehler, und wenn das Individuum die Pubertät nicht erreicht, ist
es zeugungsunfähig.
Bemerkung. Zum Verständnis der Stelle bei Aristoteles und zur
Rechtfertigung der Übersetzung ist zu bemerken, dass Aristoteles von
den Haaren des Menschen zwei Arten unterscheidet:
1. Solche, mit denen man geboren wird, wie die am Kopf, an den Augen-
brauen und Wimpern.
2. Solche, die nach der Geburt wachsen, wie die des Pubes, der Achsel-
höhlen, des Gesichts.
Beob. 2. Colombo Realdo, D e re anatomica. Venetiis, 1559, Lib. XIII,
Cap. IL De pilis.
Er sah einen Spanier, dessen Körper ganz mit Haaren bedeckt war,
ausser im Gesicht und an einem Teil der Hände. Dasselbe sah er an einer
Nonne. Er erwähnt, einige versicherten, es wüchsen Haare weder an der
Fusssohle, noch an der Handfläche, und zwar wegen des Gebrauchs oder
wegen der Bewegung, wie bei den Hasen. Die Figur des Spaniers ist ab-
gebildet worden von Liceto (Lib. II, Cap. 45, p. 148).
Beob. 3. Ulisse Aldrovandi, Monstrorum historia. Bononiae,
1642, Cap. 8, p. 213.
Im Museum des Senats zu Bologna sieht man das Porträt einer
deutschen Frau, die durch diese Stadt kam und einen zwei Spannen langen
Bart hatte. Aldrovandi fügt einige alte Beobachtungen hinzu und er-
zählt (p. 16 — 18), zwei Schwestern von den Canarischen Inseln hätten mit
struppigen Haaren bedeckte Gesichter gehabt, die sich an anderen Körper-
teilen wiederholten.
In Vol. I einer Sammlung von farbigen Abbildungen, die demselben
Aldrovandi gehörte, die noch nicht herausgegeben ist und in der Biblio-
thek von Bologna aufbewahrt wird, sieht man (No. 132) das Bild einer
prächtig gekleideten jungen Dame, unter dem man liest:
Mulier viginti annorum,' hirsuto capite
simiam imitante, reliquo corpore glabro.
Beob. 4. Domen. Panaroli (Roma), Jatrologismorum, seu medi-
cinalium observationum pentecostae quinque. Roma, 1652
Pentec. 5, Beob. 5, p. 287, Beob. 37, p. 338.
Eine junge, schöne Frau hatte ein mit dichtem Flaum bedecktes Ge-
sicht, wie lange, feine Seide. Eine andere Frau, ziemlich übermütig und
— 223 —
üppig, hatte zwischen den Brüsten eine Menge schwarzer Haare, wie ein
Mann.
Beob. 5. Tommaso Barthoiino, Historiarum anatomicarum va-
riarum. Cent. I, Histor. 42. Amstelodami 1654, p. 62. Puellae hirsutae
et barbatae.
Er sah in Amsterdam und dann in Belgien ein Mädchen von 6 Jahren,
dessen ganzer Körper mit weisslichen, straffen Haaren bedeckt war. Dann
bringt er einige anderen entnommene Beobachtungen.
Beob. 6. Paolo Zacchia (Eoma), Quaestionum medico-lega-
lium etc. Lugduni, 1661, Lib. 7, Tit. 1, Quaest. 9, p. 501.
Eine Frau hatte einen langen Bart und die ganze Brust war mit dichten,
harten Haaren bedeckt; die Brüste waren sehr gross und schlaff, die Stimme
weiblich. Die Menstruation hatte schon mit dem 30. Jahre aufgehört.
Beob. 7. Jac. Burlin (Buerlines), De foeminis ex suppressione
mensium barbatis. Aldorphina, 1664.
Beob. 8. G. H. Welsch (Augsburg), Sylloge curationum et obser-
vationum medicinalium. Cent. VI. Ulm, 1668, Ep. No. 98,
Er erzählt, er habe in Mailand im Jahre 1648 Barbara Usler ange-
troffen, ein Mädchen, dessen ganzer Körper mit zarten, langen Haaren be-
deckt war; sie hatte einen langen Bart. (Da wir den Text nicht gelesen
haben, können wir nicht sagen, ob es dieselbe deutsche Frau war, deren
Bild im Museum des Senats zu Bologna aufbewahrt wurde.) (Siehe Aldro-
vandi.)
Beob. 9. G. Seger (Schüler von T. Barthoiino), De muliere
hirsuta et barbata. Mise. acad. nat. cur. 1678 — 1679. Norimbergae,
1693. Decur. 1, Anno IX et X, Beob. 96, p. 246.
Beob. 10. i. Hellwig, Foemina barbata. Obs. phys. med. 1680.
Augustae Vindelicorum, p. 121.
Beob. 11. 0. Jacobaeus, Puella monstrosa hirsuta et infans
avoaeos. Acta med et philos. Hafniae, 1680, T. V, p. 274.
Beob. 12. Gius. Lanzoni, Observatio de muliere barbata.
Mise, curiosa, seu Ephem. acad. Leop. Carol. etc. Dec. III, A. V et VI,
1697—1698. Francofurti et Lipsiae, 1700, Observ. 283, p. 98.
Im Jahre 1697 beobachtete er eine 50 jährige, sterile Romagnolin mit
Bart, die niemals menstruiert gewesen war und keine Brüste hatte. Ihre
Brust glich der eines Mannes.
Beob. 13. Dan. Turner (London), De morbis cutaneis. Lond.
1723. (Citiert von Euggieri). Venedig, 1815.
Eine Enkelin von N i c o 1 ö III (gestorben 1280) aus der Familie Orsini,
gebar ein ganz mit Haaren bedecktes Monstrum, ähnlich einem Bären, dem
es auch den Gliedern nach ähnlich war, etc.
Beob. 14. Gottl. Michaelis, De virgine barbata Dresdensi. Acta
phys. med. Acad. Caes. Carol. Norimb. 1733, Vol. III, p. 387.
Eosina Müller, gestorben in Dresden 1732, hatte von Jugend auf einen
Bart an den Seiten des Kinns, welcher wuchs, so dass sie sich zweimal
wöchentlich rasieren musste.
— 224 —
Beob. 15. Cost. Gatta, Memoria colla data: Sala in Lucania,
1734. Di uno strano accres cimento di peli, di barba e di ugne
in due donne napoletane. Raccolta d' opuscoli scient. di Augusto
Calogerä. Venezia, 1736, T. XIII, p. 403.
Verf. erzählt, eine Mutter und ihre Tochter seien 16 Jahre lang in
einem unterirdischen Gemach eingeschlossen gewesen, und als sie heraus-
gelassen wurden, waren sie nicht nur schmutzig und mager, sondern auch
mit struppigen, roten Haaren bedeckt, hatten einen Bart am Kinn und lange,
krumme Nägel, wie Klauen.
Der Verf. schreibt diesen Zustand dem dunkeln, feuchten Aufenthalte
zu, zugleich mit der fortwährenden Furcht vor noch grösseren Übeln. Diese
Ursachen störten die Ökonomie des Körpers, hinderten die respiratio insen-
sibilis, und durch kritische Bewegung trat übermässiges Wachstum der
Haare ein.
Beob. 16. J. G. Hoyerus, De virgine, cute hirsuta densisque
minor ibus setis obsita, in membris inferioribus deformata.
Acta Acad. nat. curios. Norimbergae, 1737, T. IV, p. 467.
Ein Mädchen mit schönem, rosigem Gesicht verheiratete sich; da sie
aber unterhalb des Nabels, an den Geschlechtsteilen und am Bücken behaart
war, wurde sie wieder geschieden.
Beob. 17. J. H. Degnerus, Historia puellae pilosae. Acta acad.
nat. curios. Norimbergae, 1742, p. 35.
Beob. 18. Bevern, Hufelands Journ. für prakt. Med. Wien,
1808, Bd. XIV, St. 8, p. 141.
Bei einem Zwillingsmädchen war der ganze Körper, Lippe und Kinn
eingeschlossen, mit ungewöhnlichen, starken Haaren bedeckt. Mit 3 Jahren
war sie schon überraschend stark und nach Art der Polysarcie entwickelt.
Das Mädchen wurde von Blutbrechen befallen und starb, aber bei der Sektion
des Abdomens bemerkte man, dass die inneren Geschlechtsorgane von einer
unbestimmten Masse umgeben waren; auch die Milz war so umhüllt.
Beob. 19. C. Ruggieri (Padua), Geschichte einer Frau, bei der
ein grosser Teil des Körpers mit schwarzem Fell und Haar
bedeckt war. Venedig, 1815 und Padua, 1822. Mit Abbildung.
Eine junge anmutige Venetianerin von 27 Jahren, die immer der Ehe
widerstanden hatte, verheiratete sich zuletzt mit einem Jüngling, der ihr ge-
fiel. Aber nach der Hochzeit bemerkte dieser, dass er betrogen war, denn
seine Frau hatte einen an allen Teilen, die man nicht sieht, mit schwarzen
Haaren bedeckten Tierkörper, und auch die Frau bekannte, ihr Magen, Bauch,
Rücken und die Schenkel seien behaart.
Sowohl die beiden Ga,tten, als deren Eltern kamen über die Notwen-
digkeit der Scheidung überein und forderten unseren Autor auf, ein Gut-
achten darüber abzugeben. Ruggieri untersuchte die Frau und fand,
dass das Haar schwarz, dicht und gekräuselt war; ferner war die Haut
ebenfalls schwarz, ohne Geruch und ohne Übergang zu der natürlichen Haut
und genau kreisförmig begrenzt. Endlich erfuhr er, dass der schwarze Teil
nicht an der Hauttranspiration teil nahm, der bisweilen die ganze Person
— 225 —
unterworfen war, und überzeugte sich, dass dieser Zustand Abscheu erregen
müsse and Gefahr vorhanden war, diese seltsame Anomalie auf die Kinder
zu vererben. Dieses Gutachten verschaffte den Gatten von der Kirche die
gewünschte Scheidung.
Unter Benutzung der Lehre des Toskaners Chiarughi, dass oxy-
genierte Salzsäure, ohne die Haut zu schädigen, das Schwarz in Gelb ver-
wandelt, wollte der Autor den Versuch an einem Schenkel der Frau wieder-
holen, nachdem er die Haare abrasiert hatte. Aber dies brachte sehr hef-
tigen Schmerz hervor, der zwei Stunden dauerte, worauf eine Blase und
dann eine Wunde entstand. Als diese geheilt war, erschien der Teil ganz
weiss und ohne Haare, aber die Frau woUte sich dem Experimente nicht
weiter unterwerfen und lieber ihre Anomalie behalten.
Nach der Beschreibung kann man diesen Fall ein behaartes Muttermal
nennen.
Beob. 20. Burkard Eble, Die Lehre von den Haaren in der
gesamten o r g a n. Natur. 2 Bde. Wien. Mit 166 Abbild. 1831. C a n -
statts Jahresbericht für 1831, No. 36.
Erzählt, eine Neugeborene habe einen Bart und Haare an den enorm
entwickelten Geschlechtsteilen gehabt.
Beob. 21. W. D. Chowne, Eemarkable case of hirsute growth
in a female, with observations on certain organic structures
and their phy siological influences. The Lancet. London, 1852,
T. I, p. 421, 5114, T. II, p. 31.
Beob. 22. J. Z. Laurence, A short account ofabearded and
hairy female. The Lancet. London, 1857, T. II, p. 48.
Beob. 23. Turner, A case of a woman, whose face and body,
in two or three weeks time, became covered with a thick
crop of Short and white downy hair, and who at thetime
was suffering from carcinom of the breast. The med. Times
and Gaz. London, 1865, T. II, p. 507.
Beob. 24. C.Darwin, Delavariationdesanimaux. Franz. Übers.
Paris, 1868, T. II, p. 348.
Er erwähnt Julia Pastrana, die spanische Tänzerin, als Beispiel einer
behaarten Frau, die eine doppelte Zahnreihe in demselben Kiefer hatte.
Magitot dagegen hatte in London den Abdruck der beiden Kinnladen
dieser Julia gesehen und behauptete, die Zähne seien der Zahl nach ver-
mindert oder der Irrtum rühre von Hypertrophie des Alveolarrandes her, der
den Prognathismus vermehre, wenn man den Kopf im Profil betrachte. (BuU.
de la soc. d'Anthrop. Paris 1878, p. 275.)
Beob. 25. H. Beigel, Über abnorme Haar entwickelung beim
Menschen. Virchows Arch. 1868, Vol. 44, p. 418.
Hypertrichose durch drei Generationen. Bei den beiden ersten bestanden
auch Mängel an Eck- und Backzähnen.
Taruffi, Hermaphrodismus. 15
— 226 —
Beob. 26. Pick, Arch. für Hautkrankh. 1870.
Eine Indianerin aus Mexiko war vom Nabel bis zu den Knien mit
affenartigen Haaren bedeckt; hier war die Haut dunkel und hart wie eine
Schwarte.
Beob. 27. C. Lombroso, Caso di ipertricosi in una cretinosa
microcefala. Comm. all' Istit. Lomb. 6 Apr. 1871.
Ein Mädchen von 12 Jahren hatte dunkle, behaarte Gesichtshaut, mit
Einschluss der Stirn; der Schädel war mikrocephal. Der Verf. giebt die
Masse nicht an.
Beob. 28. H. Auspitz, Geringer Grad von Mikrocephalie
und hoher Grad vonHypertrichosis bei einem 13jährigen
Mädchen. Wiener med. Presse, 1871, Bd. XII, p. 25.
Beob. 29. Finger, Hypercrinosis mit Amenorrhoe. Allg.
Wiener med. Zeit. 1873, T. XVIII, p. 604.
Beob. 30. N. N., Una donna barbuta nello stato puerperale.
Ann. nniv. di med. e chir. Milano, 1875, T. 234, p. 378. Dem New York med.
record entnommen.
Beob. 31. F.W. Dowall, Two cases of bearded women. Journ.
for Ment. sc. London, 1877, T. XXIII, p. 86.
Beob. 32. L Duehring, Gase of a bearded woman. Arch. for
Derm. and Syph. New York, 1877, T. III, p. 193. — Ann. univ. di med. e
chir. Milano, 1878, T. 244, p. 122.
Eine Frau von 22 Jahren mit Bart und Schnurrbart, wie ein Mann,
und Haaren zwischen den Schultern. Bei ihrer Geburt hatte sie schon
Flaum im Gesicht, die Haare erschienen bei der Pubertät.
Bei den Eltern war nichts ähnliches vorgekommen, und die Frau be-
wahrte alle weiblichen Charaktere. Sie war mit 14 Jahren menstruiert,
heiratete mit 16 und hatte zwei Kinder ohne jede Alteration der Haut.
Beob. 33. W. A. Hardaway, Gase of a bearded woman. S. Louis
med. and surg. Journ. 1877, T. XIV, p. 584-587.
Beob. 34. G. Stricker (Frankfurt), Zwei ältere Fälle von
Hypertrichosis. Virchows Arch. Berlin, 1877, Bd. 71, p. 113, Taf. V,
Fig. 4.
Dieser Fall war von Micl^aelis 1733 beschrieben (Beob. 12, Acta
phys.-med. Acad. G. Garol. nat. cur. Norimb. 1733, Vol. in, p. 387, mit
Abb. auf Tab. VI). Es handelt sich um eine 64 jährige Frau, die Bart und
Schnurrbart hatte, wie ein Mann. Der Bart war 3 Zoll lang. In der Leiche
fand man normale weibliche Geschlechtsorgane und ohne unverhältnismässige
Haare am Pubes. Die Brust und der Bauch waren eben.
Beob. 35. C. T. v. Siebold, Die haarige Familie von Ambras.
Arch. für Anthrop. Braunschweig, 1877—1878, T. IX, p. 253-260.
Verf. hat in der Litteratur 17 Fälle von allgemeiner Hypertrichose
gesammelt.
Beob. 36. A. Ecker, Über abnorme Behaarung des Menschen.
Braunschweig, 1878. Mit Abbild, im Texte.
— 227 —
Das erste Bild zeigt ein Mädchen mit einem grossen haarigen Mutter-
mal auf dem Rücken und am unteren Ende der Hinterbacken, sowie kleine
haarige Flecke an den Gliedern, auch noch vorn.
Die anderen Bilder stellen verschiedene Grade von Hypertrichose am
Gesicht einer Frau mit ihren Kindern dar, so dass sie Hunden und Affen
ähneln.
Beob. 37. H. Hildebrant, Über abnorme Haarbildung beim
Menschen. Sehr, der phys.-ökon. Ges. zu Königsberg, 1878, p. 1.
Die Beobachtung und das Journal sind uns unbekannt, wir wissen
aber durch Hubert (Beob. 42), dass die Sektion gemacht wurde, und dass
man partielle Hypertrichose mit kindlichem Uterus fand.
Beob. 38. M. Bartels, Über abnorme Behaarung beim
Menschen. Zeitschr. für Ethnol. 1879, Bd. II, S. 145 ff.
Er spricht von den sogenannten behaarten Malern (zusammengesetzte
Hypertrichose).
Beob. 39. M. TIesch, Ein Fall von Hypertrichosis (aus dem
Präparatensaale zu Würzburg). Arch. für Anthropol. Braunschweig, 1880,
Vol. XIII, p. 125.
Ein dritthalbjähriges Mädchen mit Haaren an den Wangen und Armen.
Ohne Haare an den Achselhöhlen und Geschlechtsteilen. Die Haare waren
2 — 5 cm lang.
Beob. 40. A. H. Keane. Krao, „The human monkey". Nature,
London, 1882—1883, T. XXVII, p. 245.
Beob. 41. Livius Fürst, Hypertrichosis universalis mit
Hypertrophie der Kiefer- Alv eolarränder. Virchows Arch.
1884, T. 76, p. 355, Tafel XIV u. XV. Jahresber. für 1884, Bd. II, p. 693.
Mädchen von 6 Jahren mit allgemeiner Hypertrichose und Hypertrophie
des Alveolarrandes des Unterkiefers, Vergrösserung und Entwurzelung der
Backenzähne.
Beob. 42. J. Lucas-Championniere, Journ. de med. et de Chirurgie
prat. Paris, 1885, T. 55, p. 66—67.
Er erzählt einige Fälle von bärtigen Weibern , die Neigung zu
Weibern hatten, giebt aber weder eine klinische, noch anatomische Unter-
suchung.
Beob. 43. R. Hilbert, Partielle Hypertrichose neben angebo-
rener Ichthyosis circumscripta. Virchows Arch. Berlin, 1885, T. 99,
p. 569.
Ein Mädchen von 24 Jahren hatte Hypertrichose der Arme, mit Aus-
nahme der Hände, ausserdem erstreckten sich die Haare auf das Ende der
Schulter und die Spina scapulae. Man sah da eine kreisförmige Erhöhung,
wie ein Fünfmarkstück mit den Charakteren der Ichthyosis serpentina Hebra.
In der Leiche fand sich ein kindlicher Uterus.
Beob. 44. P. Miciielson (Königsberg), Zum Kapitel der Hyper-
trichosis. Virchows Arch. Berlin, 1885, T. 100, p. 66.
Verf. beobachtete an 22 Fällen allgemeiner Hypertrichose (ohne Unter-
schied des Geschlechts und des geographischen Ursprungs), dass bei 8 der
15*
— 228 —
Zustand der Zähne unbekannt war, dass zwei vor der ersten Zahnung'
starben, und dass 12 abnorme Zähne besassen.
Beob. 45. G. Rattone, Contributo alla storia della ipertri-
cosi. Vortrag' vor der K. Acc. di medic. di Torino am 20. Mai 1885.
Mädchen von 3 Jahren, mit Zwischenkieferknochen, Hypertrichose und
abnormer Ohrmuschel.
Beob. 46. J. Parreidt, Über die Bezahnung bei Menschen
mit abnormer Behaarung. Prager Zeitschr. für Heilk. 1886, H. 2 u. 4.
Jahresber. für 1886, Bd. 2, p. 497.
Verf. sammelte verschiedene Fälle von Hypertrichose mit Fehlern in
der Bezahnung.
Beob. 47. W. Sommer, Ein neuer Fall von Hypertrichosis
circumscripta. Virchows Arch. 1886, Bd. 102, p. 107. Jahresber.
für 1886, Bd. II, p. 527.
Ein 19 jähriger Mann hatte auf dem linken Arme ein Mattermal, 30 cm
lang und 23 cm breit.
Beob. 48. E. Lesser (Bern), Hypertrichosis universalis eines
nicht ganz 6jährigen Mädchens. Virchows Verhandl. für Anthro -
pologie etc. Sitzung vom 21. März 1887. Berlin, 1896, p. 223. Mit 3 Ab-
bildungen.
Ein Mädchen zeigt ausser der Hypertrichose vollkommen reife Ge-
schlechtsteile mit Haaren, und gut entwickelte Brüste. Die Menstruation
war mit 3 Jahren erschienen und dann 9 mal wiedergekehrt.
Beob. 49. H. Chiari, Über Hypertrichosis des Menschen.
Prag. Wochenschr. 1890, Bd. 40-41. Jahresber. für 1890, Bd. II, p. 602.
Zuerst erwähnt und bespricht der Verf. die verschiedenen Theorien
und erzählt dann, ein Kind von 8 Monaten sei an einer chronischen Krank-
heit gestorben. Es hatte ein grosses haariges Muttermal am Halse, das auf
die Schultern und den Eücken bis zur Höhe der 8. Eippe herabstieg. Dann
beschreibt er die mikroskopische Beschaffenheit des Mals, die nichts Unge-
wöhnliches zeigte.
Beob. 50. Schneller, Ein Fall von Pseudo-Hermaphrodis-
mus. Münchner med. Wochenschr. 1894, No^ 39. Jahresber. für 1894,
V. I, p. 232. (4).
Mädchen von 12 Jahren mit vollem Bart im Gesicht, an der Brust, an
den Geschlechtsteilen und Gliedern. Hypospadie. In den inneren Geschlechts-
organen fand sich keine Unregelmässigkeit.
Beob. 51. A. Dollmann, Abnorme Behaarung bei einem drei-
jährigen Mädchen. Internat, mediz. photogr. Monatsschr. Leipzig, 1896,
Bd. III, H. 10.
Beob. 52. A. Brand (Prof. in Charkow), Eine Virago. Virchows
Arch. Berlin, 1896, Bd. 146, p. 582.
Eine kurländische Bäuerin, 36 Jahre alt, 160 cm hoch. Als Mädchen
war sie regelmässig menstruiert; sie war sehr lebhaft, liebte zu schwatzen
und zog mehrmals kräftige Bauern vom Pferde. Sie heiratete mit 23 Jahren
und gebar ein Mädchen, das sie 2 Jahre lang säugte. Sie warde wieder
— 229 —
schwanger iiüd abortierte im 7. Monate infolge einer starken Gemüts-
bewegung.
Nach diesem Unglück erkrankte sie mit Fieher, Delirien nnd Blutung
aus den Geschlechtsteilen, die zwei Monate dauerte; darauf folgte An-
schwellung des Abdomens.
Während dieser Krankheit sah die Kranke zum ersten Mal im scrobi-
culum cordis Haare erscheinen, und dann verbreiteten sich diese weiter
über den Eumpf und die Beine, und im dritten Monate auch in das Ge-
sicht. Zugleich nahm die Schwellung des Leibes und der Beine zu und es
folgten heftige innere Schmerzen, so dass sie sich die Kleider vom Leibe
und die Haare vom Kopfe riss, die dann spärlich blieben. Diese Schmerzen
wurden einer Pelvi-peritonitis zugeschrieben.
Im Laufe von 3 Jahren erreichten Bart und Schnurrbart ihre volle
EntwickeluDg; die Kranke versuchte dagegen verschiedene Mittel, darunter
die Elektrolyse, die nach einem Monat unterbrochen wurde. In dieser Zeit
verschwanden der Ascites und die Schmerzen und Hessen einen hohen Grad
von Hydrämie und Eiweiss im Urin zurück, daher man sie an chronischer
Nephritis behandelte.
Diese Frau, obgleich noch nicht ganz wiederhergestellt, wurde von
ihrem Manne in den hauptsächlichsten Städten des oberen Laufes der Wolga
und dann in Moskau zur Schau gestellt. Nach dem Abortus bekam sie keine
Kinder mehr.
Beob. 53. Jablonsky, Note sur un cas d'hermaphroditisme.
Gaz. hopit. de Toulouse, 1898, A. XII, Avril p. 124.
Ein 28 jähriges Mädchen hatte im Alter von 15—16 Jahren angefangen,
am Kinn und an den Wangen blonde Haare zu bekommen, die sich dann
in einen üppigen Bart verwandelten, der auch auf Brust und Gliedern auf-
trat; ihr Aussehen wurde männlich. Die Menstrua fehlten immer, die
Brüste blieben wenig entwickelt, die Hüften waren aber ziemlich breit.
Unter dem Mons Veneris befand sich die Clitoris mit dem Präputium, 3 cm
lang, die aber bei der Erektion 10 cm erreichte. Unter ihr war ein In-
fundibulum, die Scheide darstellend, 25 mm tief, aber mit einer Sonde drang
man 10 mm tief ein. An den Seiten des Präputiums lagen zwei Labia ma-
jora; in dem rechten befand sich ein dem Hoden ähnlicher Körper, und im
linken ein reduzierbarer Bruch, der am Binge eingeschnürt war; der Opera-
teur konnte hier die Gegenwart eines Ovaritim erkennen. (Die Einzelheiten
fehlen, besonders die Beschreibung der Urethra ; über geschlechtliche Nei-
gungen wird nichts erwähnt.)
Note 3. Elephantiasis der Clitoris.
Beob. 1. Realdo Colombo, De re anatomica. Venetiis, 1559, L. XV,
p. 169.
„Foemina erat aethiopica mulier earum, quas ungaras appellant Longo-
bardi; haec neque agere, neque pati commode poterat, nam uterque sesus im-
— 230 —
perfectus Uli contigerat suo magno malo. Penis namque minimi digiti longi-
tudinem crassitiemque non excedebat, vulvae autem foramen adeo angustum
erat, ut digiti minimi apice vix intromitteret. Optabat misera, ut hunc
illi penem ferro evellerem, quippe qiü sibi impedimento esse diceret, dum cum
viro coire esoptabat. Optabat etiam, ut vulvae foramen illi amplificarem,
ut viro ferendo idonea esset."
Beob. 2. Cost. Varolio (Bologna), Anatomiae, L. IV, Francofurti,
1591, cap. IV, p. 98.
Die Clitoris erreicht bisweilen eine solche Grösse, dass sie wie ein
nicht durchbohrter Penis erscheint. Diese Weiber können den Coitus bald
empfangen, bald ausüben, und wenn man die inneren Organe betrachtet,
findet man sie ganz weiblich, ohne eine Monstrosität. Wenn man Männer
gefunden hat, die in den Geschlechtsteilen eine Vertiefung oder einen Spalt
hatten, so drang dieser nicht in die Tiefe ; es ist also unmöglich, an dem-
selben Individuum beide Geschlechter zu finden.
Beob. 3. J. Schenk jun., Observationum medicarum rara-
rum etc. Volumen. Francofurti, 1609, Lib. IV. — De genitalibus
partibus, p. 603.
Verf. berichtet über 4 Fälle von Vergrösserung der Clitoris.
Beob. 4. J. Duval, Des hermaphrodites etc. Eouen, 1612.
Ein zwei Querflnger langer erektiler Penis statt der Clitoris, der dem
Gatten beim Coitus beschwerlich war, so dass der Coitus nicht vollzogen
werden konnte, führte zur Scheidung.
Beob. 5. Domen. Panaroli (Rom), Jatrologismorum, seu medi-
cinalium observationum pentecostae quinque. Roma, 1652,
Pentecoste 4, Beob. 6, p. 120.
Bei einer Prostituierten sah P i c e n a eine so grosse Clitoris, dass sie
in Erektion dem Penis eines 12 jährigen Knaben gleichkam.
Beob. 6. Th. Bartholino, Historiarum anatomicarum. Amstelo-
dami, 1654, Cent. II, Hist. 57, p. 247. Hermaphroditus.
Beschreibung ungenügend.
Beob. 7. Idem, Epistolarum. Hafniae, 1667, Cent. III, ep. 94,
p. 406.
Holländerin, bärtig, mit Penis ohne Urethra und Präputium, unter
welchem sich die Vulva befand. Der Verf. hält sie für eine Frau mit grosser
Clitoris.
Beob. 8. J. Rodio, Observationum medicinalium Centuriae
tres. Padua, 1657, Cent. III, Beob. 42, p. 164.
Im Jahre 1624 im Juli sah der Verf. im Hosp. di S. Francisco eine
Prostituierte mit einer Clitoris, die einen Finger lang nach vorn hing.
Im Jahre 1636 am 21. April sah er eine Clitoris von derselben Grösse,
die in einen haarigen und warzigen Tumor endigte. Sie wurde von dem
Chirurgen Bald. Giordano operiert.
Beob. 9. P. Zacchia (Rom), Quaestionum medico-legalium.
Lugduni, 1661, L. VII, Tit. I, Quaest. 9, p. 501.
— 231 —
In Eom war eine Prostituierte mit einer Clitoris von der Grösse des
Eingfingers, die dem Coitus hinderlich war.
Beob. 10. Graaf Reiner, De virorum organis generationi
inservientibus , de clysteribus, de usu siphonis in ana-
tomia. Leyden und Amsterdam, 1668.
Verf. sah ein Mädchen, deren Clitoris einem Penis ähnlich war, so dass
die Hebamme sie für einen Knaben erklärte, aber der Irrtum wurde nach
ihrem Tode bei der Sektion entdeckt.
Beob. 11. N. Tulpio, Observationes medicae. Amstelodami, 1672,
Lib. III, cp. XXXV, p. 241.
Eine gewisse Enrica Schuria, ihres Geschlechts müde, kleidete sich als
Mann und wurde Soldat unter dem Prinzen von Oranien. Nach Hause zu-
rückgekehrt, vollzog sie mittels ihrer stark entwickelten Clitoris den Coitus
mit anderen Weibern, besonders längere Zeit mit einer gewissen Witwe,
die sie gern geheiratet hätte, wenn es gesetzlich erlaubt gewesen wäre. Diese
Tribade hatte eine sehr grosse Clitoris, die während des Coitus die Länge
eines halben Fingers und mehr , und die Dicke des Penis eines Knaben
erreichte.
Der Eechtsgelehrte Giov. Paponio (T. XXII, tit. VII, avest II)
schreibt, diese schamlosen Weiber müssten zum Tode verurteilt werden. Aber
unsere Tribade fand einen milderen Eichter. Sie wurde mit Euten gestrichen
und verbannt und von jener Witwe getrennt, mit der sie wollüstig gelebt
hatte.
Beob. 12. Isbrand de Diemerbroek, Anatome corporis human i.
Lugduni, 1683, L. I, p. 152.
1. Bei einer Frau von Montfort, Frau eines Soldaten, sah er eine Cli-
toris von der Länge und Dicke eines mittleren Penis.
2. In Frankreich sah er eine Hermaphroditin von 28 Jahren, die einen
Bart hatte, wie ein Mann, während sie weibliche Kleider trug. Sie zeigte
für wenig Geld ihre Genitalien. Die Clitoris hatte die Länge eines halben
Fingers und die Dicke eines Penis mit Glans, Frenulum und Präputium,
wie beim Manne, ausgenommen, dass die Glans nicht deutlich durchbohrt
war. Nach unten befanden sich der Meatus urinarius und die Vagina, wie
bei Weibern; die Labia majora enthielten einen einzigen Hoden.
3. Er sah einen englischen, 22 Jahre alten Hermaphroditen, von dem
sein Führer erzählte, er sei als vollkommene Frau geboren; zwischen dem
5. und 6. Jahre hätten seine Genitalien angefangen, sich zu verändern, und
im 11. Jahre sei der Penis deutlich geworden. Wir sahen seinen Penis un-
gefähr einen halben Finger weit vorragen, ohne deutliche Durchbohrung am
Ende, nicht unähnlich einem männlichen Penis, für den die Vereinigung der
Nymphen ein Präputium bildete, das die Glans zur Hälfte bedeckte und frei
Hess, wie beim Manne. Der Führer erzählte, bei wollüstigen Gedanken
wachse dieser Penis bis zur Länge eines Fingers. In jeder der Labia ma-
jora war, wie in einem Scrotum, ein Hode enthalten. Wenig tiefer, an der
gewöhnlichen Stelle, fanden sich Meatus urinarius und Vagina. Der Führer
— 232 —
erzählte noch, die Menstruation trete regelmässig ein, wie bei Weibern, und
bei starker Wollust trete auch Samen aus, aber es sei zweifelhaft, ob er
aus dem Penis komme, oder aus den weiblichen Teilen. Die Brüste waren
nicht stark entwickelt, Brust und Hüften waren etwas behaart und hatten
mehr männliches Aussehen. So war auch die Stimme tief, die Kopfhaare
kraus und sehr dicht, und um den Mund waren Zeichen eines keimenden
Bartes sichtbar.
Beob. 13. P. Dionis (Paris), Cours d'operations de Chirurgie.
Paris, 1707, 1708, Vol. II. Bruxelles, 1708, p. 196.
In Europa werden die Weiber mit ungewöhnlich grosser Clitoris E i b au -
des genannt, denn sie können andere Weiber missbrauchen und notzüchtigen.
Darum hat man die Amputation vorgeschlagen, um diesen Weibern den
Gegenstand der fortwährenden Wollust zu nehmen.
Beob. 14. Jean Palfyn (Gand), Description anatomique des
parties de la femme qui servent ä la gener ation. Leyden,
1708, p. 10.
Es giebt Weiber mit übermässig langer Clitoris, von denen einige
andere Weiber missbrauchen, wie jene Tribade Bassa, von der Martial im
1. Buche seiner Epigramme spricht (XCI ep.).
Esse videbaris, fateor, Lucretia nobis:
At tu, proh facinus ! Bassa fututor eras.
Inter se geminos audes committere cunnos,
Mentiturque virum prodigiosa Venus.
Commenta es dignum thebano aenigmate monstrum
Hie, ubi vir non est, ut sit adulterium.
Beob. 15. Jac. Parsons (London), Mechanical and criticalin-
quiry into the nature of hermaphrodites. London, 1741, p. 144.
Mit Abbild.
Verf. sah in London eine Frau aus Angola mit einer grossen Clitoris
und einer Hernie in der rechten Schamlippe, die als Hermaphroditin galt.
Haller sagt: „Opus fere coUectitium, in quo ex temporum ordine plu-
rima exempla androgynorum recensentur. Androgynos, qui putantur esse
feminas magna clitoride." Quam ipse vidit Aethiopissam putes utique eo
pertinere.
Is. G. St. Hilaire (Des anom alles, Paris, 1836, T. II, p. 24) bemerkt,
dass Pars on s 1741 die geschlechtliche Analogie zwischen Hermaphroditen und
Föten weiblichen Geschlechts hervorgehoben hat.
Beob. 16. J. L. Schmucker, Vermischte chir. Schriften. Berlin,
1778, Bd. 2. — G. B. IVÜonteggia, Istituzione chirurgica. Napoli,
1837, Vol. VIII, p. 82, part. 310.
Der Verf. erwähnt den Fall von Kram er von einer brandigen Clitoris
(wahrscheinlich sekundär nach Krebs), die zuerst unterbunden und dann
abgetragen wurde, um die unerträglichen Schmerzen zu stillen. Bei dieser
Gelegenheit fügt Monteggia hinzu, dass die Clitoris bald an Scirrhus und
— 233 —
Krebs, bald an einfacher Vergrösserung leiden kann, und in diesem Falle
sei die Exstirpation angezeigt.
Beob. 17. Ferrein, Snr le veritable sese de ceux, qu'on
ap pelle hermapbrodites. Mem. de l'acad. des sc. A. 1787, p. 330.
Verf. berichtet über zwei Fälle von lebenden Frauen, mit so grosser
Clitoris, dass sie einem Penis ähnlich war, mit der Öffnung der Urethra an
der Wurzel. Die eine war MarieWalkiers. Wegen der Schriftsteller, die
sich mit ihr beschäftigt haben, siehe Is. G. St. Hilaire (Des anomalies,
T. II, 1836, Kap. II, Hermaphr.).
Beob. 18. Everard Home, An account of the dissection of an
hermaphroditedog. Philos. trans. A. 1799, p. 157 — 178. Mit Zusätzen.
Lectures of comparative anatomy, T. III, Lect. XL
Verf. stellt die Hypothese auf, dass das Ei vor der Befruchtung noch
kein bestimmtes Geschlecht hat, und je nach den Einflüssen, die es erfährt,
bald ein Weibchen, bald ein Männchen, und bald ein zwischen beiden Ge-
schlechtern stehendes Individuum hervorbringen kann.
Eine schwarze Frau von 24 Jahren, mit männlichem Habitus und tiefer
Stimme, hatte eine zwei Zoll lange, sehr dicke und erektionsfähige Clitoris,
mit nicht durchbohrter Spitze und ohne Präputium, während die Öffnung
der Urethra sich da befand, wo sie beim Weibe gewöhnlich ist. Das Harnen
war verhindert, wenn man nicht die Clitoris in die Höhe hob. Die Brüste
waren entwickelt.
Beob. 19. Schönfeld (Charleroi), Journ. de med. beige. Juillet,
1838.
Eine kräftige Frau, die einen Abort gehabt hatte (im Alter von
28 Jahren) zeigte an der Scheide einen körnigen Tumor, der offenbar eine
Degeneration der Clitoris darstellte, von der Grösse eines Fötuskopfs und
von der Farbe der Haut. Dieser Tumor war nur an seiner Wurzel empfind-
lich und schien vom Missbrauch sinnlicher Genüsse Jeder Art herzurühren.
Seine Abtragung machte keine Schwierigkeit und nach 14 Tagen war die
Heilung vollständig.
Beob. 20. A. Velpeau, Medecine operatoire. Bruxelles, 1840,
(5me edit.), T. II, p. 422.
Der Verf. erzählt, Kobert habe in Paris im Jahre 1839 mitgeteilt,
ein infolge von Masturbation in Marasmus verfallenes Mädchen sei von ihm
durch Amputation der Clitoris geheilt worden. Diese Operation wird von
Velpeau verteidigt.
Beob. 21. AI. Riberi (Turin), Raccolta delle opere minor i.
Turin, 1851,^ Vol. I, p. 99.
Amputation der Clitoris und der Nymphen wegen entzündlicher, schmerz-
hafter Hypertrophie, verursacht durch lange geübte Onanie und geheilt
d\irch die Amputation.
Beob. 22 A. Morpaln, Division congenitale du Clit oris. Gaz.
hebd. etc., Paris, 1855, p. 436, Beob. 2.
Eine Stickerin von 61 Jahren hatte eine angeborene Teilung der Clitoris,
deren beide Teile man getrennt sah und bis an ihren Ursprung verfolgen
— 234 —
konnte. Sie hatte niemals Wollustgefühle empfunden und ihre ehelichen
Pflichten nur aus Hingebung erfüllt. Die Labia minora bildeten eine Art
Keif; statt sich zu vereinigen, um die Mütze der Clitoris zu bilden, stellten
sie an ihrer Wurzel zwei halbe Mützen dar. Die Mündung der Urethra
befand sich auf dem Boden des Infuadibulums. Die Mündung der Scheide
war normal.
Beob. 23. C. Cassano und F. P. Pedretti, Un caso di clitoride
mostruosa. Eendic. della E. Acc. med.-chir. di Napoli, 1860, fasc. I et IV,
p. 69, con tav.
Ein Mädchen von 15 Jahren hatte männliche Körperformen trotz ihrer
kleinen Gestalt. Ein Teil des Gesichts war behaart, die Clitoris gross und
schon erektionsfällig. Sie wurde schwanger und gab sich nach der Geburt
wollüstigen Handlungen hin, auch mit Weibern. Im Alter von 40 Jahren ,
(1850) war die Clitoris über 3 Zoll lang und ihr sehr beschwerlich. Ausser-
dem fand der Chirurg die Glans mit Höckern bedeckt (Cancroide nach der
Abbildung) imd schritt zur Amputation. Er schweigt über die weiteren
physischen und moralischen Folgen.
Beob. 24. Willermay im Dict. des sc. medic. Enciclop. med. ital.
Milano (ohne Datum), Vol. II, P. 1, p. 1167.
Verf. berichtet über einen Fall von Nymphomanie, bei dem die Clitoris
einem Penis an Grösse gleichkam.
Die Clitoris kann zum Sitz von skirrhöser Entartung werden, Geschwüre
bilden, eitern u. s. w. oder auch krebsig werden. In einigen Fällen ist die
Anschwellung durch chronische Entzündung hervorgebracht.
Beob. 25. Mason, Elephantiasis of clitoris. New York med.
Kec, 1868, 1 May.
Verf. amputierte mit dem Ecraseur bei einem 3 jährigen Mädchen eine
4 Zoll lange und 4^/2 Zoll dicke Clitoris.
Beob. 26. Rose Gerin, Ps endo- ermafro dito es terno. (Äusserlich
Weib; Penis und Hoden.) Gaz. des hopit., 1884, No. 139.
Weib ohne Uterus, Hypertrophie der Clitoris. Keine Neigung, weder
zu Frauen, noch zu Männern.
Beob. 27. F. G. Henle, Fall von angeborener Spalte der Cli-
toris. Zeitschr. für rat. Med., 1855, Vol. VI, p. 343, Canstatts Jahresber.
für 1855, Bd. IV, p. 15.
Ein Mädchen von 17 Jahren, klein geblieben, amenorrhoisch, hatte eine
in zwei Teile geteilte Clitoris, in Form von zwei Warzen. Zwischen den
beiden Hälften des Frenulums mündete die Harnröhre.
Beob. 28. Verstraeten (Prof. in Gand), L'acromegalie. Eevue de
med., No. 5, Mai, 1889, Beob. 2. Die Beob. wird wieder gebracht von Souza-
Leite, De l'acromegalie. Paris, 1890, Vol. XII, p. 203.
MUe. L., 29 Jahre alt, Schneiderin, 1,64 cm hoch, mit dem Zeichen
der Akromegalie, unterdrückter Menstruation, hypertrophischem Harnkanal.
Sie zeigte ausserdem stark vergrösserte (verdreifachte) Clitoris, das Hymen
— 235 —
war erhalten. Sie hatte niemals lebhafte geschlechtliche Wünsche und wollte
sich nicht verheiraten.
Beob. 29. W. A. Freund, Über Akromegalie. Samml. klin. Vortr.
von R. Volk mann, 1889, No. 329. Beobachtung wiederholt von Souza-
Leite, De l'Acromegalie. Paris, 1890, p. 219, Beob. 14.
Frau von 50 Jahren mit bedeutender Akromegalie an den vier Extremi-
täten. Ausserdem hat sie eine grosse Clitoris mit verdicktem Präputiuna.
Die Schleimhaut der kleinen Schamlippen ist verdickt und ruEzlich, ihre
Farbe braungelb. Der Uterus zeigt einen Anfang von Atrophie.
Beob. 30. B. C. Windle, Exemple of an elongated and bifid
clitoris. Journ. of anat. London, 1893, Vol. XXVII, P. 3, p. 22.
Verf. sah eine 5 cm lange, bis zur Basis geteilte Clitoris. Sie hatte
eine doppelte Glans, die rechte Hälfte war etwas kürzer als die linke.
Diese Notiz haben wir dem Jahresber. für 1893, Bd. 1, S. 21 ent-
nommen und bemerken, dass diese Angabe gegen die Gewohnheit ganz falsch
ist; bis jetzt haben wir sie nicht verbessern können.
Beob. 31. V. Zarubin, A rare case of acquired general hyper-
tricosis. Journ. of cut. and genito-urin. diseases, 1897, p. 74, Jahresber.
für 1897, Bd. II, p. 546 (15).
Eine 38jährige Kranke litt an Hypertrichose des ganzen Körpers, be-
sonders des Gesichts. Mit 20 Jahren erkrankte sie im Wochenbett, worauf
Calvities folgte, während Hypertrophie der Clitoris mit grossem Präputium
und stark entwickelter Glans folgte. Sie hatte auch männliche Körper-
konstitution und tiefe Stimme.
Beob. 32. B. Marshall, A case of mclanotic sarcoma of clito-
ris. Glasgow Journ. April 1898.
Frau von 57 Jahren. Das Sarkom war nussgross.
Beob. 33. Blondel, Un cas de pseudo-hermaphroditisme. La
gynecologie, 15 Fevr. 1899.
Eine Frau von 45 Jahren hatte eine sehr grosse Clitoris. In den
hypertrophischen grossen Schamlippen hodenähnliche Drüsen. Bei Unter-
suchung durch den After fand man einen Körper unterhalb der Blase, viel-
leicht die Prostata. Kein inneres Geschlechtsorgan und keine Mündung der
Urethra in die Vagina, die rudimentär war. Der Habitus war weiblich.
Beob. 34. Fr. Neugebauer, Ein in der Kasuistik des Pseudo-
Hermaphrodismus einzig dastehenderFall. Centralbl. fürGynäk.
4. Febr. 1899, S. 139 (2 Fig. im Texte). — Giorn. di med. legale. Lanciano,
1899, Anno VI, p. 123.
Eine 27 jährige Jüdin hatte vor 7 Tagen einen auch an den Geschlechts-
teilen wohlgebildeten Knaben geboren. Die Frau hatte eine regelmässige
Vulva, kleine Labien, normale Clitoris. Dagegen befand sich hinter der Vulva,
in der Mittellinie des Perineums und 1 cm hinter dem Frenulum labiorum
ein dem männlichen Glied ähnlicher Körper, 45 — 52 mm lang, mit vom
Präputium umgebener und teilweis bedeckter Eichel, mit zwei corpora caver-
nosa versehen, von denen der Verf. das rechte bis zum Ansatz am Pubes
verfolgte. Dieser Penis hatte keinen Meatus urinarius, aber man bemerkte
— 236 —
daran eine kleine Vertiefung. Von Hypospadie war keine Spur. Er war
der Erektion fähig und wurde dabei fast 50 mm lang, mit wollüstigem Gefühl.
Die den coUabierten Penis bedeckende Haut war ziemlich runzlich, wie
bei einem alten Manne, besonders an der Basis, so dass der Verf. vermutete,
sie zeige ein Rudiment eines Scrotums an.
Bei der Untersuchung durch das Rectum fand man keine Anomalie,
und die Frau verweigerte jede Escision des Penis zu mikroskopischer Unter-
suchung, so dass der Verf. im Zweifel blieb, ob es sich um eine hyper-
trophische Clitoris handele, oder um ein echtes, rudimentäres männliches
Glied ohne Durchbohrung.
Beob. 35. Lambret, Les tumcurs benignes du clitoris. Rev.
de Chirurg., No. 5, 1898, Jahresber. für 1898, Bd. II, p. 253 (17).
Der Verf. sammelte aus der Litteratur folgende Beispiele von gut-
artigen Tumoren der Clitoris : Drei Blutcysten. Zwei Dermoide. Ein Atherom
(zweifelhaft). Einunddreissig Fälle von soliden Geschwülsten, unter diesen
besonders: eine Verknöcherung der Clitoris, ein Chondrom, mehrere Fibrome,
die man oft nicht von Hypertrophie unterscheiden konnte. Diese Tumoren
wurden selten histologisch untersucht.
Beob. 36. Solowig, Ein Beitrag zum Pseud o-Hermaphr odis-
mus. Monatschr. für Geb. u. Gynäk., Bd. IX, 1899, H. 2.
Eine Person mit weiblichem Habitus, nicht menstruiert, 21 Jahre alt,
mit gut entwickelter Brust, dünnen grossen Schamlippen, 2 cm langer Clitoris.
Die Scheide endigte blind in 25 cm Tiefe.
Beob. 37— 40. C. Taruffi, Süll' ordinamento della ter atologia.
Memoria III, Pseudo-ermafroditismo feminino, Mem. della R. Acc. deUe sc.
deir ist. di Bologna, 1899, Serie 5, T. VII, p. 738. Vgl. Seite 61 ff.
Beob. 1. P. Astley Cooper. Beob. 6. R. Jacoby. Beob. 93. J. Neill.
Beob. 100. Blanche. Beob. 131. F. Wlarchand.
Note 4. Erster Teil. Berühmte Frauen.
Beob. 1. Jeanne d'Arc. Von verschiedenen Chronisten und Historikern
erfahren wir, dass Jeanne um das Jahr 1410 in Frankreich an der Grenze
von Lothringen und der Champagne geboren war und einer Familie von
Ackerbauern entstammte, die vom Landbau und einigen Herden lebte. Sie be-
gleitete von Kindheit an die Herden auf die Weide, sie wurde niemals unter-
richtet, konnte weder lesen noch schreiben, und lernte nur von ihrer Mutter
die Glaubenslehren. Wer sie kannte, war überzeugt, sie sei ein gutes Kind,
einfach, mutig, fromm, keusch, arbeitsam in häuslichen Geschäften. Während
des Krieges aufgewachsen, unter dem Hass der Engländer und Burgunder
gegen die Franzosen, wurde sie von einer Prophezeiung inspiriert, das durch
eine schamlose Frau ins Unglück gestürzte französische Reich werde durch
eine lothringische Jungfrau gerettet werden. Johanna glaubte diese Jung-
frau zu sein und nahm teil an allen kriegerischen Ereignissen zwischen den
— 237 —
beiden Heeren. Die Jungfrau war gross und stark von Person. Sie kannte
niemals die physiscken Schwächen des Weibes und weihte schon mit
13 Jahren ihre Jungfrauschaft Gott. Sie kleidete sich männlich (was später
vor dem kirchlichen Tribunal einen Anklagepunkt gegen sie bildete), ver-
schaffte sich eine Rüstung, ein Pferd und zog in den Krieg. Bei den An-
griffen auf die feindlichen Burgen zeigte sie eine Tapferkeit und eine Klug-
heit, welche die alten Kapitäne in Verwunderung setzten und die Feinde
erschreckten. Unglücklicherweise wurde sie vor Compiegne verwundet und
am 24. Mai 1430 gefangen genommen. Die Engländer klagten sie der
Ketzerei an und schrieben ihr verschiedene Vergehen gegen die Sitten zu,
auch ihr Geschlecht wurde angezweifelt. Über diesen Punkt hat Hyrtl^)
die Nachricht gegeben (ohne die Quelle anzuzeigen), sie sei von den Ärzten
Guill. Decauda und Guill. De-Jardini auf Befehl des englischen
Kardinals untersucht worden, und diese hätten gefanden, dass ihre Scheide
so eng sei, dass der Coitus niemals hätte ausgeführt werden können. Den-
noch wurde Johanna von dem kirchlichen Tribunal als rückfällige Ketzerin
verdammt und im J. 1431 auf den Scheiterhaufen geführt.
Beob. 2. Nonna (= Nonne) Alferez, Historia. Madrid, 1625. — Juan
Perez, Joaquim Ferrer, Historia etc. Paris, 1829. — Jose Maria de Hereida,
La nonna Alferez, Eevue des deus mondes, Paris, 1894, Liv. I, Mars.
Tom. 122, p. 121.
Caterina d' Arcuso di Biscaglia kam nach Rom aus Spanien am 5. Juni
1626, spanisch gekleidet mit Degen und freier Haltung, so dass sie eher
ein Soldat als ein Hofmann schien, während die Bewegungen und die
Hände an das weibliche Geschlecht erinnerten. Caterina war 33 — 40 Jahre
alt, von grosser, kräftiger Gestalt, sie zeigte die Reste eines Kropfes, der
von einem Italiener geheilt worden war. Ihr Gesicht war nicht eben häss-
lich, zeigte aber den Eindruck erlittener Mühseligkeiten. Sie trug schwarze,
kurze Haare wie die Männer, und sah eher einem Eunuchen als einer Frau
ähnlich.
In ihrem 13. Jahre befand sie sich in einem Kloster in Spanien, hatte
einen Streit mit einer Nonne und entfloh unter vielen Abenteuern. Bald
betrug sie sich wie eine kampflustige Amazone , bald wie eine Kauf-
mannsfrau unter verschiedenen Unglücksfällen, bis sie ins Gefängnis kam.
Dann ging sie nach Amerika und fing an, während der Seereise ihr Leben
zu beschreiben, sie kam im Jahre 1620 in die Hauptstadt von Peru, wo
sie wegen verschiedener Streitigkeiten vor der Polizei floh und von dem
Bischof vermöge seines Asylrechts gerettet wurde.
Diesem Bischof beichtete sie ihre vielen Sünden. Zuerst bekannte sie,
sie sei ein Weib und erzählte ihre Herkunft und ihre Abenteuer. Aber der
Bischof wollte ihres Geschlechts sicher sein, und zwei Hebammen unter-
suchten sie und schwuren, sie hätten sie als Jungfrau befunden, wie am
Tage ihrer Geburt. So konnte sie unter dem Schutz des Klerus später nach
Cadiz zurückkehren.
^) J. Hyrtl, Handbuch der topographischen Anatomie, Bd. 2.
- 238 —
Auf der Überfahrt hatte sie wieder Streit mit den Matrosen, den
Caterina selbst erzählt ; ebenso in Genua, sobald sie nach Italien kam. Zu-
letzt erhielt sie in Eom von Papst Urban VIII. Erlaubnis, sich männlich zu
kleiden, aber als sie nach Neapel gegangen war, musste sie wieder mit den
Waffen kämpfen.
Dann kehrte sie nach Amerika zurück, wo sie Waren auf Maultieren
transportierte ; nach ihrem 50. Jahre erhielt man keine Nachricht mehr
von ihr.
Beob. 3. Lavinia Fontana (Lanzi), Storia della pittura. — Mal-
vasia, Felsina pittrice. — Winckelmann, Neues Maleriexikonetc.
Tochter des geschickten Malers Prospero, geb. 1552 in Bologna, gest.
1614 in Rom. Sie übertraf ihren Vater im Porträtmalen und widmete sich
vorzüglich dieser Art der Malerei. Gregor XIII. aus Bologna gebürtig, Haupt
der Familie Buoncompagni, berief Lavinia nach Rom und ernannte sie zu
seiner Malerin. Bald wetteiferten die römischen Damen miteinander, um
sich malen zu lassen, und die grosse Künstlerin erwarb sich solchen Ruhm,
dass Dichter und Redner den Ruhm Lavinias feierten.
Zahlreich sind ihre in den vorzüglichsten Museen Europas zerstreuten
Werke. In Bologna befinden sie sich in S. Giacomo, im Baraccano, bei den
Mendicanti, in der Trinitä. In Imola ist im Palast Zappi ein von Lavinia
gemaltes Bild, und auch in Bologna befindet sich ein sehr schönes Porträt
im Hause des Marchese Francesco Malvezzi Campeggi, aber wir wissen
nicht, ob es Original oder Kopie ist.
Beob. L Elisabetha Sirani. — Malvasia, Felsina pittrice etc. Vol.
II, p. 467, Ediz. del 1832—34.
Elisabetha Sirani, Tochter eines mittelmässigen Bologneser Malers,
wurde geboren im Januar 1638 und starb im August 1665, lebte also nur
26 Jahre. Sie erreichte früh eine hohe Gestalt, kräftige Konstitution und leb-
haftes Temperament, verbunden mit unvergleichlichem Talent zu den schönen
Künsten ; dann nach kurzer Zeit komponierte sie Musik, malte viele BUder
und übte selbst den Kupferstich. Von diesen denkwürdigen Arbeiten gab
Malvasia Nachricht (1. c), aber dies brachte keine andere Wirkung her-
vor, als allgemeines Klagen um ihren frühen Tod, sowie eine prächtige
Leichenfeier in S. Domenico. Hier wurde sie begraben und in dasselbe
Grab gelegt, in dem der Leichnam Guido Renis lag; noch heute liest
man folgende Inschrift:
Elisabeth Siranae una cum Guidone Rheno tumulatae etc.
Die Krankheit und der Tod dieser jungen Frau blieben lange dunkel
und hatten traurige Folgen, wie man aus der Schrift Mazzoni-Tosellis
sieht ^). Von diesem erfährt man, Elisabetta sei im März 1665 von Magen-
schmerzen befallen worden, die sich dann stärker wiederholten, bis sie
schnell umkam. Dieser frühzeitige Tod erregte bald den Verdacht der Ver-
1) Mazzoni-Toselli, Racconto storico di Elisabetta Sirani e del sup-
posto veneficio. Bologna, 1833. Con ritratto della pittrice.
— 239 -
giftung, der nocli heute in den Encyclopädien wiederholt wird. Sogleich
wurde die Sektion gemacht und die Köchin des Hauses beschuldigt, die
einem langen Prozess unterworfen wurde. Bei der Sektion fand man im
Magen eine Öffnung (foro morto) unter dem Pylorus nahe am Duodenum,
die einen Finger durchliess, so dass man an das Netz gelangte. Man fand
Abrasionen (disuguaglianze per grumi di pus) an der Milz, am Pankreas und
an der Leber, und erklärte auf diese Weise das Eindringen von Eiter, ver-
mischt mit gelbem Serum ins Peritoneum. Ferner fand man die Venen der
Eingeweide in der Nähe des Magens, besonders des Pylorus, voll roten Bluts.
Dieser Befund überzeugte die Ärzte, die Anätzung des Magens sei nicht die
Wirkung eines dargereichten Giftes, sondern einer natürlichen Flüssigkeit,
die eine ähnliche Wirkung ausgeübt habe, wie ein ätzendes Gift. Die arme
Köchin, Namens Lucia Tolomelli, wurde endlich am 5. Januar 1668 freige-
sprochen.
Diese Erzählung zeigt, wie zu jener Zeit die Kenntnis des Ulcus per-
forans des Magens noch schwierig und unsicher, und wie seltsam die The-
rapie war, denn man gebrauchte in diesem Falle eine gewisse species solutiva,
die nur in der Pharmakopoe von Nicolö Lemery angegeben war, und wie
sehr noch die Volkssprache vorherrschte, denn apoplektische Anfälle nannte
man „cadute di goccie."
Beob. 5. Teresa Muratori, Bibliographie.
Die Muratori, obgleich noch heute als Musikerin und Malerin ge-
schätzt, hat noch keinen Biographen gefunden, daher muss man sich mit
wenigen Notizen begnügen, die sich in den „Guide di Bologna" (besonders dem
von Bianconi vom Jahre 1845), in Kunstschriften, wie der Felsina pittrice
von Malvasia (nicht vor der Ausgabe von 1841, T. II, p. 74) und in der
Encyclopädie von Turin, Vol. XV, p. 222 von 1862, worin mehrere Gemälde an-
gegeben sind, befinden; endlich in der Cronaca inedita dei pittori bolognesi von
Marcello Oretti, T. IX, p, 22 (die in der Bibliothek des Archigymnasiums zu
Bologna befindlich ist). Dieser erzählt, Teresa sei am 19. April 1708 ge-
storben und in der Kirche der Madonna di Galliera zu Füssen eines von
ihr gemalten, sehr geschätzten Bildes begraben worden, das den heiligen
Thomas darstellte.
Über das Denkmal der Muratori, das Werk der Künstlerin in der
oberen Loggia des Archigymnasiums, schreibt mir Prof. Gino Eocchi:
Hier ist die Kopie der Inschrift die Sie wünschen:
Francisco atque Achilli
de M 0 r a 1 0 ri i s
in pliilosophia, medicina et anatome
eximiis viris
fama expandit
quidquid aevum obduxerat
Eobertus Moratorius
philosophiae et medicinae lector emeritus
— 240 —
reparato monumento primo lue posito anno 1606
Majoribus suis obsequitur
anniientibus
illustrissimis utriusque iiniversitatis artium
Priore et praesidibus
aestivis anno 1706.
Theresia de Moratoriis pinsit.
„Mir scheint es der Triumph der Medizin zu sein, die vor dem Altare
des Äskulap, den Kranken heilend, den Tod in die Flucht schlägt, während
auf einer Seite Fama triumphiert, während auf der anderen Merkur sich
schnell in Bewegung setzt, um das Wunder zu verkündigen. Ich sage, dass
es mir so scheint, denn das Gemälde ist ganz mit Staub bedeckt und be-
findet sich in einer Höhe, zu der mein Gesicht nicht ohne die Hilfe eines
Fernrohrs hinaufreicht."
Beob. 6. Anna Morandi (siehe Giov. Fantuzzi), Notizie degli
scrittori Bolognesi, 1712, "Vol. VI, p. 113. — Serafino Mazzetti, Re-
pertorio di tutti i professori delle science di Bologna. Bo-
logna, 1847, p. 218, No. 2176.
Anna Morandi, Tochter Carlos, und Frau Giov. Manzolinis, geb.
in Bologna 1716, berühmte Anatomin und Modelliererin, in die Akademie der
Wissenschaften des Instituts von Bologna im J. 1756 aufgenommen, und ande-
ren auswärtigen Akademien angehörend. Im J. 1760 wurde ihr vom Senate ein
Lehrstuhl der Anatomie der Universität übertragen mit dem Auftrage des
Modellierens. Ihr Ruf verbreitete sich über ganz Europa, nnd sie wurde
nach Mailand, London und Petersburg eingeladen, mit reichen Anerbietungen,
wenn sie in diesen Städten wohnen bleiben woUte; aber sie weigerte sich immer
aus Liebe zu diesem ihrem Vaterlande. Es kamen immer viele Fremde die
sie besuchten und ihre Werke bewunderten, darunter Kaiser Joseph IL bei
seiner Durchreise durch Bologna. Sie starb hier im J. 1774. Fantuzzi,
T. VI, p. 113.
AUe wissen, dass AnnaManzolini, während ihr Gemahl dem L e 1 1 i
half, aus Wachs die Muskeln zu bilden, die dem Skelett angefügt werden
sollten, so männlichen Mut zeigte, dass sie, um die Mühen ihres berühmten
Gemahls zu mildern, ohne auf den Gestank der Leichen zu achten, oder
sich um ihre weibliche Schwäche zu kümmern, ihm bei der schweren, un-
dankbaren Arbeit zu Hilfe kam. So betrieb sie zuerst die Anatomie lind
lernte dann mit grossem Eifer die Skulptur, und machte durch die Schärfe
ihres Geistes und ihre grosse Geschicklichkeit solche Fortschritte, dass sie
in wenigen Jahren die Wissenschaft und Kunsc des Meisters Lelli und
ihres Gatten nicht nur erreichte, sondern übertraf.
Diese Arbeit erlangte grossen Wert, weil sie von einer Frau gemacht
wurde und weil sie zwei Künste zu vereinigen wusste, Anatomie und Skulp-
tur, so dass sie in beiden berühmt wurde. So gab es zwei berühmte Profes-
- 241 —
soren, Galvani^) und Me.dici^), die am Institut von Bologna der Man-
z 0 1 i n i würdige Lobreden hielten.
Beob. 7. Laura Maria Caterina Bassi, Fantuzzi, notizie degli
scrittori bolognesi, 1781—94:. Vol. I, p. 384.
L. M. C. Bassi wurde in Bologna geboren am 29. Okt. 1711 und
starb daselbst am 20. Febr. 1778. Am 12. Mai 1732 wurde sie Doktor der
Philosophie und am 29. Oktober desselben Jahres übertrug ihr der Senat
einen Lehrstuhl für allgemeine Philosophie. Am 10. Mai 1776 wurde sie
gewählt, um an dem berühmten Istituto delle scienze den verstorbenen
Dr. Paula Battista Balbi, Prof. der Experimentalphysik, zu ersetzen.
Mit 21 Jahren verteidigte sie eine These vor den Kardinälen Grimaldi und
Lambertini gegen 7 Professoren, die ihr opponierten und antwortete immer
scharfsinnig lateinisch. Sie war Gattin des Arztes Dr. Gius. Veratti und
hatte zahlreiche Kinder. Sie war in spekulativen und experimentellen
Wissenschaften, in Geometrie und Litteratur sehr bewandert. Über diese
berühmte Frau findet sich in der oberen Halle der K. Univ. zu Bologna
folgende Inschrift:
Laurae Bassiae Veratiae
Physicae in hoc instituto
Philosophiae universae in Gymnasio
Magistrae
Quod priscas hujus urbis foeminas
Doctrina illustres
Feliciter aemulata
Veterem sui sexus gloriam apud nos
Eenovarit ac plurimum auxerit
Matronae Bonon. aere conlato M. P.
Vixit an. LXVI obiit a. MDCCLXXVIII.
^)Luigi Galvani, Prof. der Anatomie und dann der Geburtshilfe
an der Univ. Bologna. De Manzoliniana supellectili. Sammlung der Werke
des Prof. L. Galvani, herausgegeben von der Acc. deUe sc. del. ist. di
Bologna, 1841, p. 46. (Mit Porträt des Autors.)
2) Mich. Medici, Physiolog in Bologna. Elogio di Giovanni e di
Anna Morandi conjugi Manzolini, scritto da Mem. dell' Acc. delle sc.
del ist. di Bologna, 1857. T. VIII, p. 3. Mit zwei Abbild, (nämlich den
beiden Belobten). — In dem Museum für menschliche Anatomie wird die
Büste der Gattin in natürlicher Grösse aufbewahrt. — Dort ist auch das Ver-
zeichnis der Arbeiten in Wachs und in Plastik, sowohl von Anna , als von
Giovanni, die zum Teil für das anatomische Museum gemacht wurden, sowie
von 32 weiteren Präparaten, die später in einem Privathaus gefunden wurden.
— Idem. De anatomicis, qui a XVIII saeculi initio ad nostram usque aetatem
Bononiae floruerunt. Novi commentarii, Tomo 7, pag. 3. Elogium H. F.
Albertini, p. 41. (Dell' Acc. delle sc. del ist. di Bologna, dalla sua
origine al MDCCCLXXX. Bologna, N. ZanicheUi, MDCCCLXXX.)
Taruffi, Hermaphrodismus. 16
— 242 —
Beob. 8. Clotilde Tambroni — Serafino Klazzetti, Eepertorio dei
professori delF Univ. Bolognese. Bologna, 1847, 296.
Clotilde Tambroni, geb. in Bologna im Jahre 1768; wurde später
wegen ihrer litterarischen Verdienste zur benediktinischen Akademikerin er-
wählt. Der Senat von Bologna ernannte sie zur Lehrerin des Griechi-
schen durch Senätsbeschluss vom 23. Nov. 1793. Im Jahre 1798 wurde sie
für einige Zeit des Lehramtes enthoben, weil sie der Eepublik nicht den
Eid leisten wollte, die in demselben Jahre in Rom eingeführt wurde. Aber
in Hinsicht auf ihre Verdienste und ihre Schriften wurde sie durch Ver-
fügung des Ministers des Innern am 19. Nov. 1808 ihrem Amte zurück-
gegeben, bis dieses durch königl. Dekret aufgehoben wurde. Sie wurde
von da an bis zu ihrem Tode pensioniert und starb am 4. Juni 1817.
Sie wurde der Nachwelt durch folgende Inschrift in Erinnerung gebracht,
die in derselben Halle der Univ. zu Bologna aufbewahrt wird.
Clotildae Tambroniae
Annor. LVIII
Quae a prima aetate pietatem sequuta
Litteris dedita
In collegia eruditorum
Per Italiam cooptata
Liüguam graecam publice docuit
Dec. innupta pr. N. jun. a. MDCCCXVII
Fratres benemerenti posuere.
In der Schrift über Paolina Grismoldi finden sich eingefügt in
das Werkchen Lorenzo Mascheronis — Invito a Lesbia, Rom, 1874,
p. 120 f. folgende Angaben: Clotilde Tambroni widmete der Paolina
eine griechische Ode mit freier italienischer Übersetzung von der Verfasserin
selbst. Die genannte Paolina schrieb sogleich anBettinelli (1792) ein
verdientes Lob der Dichterin und sprach ihre Verwunderung aus, dass eine
so junge Frau in griechischer Sprache solche poetische Kompositionen
schreiben könne. Aus der genannten Schrift sieht man auch, dass die Erben
der Tambroni viele ihrer griechischen Oden ungedruckt Hessen, nur mit
Ausnahme der einen: Griechisch-italienische pindarische Ode zur Genesung
des Erzbischofs von Bologna. In der Universitätsbibliothek von Bologna er-
fahren wir, dass die der Grismoldi gewidmete Ode nicht gedruckt worden
ist, während in Rom bei Bodoni im Jahre 1794 eine andere griechische Ode
mit Übersetzung in italienischen Versen gedruckt wurde, die an den Grafen
Ferdin. Marescalchi gerichtet ist bei Gelegenheit seiner fünften Bekleidung
des Gonfalonierato di giustizia.
Beob. 9. Maria Gaetana Ägnesi. — Mazzetti. Idem. p. 12, No. 18.
Maria Gaetana Agnesi, geb. in Mailand im Jahre 1718 und hier
gestorben am 9. Jan. 1799 im Alter von 81 Jahren. Sie war Tochter eines
Professors der Mathematik an der Univ. Bologna, und wurde durch Bene-
— 243 -
dikt XIV im Jahre 1750 ermächtigt, ihren Vater, der krank geworden war, auf
demselben Lehrstuhl zu ersetzen. Im Jahre 1748 hatte sie ihre „Istituzioni
analitiche ad uso deUa gioventü" veröffentlicht.
Beob. 10. Eustacchio Manfred! und Schwestern. — Giov. Fantuzzi, Notizie
degli scrittori bolognesi, T. V, p. 182.
Geboren in Bologna am 20. Sept. 1674. Wurde öffentlicher Lehrer der
mathematischen Wissenschaften an der Universität im Febr. 1699 und
endlich im Jahre 1711 Professor der Astronomie am Institut. Er erhielt
zahlreiche Ehrungen von italienischen und auswärtigen Akademien wegen
seiner achtungswerten Arbeiten; zu einigen davon trugen seine Schwestern
bei. Er starb im Jahre 1730.
Beob. 11. Prof. Franc. Porro, Berühmte Frauen, die sich mit
Astronomie beschäftigt haben. Riv. mens, illustr. con docum. etc.
A. II, Gennaio, 1897, Fevr. 1 — 2. Mit ungedruckten Beilagen.
Bologna, d. 8. Febr. 1901.
Geehrter H. Professor!
Ein mir befreundeter Astronom giebt mir folgende Nachrichten :
In Uraniburg arbeiteten zusammen mit Ticone seine Schwester
Sophia xmd eine Live oder Linva Laurisdatter, die dann Astro-
nomie in Kopenhagen lehrte und, wie man sagt, im Alter von 124 Jahren
starb. Mit Eustachio Manfredi arbeiteten an der Zusammenstellung
der bolognesischen Ephemeriden der Himmelskörper seine Schwestern Teresa
und Maddalena; mit Evello seine Frau Margarete Koopman; mit
Lalande NicoIerEeine EtabledelaBriere, der man einen grossen
"Teil vieler Bände der „Connaissances dutemps" verdankt. Elisabetta, Frau
von Geminiano Montanari, die zwischen 1664 und 1678 in Bologna
Astronomie lehrte, wurde von Tiraboschi „für eine sehr geschickte Frau
im Bau von Fernrohren" erklärt. Eine von ihr gearbeitete Linse wurde
nach Paris an G. Dom. Cassini zum Geschenk geschickt, und von zwei sehr
kompetenten Richtern, Huyghens und Ricard, für ein höchst voll-
kommenes Werk der Optik erklärt. Caroline Herschel war viele Jahre
lang die unermüdliche, intelligente Gefährtin ihres Bruders William. Ihr
verdankt man die Entdeckung von 8 Kometen und die Zusammenstellung
von 2 Katalogen, einen über die von Flam steed beobachteten Sterne, den
anderen über die von William entdeckten Nebel. In Upper Tulse-Hill arbeitet
seit vielen Jahren mit dem berühmten Huggins seine Gattin an der Spektro-
skopie der Sterne, Hohen Ruhm erwerben ebenfalls in England Miss Brown,
die tüchtige Beobachterin der Sonne, die beiden Schwestern Miss Agnes
und Miss Helen Clerk, als Verbreiterinnen der Wissenschaft, Miss
Rüssel, seit kurzem Gattin des tüchtigen Beobachters in Greenwich,
E. Walter M ander, und mehrere andere Frauen und Fräulein. In
Amerika giebt es Astronominnen von Profession in Menge ; nicht weniger
als 16 gehören zu dem Harvard-CoUege in Cambridge (Massachussets), wie
Frau Fleming und Mss Maury, die schon eine wichtige Stelle in der
Wissenschaft einnehmen. Miss Maria W. Whitney dirigiert eine aus -
16*
— 244 —
schliesslich weibliche Sternwarte und lehrt Astronomie in dem Vassar College
in Poughkeepsie im Staate New York; Miss P. Gertrud Wentworth
übt sich in der schwierigen Berechnung der Sternbahnen; Miss Alice
L am b - U 1) de g raff ist bekannt durch ihre genaixen Beobachtungen. In Paris
ist dem schwachen Geschleclite die Durchsicht der Photographien anvertraut,
die zur Anfertigung einer Sternkarte gemacht werden. Diese Arbeit wird
von Fräulein Dorothea Klumpke geleitet; sie ist Doktorin der Wissen-
schaften. Eine andere französische Doktorin ist kürzlich nach Turin ge-
kommen, um ihren Gatten, einem Professor in Grenoble, bei der Unter-
suchung- der Erdschwere zu unterstützen. (Auszug aus einem Artikel des
Prof. F. Porro, publiziert in den Mitteilungen eines Kollegen [A. IV, No. 1
und 2, Jan. und Febr. 1897], durchgesehen von Arcangelo Ghisleri,
früherem Professor am Lyceum zu Cremona.)
Über diesen Gegenstand (i^stronominnen) finden sich Nachrichten in
folgenden Journalen:
No. 21 und 22 der Astronomischen Eundschau (Vol. III), publiziert
von Leo Brenner in Lussinpiccolo. In einem Artikel, betitelt: „Berühmte
Astronominnen" mit 8 Porträts spricht man da von der Marquise du
Chatelet, Maria Gaetana Agnesi, Mad. Lepante, Carolina
Herschel, Mary Somerville, Maria Mitchell, Agnese Clerk
und Dorothea Klumpke. Brenner weist auf ein Kapitel hin, über-
schrieben: „Die Frau in der Astronomie" in seinem Buche: „Spaziergänge
durch das Himmelszelt", und auf ein Buch von 360 Seiten, betitelt: „Los
femmes dans la science" von A. Eebiere.
Dies ist, was ich habe sammeln können. Arbeiten Sie nicht zu viel^
damit sie bald ganz gesund werden.
Mit Hochachtung und freundschaftlichem Gruss
F. P. Kuffini.
Beob. 12. Dante. Purgatorio, Canto VII, 41. terzina.
Über Männer von grossem Talent, die selten dem Vater ähnliche Söhne
gehabt haben, schreibt auch Macchiavelli (Lib. 1, cap. XI seiner Reden
über die erste Decade des T. Livius) : Die Reiche, die nur von der Tugend
eines Menschen abhängen, sind wenig dauerhaft ; denn diese Tugend vergeht
mit seinem Leben, und selten geschieht es, dass sie in dem Nachfolger
wieder erscheint, wie Dante richtig sagt :
Selten erscheint in den Zweigen
Die menschliche Tugend wieder, und dies will
Der, welcher sie giebt, damit man sie von ihm herleite.
Note 4. 2. Teil. Konträre Sexiialempflndimg.
Beob, 1. Giov. Bianchi von Eimini (Prof. in Siena), Leben der Catte-
rina Vizzani aus Eom, die als Bedienter 8 Jahre lang Männerkleider trug.
Als sie getötet worden war, wurde sie bei der Sektion der Leiche als Jung-
frau befunden. Venedig, 1744, in 8 *^.
— 245 —
Eine Frau, die sich als Mann kleidete und immer mit Weibern Liebes-
verhältnisse hatte, machte sich einen künstlichen Penis, raubte die Enkelin
eines Pfarrers, wurde dabei verwundet und starb. Bei der Sektion fand
man, dass sie eine Jungfrau war, mit rundem Hymen, mit Clitoris und nor-
malen Geschlechtsorganen.
Beob. 2. Landouzy, Diction. de medec. usuelle deBeaude,
1842. Art. Hermaphroditisme von Maurice Lauger. Dict. de Jaccoud,
1873, Tome, XVII, p. 498.
Marie Göttlich hatte nach ihrem neunten Jahre häufig geschlechtliche
Beziehungen zu Männern ; erst im Alter von 32 Jahren stiegen die Hoden
herab, und dann folgte lebhafte Neigung zum weiblichen Gesclüechte.
Beob. 3. De Maria Carlo (aus Turin), Note al manuale di medic.
legale di G. L. Casper. Torino, 1859, Note 23, Vol. II, p. 451.
Es ist sehr wichtig, das Geschlecht festzustellen, und es mtissten auch
in unsere Gesetzgebung Bestimmungen eingeführt werden, wie in Preussen,
um schwere Vergehungen gegen die guten Sitten zu verhindern. Kürzlich
wohnte ich der Sektion eines Subjektes von 60 Jahren bei, das für eine
Frau gehalten wurde, mehrere "Jahre mit einem Gatten lebte und dann sich
Ausschweifungen mit Weibern ergeben hatte. Die Sektion wies deutlich
nach, dass es sich um einen Mann handelte.
Beob. 4. Emilio Emiliani (Faenza), Caso di supposto ermafro-
ditismo. Bull, di sc. med. Bologna, 1862, Vol. XVIII, Ser. 4, p. 241.
In der Leiche einer 80jährigen Frau, die niemals menstruiert gewesen
war, fand man einen 11 cm langen Penis, von denen 4 auf die nicht durch-
bohrte Glans kamen. Unter dem Penis waren zwei breite, durch eine tiefe,
von dem Ende der Urethra durchbohrten Furche getrennte Falten. Innerlich
fand sich ein Uterus von konischer Gestalt, mit seinen Anhängen (die Trom-
peten und Ovarien waren jedoch rudimentär) und eine Scheide, die in die
Urethra überging. Von Prostata, Nebenhoden, Samenbläschen, D. deferentes
war keine Spur. Der Penis wurde durch ein einziges Corpus cavernosum
gebildet. Bei alledem hatte die Leiche männlichen Habitus , und die Frau
hatte während ihres Lebens geschlechtliche Vorliebe für Weiber gehabt.
Beob. 5. E. Magitot, Sur un nouveau casd'hermaphrodisme.
Bull, de la Soc. d'Anthropol. 1881, p. 487.
Ernesta N. galt für weiblich und wurde danach erzogen. Mit 16 Jahren
fühlte sie starke Neigung zu einem Jüngling und mit 17^/2 Jahren heiratete
sie einen Jüngling ihres Landes, mit dem sie 12 Jahre lang einträchtig
lebte, obgleich der Coitus niemals regelmässig vollzogen werden konnte.
Als sie Witwe geworden war, änderten sich ihre geschlechtlichen Neigungen
und sie hatte viele Liebhaber, mit denen die geschlechtlichen Beziehungen
regelmässig von statten gingen, aber kurz darauf wurde sie krank und starb.
Bei der Sektion fand man einen Penis ähnlich dem eines 12jährigen
Knaben mit Hypospadiasis, der jedoch der Ejakulation von Sperma, das
keine Filamente enthielt, fähig war. Das Scrotum war geteilt und jeder
Teil enthielt einen Hoden. Die inneren weiblichen Organe fehlten.
— 246 —
Beob. 6. Polaillon, Hermaphrodismus. Gaz. med. Paris, 1887,
No. 25. Jahresber. für 1887, Bd. 1, p. 272 (11).
Schneiderin von 30 Jahren, mittlere Grösse, Habitus und Stimme weib-
lich, furchtsam, amenorrhoisch, mit wohlgebildeten Brüsten, ziemlich breitem
Becken, dem galanten Leben ergeben. Unter dem Pubes liefen zwei starke
Hautfalten herab, die die Labia majora vorstellten und oben einen sehr
kleinen Penis in Mützenform umfassten, der Eichel und Urethra besass.
Zwischen den grossen Lippen war ursprünglich keine Scheidenöffnung, aber
den Liebhabern gelang es, die Haut zwischen Blase und Rectum 8 cm tief
einzutreiben.
Als die Frau an Nephritis gestorben war, fand man bei der Sektion
weder Trompeten, noch Ovarien, und an der Stelle des Uterus einen musku-
lösen Körper von Bohnengrösse, mit zwei hohlen Strängen, die in die Leisten-
kanäle und von da zu den beiden atrophischen Hoden liefen, wofür sie
Cornil hielt.
Beob. 7. J. Bondarew, Ein Fall von Hermaphrodismus ohne
Ovarien. Wratsch, 1887, No. 50. Anat. Anzeiger, 11. Febr. 1888, No. 6,
p. 151.
Bäuerin von 35 Jahren, mit Bart und tiefer Stimme. Sie hatte gut
entwickelte Brüste und ungewöhnlich kleine Schamlippen, die einen kleinen
Hoden mit D. deferens enthielten. Die Scheide war 3 cm lang und endigte
blind. Der Uterus war rudimentär und ohne Ovarien. Die Clitoris war
6 cm lang uud hatte 4^/2 cm Umfang, ihr Bau war dem des Penis ähnlich.
Der Coitus war sowohl mit Männern, als Weibern ausführbar.
Beob. 8. S. Pozzi . . . BuU. de la Soc. d'Anthropol. de Paris, 1890,
Tom. XII, p. 602.
Adele H. hatte männlichen Typus ; sie war intelligent und arbeitsam.
Ihr Penis war wenig entwickelt, das Scrotum durch einen Spalt geteilt, in
dem sich zwei Öffnungen befanden, die vordere war die Mündung der Urethra,
die hintere war breiter und bildete einen 8 cm tiefen Trichter. In den
Leistenkanälen fand man ziemlich kleine Hoden , aber keine Spur eines
Uterus zeigte sich.
Diese Person wurde als Frau erzogen und mit 14 Jahren men-
struiert, aber unregelmässig und konnte die Herkunft des Blutes nicht an-
geben. Während der Kindheit hatte sie gleiche Neigung zu Knaben, wie
zu Mädchen. Im Alter von 18 Jahren zog sie die Weiber vor und hatte
eine Geliebte. Aber mit 30 Jahren wurde sie die Freundin eines Mannes,
was sie nicht hinderte, Beziehungen zu Weibern zu haben.
Beob. 9. Polaillon , Sur un cas d'hermaphrodisme. BuU. de
l'Acad. de med. 7. Avril 1891.
Ein 25]ähriges Dienstmädchen, weiblich nach Stimme und Habitus,
mit Neigung zu Männern, hatte wohlgebildete äussere Geschlechtsteile, aber
die Scheide wurde durch eine Vertiefung von ungefähr 1 cm dargestellt.
Das Mädchen wollte diesen Fehler verbessern, aber der Chirurg weigerte
sich, weil sie nicht menstruiert war, zwei bewegliche Körper in den Weichen
und keine Anzeichen eines Uterus hatte, dann ergab sie sich der Prostitution,
— 247 —
und wurde nach 3 Jahren von schwerer Albuminurie befallen, woran sie
starb. Dies erlaubte die Wahrnehmung, dass die Scheide die Tiefe des
Zeigefingers erreicht hatte, und dass die beiden Körper in den Weichen
atrophische Hoden mit ihren D. deferentes waren. Die Prostata fehlte.
Beob. 10. E. Laurent, Les bisexues. Paris, 1894, p. 207.
Verf. erzählt, E. L e v y (ohne bibliographische Angaben) habe zwei
hermaphroditische Schwestern gesehen, die als sehr wollüstig bekannt waren,
und sowohl mit Männern, als mit Weibern umgingen. *
Note 5. Sexuelle Perversion.
Beob. 1. Gerin (oben angeführt p. 193).
Verf. erzählt, ein Weib von 26 Jahren mit männlichem Habitus, habe
Umgang mit Männern gepflogen trotz ihrer Abneigung gegen dieselben.
Ihre Clitoris war 35 mm lang und erektionsfähig. Die Scheide war 9 cm
lang und endigte blind. Uterus und Ovarien fehlten.
Beob. 2. Gunckel (s. Taruf fi), M emorie, etc. Bologna, 1899,
Ser. 5, T. VII, p. 752, Beob. 123. Vgl. Seite 83. Beob. 123.
Der Verf. erzählt von einem Mädchen, das ein Liebesverhältnis mit
ihrer Stiefmutter haben sollte, und das im Alter von 28 Jahren starb. Bei
der Sektion fand man vollständige weibliche Organe ; die Scheide mündete
in die Prostata. Sie hatte männlichen Habitus ; der Penis war 5 cm lang
und nach hinten gebogen, aber ohne Hoden.
Beob. 3. Birnbacher, Ein Fall von konträrer Sexualempfin-
dung vor dem Strafgericht. Friedreichs Blätter für gerichtl.
Med. 1891, p. 2. .Jahresber. für 1891, Bd. 1, p. 502 (28).
Eine Frau verkleidete sich als Mann, wurde des Betrugs angeklagt,
am 6. Dez. 1866 verhaftet und bekannte ihr weibliches Geschlecht. Sie
hatte ein sehr abenteuerliches Leben geführt wegen der lesbischen Liebe,
die sie ausübte. Die Einzelheiten ihres Lebens sind eingehend bei Krafft-
Ebing beschrieben. Psychopathia sex;ualis, p. 295. Beob. 162.
Die ärztliche Untersuchung fand den Schädel 1 cm kleiner als das
Mittel; die Zähne des Oberkiefers ragten 5 mm über die unteren hervor.
Die Stimme war hart und tief, die Brüste stark entwickelt, die äusseren
Geschlechtsteile denen eines 10jährigen Kindes ähnlich," die Clitoris klein
und sehr empfindlich. Die Scheide war sehr eng, so dass der Coitus aus-
geschlossen war, und das Becken in allen Eichtungen ziemlich eng, mit ge-
raden Lenden. Die Ärzte nahmen angeborene konträre Sexualempfindung
durch erbliche Belastung an, daher das Gericht die Angeklagte freisprach.
Beob. 4. F. C. Müller, Ein weiterer Fall von konträrer
Sexualempfindung. Ibid. Friedreichs etc., p. 279. Jahresber. für
1891, Bd. 1, p. 503 (29).
Der Verf. hat eine alte Geschichte aus den preussischen Archiven im
17. Jahrhundert wieder aufgefrischt. Eine Frau, die sich für einen Mann
— 248 —
ausgab, diente mehrmals als Soldat und heiratete eine Frau, mit der sie
mehrere Jahre lebte, ohne dass man ihr Geschlecht entdeckte. Als Zweifel
darüber entstanden und eine gerichtliche Untersuchung angestellt worden
war, wurde sie wegen Sodomie zum Tode verdammt und im Oktober 1821
geköpft. Die Urethra war verschlossen ; Scrotum und Hoden waren leder-
ähnlich, und man erklärte die Frau für unfähig des Coitus mit ihrer Gattin.
Fernere Untersuchungen zeigten keine Charaktere von Hermaphrodismus,
sondern die eines echten Weibes mit normalen Genitalien. Während des
Lebens zeigte sie keine Neigung zum Mann oder zur Onanie.
Beob. 5. Antonius Luis (berühmter Chirurg in Paris im 18. Jahrb.),
De partium externarum generationi inserventium in mulieri-
bus naturali vitiosa et morbosa di sp ositione. These de Paris,
1754. Auf diese sehr seltene, berühmte Arbeit giebt Delpech einen Hin-
weis im Dict. des sc. med. Paris, 1818, T. IV, p. 162.
Ein Mädchen hatte infolge fehlender Öffnung verborgene Geschlechts-
teile, von denen äusserlich nichts wahrnehmbar, noch ein Eingang in die
Organe zu erkennen war. Sie war durch den After menstruiert und machte
ihrem Liebhaber, der sehr dringend geworden, das Bekenntnis der ihr von
der Natur zugefügten Missbildung, welche sie des Organs beraubte, das
die süssesten Genüsse gewährt. Im Delirium seiner Leidenschaft bat er
die Geliebte, der Vereinigung auf dem einzigen zugängigen Wege zuzustimmen.
Luis ruft aus: welches Weib kann den dringenden Bitten ihres angebeteten
Geliebten widerstehen? Sie unterwarf sich allem und wurde bald Mutter.
Dieser Fall diente dem Verf. zur Abfassung der merkwürdigen These, die
jetzt selten geworden ist. Damals (1754) hatte der FaU Folgen, die jetzt
unwahrscheinlich sein würden. Das Parlament verbot die Verbreitung der
These, und die Sorbonne untersagte die Verteidigung folgender Frage, die
sie an die Kasuisten richtete: De partium externarum generationi inser-
ventium in mulieribus naturali vitiosa et morbosa dispositione etc.
Aber glücklicher Weise lebte zu jener Zeit ein Papst (Benedikt XIV.
aus Bologna), der vorurteilsfreier war, als die Mitglieder des Parlaments
und die Sorbonne, den Chirurgen Luis absolvierte und den Druck der These
erlaubte. Dieses Verfahren, das Frankreich in Verwunderung versetzte,
muss in Verbindung mit allen anderen, dem Fortschritte der physischen und
medizinischen Wissenschaften günstigen Handlungen betrachtet werden, die
Benedikt XIV. in seinem Vaterland ausgeführt hat, wo das Gefühl der Be-
wunderung und Dankbarkeit gegen ihn fortbesteht.
Zweiter Teil.
Der klinische Hermaphrodismus.
Dritter Abschnitt.
Urethro - sexuale Mssbildungeii.
Kapitel I. Anordnung.
Die zahlreichen unter dem Namen Hermaphrodismus und
Pseudo-Hermaphrodismus von uns gesammelten Beobachtungen
umfassen nicht das ganze teratologische Gebiet, denn viele,
sich auf die äusseren Geschlechtsteile beziehenden Beobachtungen
bleiben übrig, die gesammelt und aufbewahrt zu werden ver-
dienen, obgleich sie .die Hilfe der Anatomie entbehren. Dies
wird nicht dadurch ausgeglichen, dass sie oft auffallende
Charaktere aufweisen, so dass bisweilen die diagnostischen
Schwierigkeiten bedeutend sind, besonders wenn es sich um
gerichtlich-medizinische Gutachten handelt.
Zur Ausfüllung dieser Lücke können wir nicht alle aus
dem Altertum herrührenden Erzählungen benutzen, die sich auf
die Geschlechtsteile beziehen, denn viele davon sind entweder
fabelhaft, oder unvollkommen beschrieben. Daher müssen wir
eine strenge Auswahl treffen, um diejenigen zu finden, die zur
Aufstellung einer Gruppe von zusammengehörigen Beobachtungen
genügen und auch den Namen „Pseudo- Hermaphroditen" ver-
dienen, weil bei demselben Individuum einander entgegengesetzte
Geschlechts Charaktere gefunden werden, die man alle der Klinik
entnimmt. Diese Beobachtungen betreffen vorzüglich die männ-
liche Urethra und die dazu gehörigen Teile.
Es ist bemerkenswert, dass nicht alle Missbildungen der
Urethra zu unserer Gruppe gehören, denn es sind bald ver-
einzelte Alterationen, bald mit anderen Deformitäten verbundene.
- 250 —
Im ersten Falle ist die Hypospadie sehr häufig, wie die Sta-
tistiken der militärischen Aushebungen beweisen. So fand
Dr. Eennesi) zehn Fälle unter 3000 Eekruten, und BouissonS)
dasselbe Verhältnis nur bei den wegen Eichel-Hypospadie in
das Hospital St. Eloi aufgenommenen Soldaten. Ferner er-
innern wir daran, dass zu eben diesen Beobachtungen über
Hypospadie 14 Fälle gehören, die schon unter den männlichen
Pseudo-Hermaphroditen mit Eesten der Müllerschen Kanäle
begriffen sind 3). Sie unterscheiden sich nur durch die Gegen-
wart dieser Kanäle, die bei der Sektion gefunden wurden,
während in den klinischen Fällen die anatomische Untersuch-
ung nicht gemacht wurde ; es ist also wahrscheinlich, dass beim
Eintritt des Todes die zweiten sich als den ersten gleich zeigen.
Wenn man endlich die Veterinärzeitungen und unsere Samm-
lung der an Pseudo - Hermaphrodismus leidenden Tiere unter-
sucht*), trifft man ebenfalls eine grosse Zahl von Säugetieren,
die an derselben Hypospadie leiden; hier können wir au die
Ochsen von Lecoq und Grurlt erinnerns).
Wenn die Beobachtungen über die urethro-sexuellen Miss-
bildungen häufig sind, so haben sich dagegen sehr wenige
Schriftsteller mit Nutzen mit der Anordnung dieser Beobach-
tungen beschäftigt. So müssen wir bis zum Jahre 1825 gehen,
um einen Chirurgen zu finden, der die Hauptgruppen dieser
Missbildung in Ordnung zu bringen vermag. Dieser Chirurg
war der berühmte Boyer^), der drei Arten von Hypospadie
unterschied, von denen zwei erhalten zu werden verdienen.
Die erste Art begreift die Fälle, bei denen die Urethra sich
nicht, wie gewöhnlich, bis zum Ende der Glans verlängert,
sondern an der Wurzel des Frenulums des Präputiums endigt,
wo sie sich öffnet und hier der Fossa navicularis entspricht.
In diesem kurzen Stück findet man eine mehr oder weniger
tiefe Einne, die ausnahmsweise zu einem doppelten Meatus
^) Arcli. gen. de med. 1831, T. 27.
'^) B Ollis son, De l'bypospadias. etc. 1861, T. II, p. 489.
3) Memorie etc. Serie V, T. VII, p. 721. — Vgl. Seite 34 ff.
4) Siehe die obigen Memorie p. 754. — Vgl. Seite 87 ff.
^) E. F. Gurlt, Pseudo-Hermapliroditus foemininus, Berlin, 1832, p. 193.
'') Boy er, Traite des maladies chirurgicales. Paris, 1825, T. X, p. 34.
— 251 —
führt, den schon Fabricius von Hilden gesehen hat^). Bis-
weilen ist die zweite Öffnung nur durch eine Vertiefung ange-
zeigt. Gayraud2) fügt hinzu, dass bei diesem ersten Grade
der Hypospadie der Penis klein und die Glans unterhalb ge-
furcht ist, so dass das Präputium keine Phimose bilden kann.
Die zweite von Boy er angenommene Spezies ist die
„penidea", d. h. wenn die Öffnung der Urethra sich in dem
unteren, freien Teile des Penis befindet (wenn der Penis er-
schlafft ist) und in dem Zwischenräume zwischen der Glans
und dem Scrotum liegt. Die Stelle der Öffnung der Hypospadie
wechselt oft längs dieses Sitzes, und bisweilen je nach der Zahl
der Öffnungen. Es giebt auch Unterschiede in den Besten der
Urethra; am häufigsten findet sich keine Spur des Kanals auf
der vorderen Seite der Öffnung, also auf der Seite der Glans;
oder man findet nur eine fibröse Binne, die den oberen, nicht
von Schleimhaut bedeckten Teil der Urethra darstellt. Von
diesem Befund, den Gay r au d (loc. cit.) für häufig erklärt, haben wir
nur das lebende Beispiel bei Virginia Mauri^) gesehen, bei der
die Einne der Länge nach ausgezackt war; diese Teilung wird
von Ackermann*) nicht angeführt.
Die dritte von Boyer angenommene Art der Hypospadie
war die scrotale, also wenn das Scrotum der Länge nach ge-
teilt ist, eine Vulva vortäuschend, in deren Grund sich die
Urethra öffnet. Auch diese Art wurde günstig aufgenommen,
doch seit 36 Jahren hat Bouisson (1. c.) diese Definition ab-
geändert. Aber jetzt betrachten wir diese Spezies als zur
Gruppe der Pseudo- Hermaphroditen gehörend und nennen sie
äussere sexuale Hypospadie. Die von Bouisson eingeführte,
und dann im Jahre 1874 von Duplay^) angenommene Verände-
rung besteht darin, dass man die Teilung des Scrotums von
1) Fabr. von Hilden, De duijlici ductu urinario.
'•^) E. G-ayraud, Hypospadie etc. Dict. encycl. des sc. med. par A. De-
chambre, 1889, T. XV, p. 199.
3) Siehe die Abbildung' Seite 93.
'*) Infantis androgyni historia, 1805.
^) S. Duplay, De l'hypospadie perineo-scrotale, Arch. gen. de med.
Paris, 1874, Mai, p. 513.
— 252 —
oben nach unten auf den einspringenden, durch. Penis und
Scrotum gebildeten Winkel beschränkt. Diese Beschränkung
betrachtet Gayraud mit Recht als eine Varietät und nicht als
eine Spezies, die keinen anderen Wert hat, als dass sie einen
höheren Grad der Hypospadie des Penis anzeigt, die in das
Scrotum eindringt, während die scrotale Urethra erhalten bleibt.
Diese Erhaltung findet jedoch nicht immer statt in Beziehung
auf den Penis, denn die Hypospadie zeigt sich auch in diesem
Falle vor dem Bulbus der Urethra.
Bouisson hat übrigens einige Fälle abgetrennt, die Boy er
zu der dritten Spezies gerechnet hatte, und eine vierte unter
der Benennung „perineale Hypospadie" gegründet, die schon
Duges 18261) mit einem kürzlich von Chiarleoni (s. Note 3,
Beob. 96) angenommenen Synonym „hypospadie vulviforme"
nannte, weil die Öffnung der Länge nach verläuft und von
einem Schleimbautrande umgeben ist. Dieser neue Typus der
Hypospadie ist nach unserer Erfahrung nicht häufig, und es ist
auffallend, dass Duplay allein drei Fälle gesehen und be-
schrieben hat, die, wie gewöhnlich, ihren Sitz im Perineum
hatten, der pars membranacea der Urethra entsprechend, und
hinter der Stelle mündeten, wo das Scrotum sich mit der Basis
des Penis verbindet.
Es giebt noch einige wenige andere Beobachtungen, in
denen der Penis bis zur Winkelform gekrümmt ist, und dies
ist in Fällen von männlichem Pseudo-Hermaphrodismus vorge-
kommen, nämlich wenn bei Individuen mit Hypospadie ein
Bruchstück des Müll er sehen Kanals vorhanden war, wie Otto,
Magitot und Max gesehen haben 2). Auch dann ist das Scro-
tum mehr oder weniger tief geteilt, mit einem Sack auf beiden
Seiten, der für die Hoden bestimmt ist. Aber wenn diese
fehlen, täuschen die Säcke die Labia majora der Vulva vor,
und die Spalte bleibt vom Penis bedeckt, der oft kurz und
klein ist. Endlich nimmt er die Form des winkligen Penis
(verga a cubito) an, den Bouisson beschrieben hat, von dem
^) Duges, Memoire de riiermaphrodisme. Ei^hem. med. de Mont-
peUier, 1827.
2) Siehe Beob. 72, 75, 77, p. 75 ff.
— 253 —
wir sprechen werden, und den Duplay in seinen drei Fällen
fand.
Diese vierte Form der Hypospadie gehört nicht nur zur
Teratologie, sondern zu einer besonderen Gruppe der ange-
borenen Monstrositäten, die man „äusserer Pseudo-Hermaphro-
dismus" genannt hat. Übrigens ist diese Benennung weder ganz
neu, noch vollständig, denn in der Vergangenheit nannte man
sie einfach Hermaphrodismus, was unpassend war, weil man
damit auf das Vorhandensein zweier verschiedener Zustände der
Geschlechtsdrüsen hinwies. Es war unpassend, weil es bekannt
ist, dass die Hoden bald verborgen sind, bald fehlen, und bald
unsichere Beschaffenheit zeigen; daher fehlt eines der beiden
Hauptkennzeichen des doppelten Geschlechts.
Das zweite Kennzeichen kann man jedoch in der Gegen-
wart des Penis und des weiblichen Habitus finden, zu denen
wir zurückkommen werden, um ihnen ihren respektiven Wert
anzuweisen. Jetzt bemerken wir nur, dass oft eins von beiden
fehlt oder ungewiss ist, und dass, wenn beide zugleich vor-
handen sind, ein unerklärtes Problem der Embryologie vorliegt,
das grosse Aufmerksamkeit verdient.
Wenn wir zu den sekundären Erscheinungen und besonders
zu dem seltsamen winkligen Penis (verga a cubito) Bouissons
kommen, müssen wir vorausschicken, dass dieser sich auch bei
der Hypospadiasis penidea und scrotalis findet, aber öfter bei
der perinealis. Wenn man den Grund dieser Erscheinung
sucht, muss man vor allem den Penis im Zustande der Schlaff-
heit in die Höhe richten; dann bemerkt man, dass seine untere
Seite von vorn nach hinten stark verkürzt ist. Dies ist die
Folge der Wirkung der Rinne oder des Strangs, der schon er-
wähnt wurde (Bouisson). Diese Krümmung leistet verschie-
denen Widerstand bei dem Aufheben des Penis infolge der
verschiedenen Verdickung der Hüllen der Urethra. Diese
wichtige Beobachtung wurde schon im Jahre 1837 von Jean
Louis Petiti) gemacht, der ausser der unteren Kürze des
Penis eine Verdickung des cavernösen Gewebes derselben Seite
fand und ferner, dass der Penis krumm bleibt, wenn man auch
die Urethra ablöst und den Strang einschneidet.
1) J. L. Petit, Oeuvres completes, 1837, p. 777.
- 254 —
Natürlich beschreibt der Penis bei der perinealen Hypo-
spadie eine Kurve und selbst einen mehr oder Aveniger spitzen
Winkel, je nach dem Zustande der Hüllen der Urethra, welcher
ausserdem das Harnen verhältnismässig stört. Denn da der
Penis auf der Scrotalspalte aufliegt, verbreitet sich der Urin
überall hin und prallt an den beiden Scrotalsäcken an. Follini)
behauptet, die regelmässige Emission des Spermas sei voll-
kommen unmöglich, weil der Penis, statt sich aufzurichten, sich
noch mehr krümmt und die Drüse sich eingräbt, so dass der
Coitus unmöglich und der Versuch dazu sehr schmerzhaft
wird. Der Same, statt nach vorn projiziert zu werden, ver-
breitet sich über die Oberfläche des Scrotums.
Kapitel II. Klinische Beobachtungen über die urethro-
sexualen Missbildungen.
(S. Note 1 und 2.)
Die einzelnen Anomalien des Harnsystems, wie auch die
des Gleschlechtssystems sind von den Chirurgen und Anatomen
zum grossen Nutzen der Wissenschaften und Künste sorgfältig
studiert worden; aber ein gleiches Studium ist bis jetzt noch
nicht über die komplizierten Anomalien der äusseren Geschlechts-
teile des Menschen ausgeführt worden. Gewöhnlich fehlt die
Gelegenheit, die Anatomie zu Hilfe zu nehmen, so dass man
sich mit dem klinischen Studium begnügen muss, um diese der
gerichtlichen Medizin so schädliche Lücke auszufüllen.
Um diesen Mangel zu ersetzen, haben wir aus der Litte-
ratur 100 Fälle gesammelt, deren Titel die Missbildung der
äusseren Geschlechtsorgane andeutet, aber leider befinden sich
darunter 17 Beobachtungen, die sehr unvollkommen, oder schlecht
übersetzt,- oder in unauffindbaren Zeitschriften enthalten sind
(s. Note 1), so dass wir uns mit den 83 übrigen begnügen
müssen, die genügen würden, wenn die Beschreibung einer
jeden vollständig wäre. Dennoch behalten wir auch die unvoll-
kommenen bei, weil sie einige bemerkenswerte Umstände ent-
halten, während sie über andere schweigen.
1) Follin, Gaz. des Hopit. 4. Dez. 1851.
— 255 —
Aus ihnen schliesst man zunächst, dass die auffallendsten
und häufigsten Anomalien in den äusseren Geschlechtsteilen
vorkommen, wie in der Urethra, dem Penis, dem Scrotum und
den Hoden, und dass diese Anomalien gewöhnlich mit einander
verbunden sind, so dass sie eine von anderen den Körper be-
treffenden Missbildungen verschiedene teratologische Gruppe
bilden, mit denen sie keine deutliche Verwandtschaft besitzen,
wie z. B. mit den Hernien und gewissen funktionellen Störungen
verschiedener Art. Dies vorausgeschickt, scheint es uns ge-
rechtfertigt, dass wir unsere Gruppe „ürethro- sexuale Miss-
bildungen" nennen und zu den Komplikationen, zur Ätiologie
und zur Pathologie die anderen sekundären Charaktere ver-
weisen, die sich, wenn auch selten, mit dieser Gruppe ver-
binden,
Urethra, Um mit der männlichen Urethra zu beginnen,
haben wir 52 Fälle von Anomalien des Penis gesammelt, die
in 44 Fälle von Hypospadie und in 8 von nicht durchbohrtem
Penis zerfallen. Diese Zahlen haben eine Art von Vorrang vor
den anderen Charakteren unserer Gruppe, um so mehr, wenn die
Hypospadie in der scrotalen und perinealen Urethra auftritt,
so dass sie dann das Aussehen einer Vulva annimmt. So ist
sie bisweilen mit einer Art von Pseudo-Hermaphrodismus ver-
wechselt worden und erlaubt, wenn man will, an die Stelle der
Benennung urethro - sexuale Missbildung „sexuelle Hypospadie"
zu setzen, wovon wir 50 Fälle gesammelt haben. Die Ano-
malien der Urethra sind überdies entweder eine der einfachsten
klinischen Erscheinungen, wie die Atresie, oder kompliziert,
wie es in Fällen der Durchbohrung der Wand der Urethra und
der Scheide des Penis der Fall ist (Hypospadiasis simplex). Es
giebt auch Beobachtungen von Spaltung der Urethra, womit
Fragmente der Müllerschen Kanäle verbunden sind (s. Note
A, pag. 63 : männlicher Pseudo - Hermaphrodismus). Um die
Geschichte dieser Affektion zu vervollständigen, muss man be-
denken, dass sie mehrmals erblich aufgetreten ist. Die
alte Litteratur ist von Guyon im Jahre 1863 gesammelt
worden!).
!) Felix Guyon, Des vices de conformation de l'urethre etc. These,
Paris 1863, p, 127.
- 256 —
Über die Verscliiebung (spostamento) der männlichen Urethra
s. pag. 266.
Hoden. Ein Organ, das funktionell zur Urethra gehört,
ist der Hode; er verdient besondere Aufmerksamkeit, denn er
ist eine Drüse, die das männliche Geschlecht charakterisiert,
während der Körperhabiius nicht immer mit dem Greschlecht
übereinstimmt. Der entgegengesetzte Fall ist nur von wissen-
schaftlicher Wichtigkeit, denn wenn die Hoden fehlen (und
um so mehr, wenn andere geschlechtliche Mängel vorhanden sind)
entsteht die Frage, ob man eine dritte Spezies von Individuen
aufstellen soll, wie schon G-. Is, St. Hilaire gethan hat, und
die alsAgenosoma bekannt ist. Wichtig ist die Verschieden-
heit der Zahl, des Sitzes und des Baues der Hoden. Aber wir
beschränken uns darauf, die in den gesammelten Beobachtungen
gefundenen Unterschiede anzugeben.
Was den Sitz betrifft, wurden die Hoden oft im Scrotum
gefunden; wir nennen sie Testiculi scrotales; bisweilen finden
sie sich im Leistenkanal und seltener im Abdomen ; dann nennen
wir sie inguinales und abdominales i), und endlich, wenn sie bei
der klinischen Untersuchung nicht aufzufinden waren, sprachen
die Alten von Kryptorchiden^). Die verschiedenen Sitze der
Hoden im Abdomen sind 1869 von Le Dentu zusammengestellt
worden unter dem Titel „Ektopia abdominalis". Er unter-
scheidet die Ektopie der Fossa iliaca in simplex und duplex
und die Ektopie am Anfange des Leistenkanals. Die letztere
unterscheidet er in intrainguinal und extrainguinal s). Die Zahl
der Fälle wechselt sehr, je nach dem Sitze der Hoden, oder
ihrem Fehlen. So verteilen sich von den 84 von uns ge-
sammelten Fällen 57 auf folgende Weise:
Testiculi scrotales . ,
. N. 41
„ inguinales ,
. „ 9
„ occulti . .
. „ 5
„ fehlend . ,
. „ 2
57
^) Die ersten Beispiele von Test, abdominales wurden von Godard
im Jahre 1857 gesammelt.
-) E. Godard, Snr la monorchidie et la cryptorcMdie. Paris, 1857,
p. 144.
^) A. Le Dentu, Des anomalies des testicules, Paris, 1869, p. 75.
— 257 —
Der Wert dieser Zahlen ist jedoch etwas unsicher, sie
können nicht alle als wirkliche Fälle gelten, denn unter den
verborgenen befinden sich einige, in denen die Geschlechts-
drüsen fehlten (Beob, 70, 83) i), und unter den Leistenhoden
befinden sich auch Fälle, in denen ihre Gegenwart und ihre
spezifische Natur ungewiss war. Aber trotz dieser Einschrän-
kung bleibt immer noch eine ziemlich bedeutende Zahl übrig,
die sich der der 45 im Civilstandsregister verzeichneten Weiber
nähert und zum grossen Teil den Beobachtungen entspricht,
bei denen Hoden gefunden wurden; dies hängt mit den vielen
merkwürdigen Fällen von Veränderung des Geschlechts und
mit den neueren Beobachtungen von Männern mit weiblichem
Habitus zusammen. Es ist jedoch wahr, dass dieser Habitus
nicht so häufig ist, als man nach dem Civilstandsregister ver-
muten könnte, zumal der Körperhabitus von Personen, die
an urethro -sexualen Missbildungen leiden.
Wir haben schon sieben Fälle von verborgenen (Kryptor-
chiden) und aplasischen Hoden (Anorchiden) angegeben, und
unter den männlichen Pseudo-Hermaphroditen finden sich andere
ähnliche (vergl. pag. 69, Note 3, Beob. 36), ohne die
anderwärts angeführten zu zählen 2). Klinisch erscheint in allen
diesen Fällen das Geschlecht der Person zweifelhaft, und dieser
wichtige Umstand hat zu allen Zeiten die Teratologen und die
Gerichtsärzte beschäftigt. Zuerst bringt sie die Hebamme in
Verwirrung, wenn sie das Geschlecht des Kindes erklären soll,
und dann betrübt sie die Familie, wenn sie an die Erziehung
des Kindes denkt. Wenn dann die Menstruation ausbleibt,
findet sich der Arzt in unüberwindlichen Schwierigkeiten, um
seine Diagnose zu stellen, was heutzutage vermieden wird,
indem man einfach das Geschlecht für zweifelhaft erklärt. Aber
früher stritt man mit gelehrten Gründen darüber, was das
wahrscheinlichste wäre, und wollte lieber in Irrtum verfallen.
^) Dieser Fall ist sehr selten, da Wenzel Gruber seit 1861 die an-
geborene beiderseitige Anorchie nicht auffinden konnte. In der Litteratur
ist sie nur 7 oder 8 mal angegeben, mit Inbegriff der wenigen Fälle des
Fehlens des ganzen Geschlechtsapparates (Jahresber. für 1868, Bd. 1, p. 173.
2) C. Taruf f i, Mem. etc. Bologna, T. VI, p. 95, Note III sind 9 Fälle
gesammelt.
Taruffi, Hermaphrodismus. 17
— 258 —
als zugeben, dass ein Individuum von Geburt an geschlechtlich
unvollkommen sein könne.
Veränderung des G-eschlechts (s. Note 3). Das
Problem wurde schwierig, wenn die ursprüngliche Miss-
bildung auf das weibliche Geschlecht hindeutete, und noch mehr
nach Eintritt der Pubertät, wenn männliche Neigungen auf-
traten und die Clitoris einem Penis ähnlich wurde, oder umge-
kehrt. So fanden die Alten bis zum 19. Jahrhundert keine
Schwierigkeit, eine Veränderung des Geschlechts anzunehmen
und uns zum Beweis eine reiche Litteratur hierüber zu hinter-
lassen (s. Note 3). Diese Veränderung wurde nicht nur im
verflossenen, sondern auch im gegenwärtigen Jahrhundert an-
genommen. Steimann (s. Note 2, Beob. 12 und 62, 1881) er-
zählt, ein ITjähriger Bursche habe sein Geschlecht dreimal
geändert; dies genügt, um zu zeigen, wie zäh das Volk an den
Geschichten festhält, die ans Wunderbare streifen, obgleich es
seit Jahrhunderten Männer gab, welche die Ärzte belehrten
und den Ursprung des Irrtums aufklärten. Einer dieser intelli-
genten Männer war ein Pariser Chirurg, namens Severinus
Pinaeus, der im Jahre 1598 publizierte: De Virginitatis notis
etc. 1), worin er folgendes Stück schrieb, das einem neueren
Schriftsteller über gerichtliche Medizin H. F. Teichmeyer zu-
geschrieben worden ist, während dieser ehrlich den Pinaeus
und seine Erklärung anführt 2).
„Lutetiae circiter annum millesimum quingentesimum septu-
agesimum septimum in vico S. Dionysii mulier quaedam noctu
peperit filium, qüi festinanter propter virium imbecillitatem bapti-
satus fuit pro filia, quae Joanna vocata est, quam paucis post
diebus pro masculo et filio mater primo, deinde alii viri et
mulieres agnoverunt, non sine magna omnium admiratione et
applausu, Joannemque ex tempore puerum appellaverunt. Erroris
causa fuit et mala conformatio partium genitalium, penis vide-
licet brevioris et penitius tamquam in superna parte rimae
maxime reconditi, clitoridis more inter duo labra et nymphas
pudendi feminei latitare soliti, quae partes in hoc puero apprime
^) Severinus Piaaeus, De Virginitatis notis, graviditate et partu
Amstelodarai, 1663, Lib. 1, p. 75.
2) H. F. Teichnieyer, Institutiones medicae legales. Jenae, 1731,
p. 109, 2. Aufl.
- 259 —
effictae erant propter constrictionem {qäcpriv) istam, quae per
medium scrotum inter duos testes excurrit, a radice penis in-
cipiens inferne et ad perinaei locum et anum usque extenditur,
unde latera duo scroti eminebant tamquam labra pudendi mulie-
bris, in quorum medio rima quoque erat."
Um die praktische Wichtigkeit des zweifelhaften Gle-
schlechts hervorzuheben, wird es nicht überflüssig sein, einige
Beispiele unter den vielen anzuführen, die wir zu den Beob-
achtungen gestellt haben. Vor allem beobachtete Zacchia
einen 14jährigen Knaben (Beob. 3) mit nicht durchbohrter
Eichel und zwei Körperchen in den Weichen, die er für Hoden
hielt. Später trat regelmässige Menstruation ein, so dass der
Autor zweifelhaft wurde, ob die Körperchen nicht zwei Ovarien
seien. Interessant ist auch der Fall von Colle (Beob. 9), der
das Leben Annas erzählt, die von weiblichem Habitus war und
sich verheiratete, aber später gezwungen wurde, sich wieder
zu trennen, weil sie einen nicht durchbohrten Penis, eine
Scheidenöffnung und zwei Körperchen besass, die für Hoden
gehalten wurden. Wichtig ist auch der Fall von Paul D esc ou st
(Beob. 76) von einem amenorrhoischen Mädchen, mit männ-
lichem Charakter, Neigung zu den Weibern, einem kurzen,
nicht durchbohrten Penis, darunter liegender Vulva, in welche
die Urethra mündete. Bei der Untersuchung fand man weder
Uterus, noch Hoden; daher erklären wir sie ebenfalls für
zweifelhaften Geschlechts.
Es würde zu weit führen, wollte man alle mehr oder
weniger wichtigen Umstände aufzählen, welche die zweifelhaften
Fälle begleiten, und wir behalten uns vor, die bekanntesten
anzugeben, wenn wir von den die gerichtliche Medizin betreffen-
den sprechen werden. Hier ziehen wir vor, die von Is. Gr. St.
Hilaire aufgestellte und ziemlich kurz angegebene Hypothese
vorzutragen, um den gewöhnlichsten Ursprung zu erklären, der
oft diesem Zustand vorhergeht. Er behauptet, dass sie bei
dem grössten Teile der Weiber, bei denen dieser Zustand vor-
kommt, die Folge des späten Herabsteigens der Hoden in das
zweigeteilte Scrotum ist. Aber der Autor stützt diese Be-
hauptung, die sonst sehr vernünftig ist, durch keine Beobach-
tung, vielleicht weil es bekannt ist, dass Weiber mit ange-
borenem urethro -sexualem Leiden oft vom frühesten Alter mit
17* ■
— 260 —
KryptorcMdie behaftet sind, und dass einige bisweilen die psy-
chologischen Veränderungen des geschlechtlichen Instinkts ge-
rade nach dem Erscheinen der Hoden gezeigt haben. So bildet
die Verzögerung des Herabsteigens (KryptorcMdie) das Stadium,,
während dessen das Geschlecht zweifelhaft ist. Wir können
hierzu noch eine historische Notiz fügen, die sich auf die phj^-
sischen, sie bedingenden Zustände bezieht. Sie ist dem Werke
des genannten Pinaeus entnommen (Op. cit. p. 70 — 71).
,,Freq[uenter in pudendorum conformatione natura ipsa ludit
et aberrat: aliis ligamentum balani adeo breve est atque crassum,
ut virga omnino in arcum trahatur, tum natura erigere con-
tendit. In aliis Urethra glandem non attingit, et in quibusdam
penis nullo modo perforatus est, contra vero in aliis perforatum
et tamquam in duas partes divisum est scrotum circa exortum
penis, ubi nempe terminatur Collum vesicae : ideoque penis brevis
admodum totus ibi latitat tamquam inter duo labra pudendi
muliebris, ac si clitoris tantum esset. Quod facile rudioribus
imposuit hujusmodi pueros seu masculos esse, aut femellas, aut
hermaphroditos. In femeUis quoque multa deficiunt, aliquando
enim parum aut nullo modo iis est perforatus sinus pudoris,
nee cavitas ulla inest, aut oriflcium solum parum est apertum:
quia carunculae aut membranae carnosae, quae istud componunt,
sunt in extremo unitae, aut ab invicem parum dissitae, aut
fossa exterius sita non apparct, sed ligamentum cutaneum et
labra pudendi duo inferne continua sunt, aut nymphae cohaerent
inter se."
Körperhabitus. Unter 82 Fällen, in denen die offizielle
Geburtserklärung bekannt ist und von den Eltern anerkannt
wurde, sind dem Geschlecht nach 37 Knaben und 45 Mädchen
gefunden worden, während der Habitus sehr verschiedene Zahlen
liefert. Die Fälle mit männlichem Habitus betragen nämlich
22, die mit weiblichen 27. Ausserdem sind darunter 11 Fälle,
die wir zum gemischten Geschlecht rechnen, denn an demselben
Individuum finden sich an verschiedenen Teilen der Körper-
fläche bald männliche, bald weibliche Ähnlichkeiten, wohlver-
standen, die Ähnlichkeiten finden sich an gleichgültigen Teilen,
die für die geschlechtliche Spezies nichts Charakteristisches
haben.
— 261 —
Wenn man den weiblichen sexuellen Habitus im allge-
meinen betrachtet, so muss eine wissenschaftliche Bemerkung
vorausgeschickt werden, dass nämlich der Habitus besondere
Wichtigkeit erlangt, wenn man ihn in Beziehung zu den Ge-
schlechtsorganen desselben Individuums studiert, denn für sich
allein hat die Sache wenig Wert, da sie im allgemeinen von
dem Gresundheitszustande abhängt und höchstens den Charakter
einer zarten Konstitution dokumentiert. Um jedoch die Wichtig-
keit der gesammelten Beobachtungen, die wir zusammenfassen
werden, zu erhöhen, müssen wir an das bekannte Gesetz er-
innern, dass Knaben gewöhnlich im Verhältnis von 106 : 100
geboren werden i). Dieser Unterschied gleicht sich später
wieder aus, ja im Alter bildet das weibliche Geschlecht die
Mehrheit. Dies findet seine Erklärung in den von beiden Ge-
schlechtern ausgeübten Professionen. Wenn man sich dieses
Gesetzes erinnert, bemerkt man sogleich die Wichtigkeit des
Körperhabitus bei Personen mit urethro-sexualen Missbildungen,
denn unter 82 als Mädchen getauften Individuen mit solchen
Affektionen war der Habitus bei 38 weiblich und bei 50 wurden
Hoden gefunden, das Hauptorgan des Geschlechts, das wir das
anatomische Geschlecht genannt haben, um es von dem im
Civilstandsregister angegebenen zu unterscheiden (siehe die
Tabellen).
Eine andere wissenschaftliche Untersuchung über den weib-
lichen Habitus haben wir ausgeführt, indem wir ein numerisches
Verhältnis in der „weiblicher Pseudo-Hermaphrodismus" ge-
nannten Form aufsuchten (Note 3, pag. 78 ff.), also wenn die
weiblichen Organe vollständig sind, die äusseren männlichen
aber mehr oder weniger unvollständig. In diesem Falle haben
wir 68 Beobachtungen gefunden, bei denen dieser Zustand vor-
gekommen ist. Indessen haben wir alle Fälle von Föten und
Neugeborenen abgezogen, weil bei ihnen der Habitus noch nicht
deutlich ausgesprochen ist, und ferner haben wir die zweifel-
haften und hermaphroditischen Fälle weggelassen, so dass nur
16 mit weiblichem Habitus übrig geblieben sind (Beob. 81, 83,
88, 100,. 107, 108, 113, 120, 123, 124, 131, 136, 137, 139,
1) C. Taruffi, Storia della teratologia. Bologna, 1882. T. II
p. 129.
— 262 —
140, 142). Aus diesem, wenn auch beschränkten Resultate,
entnimmt man, dass auch, wenn die männlichen Geschlechts-
organe unvollkommen sind, der weibliche Habitus doch auf-
treten kann, wie man an Eunuchen sieht, die sehr jung ver-
stümmelt worden sind. Wenn man also meint, dass die Er-
scheinung nicht von einem besonderen Zustande des Embryos
herrührt (wie man glauben kann), muss man sich an die Un-
voUkommenheit der Geschlechtsorgane im allgemeinen halten i).
Der geschlechtliche Habitus mit gemischten Charakteren
(weiblichen oder männlichen) ist eine noch nicht studierte Er-
scheinung, so dass wir nicht wissen, in wieviel Arten er auf-
tritt, und in welchem Verhältnis man ihn bei Männern mit
gesundem Körper und bei denen mit geschlechtlichen Missbil-
dungen antrifft. Die von uns angeführten 12 Fälle bilden eine
Zahl von geringem Wert, denn diese Armut rührt daher, dass
die Beobachter selten daran gedacht haben, nicht nur den ge-
mischten Charakter, sondern auch die Art seines Auftretens,
mit den nötigen Ausnahmen, zu beschreiben. Von diesen ist
erwähnenswert die Beobachtung von Marchand (Note 2, Beob.
64, Geschlecht zweifelhaft), der eine Frau von 29 Jahren sah,
mit weiblichem Habitus, langem Haar, fehlendem Bart, gut
entwickelten Brüsten, weiblicher Haut. Bei derselben waren
Gesicht, Larynx, Stimme und Formen der Muskeln männüch;
ausserdem hatte sie einen grossen, nicht durchbohrten Penis,
zwei Labia majora ohne Hoden, Scheide und Uterus mit zwei
Drüsen, die er nicht bestimmen konnte.
Zuletzt geben wir noch die kurze Beobachtung des Dr.
Lorenzutti2) über einen Bauern von mehr als 15 Jahren, mit
^) Wir bemerken, dass unter den 84 von uns gesammelten Fällen sich
9 Männer von mehr oder weniger männlichem Aussehen befinden, die Hoden
oft in dem zweifächrigen , selten in dem einfächrigen Scrotum besitzen.
(Beob. 38, .44, 46, 47, 54, 58, 59, 79, 82.) Auch finden sich drei Fälle mit
Hoden von vreiblichem Habitus , von denen einer Brüste hatte. (Beoh. 43,
45, 80.)
2) Dr. A. L or e nzut ti (Triest), Di un pseudo-ermafroditismo. Triest,
1844. Mit schönen Lithogr. Ein 15j ähriger Knabe vpurde im Civilhospital
vregen geistiger Störung aufgenommen und dann wieder nach Hause ge-
schickt. Von seiner Geburt an war sein Geschlecht fraglich gewesen, er
war für ein Mädchen gehalten worden , und dann trat die geistige Störung
ein, nachdem er aus einer Höhe herabgestürzt war. Bei der Untersuchung
— 263 —
urethro - sexualer Missbildimg und gemischtem Habitus, d. h.
männlicb nach der Statur, der Form des Skeletts und der
Muskeln, nach der Lage der Hoden im Inguinalkanal und dem
durchbohrten Penis, dagegen hatte er Gesicht und Kopf eines
Mädchens, Brüste, grosse Schamlippen und eine Scheiden-
spalte.
Alle haben bemerkt, dass beim Manne der Larynx vorragt
und die Stimme tief und etwas rauh ist, mit verknöchertem
Knorpel, so dass das Volk ihn Adamsapfel nennt; er bildet
einen der Charaktere des männlichen Geschlechts. Neuerlich
hat Berthold 1) gelehrt, dass man diese Beschaffenheit des
Larynx verbergen kann, selbst wenn eine Frau Hoden besitzt,
aber die beginnende Verknöcherung der Cartilago thyroidea
kann mittelst der Röntgenstrahlen entdeckt werden, und damit
kann man, wie aus folgender Geschichte hervorgeht, die urethro-
sexuale Missbildung diagnostizieren.
Eine Frau von 22 Jahren, die über Halsschmerzen und
Kälte klagte, hatte ausserordentlich breite und lange Stimm-
bänder, wie man sie bisweilen bei kräftigen Männern antrifft,
während die Epiglottis kindlich war. Die Stimme war tief
und rauh, der Adamsapfel wenig vorragend, aber der Verf. sah
mittelst der Röntgenstrahlen, dass die Verknöcherung des
Knorpels erfolgt war, wie bei einem Manne. Das Gesicht war
vom Bart geschoren, die Brüste fehlten. Die äusseren Ge-
schlechtsteile zeigten einen nach unten gekrümmten, nicht
durchbohrten Penis. Die Urethra mündete unter der Wurzel
des Penis in einer zolllaugen Spalte, mit Rändern, ähnlich den
fand man die äusseren Geschlechtsteile zum Teil weiblich, er hatte Labia
majora und Scheidenspalt. Das Gesicht war hübsch, ohne Haare, und die
Brüste ebenfalls weiblich. Auf der anderen Seite waren Gestalt, Knochen-
gerüst und Muskulatur von männlicher Beschaffenheit. Daher war der
Habitus des Körpers nicht gleichförmig. — Mehr aus den schönen Abbild-
ungen, als aus der zu kurzen Beschreibung erkennt man einen nicht durch-
bohrten Penis mit den Anzeichen eines Präputiums an der Grenze der
Glans, das Scrotum in zwei grosse Schamlippen geteilt, die Urethra an der
Spitze geöffnet, die sich mittelst des Frenulums in die kleinen Schamlippen
fortsetzt. Die Hoden waren in der Leistengegend verborgen.
^) E. Berthold, Ein Fall von Hermaphrodismus masculinus , dia-
gnostiziert mit dem Laryngoskop. Arch. für Laryngol. 1899, Bd. IX, p. 1.
— Eev. hebdom. de Laryngol. Paris, 1899. XX Annee, No. 25, p. 740.
— 264 —
Schamlippen einer Vulva. In der französischen Ausgabe ist
weder von Hoden, noch von Untersuchuog der Vulva die Rede,
aber bei der Untersuchung einer eigentümlichen Flüssigkeit,
die aus der Urethra floss, fand man Spermatozoen. Die Frau
erklärte, sie sei (männlicher) geschlechtlicher Thätigkeit fähig,
während welcher jene Flüssigkeit ausströmte.
G-ynäkomastie. Um die Besprechung des weiblichen
Habitus über die der urethro- sexualen Missbildung eigenen
Charaktere hinaus zu vervollständigen, erinnern wir daran, dass
eine der Eigentümlichkeiten des Feminismus eben die Gynäko-
mastie ist, die, wie wir anderwärts gesehen haben, Wirkung
von mechanischen Einflüssen und von gewissen, Mumps ge-
nannten, epidemischen Infektionen sein kann. Jetzt fügen wir
hinzu, dass wir sie in 67 aus der Litteratur zusammengetrage-
nen Beobachtungen!) in Bezug auf die Ursachen bald als er-
worben (mechanische Einwirkung, Mumps), bald als angeboren
gefunden haben; und dass wir in 84 Fällen von urethro-sexu-
eller Missbildung nur 14 mal Gynäkomastie angetroffen haben
(Beob. 23, 26, 36, 38, 43, 47, 49, 63, 65, 71, 72, 79, 80, 83),
wozu Hypertrophie bald der Hoden, bald des Penis und bald
der Urethra hinzukam. In einem Falle verbanden sich zwei
der genannten Komplikationen und in einem dritten trat die
Gynäkomastie vor der Pubertät auf. Es verdient Erwähnung,
dass kürzlich Dr. Cecca einen sehr seltenen Fall publiziert
hat, in dem jedoch weder die Urethra, noch die äusseren Ge-
schlechtsteile davon betroffen waren, sondern wo es sich um
einen Fall von bilateraler Anorchidie handelte 2), bei dem männ-
licher Habitus und stark entwickelte Brüste zugleich vorhanden
waren. Absolutes Fehlen der Hoden (ohne die seltenen Fälle
von Microrchidie, Hypoplasie zu rechnen) in Verbindung mit
der Gegenwart der Brüste ist eine Thatsache, die vielen embryo-
logischen Lehren widerspricht, dagegen den angeborenen
Zustand des Hermaphrodismus begünstigt, sei er nun offenbar,
wie es das gleichzeitige Vorhandensein der Müll ersehen und
Wo Iff sehen Kanäle beweist, oder sei er virtuell, wie man aus
1) Vergl. p. 96, 128, Tabelle II.
^) Dr. E. Cecca, Note anatomiche su di un anorchide. Bull, delle
sc. med. di Bologna. Genn. 1902, p. 29.
— 265 —
der Gegenwart anderer Teile mit Charakteren von verschiede-
nen Greschlechtern schliessen kann.
Penis. Unter den Missbildnngen, welche die iirethro-
sexuale G-ruppe bilden, nimmt auch der Zustand des Penis
eine wichtige Stelle ein, nicht sowohl wegen seiner eigenen
Missbildung, als wegen seiner Verbindung mit der der Urethra
und des Scrotums, und vorzüglich zur Beantwortung der
schwierigen Frage, worin im praktischen Falle der Unterschied
zwischen einem hypoplasischeu Penis und einer hypertrophischen
Clitoris besteht. Ehe wir uns jedoch mit den Verbindungen
beschäftigen, werden wir den numerischen Vergleich der Männer
und Weiber aufstellen, den Civilstand, und zum Vergleich die
Zahl der Fälle anmerken, in denen die Hoden vorhanden
waren.
Unter den 84 Beobachtungen, die wir der Litteratur ent-
nommen haben, finden wir 53, in denen das Vorhandensein des
Penis erwähnt wird, und eine, in der sein Fehlen bemerkt
wird (Note 2, Beob. 14). Dieses Fehlen hatten wir früher ein
anderes Mal beobachtet i). In derselben Abhandlung, Note 3, p. 86
erwähnte ich acht Fälle von Extrophia vesicae ohne Geschlechts-
teile. Besondere Erwähnung verdient der Fall von Martin,
in dem die Geschlechtsdrüsen beider Geschlechter fehlten,
während die Müll er sehen Kanäle vorhanden waren (Mem.
citate, T. VII, Note 3, Beob. 36, p. 743). Unter den 84
sind 82 im Civilstand so unterschieden: 37 männliche und 45
weibliche. Wenn wir nun die Zahl der Fälle, in denen Hoden
gefunden wurden, vergleichen, finden wir sehr nahe kommende
Zahlen, die besondere Beachtung verdienen, denn man ent-
nimmt daraus die Ähnlichkeit zwischen der Zahl dieser und
den 53 weiblichen, während die Entfernung ziemlich weit und
auffallend ist, wenn wir sie mit der Zahl der dem Civilstand
entnommenen vergleichen.
Civilstand Penis Hoden
männlich .
No. 37 r
Penis ohne Bemerkung No. 15 ( scrotal . . No. 41
Penis mit Anomalien . „ 25 i inguinal . „ 9
weiblich .
„ 45 j
82 ^
Penis nicht durchbohrt „ 13 j verborgen. „ 5
53 l fehlend . „ 2
57
') c.
Taruffi
, Di un Agenosoma. Memorie etc. 1894. Ser. Y, T.
IV, p. 73.
— 266 —
Die am Penis gefundenen Mängel sind verschiedenartig.
Am häufigsten ist seine Kleinheit und Kürze (Mikrophallus),
aber in verschiedenem Grade, bis zu dem Punkte, dass man
Fälle kennt, in denen nur die Glans vorhanden war, die aus
der Teilung des Scrotums hervorragte (Beob. 33, 50). Zu
dieser ziemlich häufigen Anomalie des Penis gesellen sich
andere Veränderungen, die auch allein vorkommen können, wie
Kürze oder Fehlen des Präputiums i), Verlängerung desselben
nach unten, bis zur Vereinigung mit den kleinen Schamlippen
der Vulva, so dass zwischen den Platten der Verlängerung die
Mündung der Urethra lag und bisweilen die Krümmung des
Penis (genannt Penis ad angulo, geknickter Penis) aufgenom-
men wurde 2). Endlich ist der Penis bisweilen nicht durch-
bohrt, und dann kann man auch eine Affektion der Urethra
annehmen und von Atresie der Urethra sprechen. Der schwerste
Mangel des Penis ist dann das Fehlen der Urethra, besonders
wenn er in dem äusseren und unteren Teile vollständig ist,
oder wenn die Urethra an Hypospadie leidet, wie es bei einem
echten Hermaphroditen gesehen worden ist (Beob. 19).
Clitoris (s. Note 4). Es ist wunderbar, dass dieses dem
gewöhnlichen Volke unbekannte Organ auf gewisse Weiber so
viel Einfluss ausüben kann, die wenigstens für Weiber gehalten
und im Civilstandsregister als solche angegeben werden. Es
ist seit lauge bekannt, dass die Clitoris bisweilen bedeutende
Vergrösserung (Hypertrophie) erfährt, so dass sie eine Länge
von 4 — 7 cm erreicht. Diese Behauptung haben wir früher
ausgesprochen 3) und in einigen Fällen die Gegenwart einer
auffallenden Kapuze hinzugefügt (Virchow, Beob. 37). Dies
war schon in höherem Grade im Jahre 1683 von Diemer-
broeck beobachtet worden"4), der bei einer Frau eine mit Eichel,
^) Jac. Facen sah einen SOjährigen Mann mit weiblichem Habitus,
mit einem auf die Glans beschränkten Penis, mit Meatus urinarius, ohne
Präputium. Die Glans war sitzend, zur Verlängerung unfähig. Auch zwei
Labia majora waren da, welche die Hoden enthielten.
2) Taruffi, Memoria etc. Bologna, T. VII, p. 747, 748, 752. Beob.
71, 72, 75, 123.
3) Taruffi, Mem. cit. T. VII, N. 3, p. 899.
^) De Diemerbroeck, Siehe Mem. cit. Bologna, 1901, Ser. V, T. VII,
p. 360, Beob. 12, Fall IL — Vgl. auch p. 231, Beob. 12, Fall 2.
— 267 —
Frenuliim, Präputium versehene Clitoris sah, die der Grösse
nach einem männlichen Penis ähnlich war. Später erzählte
Sömmeriug einen Fall, bei dem das Präputium zwei kleine
Lippen an das Vestibulum der Vulva schickte und der Penis
der Clitoris ähnlich war.
Unter unseren 84 Beobachtungen haben wir 16 mal Hyper-
trophie der Clitoris erwähnt, von denen einige jedoch keine
andere Besonderheit zeigten, als dass sie Kindern angehörten
(Beob. 35, 81). Dieser Umstand führt zu der noch nicht aus-
gesprochenen Hypothese, dass die Hypertrophie angeboren ist,
während andere Beobachtungen Verschiebung der Urethra an-
geben, aber leider oft nicht von einer ausreichenden anatomi-
schen Beschreibung begleitet sind. Wenn die Urethra aus
ihrem Lauf verdrängt wird, mündet sie bald in die Vagina
oder in deren Vestibulum, was sehr häufig vorkommt (Beob. 9,
24, 25, 28, 37, 50), bald an der Wurzel der Clitoris, die Hypo-
spadie der Pars membranacea oder bulbosa des Mannes nach-
ahmend (Beob. 22, 43, 65, 67, 71). Diese Erscheinung kann
in Beziehung auf den Normalzustand unerklärlich scheinen,
auch wenn sie die Form einer Rinne hat; dagegen giebt es
aber eine sehr wichtige Analogie in einer ähnlichen Einrichtung,
die sich normalerweise an der Clitoris gewisser Tiere findet,
beim Strauss, Kasuar u. s. w.^) den Lemuren, Insectivoren
u. s. W.2). Endlich kommt eine gut entwickelte Clitoris bei
einem Fötus vor, dem die G-eschlechtsdrüsen beider Geschlechter
fehlen (Beob. 81).
Wenn einige von den Charakteren der urethro - sexuellen
Missbildungen noch der Aufklärung bedürfen, so verdient dies
besonders die von Ruysch aufgefundene Erscheinung, die im
Hervorstehen der Clitoris aus der Öffnung der Vulva besteht.
Man beobachtet dies an unreifen .Föten vom vierten Monat an,
und dann, da auch die Lippen der Vulva wachsen, wird nach
und nach diese Hervorragung verdeckt (Bull, delle sc. med. di
Bologna, Gennaio 1892, p. 56). Dieser Charakter wurde nach-
1) C. F. Burdach, Physiologie. Bd. 1. 2. A. 1835—40.
2) E. Owen, On the anatomy of Tertebrates. (Coinparative anatomy
and physiology of vertebrates. Vol. I, II, III), London, 1866—1868.
— 268 —
her von Ferreini), von Walther^), von Tiedemann^) und
von M ecke 14) beschrieben; der letztere verbesserte die Be-
schreibung und fügte die Bemerkung hinzu, bei oberflächlicher
Untersuchung des Kindes könne man sich über sein Geschlecht
täuschen, um so mehr, als das Scrotum noch sehr klein, die
Hoden im Abdomen liegen und die Clitoris immer nach vorn
und unten gewendet ist, niemals nach dem Nabel zu aufge-
richtet. Diese Beobachtung wird jetzt von den Schriftstellern
über beschreibende Anatomie vernachlässigt und nur von einigen
Geburtshelfern und Embryologen angeführt, unter denen Tour -
neux erwähnt zu werden verdient s).
Wir halten diese Übergehung nicht für absichtlich, denn
die Beobachtung war von drei berühmten Anatomen gemacht
worden, wie Ferrein, Ruysch und Meckel, darum befragten
wir den tüchtigen Pädiater Giov. Berti und die gebildete
Hebamme Viani über die Wirklichkeit des Hervorstehens der
Clitoris aus der Vulva während der intra-uterinen Periode, und
beide antworteten bejahend; die Viani erzählte mir sogar, sie
habe einer Geburt beigewohnt, wo die Clitoris des Kindes ent-
schieden hypertrophisch war. Dann bedachten wir, dass die
modernen Anatomen oft die alten Beobachtungen vernach-
lässigen, und suchten weitere Beispiele zur Stütze der obigen
Untersuchung. So fanden wir sechs der angeborenen Hyper-
trophie günstige Beispiele, was wahrscheinlich mit der von
Ruysch angegebenen embryonalen Einteilung übereinstimmt.
Die erste Beobachtung rührt von Mason her (Beob.
25, p. 234), der mit dem Ecraseur die 4 Zoll lange
Clitoris eines fünfjährigen Kindes amputierte. Die zweite Be-
obachtung wurde von Blanche an einem nach 15 Tagen ge-
storbenen Mädchen gemacht, bei dem die Clitoris gross und
1) Ferrein, Histoire de l'Ac. des sc. 1770, p. 339.
''ä) Ph. F. Walther, Physiologie des Menschen mit durchgängig-cr
Rücksicht auf die vergl. Physiol. der Tiere, Bd. II, p. 328, Landshut,
1806-1808.
3) F. Tiedemann, Anatomie der kopflosen Missgeburten, 1813.
^) J. F. Meckel, Handb. d. topogr. Anatomie.
5) F. Tourneus, Sur le developpement des organes genito-uritiai-
res etc. Lille, 1892.
— 269 —
mit einer Art von unterer Hypospadie versehen war (Beob.
100, p. 80). Der dritte Fall wurde von Graaf bei einem
Mädchen beobachtet, das als Knabe getauft worden war und
nach einigen Tagen starb; seine Clitoris täuschte einen Penis
vor (Beob. 1, Note 4 dieser Mem.). Seltsamer ist der Fall eines
von Katzki beschriebenen acephalen Fötus, der Vulva und
Penis und innerlich einen zweihörnigen Uterus besass (ibid.
Beob. 2). Die fünfte Beobachtung hat Golinelli aus Bologna
an einer Neugeborenen gemacht, deren Clitoris enorm entwickelt
war und in ihrem unteren Teile am Osculum vaginale anhaftete
(ibid. Beob. 8). Endlich beschrieb Saviotti ein kurz nach der
Geburt gestorbenes Mädchen, dessen Clitoris 3 cm lang war,
ohne Urethra, mit Präputium, mit der Mündung der Urethra
an der Wurzel, ohne Hoden, aber mit Uterus (ibid. Beob. 9).
Die embryonale Ähnlichkeit zwischen Clitoris und Penis
ist um so grösser, je unvollkommener beide sind und verleitet
daher oft zu diagnostischen Irrtümern. Diese Irrtümer sind noch
heute unvermeidlich, da das Ungenügende der alten Methode,
auf das männliche Geschlecht aus den äusseren Charakteren
des Körpers zu schliessen (mögen Hoden vorhanden sein oder
nicht), offenkundig ist, daher man die Fälle von urethro-sexueller
Missbildung höchstens „falsche Hermaphroditen" nennen kann,
wie Herrmann vorschlägt i). Dieser Autor stützt sich einer-
seits auf embryologische Studien, andererseits nimmt er als
Typus die vollständigste Missbilduug unserer Gruppe. Diesen
Typus verlegte er in die Verlängerung der Genitalfurche längs
des unteren Randes der Clitoris, die sich selbst ungewöhnlich
verlängert, so dass sie einem Penis ähnelt. Dann schliesst
sich die Rinne auf dieselbe Weise, wie die Urethra, und die
Genitalfalten löten sich in der Mittellinie zusammen, so dass
sie zwei grosse Lippen mit dem äusseren Aussehen der Vulva
bilden. Später, in verschiedener Zeit, erfolgt das Hinabsteigen
der Hoden, die bald im Leistenkanale liegen bleiben, bald in
das zweigeteilte Scrotum gelangen. Diese beiden Umstände
begleiten oft den weiblichen Habitus des Körpers und verleiten
leicht dazu, Knaben für Mädchen zu halten (s. p. 260), während
^) G. Herrmann, Hermaphrodisme. Dict. encycl. Paris, 1888, T. III,
p. 647.
- 270 —
sie klinisch als zweifelhaften Geschlechts betrachtet werden,
oder als Pseudo-Hermaphroditen, wenn der Penis und der weib-
liche Habitus deutlich sind.
Wenn man solche Kinder anatomisch betrachtet, je nach
dem Zustande der Geschlechtsdrüsen, wird man sie entweder
für männlich, oder weiblich, oder für Agenosomen, die auch
neutral genannt werden, betrachten (das Genus epicoenum
Quintilians)!).
Scrotum. Zuletzt bleibt noch eine Missbildung übrig, die
unmittelbar mit den oben beschriebenen verbunden ist, d. h, eine
Veränderung des Scrotums, die das Verdienst hat, oft gleich-
förmig zu sein. So war dasselbe unter 47 Fällen 44 mal zwei-
teilig, aber in verschiedenem Grade, also bald tief, dass es
zwei Labia majora vortäuschte, die gewöhnlich die Hoden ent-
hielten, bald oberflächlich, so dass nur zwei leichte Inguinal-
Anschwellungen, oder zwei Hautfalten sichtbar waren, die keine
Hoden enthielten, so dass kein Scrotum erscheint (Beob. 13,
35, 82). Die Spaltung des Scrotums kann nach unten unvoll-
kommen sein, so dass es die hypospadische Urethra unbedeckt
lässt, oder nach hinten aus demselben Grunde. Der wichtigste
Unterschied unter den aufgezählten Fällen ist die Zeit des
Herabsteigens der Hoden, das oft spät eintritt. Der erste, der,
unseres Wissens, diese Erscheinung beobachtete, war A. Hall er
(Beob. 6), der ein Mädchen sah, bei dem die Hoden im sechsten
Jahre in das Scrotum herabstiegen. Derselbe Autor (Beob. 7)
sah ein gespaltenes Scrotum ohne Hoden, und in der Spalte
mündete die Urethra. Was die Teratogenese betrifft, so hat
keiner der Beobachter sich mit der Feststellung beschäftigt, ob
die Spaltung des Scrotums gleichzeitig mit der Hypospadie ein-
tritt, oder ihr folgt.
Weibliche Organe. Da wir die hauptsächlichen und
begleitenden Charaktere unserer urethro-sexualen Gruppe schon
besprochen haben, gehen wir zu den sekundären, mehr oder
weniger häufigen über, die sich bisweilen mit den ersteren ver-
binden, aber keine eigene teratologische Wichtigkeit besitzen.
^) Quintilian führte diesen Ausdruck nicht in Bezug auf das mensch-
liche Geschlecht ein, sondern da er ein Rhetor war, bezeichnete er mit dem
griechischen Ausdrucke gewisse Worte, die sowohl für das männliche, als
für das weibliche Geschlecht dienen, z. B. Ente, Hase u. s. w.
— 271 —
Andere Male komiDt es vor, dass neue Charaktere von grosser
Wichtigkeit hinzukommen, die man nicht als sekundär und als
teratologisch uninteressant betrachten darf, weil sie besondere
Charaktere darbieten, die sich anatomisch mit denen unserer
Gruppe verbinden, dagegen für das andere Geschlecht von
grosser teratologi scher Wichtigkeit sind. Wir meinen die
inneren weiblichen Organe, die bisweilen durch die chirurgische
Untersuchung, oder bei der Sektion entdeckt wurden und die
nicht nur die einfache urethro - sexuale Gruppe kennzeichnen,
sondern echten männlichen Pseudo - Hermaphrodismus, nämlich
durch Teile der Müllerschen Gänge. So beweisen die hierauf
bezüglichen Beobachtungen, dass unsere Gruppe sich über die
voraus bestimmten Grenzen hinaus erstreckt und in das Gebiet
eines anderen Typus eindringt, mit dem wir uns schon be-
schäftigt haben 1).
Die Beispiele, in denen Fragmente der Müllerschen Ka-
näle in den 84 von uns gesammelten Fällen von urethro-sexu-
aler Missbildung hinzukamen, sind 18, mit Übergehung der-
jenigen, in denen die Vulva vollständig und auch tief war. Die
Fälle werden so unterschieden : in 11 war nur eine mehr oder
weniger kurze Scheide vorhanden (Beob. 22, 31, 50, 53, 56,
58, 61, 69, 73, 74, 75), die jedoch bei fünf die Länge von 6 cm
erreichte (Beob. 53, 58, 61, 74, 75). In anderen sechs Fällen
wurde ausser der Scheide auch der Uterus gefunden, aber jeder
derselben zeigte etwas besonderes. In Beobachtung 19 kamen
zum Uterus noch die Ovarien hinzu. In No. 24 war der Uterus
atrophisch. In Beob. 28 war der Uterus retrovertiert. In Beob.
60 mündete die Scheide in die Urethra. In Beob. 81 hatte der
Uterus die männliche Form, und in Beob. 83 fand man ausser
der Scheide nur das Collum uteri.
Wir bemerken, dass dieselben, Anomalien der Müllerschen
Kanäle auch bei der „männlicher Pseudo-Hermaphrodismus"
genannten Gruppe angetroffen werden, mit dem Unterschiede,
dass wir die bei Beob. 60 einmal angetroffene Abweichung sich
fünfmal wiederholen sehen. So haben Manec, Blanche,
^) Es ist eine von allen Autoren über Nosologie anerkannte Thatsache,
dass jeder Krankheitstypus über die künstlich gezeichneten, abgerundeten
Grenzen hinausgreift.
— 272 —
Guttmann, Giinckel und Marchand das Ende der Vagina
an einer Stelle der Urethra münden sehen, die beim Manne der
Urethra membranacea entspricht i).
Erwähnung verdienen auch die Fälle yon sogenanntem
Uterus masculinus (s. Nuhn, Beob. 20, Fo erster, Beob. 24,
Arnold, Beob. 28), und zuerst hatte Leuckart (Beob. 18)
ein Kind gesehen mit Hoden und einem in eine Blase ver-
wandelten Uterus, was neuerlich, von Nussbaum (Beob. 41)
bestätigt wurde. Noch seltsamer ist der Fall vonRemy (Beob.40),
bei dem zugleich Eeste der Wolffschen und der MüUerschen
Gänge vorhanden waren ; und ein sehr seltener Fall ist endlich
der von Gene (Beob. 42), denn Licetus^) hat zwar ein Mäd-
chen mit zwei Vulven abgebildet, aber Gene hat einen Mann
beschrieben, der rechts einen kurzen Penis und ein Scrotum
mit einem einzigen Hoden, aber links eine Schamlippe mit der
Scheidenöffnung hatte.
Unregelmässige Menstruation. Nachdem wir die ge-
wöhnlichsten äusseren Charaktere des urethro- sexualen Typus
aufgestellt und Beispiele angeführt haben, bei denen zu den
männlichen Charakteren einige weibliche Organe hinzukamen,
so dass sie an der Gruppe des männlichen Pseudo-Hermaphro-
dismus Teil haben, gehen wir zu gewissen funktionellen, viel
weniger häufigen Störungen über, so dass man sie als sekundär
betrachten kann. Zu diesen rechnen wir die unregelmässige
Menstruation und die Amenorrhoe.
Das Auftreten der Blutung bei Individuen mit urethro-
sexualen Affektionen, die untereinander sehr verschieden sind,
ist eine dunkle Erscheinung, zu deren Erklärung man nur die
Entstehung eines collateralen Kreislaufs annehmen kann, ohne
zugleich die näheren Verhältnisse dieses Kreislaufs und der
vom Blute eingeschlagenen Bahn zu kennen, so dass nichts
weiter übrig bleibt, als sich an die Thatsachen zu halten. Vor
allem teilen wir mit, dass wir ihrer 24 gesammelt haben, die
sich in zwei Gruppen teilen lassen. Zu der ersten gehören
10 Fälle, in denen die Menstruation nach der Zeit ihrer Er-
^) Vgl. p. 78. Pseudo-Hermaphrodismus femininus, Note B. Beob. 86,
100, 113, 123, 131.
-) F. Licetns, De monstris etc. Liber II, p. 79,
- 273 —
scheinung, nach ihrer Dauer und nach den begleitenden Um-
ständen unregelmässig war; zu der zweiten 14 Fälle, in denen
die Menstruation nicht oder sehr spät eintrat, oder aufhörte.
Wir haben die Geschichte dieser Beobachtungen in den
beiden folgenden Tabellen zusammengestellt, nach denen man
einen Vergleich zwischen den Störungen der Menstruation und
dem sexuellen Zustande anstellen kann. Wenn man diese beiden
Dinge sowohl mit der vom Civilstande angegebenen persön-
lichen Eigenschaft, als mit der Beschaffenheit des anatomischen
Geschlechts vergleicht, kann man aus den beiden Tabellen so-
gleich entnehmen, dass die Neugeborenen für weiblich erklärt
worden sind, während sie nach dem anatomischen Geschlecht
allgemein für männlich erkannt wurden, indem man die Hoden
gesehen, oder besser, ihre Gegenwart erschlossen hatte. Dies
stimmt mit dem pag. 265 Gesagten überein.
(Siehe TabeUen auf Seite 274 und 275.)
Unter den 24 Fällen sind zwei, die eine Ausnahme von
dem Angegebenen machen, sie betreffen nämlich männliche
Individuen, die für solche bei ihrer Geburt gehalten und in
ihrer Jugend bestätigt worden sind. Der erste war ein Afri-
kaner (Beob. 36), der drei Jahre lang regelmässig durch den
Penis menstruiert war. Er hatte Brüste, war den Weibern
zugeneigt und Labia majora ohne Hoden. Über das Vorhanden-
sein des Uterus wird nichts angegeben, so dass man nicht ein-
mal eine vicarierende Hämorrhagie wegen Hypoplasie desselben
vermuten kann. Der zweite Fall betrifft einen verwaisten
Gärtner von 24 Jahren, ohne Menstruation, mit Vulva und
Clitoris und ziemlich lebhaftem Geschlechtstrieb, ohne Bevor-
zugung eines Geschlechts. Er übte die Vorsicht, den Arzt zu
befragen, ehe er sich verheiratete. Dieser blieb über die Natur
des Geschlechts in Zweifel (Beob. 71).
Hernien. Eine noch weniger häufige Komplikation, als
die vorige, ist das Auftreten eines oder zweier Leistenbrüche,
denn wir haben nur 10 Fälle davon gefunden, die jedoch
numerisch merkwürdig sind in Bezug auf die 94 Fälle der
urethro-sexualen Gruppe (Beob. 17, 26, 27, 28, 33, 38, 47, 61,
78, 79). Diese Fälle zeigen nichts ungewöhnliches in Bezug
auf die Art der Hernien, noch auf die geschlechtliche Miss-
Taruffi, Hermaphrodismus. 18
— 274 —
Unregelmässige Menstruation.
Beobach-
Bemerk-
Menstruation
Hoden
Civilstand
tungen
ungen
Beob. 3
Anfang
mit 15 Jahren
Menstruation
inguinal
Knabe
von 14 Jahren
Beob. 7
unregelmässig
Zeichen, der
Geschlecht
ledig lebend
Beob. 18
Menstruation
nach der Pubertät
Menstruation
ungewiss
innere weibliche
ledige Frau
Beob. 22
ledige Frau
mit 8 Jahren
Organe
Menstruation
Bäuerin nach
Beob. 24
nach 18 Jahren
Monorchide
dem 18. Jahre
Beob. 31
regelmässige
Monorchide
Mädchen mit
künstliche
Menstruation
Atresia vaginae
Vagina
Menstruation
Afrikaner
Beob. 36
durch den Penis
Kryptorchide
von 18 Jahren
verdächtig,
Beob. 60
Menstruation
Menstruation
Kryptorchide mit
Hypospadie
Monorchide mit
weiblich
ein Manu
zu sein
Beob. 63
40 jährige Witwe
unregelmässig
Hypospadie
Menstruation
Kryptorchide,
Beob. 84
für kurze Zeit
Geschlecht
zweifelhaft
Frau mit Scheide
— 275 —
Amenorrlioea.
Beobacli-
tunffen
Menstruation
Hoden
Civilstand
Bemerk-
ungen
Beob. 25
Beob. 37
Beob. 47
Bcob. 48
Beob. 49
Beob. 50
Beob. 55
Beob. 61
Beob. 68
Beob. 69
Beob. 70
Beob. 71
Beob. 76
Beob. 78
mit 18 Jahren
amenorrboisch
Erau V. 77 Jahren
Yon jeher
amenorrhoisch
mit 36 Jahren
ohne Menstr.
mit 26 Jahren
ohne Menstr.
mit 40 Jahren
Verlixst der
Menstruation
Menstruation
unterdrückt Tor
dem 30. Jahre
amenorrhoische
Frau
ohne Menstr.
amenorrhoische
Frau
amenorrhoische
Frau
amenorrhoische
Frau
ohne Menstr.
amenorrlioische
Frau
amenorrhoische
Frau
Hoden ungewiss
in den grossen
Schamlippen
hypertrophische
Clitoris
bohnengrosse
Hoden
Hoden in den
grossen Scham-
lippen
scrotaler
Monorchide
zwei Hoden im
Scrotum
Hoden i. Scrotum
Oschio-schisis
mit Hoden
Oschio-schisis
mit Hoden
zwei Hoden
Oschio-schisis
mit Hoden
Vulva u. Clitoris
Monorchide
mit Hypospadie
Frau V. 18 Jahren
Frau
Mann mit weib-
lichem Habitus
maniakaKsch
Frau V. 40 Jahren
30 jähr. Bäuerin
verheiratete
40jähr. Bäuerin
46 jährige Köchin
27 jährige Frau
26 jähr. Mädchen
27 jähr. Mädchen
Gärtner (Waise)
24 Jahre
21 jähr. Mädchen
Dienerin,
Frau V. 23 Jahren
18^
— 276 -
bilduDg. Wir finden jedoch den Fall von Wrisberg (Beob. 17)
bemerkenswert, denn es handelte sich um ein Kind (vor der
Pubertät), dessen Penis mit einer Clitoris verwechselt werden
konnte, dessen geteiltes Scrotum Hoden enthielt, nur dass sich
im rechten Sack eine bedeutende Hernie befand. Was die
Proclivität der Hernien in derselben Region und in derselben
urethro- sexualen Missbildung betrifft, sind wir geneigt, die
Theorie von Is. G. St. Hilaire anzunehmen, über die wir bei
Gelegenheit der Veränderung des Geschlechts berichtet haben.
Geschlechtliche Neigungen. Ein weder einfacher, noch
bisher vorbereiteter Gegenstand ist die Behandlung der sexu-
ellen Neigungen, welche die psychopathischen Anomalien des
Mannes begleiten. Allerdings sind in letzter Zeit zahlreiche
Arbeiten über geschlechtliche Verirrungen erschienen, aber sie
beschränkten sich speziell auf gewisse Formen, nämlich auf
konträre Geschlechtsempfindung und Päderastie. Aber was die
anderen Formen betrifft, sind die Taxonomie und das Studium
der Umstände, welche dieselben begleiten und ihnen vorher-
gehen, kaum begonnen. Wenn wir daher von den geschlecht-
lichen Neigungen mit urethro -sexualen Missbildungen behafteter
Individuen sprechen wollen ^ können wir nur eine rohe Zu-
sammenstellung und eine Übersicht der Thatsachen geben.
Eine verhältnismässig, aber nicht in dem von Debierre^)
angenommenen Grade, häufige und seltsame Erscheinung ist
(mit Ausschluss der Knaben vor der Pubertät), die sexuelle
Apathie, auch sexuelle Paresis genannt. Ein Beispiel hat im
Jahre 1819 Tarozzi angeführt, von einer 18jährigen, men-
struierten Bäuerin, die Neigung zu keinem Geschlecht fühlte.
(Beob. 24.) Dies schliesst die Paarung nicht aus, wie bei
Katharina Hohmann (Beob. 49), die mit 37 Jahren starb, mit der
Diagnose von zweifelhaftem Geschlecht. Dasselbe erzählt Celle
von Anna von Grenoble, die ohne geschlechtlichen Instinkt war,
und zur Auspeitschung verurteilt wurde, weil sie das Sakrament
der Ehe entweiht habe (Beob. 9). Hier erwähnen wir nur die
Beobachtungen von Sarzana (Beob. 50) und Gerin (Beob.
69), die Frauen mit geschlechtlicher Gleichgültigkeit (Pa-
resis) sahen, und gehen zu dem seltsamen Falle von
0 Ch. Debierre, L'Hermaphrodisme. Encycl. 1891. p. 183.
— 277 —
Piazzesi und Badaloni (Beob. 66) über, eine gewisse Maurina
betreffend, die nach zehnjähriger Ehe sich über Schwierigkeiten
beim Coitus beklagte und gesetzliche Scheidung verlangte.
Nachher verliebte sie sich in ihre Schwägerin und erhielt die
gewünschte Bewilligung.
Die sexuelle Apathie ist nicht immer eine gleichförmige,
klinisch der urethro-sexualen Gruppe zukommende Erscheinung,
sondern kann von sehr verschiedenen physischen Umständen
begleitet sein, die man besser verstehen wird, wenn wir die
wichtigsten Beobachtungen angeben. Besondere Beachtung
verdient die Beschreibung der Forni durch Dr. Tonni (Beob,
18), die mit 23 Jahren Neigung zu Männern hatte; dabei zwei
Labia majora besass, so dass sie sich für ein Weib hielt, obgleich
sie männlichen Habitus, einen kurzen Penis mit Hypospadie und
Hoden in den Schamlippen hatte; dies beseitigte jeden Zweifel
über ihr Geschlecht. Ebenso wichtig ist die Beobachtung (76) von
Paul Dexoust, der ein 21 jähriges Mädchen mit männlichem
Habitus beschrieb, das bei Berührung mit Frauen in wollüstige
Krämpfe verfiel und eine weissliche Flüssigkeit von sich gab.
Die chirurgische Untersuchung schloss die Gegenwart von
Uterus und Hoden aus, die mikroskopische die von Sperma-
tozoen, so dass ein zweifelhafter Fall von konträrer Geschlechts-
empfindung vorliegt. Sehr bekannt ist auch die Geschichte
von Marie Madeleine Lefort (Beob. 23), die mit 16 Jahren
weiblichen Habitus und Brüste, und mit 20 Jahren einen Bart
hatte, wie ein Erwachsener. Sie war im Alter von 8 Jahren
menstruiert, besass eine Clitoris, aus welcher Urin abfloss, und
hatte Zuneigung zum männlichen Geschlecht, denn sie glaubte,
zum weiblichen zu gehören. Die im reifen Alter ausgeführte
Sektion fand vollständige weibliche Geschlechtsteile, nur mit
Verschluss des Scheideneingangs.
Wenn wir nun die Fälle mit Fortbestehen der Müller-
schen und Wolffschen Kanäle untersuchen (s. Pseudo-Herm-
aphrodismus, p. 63 ff.), finden wir, im Vergleich mit den vorigen,
komplizierte Beobachtungen, aber mit denselben Neigungen.
So hatte die von Henrichsen (Beob. 47, p. 71) beschriebene
27 jährige Bäuerin mit Anzeichen von Menstruation Neigung zu
keinem von beiden Geschlechtern, obgleich sie zwei Hoden be-
sass. So finden wir auch, dass Galland (s. p. 191) eine 2mal
— 278 —
verheiratete Frau besclirieben hat, ohne sexuellen Instinkt, die
sich passiy dem Coitus hingab, obgleich sie keine erotische
Empfindung und kein Wollustgefühl dabei hatte. Dasselbe
erzählt Eicco von einer mit 80 Jahren gestorbenen Frau
und Itard de Riaz von einem 22jährigen Mädchen. Endlich
berichtet Gunckel (Beob. 123, p. 8B), Elisabeth N. habe
Neigung zu Weibern gehabt und sei des geschlechtlichen
Verkehrs mit ihrer Stiefmutter beschuldigt worden. Bei der
Sektion fand der Verf. einen Uterus mit blind endigenden Trom-
peten und zwei kindliche Ovarien, sowie ausserdem einen 5 cm
langen Penis mit Hypospadie.
Konträre Sexual-Empfindung. Wir haben ander-
wärts (p. 194 ff.) über den Stand der Wissenschaft in Bezug auf die
konträre Sexualempfindung gesprochen, und ausserdem die von
Krafft-Ebing gemachten Versuche angeführt, um diesen
G-egenstand klinisch zu bestimmen. In dieser Absicht teilte er
die Perversion in erworbene und angeborene. Für den zweiten
Fall wählte er den Ausdruck „psycho -sexuale Hermap hro-
disie" und unterschied sie wieder in zwei Arten mit Ausdrücken,
die zwar zweckmässig sind, aber einen verhältnismässig fremd-
artigen Klang haben, indem er „homosexuellen Akt" die Ein-
wirkung von Männern oder von Weibern auf einander, und „he-
terosexuellen Akt" jene zwischen zwei Geschlechtern nennt,
so dass also die Paarung zwischen Gatten und Gattin einen
heterosexuellen Akt darstellt.
Da es überfiüssig wäre, zu den schon bekannten ähn-
liche Fälle anzuhäufen, lenken wir die Aufmerksamkeit auf
andere, in denen zwischen der Zuneigung zu dem einen Ge-
schlechte und dann zu dem anderen längere Zeit verfloss und
nennen nach L G. St. Hilaire Anna Drouart (Beob. 7), die
in ihrer Jugend Neigung zum weiblichen Geschlecht empfand,
als sie erwachsen war, zu dem männlichen, dass sie zuerst
unregelmässig menstruiert war, und dann keine Spur weder
von Hoden, noch von einem Uterus zeigte. Wir er-
wähnen auch Magitoti), der eine 17jährige verheiratete Frau
kannte, die 12 Jahre lang in guter Eintracht mit ihrem jungen
1) E. Magitot, Bull, de la soc. d'antlirop. 1880, p. 487. — C. Ta-
ruffi, Mem. cit. Bologna, 1901, p. 333. — Vgl. oben pag. 193.
— 279 —
Gratten lebte. Als sie Witwe geworden war. änderte sich ihr
Greschlechtsinstinkt und sie hatte viele Liebhaber, mit denen
sie keine geschlechtliche Schwierigkeit hatte. Als sie starb,
fand man. dass sie einen kiniilichen Penis besass, der erektions-
fähig war nnd Samen absonderte, aber ohne Samenfäden: der
weibliche Apparat fehlte. Bei diesen Fällen nnd bei anderen,
die wir bei den psychopathischen Wirkungen der geschlecht-
lichen Missbüdnngen anführen werden, wirft sich die Frage
auf: Wie können sich die erotischen Xeignngen nach so langer
Zeit ändern?
Wir haben schon angedeutet, dass bei Mädchen mit nrethro-
sexnalen Missbildtmgen die Hoden oft zögern, längs des
Leistenkanales herabzusteigen, dass ihr Eintritt ins Scrotnm zn
verschiedener Zeit stattfindet, nnd dass anf das Herabsteigen
die Erscheinungen folgen, welche die Pubertät charakterisieren.
Aber wenn diese Erscheintmgen nicht regelmässig von statten
gehen (möge Amenorrhoe eingetreten sein oder nicht, mögen
die Hoden herabgestiegen sein oder nicht), und um so mehr,
wenn die Formen der äusseren G-enitalien weiblich siad und
sich im Zustande der Apathie befinden, dann ist der einzige
Umstand, der die späte geschlechtliche Eichtung der jungen
Mädchen beeinfitissen kann, die Erziehung. Oft unterstützt durch
die Art der Umgebung, und dies erklärt die Ehen aus Nach-
giebigkeit, das Elosterleben, die Flucht aus der väterlichen
Wohnnug. Diese Umstände sind ausführlich von Debierrei)
und Chevalier-j behandelt worden.
Endlich ist noch zu bemerken, dass es Fälle giebt, die in
keine der angenommenen teratologischen Gruppen hineinpassen,
mit Einschluss der geschlechtlichen Umkehrung, ausser welcher
z. B. Widersprüche zwischen zwei Teilen vorkommen, die das
Geschlecht bei demselben Individuum charakterisieren, so dass
man sie als ein Anzeichen von äusserem Pseudo-Hermaphrodis-
mus betrachten kann; oder nur Widerspruch zwischen den
Charakteren des Körperhabitus, oder zwischen den Teilen der
Geschlechtsorgane desselben Individnums. Schliesslich Wider-
spruch zwischen dem psychischen Instinkt tmd der funktionellen Be-
^) Ch. Debierre. L'liennapkroQisme. Paris, 1S91, p. 133,
-) CheTalier. InTersion sexuelle, Paris. 1S93. p. 33i.
— 280 —
thätigung des Geschlechts, was ziemlich oft bei Prostituierten
vorkommt. Ein Beispiel bietet der Fall von Gerin (Beob. 69)
von einem 26jährigen Mädchen mit männlichem Habitus, das
zwar Abneigung gegen die Männer empfand, aber doch Umgang
mit ihnen pflegte. Der zweite Fall gehört Gunckeli) und
betrifft ebenfalls eine junge Frau mit männlichem Habitus und
mit einem Penis versehen, die ein Liebesverhältnis mit ihrer
Stiefmutter unterhielt, während man bei der Sektion fand, dass
sie nur vollständige weibliche Organe besass. Die dritte Be-
obachtung ist von Birnbacher2), der eine Frau von männ-
lichem Habitus, aber mit gut entwickelten Brüsten beschreibt,
die ihre Neigung zur lesbischen Liebe bekannte.
Vererbung. Auch die urethro- sexualen Missbildungen
sind der Vererbung unterworfen, aber wir wissen nicht, ob in
diesem Falle die Häufigkeit gleich der anderer Missbildungen
ist, oder besser, ob die Vererbung dieselben Gesetze befolgt
und zwischen den aufeinanderfolgenden Generationen dieselben
Sprünge macht, wie bei anderen Deformitäten, denn wir wissen
nicht, ob auf dem teratologischen Gebiet ausführliche Vergleiche
angestellt worden sind. Wir wissen nur, dass Lingard über
Erblichkeit und Atavismus bei Hypospadie geschrieben hat 3),
aber wir haben uns seine Arbeit nicht verschaffen können.
Wir wissen jedoch, dass Gudder im Jahre 1890 einen Aufsatz
über Hypospadie geschrieben hat, aus dem man schliesst, dass
diese oft vererbt wird, besonders wenn sie massig ist 4), und
dass Strassmann einen Fall von Vererbung durch die Frauen
hinzufügte, während die Mutter frei geblieben war^). Ein
ähnlicher Fall wurde von Porro erzählt; in einer Familie
hatten zwei mütterliche Vettern eine ähnliche Bildung der Ge-
1) C. Taruffi, Mem. cit. Bologna, 1899. Ser. 5, T. VII, p. 752,
Beob. 123. — Vgl. aucji pag. 83.
2) C. T a r u f f i , Mem. cit. Bologna, 1901. T. VII, p. 368. — Vgl. p. 247.
^) Lingard, De l'heredite de l'hypospadie et de sa transmission par
l'atavisme indirect. Lancet 19 April 1884.
^) Beitrag zur Lehre von der Fortpflanzungsfähigkeit bei Hypospadie
und der Vererbung dieser Missbildung. Zeitschr. f. Medizinalbeamte, 1890,
No. 7, p. 247, 250.
^) Fr. Strassmann (Berlin) , Lehrb. d. gerichtlichen Medizin.
Stuttgart, 1901.
— 281 —
schlechtsteile; einer derselben beging Selbstmord in seinem
17. Jahre 1).
Die Fälle von mehr oder weniger direkter Vererbung in
männlicher und bisweilen weiblicher Linie, die sich unter
den 84 Beobachtungen befinden, sind folgende; der merk-
würdigste ist der von Philipps.
Beob. 11. J. Lepecchia, Ein hypospadischer Jüngling hat 2 Brüder mit
missgebildeten Genitalien.
Beob. 21. De Mattheis, Von 4 Töchtern haben sich 3 in Söhne ver-
wandelt mit Hypospadie an der Wurzel des Penis.
Beob. 25. T. Tarozzi, Von 4 Schwestern zeigten 2 geschlechtliche
Missbildungen verschiedenen Grades.
Beob. 35. C. Fenogli, Von 5 Brüdern litten der 3. und 5. an Hypo-
spadie.
Beob. 43. E, Porro, S. oben.
Beob. 45. J. L. Casper, Hypospadischer Neugeborener, Sohn einer Un-
verheirateten, mit Penis und Urethral-Rinne. Hoden im zweispaltigen
Scrotum.
Beob. 124. John Philipps, Vgl. pag. 84.
Eine Mutter hatte 9 Kinder, davon waren 4 Pseudo-Hermaphroditen,
d. h. Mädchen, deren äussere Charaktere männliches Geschlecht vortäuschten,
während bei einer, die starb, der weibliche Charakter auch innerlich voll-
ständig war.
Kapitel III. Psy cho-sexuelle Pathologie.
(Grerichtliche Medizin der urethro-sexualen Missbildungen.)
Die mit Störungen der Geschlechtsorgane verbundenen
geistigen Störungen bilden ein sehr weitläufiges Thema, das
einerseits in das Gebiet der Psychopathien, andererseits in das
der moralischen Laster, die bisweilen pathologisch werden, ein-
dringt, wie Päderastie, Umkehrung des Geschlechts, worauf wir
schon im Abschnitt Invirilismus, p. 153 ff., hingewiesen
haben. Da wir jedoch den Gegenstand umgrenzen wollten
(wie wir am Anfang des ersten Kapitels sagten), ist es
zweckmässig, ihn auf die Geistesstörungen zu beschränken,
die sich oft, primär oder sekundär, zu klinischen Alterationen
^) E. Porro, Ermafroditismo. Gazz. med. lomb. Die. 1862, p. 675
No. 51. — Taruffi, die nachstehende Beob. 43.
— 282 —
der menschlichen Geschlechtsorgane gesellen. Wir haben 84
Beobachtungen gesammelt, welche die Grundlage der gegen-
wärtigen Studie bilden und als urethro- sexuale Missbild-
ungen bezeichnet worden sind.
Da wir schon die physischen Charaktere dieser Affektiouen
abgehandelt haben, bleibt es uns noch übrig, die moralischen
Komplikationen und Folgen zu untersuchen, woran die Kranken
leiden, sowie die juristischen Hilfsmittel, um zum Teil die Un-
zuträglichkeiten zu vermeiden. Aber ehe wir auf den Gegen-
stand eingehen, schicken wir voraus, dass das gegenwärtige
Kapitel sowohl für die Irrenärzte, als für die Gerichtsärzte
vollkommen überflüssig ist, denn wir könneu ihneu keine Nach-
richt, keinen Eat geben, der nicht schon bekannt und von ihnen
selbst angenommen wäre. Nur Eins fordert uns auf, schon be-
kannte Dinge vorzutragen, nämlich die Trägheit der Juristen
bei Verfolgung der wissenschaftlichen Fortschritte der physischen
Wissenschaften, oder wenigstens ihrer Methoden, damit die
Gesetzgeber (in diesem Falle) hygienisch verfahren und viele,
sowohl physische, als moralische Übel bei unwissenden Personen
verhüten können i).
Als wir im Jahre 1881 die ersten Kapitel der „Geschichte
der Teratologie" schrieben 2), um eine Andeutung über die Sitten
und Gesetze zu geben, die im Altertum in Bezug auf die Ge-
burt der Monstra in Geltung waren, erstaunten wir bei der
Nachforschung über die seltsamen Vorurteile, die wenigen aber
barbarischen Gesetze, die Jahrhunderte lang in dieser Beziehung
geherrscht haben. Wir waren um so erstaunter, als wir
die berühmtesten Glossatoren die Irrtümer des Volkes wieder-
holen und in den Municipal- Statuten fortsetzen sahen, in
denen sich grosse Ungleichheiten bei der Beurteilung der Schuld
und Anwendung der Strafe finden, selbst gegen solche, die an
^) Im Jahre 1902 erschien in zweiter Auflage ein Werk von Dr. Wilh.
Eudeck, „Medizin und Eecht. Geschlechtsleben und -Krankheiten in ihrer
medizinisch-juristisch-kulturgeschichtlichen Bedeutung", welches auch auf
das hier behandelte Gebiet bezügliche Kapitel nebst den gesetzlichen Be-
stimmungen enthält und warm empfohlen werden kann.
^) C. Taruffi, Storia della teratologia. Bologna, 1881, T. I, Pars 1,
p. 91, Pars II, p. 53, Sitten und Gesetze.
— 283 —
uretliro- sexualer Missbildung- litten; wir werden einige Beispiele
beibringen i).
^) Die Quellen, aus denen man die Gesetze und Sitten in Bezug auf
Monstra im allgemeinen kennen lernen kann, sind zum grössten Teil in
Bd. 1 unserer „Geschichte der Teratologie" angegeben. Die sich auf urethro-
sexuale Misshildungen beziehenden Fälle werden in Note 2, am Ende der
gegenwärtigen Arbeit angezeigt ; über einige davon berichten wir weiter
unten.
C. Taruffi, Kap. III, Mem. della Patologia psico-sessuale, Note 2,
Beob. 57. — Er bringt ein Dokument aus dem Jahre 1527, worin gesagt
wird, eine Frau, die für hermaphroditisch gehalten und später für einen Mann
erkannt wurde, sei verbrannt worden.
G. Bened. Sinibaldi, Geneanthropeia, sive de hominum gene-
ratione, Eomae, 1642, Francofurti, 1669, Lib. II, Tract. I, Cap. VII, p. 111.
S. Taruffi, ibid. Note 2, Beob. 2.
Ein Mädchen floh aus Spoleto und wurde von ihrem Bruder in Ancona
eingeholt. Hier von Furcht ergriffen, gab sie ihre Verwandlung in einen
Mann zu erkennen und wurde als solcher vom Gericht anerkannt und
Postume Barattani genannt.
Nicola Tulpio, Observationes medicae. Ed. nova. Amstelodami, 1672,
Lib. III, Cap. XXXV, p. 241. — C. Taruffi, Memoria suU' ordinamento
della Teratologia, Note 3, Beob. 11, p. 359. — Enrica Schuria, ihres Ge-
schlechts müde, kleidete sich als Mann und wurde Soldat unter dem Prinzen
von Oranien. Nach Hause zurückgekehrt, paarte sie sich mittelst ihrer sehr
langen Clitoris mit anderen Weibern, und besonders längere Zeit hindurch
mit einer gewissen Witwe, die sie gern geheiratet hätte, wenn das Gesetz
es erlaubt hätte. Diese Tribade hatte eine so stark entwickelte Clitoris,
dass diese während des Coitus die Länge eines halben Fingers und mehr
und die Dicke des Penis eines Knaben erreichte. Der Eechtsgelehrte Giov.
Paponio schreibt (s. XXII, tit. VII, avert. II), diese unzüchtigen Weiber
müssten zum Tode verurteilt werden. Die oben genannte Tribade fand einen
milderen Eichter, sie wurde mit Euten gepeitscht, verbannt und von der
Witwe getrennt, mit der sie in Unzucht gelebt hatte. — Vgl. p. 231.
Celle, Anne Grandjean. Journ. hist. Paris, 1765. — Taruffi, Mem.
cit. Note 2, Beob. 9. — Dieser Fall, den man der Kürze wegen ein Beispiel
von urethro-sexueller Missbildung nennen kann, betrifft eine Frau mit einer
grossen Clitoris, deren sie sich mit Weibern bediente. Das Gericht von
Lyon erklärte sie für hermaphroditisch und verurteilte sie zur Peitsche und
zur Verbannung, weü sie das Sakrament der Ehe profaniert habe. Die Frau
appellierte gegen das Urteil, und das Gericht nahm guten Glauben bei ihr
an und verurteilte sie nur zum Tragen weiblicher Kleider.
Chesneut (de la EocheUe), Question d'identite. Vice de conformation
des organes genitaux: hypospadias. Ann. d'hygiene publ. et de med. leg.
Juillet 1860, p. 206. — Taruffi, 1. c. N. 2, Beob. 42. Aus der Geschichte
entnimmt man, dass es sich um eine Frau mit männlichem Habitus handelte,
mit einem unvollkommenen Penis, einem Hoden in jedem Leistenringe.
- 284 -
Wenn wir alle Fälle sammeln wollten, die dem Strafgericht
unterworfen worden sind, könnten wir einen (nocli jungfräulichen)
historischen Schatz aufhäufen, der geeignet wäre, die angeblichen
Prinzipien des Strafrechts zu entdecken, soweit es sich auf die
Teratologie bezieht. Dieses Studium würde genügen, um zu er-
klären, wie die vielen G-lossatoren und die zahlreichen Advo-
katen entstanden sind, die eine neue Klasse bildeten, welche
man mit Recht Sophisten nannte. Diese entartete Klasse
wurde von dem berühmten Muratorii), der noch in unserer
Zeit bekannt ist, hell beleuchtet; dann wurde sie von Vinc.
Gioberto beschrieben 2), so dass er die Anführung einer Stelle
verdient, die wir in der Note vorführen werden. Endlich
wollen wir nicht vergessen, dass diese Klasse schon von
Cicero gekennzeichnet worden ist^), als er in seiner Rede
für L. Murena sagte, die Grundlagen des Rechts seien in die
Hände der Advokaten gefallen und hätten den Sinn verloren,
den sie gehabt hätten, denn mit ihren unehrlichen Spitzfindig-
Bei Lebzeiten wurde sie für einen Hermaphroditen erklärt und dazu yer-
urteilt, männliche Kleider zu tragen.
Da ich mit dem Kriminalrecht unbekannt war und wusste, dass es als
eine Wissenschaft betrachtet würde, die auf allgemeinen Prinzipien beruhte,
wünschte ich seine Natur und seinen Ursprung kennen zu lernen und be-
fragte darüber zu verschiedenen Zeiten verschiedene Eechtslehrer, und diese
trugen mir alle sehr verschiedene Lehren vor. Ich befragte mehrere Vokabu-
larien, und alle antworteten mir ungefähr, das Kriminalrecht sei die Quintessenz
der Gesetze, welche die Sicherheit der Bürger schützen, ohne ein Wort über
Juristische Prinzipien. Endlich wendete ich mich an eine italienische Ency-
clopädie, und diese sagte: „In keinem Teile des Eechts herrscht grösserer
Widerspruch zwischen den verschiedenen Meinungen der Autoren, als über
das Strafrecht, also über die Gesetze, die zum Gegenstand haben, nicht nur
die aus ungesetzlichen Handlungen entstehenden Schäden zu ersetzen, sondern
auch den Urheber solcher Handlungen im Namen des Staates zu bestrafen,
indem man ihm eine Strafe auflegt. Die Aufgabe ist eben die, die Gesetze
mit der natürlichen Gerechtigkeit in Einklang zu bringen. Allerdings haben
die Regierungen seit undenklicher Zeit das Strafrecht ausgeübt, ohne das
Resultat solcher Dispositionen zu erwarten , zuletzt ohne nur daran zu
denken. (Nuova enciclopedia, Torino, 1858, Edit. V, Vol. VI, p. 654.)
1) Lod. Muratori, Arch. ital. T. I, p. 277 e. 294. Milano, 1751. —
Della forza della fantasia. Venezia, 1745, Cap. XII, p. 112, 114.
^) V. Gioberti, II rinnovamento d' Italia, Torino, 1851, p. 219.
Siehe Note 5.
^) Ciceronis orationes. Pro L. Murena Cp. XII, § 26, 27.
— 285 —
keiten hätten jene sie in Thorheit und Lüge verwandelt „in
manibus jactata et excnssa, inanissima prudentiae reperta sunt,
fraudis et stultitiae plenissima".
Um ein so schweres Urteil über die Advokaten zu er-
klären, genügt es, dass wir die Grundsätze, den Zweck und
die Methoden, die sie anwendetea, mit denen vergleichen, die
von den Naturforschern befolgt werden, um einerseits die wun-
derbaren Fortschritte der verschiedenen Zweige der physischen
Wissenschaften, andererseits die fortwährende Notwendigkeit
zu begreifen, die Gesetze zu verbessern. Es genügt, zu
bedenken, dass die Rechtsgelehrten immer von abstrakten
Prinzipien ausgegangen sind und noch ausgehen und nach ihnen
ihre allgemeinen Lehren einrichten, während z. B. die Biologen
von der Analyse der einzelnen Thatsachen ausgehen, sie mit
einander vergleichen, und je nach der Ähnlichkeit (so weit es
das Experiment und die Induktion erlauben) zum Ursprung der
Erscheinungen aufsteigen. Dabei beachten sie, dass der Be-
griff dieses Ursprungs sich jedesmal nach den Erfordernissen
der bei der Analyse gemachten Fortschritte ändert, während
man im Strafrecht von ihm, als von einer synthetischen Wissen-
schaft spricht, und daraus die Gesetze entnimmt.
Was den Zweck betrifft, den sich die mit diesen beiden
Zweigen der Wissenschaft Beschäftigten vorgesetzt haben,
müssen wir sagen, dass im allgemeinen beide das Wohl der
Menschheit beabsichtigen, doch mit dem Unterschiede, dass die
Naturwissenschaften das wissenschaftliche und physische Wohl-
befinden der Völker anstreben, während die Juristen sich mit
dem Schutz der persönlichen Interessen beschäftigen, das all-
gemeine Wohl aber aus den Augen lassen.
Um hierüber ein gewöhnliches Beispiel zu geben, nehmen
wir an, dass ein Individuum die Hilfe des Arztes in Anspruch
nimmt, indem er glaubt, dass dieser die geeigneten Mittel an-
wendet, um ihn zu heilen, ohne anderen zu schaden, ohne sich
darum zu kümmern, ob er ein Anhänger von Hippocrates
oder Galen ist. Wenn dagegen ein Individuum des Diebstahls
beschuldigt wird, findet er sogleich einen Verteidiger; dieser be-
müht sich, ihn vor der Galere zu schützen, jedoch nicht, der
Gesellschaft einen Übelthäter auf einige Zeit zu entziehen;
ihm ist es nur um die Überwindung einer schwierigen Sache
— 286 —
zu thun Dies beweist, dass diese Art von Advokaten nicht
durch das Bewusstsein "bekümmert wird, dass die lateinische
Rasse das Privilegium geniesst, die grösste Zahl von Übel-
thätern zu besitzen i).
Um nicht zu weit von unserem teratologischen Gegenstande
abzuschweifen, übergehen wir die Beweise der obigen Behaupt-
ungen als überflüssig und gehen sogleich zu einigen sekundären
Charakteren der urethro- sexualen Anomalien über, die sich auf
die gerichtliche Medizin beziehen. Wir werden uns also mit
einigen krankhaften Zuständen der Psyche beschäftigen, mit
moralischen Yerwickelungen und Folgen, die oft in den von
uns berichteten Geschichten erwähnt worden sind. Darunter
befindet sich die sexuelle Parese. Diese Affektion wird auch
sexuelle Apathie genannt, und lässt sich als ein negativer
Charakter des erotischen Instinkts definieren, der zugleich zu
moralischen Störungen und zu sehr verschiedenen Zufällen
Veranlassung giebt. Wir haben schon darauf hingedeutet,
als wir von den sekundären Alterationen sprachen (s. p. 277).
Die Parese ist nicht so häufig, als man glauben möchte,
denn wenn man die Fälle abzieht, die zu den Pseudo-Herm-
aphroditen gehören, sowohl zu den typischen, als zu den unregel-
mässigen, die anderwärts erwähnt wurden, so bleiben nur fünf
übrig (Beob. 24, 43, 49, 50, 69). Wir haben schon bemerkt,
dass dieser Fehler weder die Ehe, noch die Prostitution ver-
hindert. Dies kann man nicht der körperlichen Veränderung
zurechnen. Es giebt aber auch sehr schwer zu erklärende
Fälle; z. B. wenn eine für eine Frau Ausgegebene zu der
Klasse der Individuen mit zweifelhaftem Geschlecht gehört.
Dann kann man glauben, dass der Geschlechtsinstinkt sich un-
bestimmt verhält, wie in der Kindheit, und dass die Eatschläge
der Familie, der Geist der Nachahmung und andere Einflüsse
der Umgebung den Ausschlag geben. Aber in der Praxis
kommen noch schwerer zu erklärende Fälle vor, wie der von
Piazzesi und Badaloni beschriebene (Beob. 66). Eine Frau
blieb vier Jahr lang verheiratet und verlangte dann die Nichtig-
^) Es ist mir nicht zu Ohren gekommen, dass ein Jurist eine Arbeit
veröffentlicht hätte über das Studium der Ursachen der grösseren Zahl von
Verbrechen unter den lateinischen Kassen und in den verschiedenen von
demselben Volke bewohnten Gegenden.
— 287 —
erklänmg der Ehe, indem sie den Mann eines Bildungs-
fehlers beschuldigte. Während des Prozesses verliebte sie sich
dann in ihre Schwägerin und lebte mit ihr zusammen. Das
Urteil wurde nicht gefällt, oder blieb unbekannt; wir wissen
also nicht, ob die Missbildung nicht der angeblichen Frau an-
gehörte, vielleicht infolge eines „Mikrophallus" genannten
Penis.
Geschlechtliche Umkehrung. Wir haben unter den
sekundären Charakteren eine Erscheinung aufgezählt, die eigent-
lich zu den Psychopathien gehört und sich mittelst eines im
allgemeinen gleichförmigen Aktes offenbart, wie es die ge-
schlechtliche Umkehrung ist. Diesen ungewöhnlichen Akt
haben wir als eine Art von Invirilismus des Weibes be-
trachtet (Seite 194 ff.) und ebendort haben wir die Fälle
untersucht, in denen die einzelnen erotischen Akte zeitlich
von einander entfernt liegen, so dass sie zuerst mit dem
einen und später mit dem anderen Geschlechte ausgeführt
werden. Hier werden wir dagegen die Fälle von Irrtum über
das eigene Geschlecht betrachten, denn wenn eine angebliche
Frau sich in einen Jüngling verliebt, beschuldigt man sie der
geschlechtlichen Umkehrung und sie setzt sich verschiedenen
Zufällen aus. Wenn sie dann stirbt und man ihr wirkliches
männliches Geschlecht entdeckt, überzeugt man sich erst, dass
sie ihrem richtigen Geschlechtstriebe folgte, da sie einen oder
beide Hoden besass. Ein solcher Irrtum ist um so leichter,
wenn das angebliche Weib weiblichen Habitus und einen Penis
zeigt, der • sich von einer grossen Clitoris nicht unterscheidet.
Um einige Beispiele anzuführen, erinnern wir an Anne
Grandjean (Beob. 9), die sich im Jahre 1761 verheiratete, ob-
gleich sie keine Neigung zu Männern fühlte. Später wurde
sie der Entweihung des Sakraments der Ehe angeklagt, weil
sie hermaphroditisch sei. Nach der Appellation gegen dieses
Urteil wurde Anne freigesprochen, denn einerseits wurde an-
erkannt, dass sie einen Penis besass, auf der anderen, dass
sie in gutem Glauben gehandelt habe; heutigen Tags könnte
man einen Fall von geschlechtlicher Umkehrung (Päderastie)
vermuten. Ein anderer Fall ist der der Giacoma Forni (Beob.
18), die mit 23 Jahren nur 2 mal menstruiert gewesen war.
Sie hatte dem Anschein nach eine Vulva und Neigung zum
männlichen GescMecht, daher Giacoma sich für ein Weib hielt.
'Glücklicherweise fand der Arzt Tonni, dass das Weib männ-
lichen Habitus, einen Penis mit Hypospadie und Hoden in den
grossen Schamlippen hatte; so erklärte er sie für einen miss-
gebildeten Mann.
Der Fall von Alessia B. war der dunkelste in dieser
Gruppe von Missbildungen, und blieb es, so lange die angeb-
liche Frau lebte (Beob. 42). Sie war amenorrhoisch bis zum
22. Jahre, wurde Lehrerin in einer Erziehungsanstalt, hatte
männlichen Habitus und Flaumhaar, aber ihr Gesicht zeigte
keine DifEerentialcharaktere. Dennoch schloss sie mit einer
Genossin an der Anstalt enge Freundschaft, die zur Leiden-
schaft wurde. Dies führte zu einer Eeihe von Aufregungen
und Skrupeln, die Alessia veranlassten, sich untersuchen zu
lassen und sie erfuhr so, dass sie Hermaphroditin sei mit Vor-
wiegen des männlichen Geschlechts ; sie musste auf ihre Neigungen
verzichten und männliche Kleidung tragen. Erregt durch diesen
Ausspruch versuchte sie, ihre Gewohnheiten zu ändern, wurde
aber von Lypemanie ergriffen und erstickte sich im Alter von
30 Jahren mit Kohlensäure. Goujon machte die Sektion und
fand einen nicht durchbohrten Penis, unter dem sich die Vulva
befand, und in diese mündete die Urethra und die Ductiis eja-
culatorii, aber er fand weder Uterus, noch Ovarien. Das
Scrotum war gespalten, die rechte Hälfte enthielt einen Hoden,
während der linke im Leistenringe lag. Daraus sieht man,
dass Alessia, als sie sich in ihre Anstaltsgenossin verliebte,
nicht an Umkehrung des Geschlechtstriebes litt, sondern dem
natürlichen Instinkte des Mannes gegen das Weib folgte.
Selbstmord. Wenn wir noch einmal auf den vorigen
Fall zurückkommen, der sehr wichtig ist, weil die Sektion ge-
gemacht wurde und weil er für die Frau während ihres
Lebens eine schwere Wirkung hatte: die Lypemanie, so
müssen wir auch daran erinnern, dass Alessia in Bezug auf
Thorax und Becken männlichen Habitus aufwies, auch Flaum
an der Oberlippe und an den Armen hatte, während das Ge-
sicht unentschieden zwischen beiden Geschlechtern schwankte.
Dies trug zur Unsicherheit der Diagnose bei. Aber alles
dieses genügt nicht, um den Entschluss Alessias zum. Selbst-
mord zu erklären, denn solche Bildungsfehler und ähnliche
— 289 —
moralische Aufregungen sind in sehr vielen anderen Fällen
eingetreten ohne dieselben Folgen, so dass wahrscheinlich der
Kontrast zu ihrer Erziehung und den früheren Gewohnheiten
viel beigetragen haben wird. Wenige andere Beispiele von
Selbstmord sind uns bekannt geworden, leider ohne hin-
reichende Nachrichten über den körperlichen oder mora-
lischen Zustand der Kranken, mit Ausnahme des von Re-
verchon mitgeteilten, bei dem seltsame Verwickelungen und
schwere Wirkungen eintraten. Aber im allgemeinen werfen
sie kein Licht auf die Ätiologie, ausgenommen die Missbildung
der Geschlechtsteile. Ein jugendlicher Selbstmörder wird von
Porro erwähnt (Beob. 43, Kap. I) mit der Nachricht, dass
seine Missbildung der seines ebenfalls noch Jugendlichen
Vaters gleich war. Ein anderer Selbstmörder war der von
C. Langer im Jahre 1881 sezierte Soldat, ein männlicher
Pseudo-Hermaphrodit, ohne Ovarien, mit Ektopie eines Hodens,
(p. 71, Beob. 43.)
Die schwerste, ungewöhnlichste Thatsache, die mit ge-
schlechtlichen Missbildungen in Verbindung steht, ist fol-
gende von Reverchon beschriebene (Beob. 53), bei der es
sich nicht um Selbstmord, sondern um freiwilligen Mord
handelt, und deren Ätiologie durch erbliche Psychopathie auf-
geklärt wird. Einer Weberin, namens Maria Chupin, mit erb-
licher Belastung (3 Demente auf mütterlicher, ein Epileptiker
auf väterlicher Seite), mit spät erscheinender Intelligenz, die
erst mit 13 Jahren lesen lernte, sprossten, statt des Auf-
tretens der Menstruation, Haare im Gesicht; sie zeigte grosse
Neigung zu religiösen Übungen, aber kein Anzeichen von sexuellen
Instinkten. Mit 15 Jahren fing sie an, mit ihrem Bruder zu
streiten, weil sie beschuldigt wurde, die häuslichen Arbeiten
zu vernachlässigen, so dass das Mädchen jähzornig und selt-
sam wurde.
Mit 25 Jahren, als sie bei einer Cousine schlief, bemerkte
sie, dass diese geschlechtlich anders beschaffen war, als sie
selbst und fing an, Zeichen von Wahnsinn zu geben. Da sie
sich von dem Joche der Familie befreien und nicht nach
Hause zurückkehren wollte, beschloss sie, ein Kind zu er-
greifen und in einen Brunnen zu werfen, und sich dann den
Gendarmen zu überliefern, fest überzeugt, dass das Kind
Taruffi, Hermaphrodismus. ' 19
— 290 —
in den Himmel kommen würde. So that sie; sie wurde
gefangen genommen und dann ins Irrenhaus gebracht, wo sie
als Mann gekleidet wurde. Der Autor besuchte sie und be-
richtete, Maria sei 171 cm hoch, habe einen Bart, männliche
Stimme, einen gekrümmten Penis mit Hypospadie der ganzen
Länge nach (vollständiger). In die Furche des Scrotums
mündete die Urethra (scrotale Hypospadie) mit einem
zweiten, blinden Kanäle darunter, der 9 cm laug war (Vagina).
Der Scrotalsack enthielt rechts einen atrophischen Hoden und
einen Leistenbruch. Maria erkannte ihr Unrecht, behielt aber
seltsame, leichtsinnige Ideen bei und blieb gestört, weshalb sie im
Irrenhause zurückbehalten wurde.
Ehescheidung und Ungültigkeit der Ehe. Bei den
angeführten psycho -sexualen Störungen haben wir bemerkt,
dass die intellektuellen Erscheinungen die physischen Al-
terationen dem Grad und der Qualität der Alterationen nach
nicht gleichförmig begleiten, oder ihnen nachfolgen. Nun können
wir voraussehen, dass dasselbe in Bezug auf die Ehescheidung
(wo sie erlaubt ist) und der Ungültigkeit der Ehe der Fall
sein wird, und dass also beide nicht mit einer Gruppe von
Missbildungen, wie die urethro- sexualen, konstant verbunden
sein werden, und noch viel weniger, dass ihnen gleichförmige
Umstände vorhergehen, die geeignet wären, dasselbe Ee-
sultat hervorzubringen. Wenn dagegen die Missbildungen nicht
eine Gruppe bilden, sondern vereinzelt auftreten, dann bringen
sie mancherlei örtliche Störungen hervor, aber keine intellektuellen
(psychopathischen) Erscheinungen. Da wir einige Beispiele von
verschiedenartigen Veranlassungen zur Ehescheidung geben
wollen, erwähnen wir den seltsamen, aber zugleich natürlichen
Fall von Volaterranoi), von einem Mädchen, das sich verhei-
ratete, worauf sich bei demselben männliche Organe entwickelten.
(Die sogenannte Verwandlung des Geschlechts.) Darauf bat
die Gattin Alexander VI. um Auflösung der Ehe, aber das
Eesultat ist nicht bekannt. Ein zweiter Fall wird von Cal-
dani2) im Jahr 1794 erzählt und zeigt eine seltsame Veran-
^) S. Augustinus, De civitate Dei. Libr. 3, Cap. 31.
2) L. M. A. Caldani (Padova), Lettera al Dr. V. Zeyiani. Mein,
della SOG. ital. Verona, 1794, T. VII, p. 130.
— 291 —
lassung zur Scheidung. Domenica Scappato aus Padua, 40 Jahre
alt, von hoher Gestalt, amenorrhoisch, verheiratete sich mit
17 Jahren, aber nach 18 Monaten verklagte sie der G-atte vor
dem geistlichen Grerichte als untauglich zur Ehe. Ärztliche
Sachverständige vvaren dem Manne günstig und sprachen die
Scheidung vom Bett aus. Die Frau ärgerte sich über das
Urteil und verlangte die Rückgabe der Mitgift, was der Mann
zugestand, sobald sie regelmässig geschieden sein würden.
Dies veranlasste eine neue gerichtlich-medizinische Unter-
suchung der Frau, durch welche die Untauglichkeit der Frau
wegen übermässiger Grösse der Clitoris bestätigt wurde. (In
Fig. rV der beigefügten Tafel sieht man vom Präputium zwei
Bänder zu den grossen Schamlippen herabsteigen, und zwei
innere, die der Verfasser für ein doppeltes Frenulum hält, das
eine unter der Clitoris liegende Spalte begrenzt.) Unter den
Gründen für die Scheidung verdient besondere Beachtung der-
jenige der Frau, weil er beweist, dass die Veröffentlichung körper-
licher Fehler einer Frau bei dieser eine Eeaktion hervorruft,
die sie veranlasst, einen zweiten Prozess anzufangen mit der
Aussicht auf eine zweite gerichtlich-medizinische Untersuchung.
Ein ähnlicher Fall wie der von Caldani wurde von
Vinc. Chiarugi (Prof, in Florenz) im Jahre 1819 publizierti).
Dieser erzählt: Rosa N. N. verheiratete sich im Jahre 1804
im Alter von 38 Jahren ; sie hatte männliche Formen. Aber
nach 18 Monaten brachte der Gatte eine Klage auf Ehe-
scheidung vor der bischöflichen Curie von Fiesole ein. Die
Curie beauftragte einen Arzt, der die Gattin für eine zur Ehe
unfähige Frau erklärte. Aber die Frau erzürnte sich über
dieses Urteil und wanderte nach Florenz aus, wo sie von der
Arbeit ihrer Hände lebte, während der Gatte diese freiwillige
Trennung 11 Jahre lang ertrug. Dieses Zustandes müde,
fing er einen neuen Prozess an, um von dem Florentiner Metro-
politan die gesetzliche Lösung der Ehe zu erlangen. Dieser
beauftragte Prof. Chiarugi, den Verfasser des Berichts, mit
1) V. Cliiarugi, Sopra una supposta forma di ermafroditismo. Lettera
al Prof. Tommasini. Firenze 1819 (in 26"). — Taruffi, Note 2,
Beob. 26. — Wir wissen, nicht, ob dieser Autor ein Verwandter des jetzigen
Prof. Giulio Chiarugi, eines trefflichen Anatomen, ist.
19*
— 292 —
der Untersucliung der Frau, aus welcher Folgendes hervorgeht:
Eosa N. N. gab 52 Jahre an, hatte in der That männlichen
Habitus, am Arcus pubis eine undurchbohrte Eichel mit
Präputium und einem querfingerlangen Freuulum, an dessen
Ende sich die Urethra öffnete. Der Verf. schweigt über
das Fehlen des Peniskörpers, sagt aber, hinter der Münd-
ung der Urethra seien einige Falten sichtbar gewesen,
auf welche die Rhaphe des Scrotums folgte. Dieses wurde dar-
gestellt durch zwei an den Schenkeln anliegende kleine Beutel,
von denen jeder eine Hernie enthielt. Wenn man die Hernien
ins Abdomen zurückbrachte, traten aus den Leistenringen zwei
Hoden hervor. Daher schloss der Verf., es handele sich um
einen Mann mit unvollkommen ausgebildeten Geschlechtsteilen, so
dass dieser Mann unfähig war, eine vollständige Copula aus-
zuführen.
Es giebt auch Scheidungsklagen von Frauen, welche die
sterile Scheidung einem impotenten Gatten vorzogen, und ein
Beispiel wurde von Leuckarti) mit einer verheirateten
Bäuerin geliefert, die sich sogleich von ihrem Manne trennte
und dann bis zu ihrem 74-. Jahre lebte. Bei der Sektion
wies sie alle männlichen Charaktere auf und zeigte ausserdem
zwei Kanäle, die in die Samenbläschen mündeten. Hier fügen
wir eine andere gerichtlich-medizinische Beobachtung an, nicht
wegen einer Trennung der Gatten, sondern wegen der Unter-
suchung, ob das Mädchen zur Ehe tauglich sei. Werbe 2) er-
zählt, dass ein Mädchen mehrfach zur Ehe verlangt wurde,
aber nach der Pubertät war die Menstruation nicht eingetreten,
während die Anmut des Gesichts zu schwinden anfing, um
männlichen Zügen Platz zu machen. Darum verlangten die
beunruhigten Eltern ein gerichtlich-medizinisches Gutachten über
den Zustand ihrer Tochter. Dieses Gutachten überraschte und
betrübte das Mädchen sehr, denn sie erkannte, dass sie ein Mann
sei und nicht heiraten könne. Es dauerte lange, ehe das an-
gebliche Weib sich von ihrer Beunruhigung erholte und endlich
1) K. G. F. E. Leuckart (Leipzig), Illustr. med. Zeitschr. 1817, Bd. 1.
— Taruffi, Mem. cit. 1899, T. VII, p. 740. — Vgl. pag. 64. Beob. 6.
^) Observ. sur un hypospadias, qui a rendu l'existence civile d'un in-
dividu fort ambigue. Bullet. Soc. medic. Paris 1815, No. 5, p. 364.
— 293 —
das Gericht ersuclite, ihre Geburtsakten zu herichtigen. Aus
dieser Geschichte folgt, dass nicht nur die von dem Gatten
verlangte Scheidung die Frau beunruhigt, sondern dass sich diese
auch dann beunruhigt, wenn sie öffentlich dazu gezwungen
wird, ihr Geschlecht berichtigen zu lassen.
Endlich noch einen anderen Fall von wirklicher Nullität
der Ehe, der das geistliche und bürgerliche Gericht der Provinz
Eom lange beschäftigt hat. Faustina N. N. verheiratete sich
mit 21 Jahren, aber ihr Gatte fand Schwierigkeiten bei Er-
füllung seiner ehelichen Pflicht, so dass er versuchte, mit einem
kleinen Messer den zu engen Teil zu erweitera, doch ohne
Erfolg. Unterdessen bemerkte Faustina, dass sie ein Organ
besass, das die Paarung verhinderte, erzählte ihre Sorgen der
Frau ihres Bruders und verliebte sich zuletzt in dieselbe. Nach
10 jährigem Zusammenleben mit ihrem Gatten verlangte sie im
Tahre 1870 von ihm geschieden zu werden. Der Sachverständige
Badalonii) erkannte bei der Frau männliche Organe, nämlich
Hoden und einen Penis, und ausserdem Hypospadie, weshalb
das Tribunal die Ehe aufhob und den Namen Faustina in
Faustino verbesserte. Dies beweist, dass es Männer giebt, die
die Hindernisse geduldig ertragen, und Weiber, die den Gatten
verlassen, um ihren natürlichen Trieben zu folgen. Es lehrt
ferner, dass geschlechtliche Hindernisse Veranlassung zu gefähr-
licher Erweiterung zu enger Teile geben.
Chirurgische Hilfe. Der Versuch des Gatten Faustinas
veranlasst uns, einige chirurgische Operationen zu erwähnen,
die zur Besserung gewisser angeborener Anomalien der Ge-
schlechtsteile unternommen worden sind; diese betreffen Hypo-
spadie, Amputation der Clitoris, angeborene Verengerung der
Vulva und Vagina und Eecto-Vaginalflsteln. Die Behandlung
und die Operationsverfahren sind schon praktisch verwendet
und haben keine direkte Beziehung zu den Wirkungen der
sexuellen Psychopathien, darum beschränken wir unseren Bericht
auf zwei neue, kühne Operationen: die eine, um den Mangel
eines Organs zu ersetzen, die andere, um das Geschlecht der
0 Grins. Badaloni, Bull, della E. Acc. di Roma, 1885. — Gazz.
degli Osped. di Milano. Luglio, 1885. Con 3 fig. — Taruffi, Nota 2,
Osserr. 66.
- 29i —
Kranken zu diagnostizieren. Die erste stammt von Coste in
Marseille (Note 2, Beob. 31), welcher von einem 21 jährigen
menstruierten Mädchen erzählt, das sich zu verheiraten wünschte,
obgleich sie einen kindlichen Penis ohne Urethra und keine
Scheidenöffnung hatte, mit zwei grossen Schamlippen, von denen
die eine einen Hoden enthielt. Dennoch stand sie nicht an,
sich eine künstliche Scheide machen und den angeblichen Penis
(Clitoris) amputieren zu lassen, und verheiratete sich 8 Monate
darauf. Aber der Autor sagt nicht, ob die angebliche Frau
später Nachkommen hatte. Dieser Fall würde von chirurgischer
Wichtigkeit sein, wenn die Beschaffenheit und die Ausdehnung
der durchschnittenen Teile angegeben wären.
Von grösserer Wichtigkeit ist die Beobachtung von Porroi)
(Beob. 43), obgleich sie weder auf die Gruppe der urethro-
sexualen Affektionen, noch auf ihre Komplikationen oder ihre
Folgen ein helleres Licht wirft, sondern nur gestattet, das
Geschlecht eines mit einem oder mehreren Charakteren der-
selben Gruppe behafteten Individuums zu erkennen. Wir haben
schon angegeben, wie häufig die Fälle von zweifelhaftem Ge-
schlecht sind, und dass dies besonders bei verborgenen Hoden
vorkommt, welche oft in den Leistenkanälen zurückbleiben,
Porro beabsichtigte in einem solchen Falle, den in der Leisten-
gegend verborgenen drüsigen Körper blosszulegen und entdeckte,
dass es ein Hode mit allen seinen Eigenschaften war. So hat
er gezeigt, dass man durch eine unschädliche und leicht zu
heilende Operation eine verhältnismässig häufige Frage beant-
worten und einer Familie den Frieden wiedergeben kann, indem
man das Geschlecht eines Kindes bestimmt. Was die klinischen
Charaktere des Mädchens betrifft; das als Knabe erkannt wurde,
so verweisen wir auf die schon angeführte Geschichte, der hier
nichts Neues hinzuzufügen ist.
Erotische Erweiterung der Urethra. Wir haben
schon weiter oben die merkwürdigen Fälle erwähnt, bei
denen geschlechtliche Hindernisse des Coitus zur Sodomie
führten, darunter den denkwürdigen pariser von Luis Anto nius,
dessen Bekanntmachung wir Benedikt XIV. verdanken, während
^) Prof. Ed. Porro, Indagine cruenta per giudicare con sicurezza del
sesso. Gazz. med. lomb. Milano, 1862, No. 51, p. 515.
— 295 —
die These im Jahre 1754 vom Parlament verboten wor-
den war. (Vgl. p. 24:8. Note 5. Beobacht. 5.) Hier er-
wähnen wir nur zwei neuere Fälle, bei denen physische Hinder-
nisse zur Erweiterung der Urethra führten, und für die wir
die Benennung „Erotische Erweiterung der Urethra" eingeführt
haben. Dieser Titel wird anatomisch seltsam erscheinen, aber
für die Chirurgen ist er durchaus nicht unwahrscheinlich, da
man weiss, wie leicht sich die weibliche Urethra erweitern
lässt, so dass sie die Einführung von Instrumenten zur Aus-
ziehung des Steins ohne vorhergehenden Einschnitt erlaubt.
Sehr interessant ist der Fall der Faustina Mauro, die für
eine Frau mit zwei grossen Schamlippen und einer grossen
Clitoris gehalten wurde; später fand man darin die Hoden und
einen echten Penis. Da sie sich in eine Frau verliebt hatte,
verlangte sie die Nichtigkeitserklärung ihrer Ehe nach 10 jährigem
Zusammenleben mit ihrem Gatten. Das Gericht ordnete eine
Untersuchung an, und der Sachverständige fand eine Furche
unterhalb der Clitoris, die sich in einen Kanal erweiterte, der
zu einer mit Schleimhaut bekleideten Öffnung führte. Durch
diese Öffnung gelangte ein Finger in die Blase, was der Sach-
verständige für die Wirkung wiederholter Versuche zum Coitus
hielt. Er urteilte, es handele sich um perineale Hypospadie
bei einem Mann, ohne eine Spur von weiblichen Organen.
(Beob. 66, wo sich weitere Einzelheiten finden.)
Die zweite Beobachtung ist ebenso wichtig und rührt von
Do hm her (Beob. 67). Eine Frau von 31 Jahren, seit 6 Jahren
verheiratet, zuerst amenorrhoisch, dann unregelmässig men-
struiert, mit weiblichem Habitus. Sie hatte zwei Labia majora,
von denen jede einen beweglichen Körper von verschiedener
Grösse enthielt und eine einem Penis ähnliche Clitoris, mit
Kapuze, die sich in die Labia minora fortsetzte, aber keine
Spur von inneren weiblichen Organen, Man bemerkte jedoch
eine sehr weite Öffnung der Urethra, so dass sie die Einführung
des Fingers in die Blase erlaubte, worin sich Blutpolypen be-
fanden, welche die unregelmässige Blutung erklärten. Das
Interessanteste war, dass die Frau den Verf, wegen Störungen
bei Erfüllung der ehelichen Pflicht um Rat fragte; so erfuhr
der Verf., dass der Gatte, ohne es zu wissen, sich der Urethra
— 296 -
bediente, und die Frau die Ursache der Störungen; dennoch
zog sie vor, als Frau in ihrer friedlichen Ehe weiter zu leben.
Komplizierte und dunkle Vorgänge. Es ist selt-
sam, dass unter den 84 gesammelten Fällen sich nur einmal
die Greschichte der Flucht eines jungen Mädchens aus dem
väterlichen Hause findet, während dies unter Personen ohne
Missbildung der äusseren weiblichen Geschlechtsteile häufig
vorkommt. Der Fall gehört Sinibaldi an (Beob. 2), welcher
erzählt, ein Mädchen sei aus ihrem Vaterlande geflohen, nach-
dem es seine Umwandlung in einen Mann bemerkt habe. Dieser
Fall, ohne weitere Nachrichten, lässt sich nur durch die An-
nahme erklären, dass das angebliche Mädchen sich schämte,
seiner Familie seine Umwandlung mitzuteilen, besonders wenn
zugleich vorhandene erotische Triebe ihm beschwerlich wurden.
Ein ebenso seltsamer Fall ist von Dr. Auria erzählt worden
(Beob. 1). Er betrifft eine Frau, bei der nach der Heirat
Hoden und Penis erschienen. Nach 5 jähriger Ehe starb der
Gatte; bis dahin hatte sie immer das Geheimnis bewahrt. Die
betrübte "Witwe wendete sich an den Erzbischof von Palermo,
um ihm den seltsamen Vorgang mitzuteilen, und dieser schickte
sie an den König von Spanien. Von den ihr in Madrid er-
teilten Eatschlägen wissen wir weiter nichts, als dass die an-
gebliche Frau als Priester gekleidet nach Palermo zurück-
kehrte.
Ein anderer, von Lombroso mitgeteilter Fall (Beob. 48)
ist ebenfalls sehr dunkel in Bezug auf den Zusammenhang der
psychischen Störungen der angeblichen Frau, so dass er zu den
zur Erklärung der Psychopathien wenig günstigen Fällen gehört.
Ein Mädchen aus guter Familie, mit einem Kropf, mit männ-
lichem Habitus und weiblichen Gesichtszügen, war maniakalisch
und betrübte sich sehr, als sie ihre geschlechtliche Missbildung
bemerkte. Sie hatte eine Vulva und grosse Schamlippen mit
Hoden und eine sehr grosse Clitoris (Mikrophallus mit Hypo-
spadie), aber keine Vagina. Mit dieser Beschreibung ist es
unmöglich, den Ursprung und die Natur ihres Leidens zu er-
klären.
Wir haben, so weit es möglich war, die biographische
Analyse der von uns gesammelten Fälle vollendet (s. Note 2) ;
es bleibt uns noch übrig, über die von anderen, sowohl aus
— 297 —
diesen Thatsachen, als aus den von ihnen selbst beschriebe-
nen gezogenen Schlüsse zu berichten. Einige versuchten
am Anfang dieses Jahrhunderts allgemeine Betrachtungen
vorzutragen, wie Dailliez. Er machte einige ungedruckte
oder wenig bekannte Greschichten zum Gegenstande einer "
These 1), in der die Schlüsse, wie vorauszusehen war, zu
allgemein und zu kühn waren. So behauptete er, die Indivi-
duen mit zweifelhaftem Geschlecht bildeten eine Gruppe von
physisch und moralisch krankhaften Subjekten, sie seien bald
demoralisiert, bald Betrüger, bald doppelten Charakters. In-
folgedessen ist diese These der Vergessenheit anheimge-
fallen.
Ein weiterer Schritt wurde im Jahre 1814 von Worbe
gethan2), der einige sehr wichtige Beobachtungen mitteilte,
darunter eine mit dem Titel: „Über die Hypospadie, welche
die bürgerliche Existenz eines Individuums sehr zweideutig
machte und viele einander widersprechende gerichtliche Ver-
handlungen hervorrief." Diese Arbeit hatte zwei Verdienste:
einmal, dass sie die Existenz von Individuen beweist, deren
Geschlecht man nicht bestimmen kann; ferner, dass dieser
Zustand gewöhnlich lange und schwierige Fragen veranlasst.
Das erste Verdienst erwarb der berühmte französische Teratolog
Is. G. St. Hilaire im Jahre 18363), der bei Sammlung einiger
anderen Fälle von zweifelhaftem Geschlecht diverse fand, bei
denen der beklagenswerte Irrtum begangen worden war, dass
man hermaphroditische Männer zu den Weibern gerechnet hatte.
Bei diesen bemerkt der Verf., dass die männlichen Charaktere
fortbestehen trotz der Erziehung und der häuslichen Gewohn-
heiten, d. h. der betreffende moralische Charakter, sowie die
physischen Handlungen bestehen fort, so dass der angeborene
Einfluss des männlichen Geschlechts sich durch Unterricht und
Kleidung nicht verbergen lässt.
^) G. D ailliez (Cambrai), Les sujets de sese douteux. These de Paris,
1823, Bailliere, 1893.
2) Worbe, Bull, de la fac. de med. de Paris, 1814—1815, T. IV,
p. 364—372. — Taruffi, Note 2, Beob. 23.
2) Is. G. St. Hilaire, Hermaplirodisme masculin, T. II, Paris, 1836,
Bruxelles, 1837, p. 48.
— 298 —
Als wir vom körperliclien Habitus sprachen, zeigten wir,
dass die Angabe St. Hilaires deutliche Ausnahmen erleidet;
dennoch ist sie oft wahr und vermehrt die Schwierigkeit der
Diagnose. Hier erwähnen wir nur den Fall von Individuen,
die von Geburt an klinisch für zweifelhaften Gleschlechts ge-
golten hatten und die unglücklichen Folgen trugen, obgleich in
ihrer Jugend und ihrem Mannesalter die Wahrheit an den Tag
kam, aber nicht hinreichend beachtet wurde. Diese Individuen,
die schon in früheren Jahrhunderten beschrieben worden sind
(s. Pinaeus, pag. 10), wurden in unserer Zeit besonders in
Frankreich (soviel wir wissen) von einigen Chirurgen und Ge-
burtshelfern von neuem untersucht, die sie mit Zufügung einiger
besonderer Betrachtungen beschrieben haben. Z. B. sprach
Follini) eine allgemeine Wahrheit aus, dass nämlich in den
Fällen von Hermaphrodismus (in weiterem Sinne) die Diagnose
nur bei der Sektion gemacht werden kann. Henriette^),
Duf our^) und Chesneut*) haben Beispiele mitgeteilt, bei denen
sie auf die grossen Schwierigkeiten der Diagnose hinwiesen.
In Bezug auf diese und ohne Zweifel auf andere Beobachtungen,
die wir nicht kennen, haben die deutschen Juristen besondere
Verfügungen in das deutsche Gesetzbuch eingeführt, wie man
bei Caspers) in einer der Ausgaben zwischen 1856 und 1864
findet.
Allgemeines Landrecht, Tit. I., T, I, § 19. Wenn ein Kind
als Hermaphrodit geboren wird, entscheiden die Eltern, zu
welchem Geschlecht es gehören soll.
Ibid. § 20. Nach zurückgelegtem 18. Jahre hat der Herm-
aphrodit das Recht, selbst sein Geschlecht zu wählen.
^) F oll in, Individue qui presente ä la fois les organes genitaux
mäles et femelies. Gaz. des hopit. 4 Dec. 1851.
^) Henriette, Est-ce un gargon? Est-ce une fille? oii les medecins
et les officiers de l'etat civil dans l'embarras. Journ de med. Janv. 1855.
Canstatts Jahresber. für 1855, Bd. IV, p. 30.
^) Vice de conformation des organes genitaux externes. Bull, de la
soc. anat. de Paris, A. 31. Paris, 1856, Ser. 2, T. I, p. 262.
*) Chesneut, Question d'identite; vice de conformation des organes
genitaux; hypospadias ; erreur sur le sexe. Ann. d'hyg. publ. et de med.
legale. Paris, 1860, Ser. 2, T. XIV, p. 206—209.
^) J. L. Casper, Praktisches Handbuch der gerichtlichen Medizin.
1856, Bd. 2, 4. Aufl. 1864:. Mit Atlas.
— 299 —
Ibid. § 21. Nach dieser Wahl werden dann seine Rechte
bestimmt.
Ibid. § 22. -Wenn die Eechte eines Dritten von dem Ge-
schlecht des angeblichen Hermaphroditen abhängen, kann dieser
ärztliche Untersnchung beantragen.
Ibid. § 23. Das Resultat der Untersuchung des Sachver-
ständigen entscheidet sowohl gegen die Wahl des Hermaphro-
diten, als gegen die der Eltern.
Nachdem er diese gesetzlichen Vorschriften angeführt hat,
sagt Casper, wenn ein Arzt bei der Entscheidung, ob ein
Individuum männlich oder weiblich sei, einen Irrtum begehe,
sei er um so eher zu entschuldigen, wenn er nicht einige sicht-
bare und alle anatomischen Zeichen benutzen könne. So
besass Maria Derrier (Beob. 2) eine Sammlung von Zeug-
nissen berühmter Anatomen ihrer Zeit, von denen einige sie
für einen Mann, andere für eine Frau erklärten. Diese An-
sicht Caspers wurde dann im Jahre 1861 von Lombroso
wiederholt, welcher sagte, die Untersuchung von Pseudo-Herm-
aphroditen während ihres Lebens verlange grosse Vorsicht bei
entscheidenden Schlüssen i).
Ob das angeführte preussische Gesetz jetzt noch gilt, wissen
wir nichts). Aber es ist bemerkenswert, dass es zum Teil das
römische Recht aufrecht erhält, denn es ist bekannt, dass
UlpianS) ein geschicktes Auskunftsmittel erdachte, um das
Geschlecht eines Neugeborenen zu bestimmen, mit dem Unter-
schiede, dass das preussische Gesetz eine mit dem Ulpian-
schen übereinstimmende Verordnung hinzufügte, die für die
Rechte Dritter sorgte ; auf diese Weise genügte das Gesetz für
Fälle von zweifelhaftem Geschlecht. Ob das Gesetz wirklich
gut war und alle Klippen vermied, das überlassen wir dem
Nachdenken der Juristen, uns genügt es, dass schon Ulpian
sagte: „Quaeritur, hermaphroditum cui comparamus? et magis
puto ejus sexum aestimandum, qui in eo praevalet."
^) Ges. Lombroso, Caso d' ermafrodismo. Giorn. delle mal. vener.
Milane, 1867, Vol. IV, p. 306.
■^) Vgl. W. Rudeck, Medizin ii. Eecht. 2. Aufl. pag. 354: Strittiges
Geschlecht und Zeugungsunfäliigkeit. Berl. 1902. Daselbst finden sich auch
einige Beobachtungen.
•'') Ul planus. De hermaphrodito. Lib. 1 ad Sabinum. Digestorum
liber primus, titulus quintus.
— 300 —
Die medizinisclieii Arbeiten Caspers, die sich auf die
Gesetzgebung beziehen, wurden überall geschätzt, und die
Hauptwerke ins Italienische und ins Französische übersetzt. Die
Turiner Ausgabe von 1869 enthält wichtige Anmerkungen von
Prof. De Maria, von denen einei) sich auf ein 60 jähriges In-
dividuum bezieht, das mehrere Jahre als Gatte mit einer Frau
lebte. Später ergab sich dieser Gatte Ausschweifungen mit
Weibern. Als dann die angebliche Frau starb, bewies die
Sektion, dass es sich um einen Mann handelte. In dieser Be-
ziehung schlägt De Maria nicht gleiche, aber ähnliche Ver-
ordnungen vor, wie das preussische Gesetz, um schwere Ver-
stösse gegen die guten Sitten zu verhindern. Aber De Maria
sagt nicht, welcher Art die ähnlichen Verordnungen sein müssten,
rät jedoch, auf jede Weise für die Fälle dieser Art zu sorgen,
und so geschah ein weiterer Schritt zur Behandlung des zweifel-
haften Geschlechts.
Diese Vorgänge genügten jedoch nicht, um die Juristen
in Bewegung zu setzen ; es waren neue Anregungen nötig, wie
sie es noch sind, um die Absicht zu erreichen. Darum hat Veit 2)
weitere Fälle von zweifelhaftem Geschlecht gesammelt und
publiziert. Später beschrieb Tardieu^) ein neues Beispiel, in
dem er ebenfalls die Notwendigkeit anerkannte, ein zweifel-
haftes Geschlecht anzunehmen. Dann behauptete Pozzi, das
äussere Aussehen der Geschlechtsteile genüge nicht zur Be-
stimmung des Geschlechts 4); da die angeführten Fälle nicht
genügten, fügte Ahlfeld^) andere hinzu, bei denen die
Hypospadie das Geschlecht des Individuums zweifelhaft machte.
^) Siehe die Übersetzung von C a s p e r. Medicina legale, Torino, 1869,
Vol. II, p. 451. — Vgl. oben pag. 245. Beob. 3.
2) J. Veit, Krankheiten der weiblichen Geschlechtsorgane. Erlangen,
1867, p. 463.
^) A. Tardieu, Question medico-legale de l'identite dans les rapports
avec les vices de conformation des organes sexuals, contenant les Souvenirs
et impressions d'un individu, dont le sexe etait meconnu. Paris, 1872.
^) Pozzi, Seance du 7 Juillet 1881. Bull. soc. anthropol. de Paris,
1881, p. 557.
^)F. Ahlfeld, Die Missbildungen des Menschen. Hypospadie.
Leipzig, 1882, Abschn. II, p. 225-226.
— 301 —
Endlich erschien die wichtige Arbeit von Garnieri), welcher
versicherte, er habe gegen 25 Fälle von diagnostischen Irr-
tümern gesammelt, und zog daraus den Schluss, das Gesetz
müsse in G-eburtszeugnissen einen Rückhalt für unbestimmtes
Geschlecht aussprechen. Es müsse nämlich einen suspensiven
Vorbehalt mit Erwähnung des unbestimmten, zweifelhaften Ge-
schlechts anordnen. Dies ist das praktische Resultat, das
Garnier allen gemachten Beobachtungen entnommen hat.
Dieses sehr vorsichtige Resultat war aber nur ein Rat und
zugleich zu allgemein; dennoch gewann es sogleich die Billig-
ung von Leblond2), Steint), Tourdes^) und Filippis).
Aber wir wissen nicht, ob die später in Europa eingeführten
Gesetze diesen Rat befolgt habend); wir wissen nur, dass zur
Schaffung von Einheit in den deutschen Bundesstaaten eine
Kommission von Juristen bestellt worden ist, die viele Jahre
gebraucht hat, um nur die Motive zum neuen Gesetzbuche
zu veröffentlichen. Diese wurden dann am 29. Dezember
1887 dem Kanzler des Deutschen Reichs vorgelegt und 1888
veröffentlicht unter dem Titel: Motive zu dem Entwürfe eines
1) A. Garnier, Du Pseudo-hermaphrodisme comme impediment medico-
legale ä la declaration du sexe dans l'acte de naissance. Ann. hyg. publ. et
med. legale, 1885, Serie 3, T. XIV, p. 293.
2)A. Leblond, Du Pseudo-hermaphrodisme comme impediment
medico-legal ä la declaration du sexe dans l'acte de naissance. Ann. d'hyg.
1885, T. XIV, p. 293. Er hebt besonders die ehelichen Schwierigkeiten
hervor, wenn ein Mann für ein Weib gehalten wurde.
^) S. Stein, Ein Fall von Hermaphroditenbildung. Inaug.-Dissert.
Breslau, 1887. Ein Fall von Pseudo-Hermaphrodismus von dunklem Ge-
schlecht.
*) G. Tourdes (medic.-legale), Dict. encyclop. des sc. med. Paris,
1888, Ser. 4, T. XII, p. 635.
^) A. Filippi (Firenze), Manuale di medicina legale. Firenze, 1896,
p. 129. Er führt 6 Fälle von Veränderung des Geschlechts an und macht
auf die starke moralische Störung aufmerksam, wenn das Geschlecht in vor-
gerücktem Alter bestimmt wird.
^) Wir haben kürzlich vernommen, dass am 18. August 1896 das
Bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Eeichs veröffentlicht worden und am
1. Januar 1900 eingeführt worden ist. Es enthält keine Bestimmung über
die Individuen von zweifelhaftem Geschlecht; aber man muss den Text selbst
durchsehen, da die Anordnungen sich unter einem anderen Titel befinden
können.
— 302 —
Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 5 Vol.
Berlin, 1888.
Eine ziemlich weitläufige Nachricht über die Motive zu
diesem G-esetzbuche wurde von einem Prof. in Lausanne,
E. Lehri) gegeben; er teilt mit, dass in den genannten Mo-
tiven Verfügungen zur Bestimmung des Greschlechts fehlen, und
fügt als eigene Meinung hinzu, diese Auslassung sei sehr ver-
nünftig, weil die angeblichen, von den alten Gesetzgebern an-
geführten Hermaphroditen in Wirklichkeit nur bei solchen In-
dividuen angetroffen werden, bei denen die Geschlechtsteile
schlecht ausgebildet sind; das vorherrschende Geschlecht ist
jedoch immer erkennbar, und wenn es das auch nicht wäre, so
könnte man für so ausnahmsweise Fälle in dem Gesetze nicht
eine abstrakte Eegel aufstellen. Dieser Tadel veranlasst uns
zu einer Betrachtung. Vor allem weiss Prof. Lehr nicht, dass
die Fälle von zweifelhaftem Geschlecht nicht nur der Klinik,
sondern auch der teratologischen Nosologie angehören, denn sie
wurden öfter durch die Sektion bestätigt, so dass die oben ge-
nannten Ärzte als eine bewiesene Thatsache eine dritte Gruppe
von Neugeborenen angenommen haben, die geschlechtslosen,
oder die mit unvollkommenem Geschlecht.
Die Einwürfe des Prof. Lehr beziehen sich nur auf die
von Casper angeführten Artikel, welche die Ähnlichkeit für
Wirklichkeit nehmen, während die Mehrzahl der von uns an-
geführten Thatsachen beweist, dass die Ähnlichkeiten oft zum
Irrtum führten und Gelegenheit und Vorspiel zu vielen körper-
lichen und moralischen Übeln lieferten. Andererseits ver-
wechselt heutzutage kein Arzt echten Hermaphrodismus mit
falschem, und keiner, wenn er den Titel eines alten oder neuen
Berichts liest, nimmt die unter diesem Namen angeführten
Missbildungen für echten Hermaphrodismus. Dagegen benutzt
er die Beschreibung, wenn sie gut gemacht ist, um ein Urteil
(Diagnose) ohne gerichtliche vorgefasste Ideen über die Art
der Missbildung zu gewinnen. Wenn dann das Geburtszeugnis
mit Rückhalt über das Geschlecht oder über dessen richtige
Bildung spricht, wie Garnier vorschlägt, hat man den Vor-
teil, die Freiheit des Individuums nicht zu beschränken, so
^) E. Lehr, Tratte elementaire du droit civil germanique. Paris, 1892,
T. II, Mot. 1, p. 26.
— 303 —
dass es später eine gerichtlich -medizinische Untersuchung ver-
anlassen kann, um die Nichtigkeitserklärung des obigen Eück-
halts zu erreichen.
Ferner widersetzt sich Prof. Lehr einem abstrakten Ge-
setze für Ausnahmefälle, und dieser Ausdruck wird gut erklärt.
Kein Zweifel, dass die Missbildungen der äusseren Geschlechts-
teile nicht häufig sind, und dass zur Aufstellung des genauen
Verhältnisses die Eekrutenlisten nicht ausreichen würden, weil
in ihnen die Weiber fehlen, so dass man litterarische und per-
sönliche Nachrichten benutzen muss. Von den ersten haben
wir schon eine gute Zahl geliefert, die vermehrt werden kann ;
so haben wir unter unseren 84 Fällen 12 klinisch zweifelhafte
Fälle gefunden (Beob. 25, 36, 38, 50, 55, 60, 61, 62, 64, 71,.
72, 76) und 4 FäUe ohne Hoden (Beob. 35, 36, 71, 84). End-
lich genügt es, daran zu erinnern, dass Garnier allein
10 Fälle gesammelt hat, und dass, als Magitot am 8. Juni
1863 seine Beobachtung (Beob. 63) der chirurgischen Gesell-
schaft von Paris vortrug, viele sich sogleich erhoben, um ähn-
liche eigene Fälle anzuführen i).
In Betreff der Nachrichten wissen wir, dass eine Ursache
des Irrtums darin besteht, dass die übermässige Grösse der
Clitoris im Verhältnis zu den grossen Schamlippen bisweilen
die Hebammen und noch mehr die Mütter verführt, ein Mäd-
chen für einen Knaben zu halten 2).
Wir wissen auch, dass die Prozesse wegen Nullität der
Ehe infolge von geschlechtlichen Fehlern eine Zeit lang in
katholischen Ländern vor dem kirchlichen Gerichtshofe geführt
wurden, und noch jetzt wird dieses Gericht in gewissen Fällen
vorgezogen, um die Öffentlichkeit zu vermeiden. Die Debatten
werden besonders in die Länge gezogen, um der Familie die
Mitgift zu erhalten, und so kommt es oft zu einem Vergleich
zwischen den Gatten, um sich gegenseitig zu ertragen (Beob.
66). Aber solche Fälle können nicht von uns aufgezählt
werden, denn sowohl die streitenden Parteien, als die Gerichte,
^) Garnier, Du Pseudo-hermaphrodisme. Ann. d'hygiene, Ser. 3,
T. XIV, p. 286.
^) Eeiner Graaf, De virorum organis generationi inservientibus etc.
C. Taruffi, Mem. cit., p. 359, Beob. 10. — Vgl. oben pag. 231. Beob. 10.
— 304 —
halten solche Prozesse geheim imd man erfährt sie nur zu-
fällig auf indirektem Wege.
Da wir diese Missbildungen für zahlreich genug halten, um
eine gesetzliche Verordnung zu verdienen, hoffen wir, dass der
schon anderwärts von uns empfohlene Vorschlag Garniers
jetzt günstig aufgenommen und vervollständigt wirdi). Wohl-
verstanden muss in unserem Falle der Rückhalt (im G-eburts-
schein) sich nicht nur auf die urethro - sexualen Alterationen,
sondern auf jede äussere Missbildung beziehen 2), Wir schlagen
hier ein Mittel zur praktischen Ausführung dieser Massregel
vor, mit Erhaltung der persönlichen Freiheit : es genügt, zuerst
die Geburtssclieine mit Rückhalt geheim zu halten, und erst
später, auf Verlangen, werden sie sowohl dem betreffenden In-
dividuum, als den Eltern oder Vormündern, oder den durch
spezielle Gesetze bezeichneten Behörden mitgeteilt. Diese
Verlangen werden gewöhnlich vorgebracht, wenn das Geschlecht
des einen Gatten offenbar geworden ist, entweder durch eine
Operation, oder von selbst, und dann wird mit Recht der
Rückhalt des Geburtsscheins entweder verbessert oder annul-
liert. Dies wird gewöhnlich nach Eintritt der Pubertät statt-
finden. Aber damit der Antrag auf Annullierung wirksam sei,
muss das Individuum mindestens 15 Jahre alt sein, oder der
Antrag wird wegen Verehelichung, wegen Aushebung u. s. w.
gestellt. Endlich ist es zweckmässig, dass diese Verordnungen
in Gesetze verwandelt werden, um wirksam zu sein und den
Hebammen, den Geburtshelfern und den Lehrern dieser Materien
mitgeteilt werden, unter Hinzufügung der Verpflichtung, über
die angeborenen sexuellen Missbildungen geeignete Vorlesungen
zu halten.
^) Um das Geburtszeugnis auszustellen, wenn das Geschlecht zweifel-
haft ist, und um es nach der Pubertät zu verbessern, muss man sich an die
Juristen wenden, die immer geschickte Glossatoren gewesen sind, um das
Alte mit dem Neuen in Einklang zu bringen.
2) C. Taruffi, Bull, delle sc. med. Gen. 1899, Ser. 7, Vol. X, p. 69
bis 74. Hinsichtlich der unglücklichen Folgen der verschiedenen Arten von
geschlechtlicher Mi^sbildung hat Taruffi das bestätigt, was die Ärzte oft
gesehen haben und was sie empfohlen haben, um solche Folgen zu ver-
meiden, damit die Gesetzgeber endlich das nicht seltene Faktum anerkennen,
dass es Neugeborene giebt, die weder Kaaben noch Mädchen, sondern un-
gewissen Geschlechts sind. Es ist zu wünschen, dass die offiziellen Bevöl-
kerungslisten die Fälle dieser Art berücksichtigen.
Noten
zum dritten Abschnitt des Hermaphrodismus.
Äusserer, klinischer Pseudo- Hermaphrodismus.
Note 1. Zweifelhafte und unvollständige Beobachtungen.
Beob. 1. Paolo Zacchia, Quaest. medico-legales. Romae, 1635,
Libr. 8, Tit. 1, Quaest. 9, No. 16, 17.
Ein Mädclieii hatte folgendermassen gebildete Geschlechtsteile. Zwischen
den Lippen der Vulva (uterus) über dem Meatus urinarius, gegen die innere
Öffnung der Vulva gerichtet, sah man eine fleischige Masse in Gestalt eines
männlichen Gliedes, von der Dicke eines massigen Penis und bei der Erektion
5 Querfinger lang. An der Spitze sah man einen Körper, ähnlich der Glans,
aber ohne Präputium, das durch die Lippen der Vulva ersetzt zu werden
schien. Im äusseren Teile war er von callöser Substanz, und die Glans war
quer durchbohrt; aber die Öffnung Hess fast den kleinen Finger ein. Der
Urin kam nicht aus dieser Öffnung, sondern aus dem Meatus, aus dem er
bei den anderen Weibern zu fliessen pflegt. Die Menstrua kamen nach ihrer
Angabe zum Teil aus dieser Öffnung, zum Teil aus einer anderen, weiter
unten befindlichen Öffnung der Vulva. Unter der fleischigen Masse öffnete
sich ein sehr feiner Meatus, der jedesmal, wenn man Wein oder eine andere
Flüssigkeit in die Öffnung der fleischigen Masse injizierte, deutlich wurde,
und durch ihn trat ein Teil der Flüssigkeit aus, mit Luft gemischt. Die
Nymphen waren sehr dünn.
Beob. 2. Paolo Zacchia, geboren in Rom im Jahre 1584. Quaest.
medico-legales. Roma, 1621—1635, Libr. VIT, Tit. I, Cap. 2, p. 473,
Quaest. 8. N. 8.
Ein gewisser Daniele (Hermaphrodit) konnte niemals mit seiner Frau
auskommen. Unterdessen wurde er von einem Genossen geschwängert, und
eines Nachts, als er bei seiner Frau schlief, wurde er plötzlich von starken
Leibschmerzen befallen, worauf er ein Mädchen gebar, das er nur mit der
rechten Brust säugte, weil die linke keine Milch hatte. Bei ihm war das
weibliche Geschlecht am meisten entwickelt und befand sich auf der rechten
Seite, das männliche war rudimentär und befand sich links. — Er beschreibt
noch andere, äusserlich untersuchte Fälle.
Taruffi, Hermaphrodismus. 20
— 306 —
Beob. 3. Fabrizio Girolamo d'Acquapendente, Opera Chirurgie a.
Patavii, 1617, Lugduni Batavorum, 1723. De chirurgicis operatioEibus.
Cap. LXXX, p. 567. De Hermaphroditis.
Er erfuhr, in Perugia und Padova sei eine Frau, die sich mit anderen
Weibern paaren könne. Während des verflossenen ungarischen Krieges
gebar ein Soldat ein Kind ; er war nur scheinbar ein Mann, in Wirklichkeit
aber ein Weib. — Der weibliche Hermaphrodismus ist häufiger als der
männliche.
Beob. 4. C. T. Burghart, Monstrum pro hermaphrodito false
habitum. Medicorum Silesiacorum Satyrae. Wratislaviae et Lipsiae, 1736,
Satyra I, p. 58—64.
Beob. 5. Cases, Puer judaeus, quoad genitalia monstro-
sus, neque tam hermaphroditis adnu merandus. Ibid. Satyra III,
p. 5—16, 2 pl.
Beob. 6. Tli. Brand, The caseof a boy, which had beenmis-
taken for a girl. London, 1787.
Beob. 7. F. B. Osiander, Neue Denkwürdigkeiten für Ärzte
und Geburtshelfer. Tübingen, 1790? Bd. I, p. 268. Über die Ge-
schlechtsverwechselung neugeborener Kinder.
Sehr spät erkannter Fall von Hypospadie.
Beob. 8. Saunie, Description des parties genitales d'un
enfant male, ayant l'apparence d'un hermap hrodit e. Bull
fac. med. Paris, 1810, T. II, No. 4.
Beob. 9. B. W. Seiler, Observationes nonnullae de testi-
culorum descensu et partium genitalium anomaliis. Lipsiae,
1817, Tab. IV, p. 44.
Maria Christina H. war amenorrhoisch, hatte weiblichen Habitus, sehr
kleine Vulva, sehr enge Scheide und war zum Coitus ungeeignet. Der Verf.
nahm an, in den grossen Schamlippen befänden sich die Hoden und meinte,
es handele sich um zweifelhaftes Geschlecht.
Beob. 10. F. Girelli, Intorno ad un ermafrodito. Comment. del'
Ateneo di Brescia, 1830, p. 49.
Ein Kind zeigte einen grossen Tumor, der zum Teil eine Öffnung
zwischen den Zweigen des Ischion bedeckte. Diese Öffnung hatte Ähnlich-
keit mit dem weiblichen Sinus mit Spuren von Nymphen, aber ohne Clitoris.
Seitlich, links von dieser Öffnung ragte ein fleischiger Körper vor, ähnlich
einem Penis, aber ohne Präputium und ohne Öffnung der Harnröhre. Zwei
grosse Beutel stiegen seitlich herab und umfassten diese Teile in Form von
grossen Schamlippen, enthielten aber keine Spur von Hoden. Der Verf. ist
überzeugt, das Kind sei ein Mädchen.
Beob. 11. 6. F. Girelli, Geschichte eines Neugeborenen mit
doppeltem Geschlecht etc. Mem. med. Brescia, 1833, p. 81.
Nach der Beschreibung lässt sich keine begründete Hypothese bilden.
— 307 —
Beob. 12. Jp. Nunciante (Napoli), Su d' una bizarra anomalia
delle parti generative. Ann. clin. degli incurab. Luglio, 1836, Filiatre
Sebezio, NapoU, 1837, Vol. XIII, p. 237.
Ein sehr zweifelhafter Fall, denn der Verf. spricht von einer Scheide,
die sich in die Blase fortsetzte, und sagt nichts von der Urethra. Er spricht
von birnenförmigen Körpern ausserhalb der Leistenringe, sagt aber nicht, ob
es die Hoden waren. Er sagt nur deutlich, dass die Fortpflanzungsorgane
fehlten, und dass die äusseren weiblichen Geschlechtsteile normal waren,
ausgenommen die Clitoris, die ein Präputium hatte.
Beob. 13. T. B. Curling, Gases of malformation of the female
sexual Organs, causing difficulty in determining the sex.
Med. Times and Gaz., London, 1852, Ser. N., T. IV, p. 81
Beob. 14. Traxel, Prager Vierteljahrsschr., Vol. LH, p. 103.
Wiener mediz. Wochenschr. 1856, No, 18. J. L. Casper, Traite de med.
legale. (Übers.) Paris, 1862, T. I, p. 52.
Dieser Fall wäre wichtig für die Vererbung, wenn in der französischen
Übersetzung die Genealogie wahrscheinlich wäre.
Beob. 15. Czarda, Ein Fall von zweifelhaftem Geschlecht
bei einem Neugeborenen. Wiener mediz. Wochenschr. 1876, No. 44,
Jahresber. für 1876, Bd. 1, p. 300 (28).
Beob. 16. M. Simon, Ein Fall von sogenanntem Pseudo-
Hermaphrodismus masculinus externus. Inaug.-Dissert. Er-
langen, 1886.
Schlecht bestimmter klinischer Fall.
Beob. 17. G. Antonini, Di un caso di p s eudo-ermaf r oditismo
in una famiglia cretinosa. Arch. di psych, sc. penali etc. Torino,
1888, Vol. IX, p. 247.
Zehnjähriges Mädchen mit 5 cm langem Penis, Öffnung der Urethra
an der Wurzel, darunter eine Art von zweigespaltenem Scrotum, das eine
wenig tiefe Höhlung bildet, die mit der zarten Haut bedeckt ist. Vater
epileptisch, Mutter mit Kropf. Diagnose des Geschlechtes zweifelhaft.
Note 2. Klinische Beobachtungen üher urethro - sexuale
Misshildungen.
Beob. 1. V. Auria, Notizie di alcune cose notabili, occorse
in Palermo dal 1636 a 1 1665 , cavate da alcuni manoscritti.
Bibl. stör, e letter. di Sicüia. Palermo, 1869, Vol. II, p. 399.
Im Jahre 1636 kam nach Palermo eine Frau von Trapani , seit
5 Jahren verheiratet. In dieser Zeit entwickelten sich bei ihr Hoden und
Penis. Der Mann starb, ohne den Fall bekannt zu machen. Die Frau stellte
sich dem Kardinal Doria, Erzbischof von Palermo, vor, und dieser Hess sie
durch mehrere Ärzte untersuchen. Diese erklärten sie für einen Mann und
■erlaubten ihr sich zu verheiraten. Der Herzog von Montalto, Vizekönig
20*
— 308 —
von Sizilien, schickte sie nacli Spanien an S. Majestät, nnd nach einem
Jahre kehrte sie, als Priester gekleidet, nach Palermo zurück, mit Bart nnd
dem Namen Don Mario.
Beob. 2. G. B. Sinibaldi, Geneanthropeiä, sive de hominum
gener atione. Eomae, 1642. Francofurti, 1669. Libr. II, Tract. 1,
cp. 7, p. 111.
Der Verf. erfuhr von Pater Francesco, ein Mädchen sei von Spoleto
geflohen und in Ancona von ihrem Bruder gefunden worden. Sie wurde
von Furcht ergriffen und gestand ihre Verwandlung in einen Mann, wofür
sie dann vom Gericht erklärt und Pöstumo Barattani genannt wurde. Diese
Erzählung findet sich auch bei Marcello Donato. Hist. mirab. Libr. VI,
cp. 2.
Beob. 3. P. Zacchia (Eom), Quaestionum medico-legalium
etc. Lugduni, 1661. Libr. 7, Tit. 1, Quaest. IX, p. 501.
Ein Knabe von 14 Jahren, von weiblichem Aussehen, mit vollen Brüsten
und ohne Haare, mit Incontinentia urinae, hatte einen kleinen Penis mit
nicht durchbohrter Eichel und kurzer Vorhaut. In den Weichen befanden
sich zwei kleine Körper, die für Hoden gehalten wurden. Der Knabe be-
gann jedoch mit 15 Jahren zu menstruieren, daher zweifelte Zacchia, ob
die Hoden nicht vielleicht Ovarien wären. An der unteren Wurzel des Penis
war eine Rinne, welche zu einer mit der Blase kommunizierenden Öffnung
führte und ringsum von einer Falte umgeben war. Die Hoden in der
Weiche waren klein und weich, wie die Drüsen, die man in dieser Gegend
findet.
Beob. 4. F. Folli da Borgo S. Sepolcro, Eecreatio physica etc.
Florentiae, 1665.
Pag. 129. „Monialis virgo, postquam plures annos intra sacra claustra
vixisset, femineum sexum in virilem mutavit."
Beob. 5. Th. Allen, Exact narrative of an hermaphrodite
now in London. PhiL trans. of London, 1666, p. 624.
Das Scrotum war in zwei Lappen geteilt, von denen jeder einen Hoden
enthielt. Ein undurchbohrter Penis, darunter eine Art von Vulva, ohne
Clitoris.
Beob. 6. A. Haller, Kommentare von Göttingen. T. 1, 1741.
Transact. philos. (Kompiliert von Louthorp, Tom. III.)
Mädchen von 13 Jahren (Anna Wild) hatte zwei gerunzelte, vom Pubes
gehaltene Scrota, jeder einen Hoden enthaltend, die im sechsten Jahre beim
Spielen mit andern Kindern erschienen ; der Penis befand sich an der ge-
wöhnlichen Stelle.
Beob. 7. Betrifft Michele Anna Drouart.
G. H. Burghart, Gründliche Nachricht von einem Herm-
aphroditen. Breslau, 1743 — 63.
G. Grashuis, De infante Hermaphrodito dicto etc. Acta nat.
curios. A. 1744, Vol. VIII, p. 287, Obs. 81. (Pro foemina habitus, partus
vere masculus.)
— 309 —
C. J. Mertrud (Chirurg des Königs von Frankreich), Dissertation
au sujet de la fameuse herm aphro dite, qui parait aux yeux
du public. Paris, 1749. Avec Fig.
J. F. Morand, Question de medecine sur les hermaphro-
dites. Mem. de l'ac. des sc. de Paris, 1750, p. 165.
Frau von 16 Jahren mit Penis und Präputium, ohne Urethra. Öffnung
der Vulva, in der man den Meatus urethrae nicht erkennt, trotz des starken
Urinstrahls. Scheide kurz.
Hoin, Nouvelle description de l'hermaphrodite Drouard,
tel qu'on le voit ä Dijon en Aoüt 1760. Dijon, 1761.
Haller, Elementa physiologiae. T. VII, Libr. 28.
Wird angeführt, vielleicht weil Anne Drouart an unregelmässiger
Menstruation litt, und Hall er mit grosser Gelehrsamkeit über die Varie-
täten der purgatio menstrualis spricht. (Sect. III, p. 137.)
M. Girardi (Parma), De re anatomica. Prolusio, Parmae, 1781,
Nota d, p. 27.
Er beobachtete A. Drouart im Jahre 1779, 30 Jahre nachdem Morand
sie untersucht hatte.
J. S. Petit, Traite des maladies chirurgicales. Paris 1790.
T. III, p. 107.
Männlich mit weiblichem Aussehen.
L. M. A. Caldani (Padova), Lettera a Verardo Zeviani. Mem.
della Soc. ital. Verona, 1794, Vol. VII, p. 130. Mt Tafel.
Ausser der Geschichte von Anne Drouart erzählt Caldani eine eigene
Beobachtung an einer amenorrhoischen Ehefrau, mit Vulva und zwei Quer-
flnger langer Clitoris, mit Präputium und Mündung der Urethra an ihrer
Wurzel. Nach unten war die blind endigende Vagina, drei Zoll tief. Der
Gatte trug auf Scheidung an.
J. Foiler, über angeborene menschliche Missbildungen
im allgemeinen und Hermaproditen im besonderen. Landshut,
1820, 2 color. Tafeln.
Bespricht ebenfalls den Fall von A. Drouart.
Is. G. St. Hilaire, Des anomalies etc. Paris, 1836, T. IL Über die
verschiedenen Arten des weiblichen Hermaphrodismus.
Er fasst die zwischen den Schriftstellern stattgehabte Diskussion über
das Geschlecht der A. Drouart zusammen, und schliesst, dass sie in der
Jugend wenig entwickelte Brüste, keine Spuren von Bart und einige Neigung
zum weiblichen Geschlechte besass. Später sprosste der Bart, die Bildung
wurde männlich und ebenso die geschlechtliche Neigung. Bei Untersuchung
der Geschlechtsteile bemerkte er die einem normalen Penis ähnliche Clitoris
ohne Meatus urinarius und eine wohlgebildete Vulva, die zu einer blind
endigenden Scheide führte, wo eine kleine Öffnung war, durch die man in
die Urethra und dann in die Blase eindrang. Weder Uterus, noch Hoden
wurden gefunden, aber der erstere erschlossen, weil sie menstruiert war,
wenn auch sehr unregelmässig.
— 310 —
Beob. 8. Gius. Corigliani, DeApuliae androgyno. Eacc. d' Opusc.
scient. in Venezia, 1761, T. 46, p. 165.
Ein Fall von kurzem, nicht durchbohrtem Penis; die Urethra mündet
am Anfange der Teilung des Scrotums. Fehlen der Scheidenmündung. Im
Scrotum waren die Hoden.
Beob. 9. Colle, Anne Grandjean, Journal historique. Paris, 1765.
-^ Dailiiez, Les sujets de sexe douteux. Paris, 1893.
Anna war im Jahre 1742 in Grenoble geboren. Obgleich ihr Ge-
schlechtsinstinkt ihrem Geschlechte nicht entsprach, wurde sie im Jahre 1761
verheiratet. Vor dem Gericht zu Lyon als Hermaphrodit verklagt, wurde
sie gefangen genommen und zur Auspeitschung verurteilt und für immer
verbannt, weil sie das Sakrament der Ehe entweiht habe. Sie appellierte
nach Paris, wo ihre Geschlechtsteile untersucht wurden, und die Sachver-
ständigen erklärten: der Penis trete aus den grossen Schamlippen hervor,
über dem Meatus urinarius, mit nicht durchbohrter Glans. Sie hatte zwei
Arten von Hoden gegen die Öffnung (der Vulva), war ohne Bart. Die unter-
scheidenden Organe des weiblichen Geschlechts waren mit vielen trüge-
rischen Zeichen des männlichen gemischt.
Das im Jalire 1765 gefällte Urteil hob die frühere Strafe auf, und er-
klärte die Ehe für missbräuchlich. Es erkannte den guten Glauben der Frau
an, nur die Natur habe den Irrtum veranlasst, und liess sie sich wieder als
Frau kleiden. — Da die Sachverständigen wenig Einzelheiten angegeben
haben, bleibt der Fall immer noch zweifelhaft.
Beob. 10. P. Tabarrani, Atti dell' Acc. di sc. di Siena, 1767,
T. III, Append. p. 77, Lettera 3, Tab. IX, Fig. 1.
Der Verf. spricht sehr gelehrt über einen von ihm gesehenen Fall
von einem Manne mit nicht durchbohrtem Penis, an dessen Wurzel sich die
Urethra öffnete. Am oberen Teile des Scrotums war ein Spalt, der einer
Vulva ähnelte. Die beiden Teile des Scrotums enthielten die Hoden.
Beob. 11. J. Lepechia, De hermaphrodito ad sexum virilem
pertinente. Comm. Ac. petrop. Petropoli, 1772, Vol. XVI, p. 525,
Tab. XV.
Ein Jüngling mit zweigeteiltem Scrotum, das Hoden enthielt, mit
Hypospadie. Er hatte noch zwei Brüder mit Missbildungen der Ge-
schlechtsteile.
Beob. 12. A. Leto (Palermo), Lettera latina. Notizie di Letterati.
Palermo, 1773, T. III, 1 Sett. No. 1.
Ein Mädchen nach dem Glauben ihrer Mutter, das in ihrem 12. Jahre
ein Junge wurde. Der Verf. fand einen Penis mit Scrotum, das links einen
Hoden enthielt. Zwischen Scrotum und rechter Lende befand sich ein Spalt,
der eine Lippe der Vulva darstellte. Im unteren Teile dieses Spalts sah
man eine kleine Öffnung, aus der der Urin austrat. Die anderen Zeichen
waren mehr männlich als weiblich.
Beob. 13. F. Caliiri (Siena), Sopra un preteso ermafrodito.
Atti dell' Acc. delle Sc. di Siena, 1774, T. V, p. 167.
— 311 -
Ein Mann von 34 Jahren, aber wenig behaart, mit Penis und Präpu-
tium. Unter dem Penis befand sich an Stelle des Scrotums ein Spalt mit
zwei Lippen, die eine Portsetzung des Frenulums schienen. Aber der Spalt
führte zu keinem Kanäle, nur gegen den After war eine kleine Öffnung,
aus der Urin und Sperma austraten. Die Hoden lagen noch in den Leisten-
kanälen. Trotz der genannten Fehler ist der Verf. der Meinung, man
könne dem Manne die Ehe erlauben, wobei er sich auf ähnliche Fälle stützt.
Beob. 14. A. G. Testa, De re medica etchirurgica. Ferrara,
1781, Epistola IV, cp. 20, p. 145.
Kind von 3 Monaten, ohne Penis. Statt des Scrotums eine Anschwel-
lung mit einem Spalt in der Mitte, worin sich eine Öffnung befand mit zwei
kleinen Lippen, aus der der Urin ausfloss. In der Leistengegend zwei
Höcker, als einziges Zeichen von Hoden.
Beob. 15. G. Gentili (Livorno), Eelazione d' un individuo della
specie umana, fino all' etä di 13 creduto femmina e poi
riconosciuto legalmente per maschio. (Eacc. d' opusc. medico-
pratici). Con tavola. Firenze, 1782, Vol. 6, p. 335.
Ein Jüngling, der für ein Mädchen gehalten wurde, hatte zwei kleine
voneinander getrennte Beutel unter dem Pubes und flaumige Behaarung im
Gesicht. Der Verf. fand die Öffnung der Urethra an der Wurzel des Penis,
eine geschlossene Öffnung an der Spitze der Glans, Hoden und Nebenhoden
in den Beuteln, so dass er schloss, es handele sich um einen Knaben.
Beob. 16. A. F. Löffler, Eine gerichtlich-medizinische Sel-
tenheit: weibliche Anlage über zu grosses männliches Glied.
Neu. Archiv für Geburtsh. etc. Jena, 1798—1800, p. 376.
Eine dem Verf. unbekannt gebliebene Beobachtung.
Beob. 17. H. A. Wrisberg, Commentatio de singulari genita-
lium deformitate in puero hermaphr oditum mentiente.
Göttingen, 1799, Vol. XIII, p. 14. — v. Ammon, Chirurgische Krank-
heiten, 1840, Tafel XX, Fig. 3, p. 95.
Eine Knabe mit sehr kleinem, mit einer Clitoris zu verwechselnden
Penis, vollkommener Hypospadie, geteiltem Scrotum, das Hoden enthielt.
Im rechten Sack war auch eine starke Hernie. Dennoch erwartet der Verf.
die Sektion, um Hermaphrodismus auszuschliessen.
Beob. 18. P. Tonni (Mantova), Sul sesso d' un individuo chia-
mato Giacoma Formi. Mantova, 1802, 4 tav.
Das Individuum war 23 Jahre alt und hatte zweimal Zeichen von
Menstruation gehabt. Es hatte ferner zwei grosse Schamlippen und Neigung
zu Männern, so dass es eine Frau zu sein glaubte. Andererseits hatte sie
Haare an der Oberlippe, männliche Stimme, platte Brust, enges Becken,
Hoden in den Schamlippen und einen sehr kurzen Penis mit Glans und
Präputium und Hypospadie, die sich bis an die Wurzel erstreckte, wo sich
die erweiterte Urethra befand, die in die Blase führte. Bei der Unter-
suchung durchs Eectum fand man weder Uterus noch Prostata, so dass der
Verf. ihn für einen missgebildeten Mann erklärte.
— 312 -
Beob. 19. Betrifft Maria Dorothea Derrier.
F. H. Wartens, Beschreibung und Abbildung einer sonder-
baren Miss g estalt der männlichen Geschlechtsteile an
M. D. Derrier aus Berlin, nebst den Meinungen von Stark,
Hufeland etc. über diese Person. Leipzig, 1803. Mit 2 Tafeln.
Ich fasse die klinischen Charaktere der M. D. Derrier, geb. in Pots-
dam im Jahre 1780 zusammen, die für ein Weib von Hufeland (Journ.
d. prakt. Heilk. T, XII, No. 3, p. 170) und Mursina (Journ. de chirurg.
T. I, No. 3, p. 155), dagegen für einen Mann von Stark (Neues Arch.
T. II, p. 538) und Martens (Beschreibung etc.) gehalten wurde. Is. G. St.
Hilaire (Des anomalies, Paris, 1836, T. II, lib. I, cp. 3) betrachtet diesen
Fall als noch zweifelhaft und bringt ihn zu seinen neutralen Hermaphroditen,
also zu denjenigen, die weder Männer noch AVeiber sind. Aber Mayer
erkannte im Jahre 1834 an der Leiche, dass es sich um einseitigen Herm- '
aphrodismus handelte. Maria Dorothea hatte männlichen Habitus, einen
Penis mit Hypospadie und ein geteiltes Scrotum ohne Hoden. Bei der
Sektion fand man die Prostata, die Vagina, den nicht durchbohrten Uterus,
mit Trompeten versehen. Zur Eechten ein Hode mit Samenkanälchen, zur
Linken einen dem Ovarium ähnlichen Körper, aus Granulationen und Zell-
anhäufungen bestehend, mehr einem Ovarium als einem Hoden ähnlich.
Breggen, F. van der, Jets over den hermaphrodiet M. D. Derrier.
Holländisch geschrieben. In dem Auszuge findet sich weder das Journal
noch das Datum.
Beob. 20. G. Bergonzoli (Pavia), Di un caso d' ermafroditismo.
Bull, scient. di Pavia, 1803, No. 1, Marzo. (Er spricht von M. D. Derrier.)
Nach der Erklärung des Individuums und nach den körperlichen Cha-
rakteren ist sie entschieden ein Hermaphrodit, aber da die Gewissheit so-
wohl der Hoden, als der Ovarien fehlt, kann man sie ein äusserlich bisexu-
elles Individuum nennen.
Beob. 21. G. De Mattheis (Rom), Sopra un apparente cambi-
amento di s esso negli individui d' una inter a f amigiia. Roma,
1805. — Effemer. clin. med. delF anno 1804, Milano, 1805, Semestre 2, p. 92.
In einer Bauernfamilie nahe bei Rom wurden 4 Töchter geboren, von
denen eine sich verheiratete und Kinder hatte, aber die drei anderen, als
sie ins reife Alter gekommen waren, änderten die Kleider und verwandelten
sich in Männer. Alle diese drei Personen hatten einen Penis von der Grösse
des kleinen Fingers, wenn er sich in höchster Erektion befand. Die Öffnung
der Urethra befand sich an seiner Wurzel, das Scrotum war in zwei Beutel
geteilt, und sie hatten wenig Bart und waren klein von Gestalt.
Eine ähnliche Thatsache findet sich im Journ. de la soc. med. d'emulat.
aufgezeichnet. Vol. V, p. 150. Hier wird erzählt, dass fünf Schwestern im
Alter der Pubertät fast aUe zu Brüdern wurden.
Beob. 22. Beclard, Description d'un individu, dont le sexe
a quelque chose d'equivoque. Bull. fac. med. de Paris, A. 1814— 15,
und 1816, T. IV, p. 273-288.
— 313 -
Ch. Debierre (L'hermapliroditisme, Paris, 1886, p. 10) liefert
4 Tafeln, die Maria Lefort im Alter von 16 und 64 Jahren darstellen, sowie das
äussere und innere Aussehen ihrer Geschlechtsorgane. (Er sagt nicht, woher
er sie genommen hat) Vergl. pag. 78, Beoh. 81.
A. Leblond, Du pseudo-hermaphroditisme comme impedi-
ment medico-legal de la declaration du sese dans l'acte de
naissance. Ann. d'hyg. puhl. etc., Ser. 3, T. XIV, p. 293, 299.
Maria Madeleine Lefort wurde im Alter von 16 Jahren von B e cl a r d
untersucht. Dieser fand die Form des Körpers weiblich, mit Brüsten, den
Larynx und die Stimme wie bei einem Jüngling. Mit 20 Jahren hatte sie
einen Bart und zeigte einen kegelförmigen Körper unter dem Pubes, 6 cm
lang, undurchbohrt, erektionsfähig mit Präputium und mit einem deprimierten
Kanal an der unteren Seite, der fünf regelmässige Öffnungen in der Mittel-
linie hatte, aus deren grösster, an der Wurzel des Kegels stehend, der
Urin ausfliesst. Maria Madeleine war im Alter von 8 Jahren menstruiert,
fühlte Neigung zum männlichen Geschlecht und war überzeugt, sie sei ein
Weib, wie es auch Beclard war, denn er fand nur sekundäre Charaktere,
die dem männlichen Geschlechte zukommen. Diese Ansicht wurde nicht von
einer Kommission, bestehend aus Chaussier,Petit-Radel und P.A.Beclard,
geteilt, die später Maria untersuchten und verschiedene Meinungen aus-
sprachen, denn Chaussier meinte, es handele sich um einen Mann mit
Hypospadie, während Beclard behauptete, es handele sich um ein Weib,
trotz des Bartes. Die am 12. Nov. 1864 ausgeführte Sektion fand vollständig
ausgebildete innere weibliche Organe mit Verschluss der Scheide, der die
Diagnose erschwerte.
Beob. 23. Worbe, Observ. sur un Hypospadias, qui a rendu
l'existence civile d'un individu tres ambigue. Bull. Soc. med.
Paris, 1815, No. 5, p. 364 — Is. G. St. Hilaire, Desanomalies. Paris, 1838.
Maria Margareta war 1792 geboren, und zur Zeit der Pubertät zeigten
sich Tumoren in den Leistengegenden, die keine Folgen hatten. Sie war
hübsch geworden und erhielt mehrere Heiratsanträge, aber mit 19 Jahren
war sie noch nicht menstruiert; die Anmut begann zu verschwinden und
ihre Neigungen änderten sich, um männlichen Charakter anzunehmen, so
dass ihre Eltern trotz ihrer jungfräulichen Schamhaftigkeit ein gerichtliches
Urteil beantragten. Mit 23 Jahren war Maria 4 Fuss 11 Zoll hoch, hatte
eine weisse Haut, eine kräftige Konstitution, beginnenden Haarwuchs an
der Lippe und am Kinn, Stimme und Becken männlich, birnförmige Brüste.
Die Gerichtsärzte fanden im Jahre 1813 ein geteiltes Scrotum; jeder Teil
enthielt einen hodenähnlichen Körper. Zwischen den beiden Körpern befand
sich der wenig entwickelte Penis mit Präputium, ohne Urethra, deren Öff-
nung 1^/2 Zoll vom After entfernt lag.
Als Worbe der Maria mitteüte, sie sei ein Mann und könne sich nicht
als Frau verheiraten, war sie erregt, und es waren viele Monate nötig, um
sie zu überzeugen, dass sie nicht ein Weib sei. Endlich fasste sie den Ent-
schluss, den Antrag zu stellen, dass das Gericht ihr Geburtszeugnis be-
richtigen solle.
- 314 -
Ausser der Beobachtung W o r b e s werden andere Fälle von zweifel-
haftem Geschlecht erwähnt.
Beob. 24. T. Tarozzi, Alcuni cenni sul dubbio sesso di un
individuo umano vivente. Ann. univ. di Med., Milano, 1819, T. IX,
p. 279-87.
Eine junge Bäuerin von 18 Jahren, von mittlerer Grösse, mager, ganz
unbehaartem Körper, mit vorstehendem Schildknorpel, ohne Brüste, war immer
amenorrhoisch gewesen und fürchtete, sich nicht verheiraten zu können ;
darum verlangte sie chirurgische Untersuchung.
Das Mädchen hatte hervorragende Labia majora mit zerstreuten Haaren,
die auch den Schamberg bedeckten. In den Lippen war ein Hode enthalten,
zwischen ihnen befand sich ein Spalt, und in ihrem oberen Winkel trat eine
gut entwickelte Clitoris hervor, aber unter ihr fand man keinen Meatus
urinarias, aber eine zolllange Vertiefung, auf deren Boden man zwei wenig
sichtbare Öffnungen wahrnahm. Eine in die obere Öffnung eingeführte Sonde
drang in die Urethra ein, in die untere Öffnung gebracht, drang sie mehrere
Zoll tief ein und verursachte einen Schnitt, aber das Mädchen sprang aus
dem Bette und floh.
Als er die Kranke wiedersah, drang der Verf. durch den verursachten
Schnitt 3 Zoll tief in einen Kanal ein, den er für die Vagina hielt; diese
war durch ein Diaphragma geschlossen, das in eine obere, ziemlich enge
Höhlung führte. Als er später das Mädchen wiedersah, fand er sie erfreut
über das Erscheinen der Menstrua, aber bei der Untersuchung konnte er
weder den Cervix noch die Labia uterina finden ; die eingeführte Sonde kam
blutig zurück, weswegen er glaubte, in die Uterushöhle eingedrungen zu
sein. Das Mädchen versicherte, keine vorwiegende Neigung für ein be-
stimmtes Geschlecht zu fühlen, und bei Druck auf die angeblichen Hoden
keinen Schmerz zu fühlen; daher nannte der Verf. seine Geschichte „einen
Fall von doppeltem Geschlecht".
Beob. 25. T. Tarozzi (Prov. Mantua), Sesso dubbio indue sorelle.
Ann. univ. di med. Milano, 184.3, Vol. 108, p. 878.
Fall 1 betrifft die vorhergehende Beobachtung (24).
In einer Kolonistenfamilie waren 4 Töchter, von denen sich 2 glücklich
verheirateten, aber die dritte war mit 18 Jahren amenorrhoisch, ohne weib-
lichen Habitus und ohne geschlechtlichen Instinkt. Sie zeigte zwei Labia
majora mit zwei eiförmigen Körpern, die zu verschiedenen Zeiten hinab-
gestiegen waren. Zwischen den Schamlippen fand der Verf. nur eine ver-
schliessende Membran, die sich einen Zoll tief eindrücken liess, und auf
deren Grund er zwei Öffnungen fand. Eine durch die obere Öffnung ein-
geführte Sonde gelangte in die Blase. Er that dasselbe an der unteren
Öffnung und erweiterte sie. Der Finger konnte nur 3 Zoll tief eindringen
und stiess gegen ein halbmondförmiges Diaphragma, aber mit einer Sonde
gelangte er in eine zweite, einen Zoll lange Höhle, und dies erlaubte, dass
bald darauf die Menstruation eintrat; das Mädchen verheiratete sich, blieb
aber unfruchtbar. In der Überzeugung, es handele sich um Vagina und
Uterus, vermutete der Verf., die ovalen Körper seien die Ovarien, um so mehr.
— 315 —
als er die Nebenhoden nicht finden konnte, noch auch irgend ein Exkretions-
produkt der Hoden.
Fall 2. Die jüngere Schwester war 23 Jahre alt, als sie untersucht
wurde. Sie zeigte männlichen Habitus und hatte eine Clitoris von der Grösse
des grössten Fingers. Aber das seltsamste war ein dem Scrotum ähnlicher
Beutel, der sich in das Perineum und in die Leistenhaut fortsetzte, aber mit
einem Querspalt unter der Clitoris, aus dem der Urin im Strahl ausfloss.
Der Verf. schnitt diesen Beutel vertikal ein und konnte die Labia majora
entdecken, von denen jede einen rundlichen Körper enthielt, einem Hoden
ähnlich. Er fand auch die Nymphen, den Meatus urinarius und das Hymen,
das er einschneiden wollte, konnte aber den Grund der Scheide nicht unter-
suchen, weil das Mädchen sich weigerte und floh. Er erfuhr jedoch, dass
sie später Menstruationsbeschwerden hatte und steril blieb.
Beob. 26. V. Chiarugi (Firenze), Sopra una supposta specie di
ermafroditismo. Diss., Firenze, 1819, con tavola.
Im Jahre 1804 verheiratete sich eine gewisse Rosa N. N. in der Über-
zeugung, sie sei ein Weib, aber nach 10 monatlicher Ehe verlangte der Gatte
von der bischöflichen Curie von Fiesole die Auflösung der Ehe wegen ehe-
licher Unfähigkeit der Frau, und die Anklage wurde von dem sachverstän-
digen Arzte unterstützt, um so mehr, weil er sie ohne Hoden fand. Die
Frau, durch dieses Urteil und gegen den Mann gereizt, verliess das eheliche
Dach und begab sich nach Florenz. Nach 11 jähriger Trennung wandte sich
der Mann, in der Überzeugung, dass die Ehe ungesetzlich sei, an den Metro-
politanbischof von Florenz.
Eosa sagte, sie sei 52 Jahre alt. Sie hatte männliche Formen, ent-
wickelte Brüste, Hernien in beiden Weichen, wenig erhöhten und mit nicht
dichten Haaren besetzten Mons Veneris. Der Verf. sagt, es sei eine ganz
männliche,, aber nicht durchbohrte Glans vorhanden gewesen (vom Penis
schweigt er), mit einem Frenulum, das sich von der Spitze der Glans nach
unten zwei Daumen breit weit erstreckte, wo die Öffnung der Urethra er-
schien. Statt des Scrotums zeigten sich zwei bewegliche, an die Schenkel
angelehnte Beutel. Nach Zurttckbringung der Hernien ins Abdomen er-
schienen die Hoden mit den Nebenhoden. Infolgedessen wurde die Person
für einen Mann erklärt.
Beob. 27. Idem, Sopra una supposta specie d' ermafrodi-
tismo. Firenze, 1819. Con tavola.
Vollständige Hypospadie, geteiltes Scrotum, die Hoden enthaltend; auf
einer Seite auch ein Ovarium.
Beob. 28. A. W. Otto, Neue seltene Beobachtungen zur
Anatomie etc. Berlin, 1824, p. 133. Ein weiblicher Hermaphrodit.
Ein preussischer Husar fiel vom Pferde, brach einige Rippen, und
wurde Diener des Regiments. Der Verf. sagt nicht, wie der Soldat als
Weib erkannt wurde; er erzählt aber, dass er verschiedene wollüstige Hand-
lungen mit einem Mädchen verübte, die ein Urteil des CoUegium medicum
in Breslau veranlasste.
— 316 —
Die Frau war mittelgross, Habitus, Anne, Becken und Füsse waren
mehr weiblich, als männlich; sie bekannte, sie habe männlichen Charakter,
Mut lind geschlechtliche Neigungen. Seit langer Zeit habe sie keinen Um-
gang mit Männern, nachdem sie zweimal abortiert habe.
Bei Untersuchung der Geschlechtsteile zeigte sich eine Clitoris, IV2 Zoll
lang und daumensdick, mit Eichel und Vorhaut, die sich seitlich in zwei
kleine Lippen fortsetzte. Zwischen diesen befand sich oben der Meatus
urinarius, unter dem Eingang zur Scheide. Die Scheide war eng und runzelig,
und man gelangte durch sie zur Öffnung des Uterus, der rund und glatt
war. Das Corpus uteri war nach hinten gebogen. Die Labia majora waren
klein und mager, ohne Hoden oder Ovarien. Sowohl der Pubes, als die Ober-
lippe waren behaart.
Beob. 29. A. W. Otto, Ein männlicher Hermaphrodit, der
in drei Ehen als Frau gedient hat. Seltene Beob. zur Anat.,
Physiol. u. s. w. Zweite Sammlung, Berlin, 1824, p. 123, Tafel III, Fig. 1
und 2.
Geteiltes Scrotum und rudimentärer Penis mit nicht durchbohrter
Eichel. Die Urethra öffnete sich zwischen beiden Hälften des Scrotums,
von denen jede einen hodenähnlichen Körper enthielt. Wegen dieser und
anderer äusserer Charaktere erklärte der Verf. das Weib für einen miss-
hildeten Mann.
Beob. 30. Duges et Toussaint, Memoire sur l'hermaphroditisme.
Ephem. de Montpellier, Mai 1827. — is. G. St. Hilaire, Des anom alles etc.
Paris, 1836, T. II, p. 60.
Josephine Badre war als Weib gekleidet und missbrauchte oft die den
Weibern gestatteten Freiheiten. Mit 24 Jahren zeigte sie männlichen Habitus,
tiefe Stimme, unentwickelte Brüste, Thorax und Becken männlich, wenig
Bart. Trotz des gekrümmten Penis (so dass das Sperma in die Scheiden-
spalte floss), war sie den Weibern ergeben, und ebenso dem Tabak und
Alkohol. Sie besass einen kurzen, dicken Penis, die Glans war wenig vom
Präputium bedeckt. Ausserdem war der Penis ohne Urethra und durch
Stränge am Perineum befestigt, die beim Hinabsteigen auseinander traten,
so dass sie einen mit roter Schleimhaut ausgekleideten, 2 Zoll langen Spalt
bildeten. An seinem Ende befand sich die Öffnung der Urethra, die Öffnung
der Vulva vortäuschend.
Hoden und weibliche Organe wurden nicht angetroffen. Daher wurde
Josephine nur wegen der (natürlich nicht untersuchten) Samenflüssigkeit für
einen liederlichen Mann erklärt.
Beob. 31. Coste de Marseille, Amputation d'un pseudo-penis
chez une jeune fille. Journ. des connaiss. med. Paris, 1835 — 36, Vol. III,
p. 105.
Ein Mädchen von 21 Jahren mit weiblichem Habitus und sanfter Stimme
hatte einen Penis ähnlich dem eines 14 jährigen Knaben, mit Glans und
Präputium, aber ohne Urethra, indem die Öffnung 4 Linien unter dem Penis
mündete; aus ihm flössen regelmässig die Menstrua. Von den Seiten dieser
Öffnung stiegeti zwei Nymphen herab, und statt des Scrotums waren zwei
— 317 —
etwas rudimentäre Labia majora vorhanden; am Ursprung' der rechten Lippe
enthielt sie einen Hoden. Der Eingang zur Scheide fehlte. Der Verf. glaubte,
Uterus und Ovarien müssten vorhanden sein, was er aus der Menstruation
schloss.
Da das Mädchen wünschte, sich zu verheiraten, stand der Verf. nicht
an, eine künstliche Scheide zu bilden und die Clitoris zu amputieren. Er
sagt nicht, ob es ihm gelang', das Collum uteri zu fühlen, erzählt aber,
8 Monate nach der Operation habe das Mädchen geheiratet und den Coitus
ohne Schwierigkeit ausgeführt; aber als er schrieb, hatte sie noch keine
Kinder. (Der Verf. schweigt über die Zeit und über den inneren Zustand
der Teile.)
Beob. 32. A. Nanula (Napoli), Caso d' apparente ermafroditismo.
Filiatre-Sebezio. Napoli, 1838, Vol. XVI, p. 420.
Eine vorgebliche Frau von 24 Jahren besass einen kleinen Penis von
der Länge der letzten Phalanx des kleinen Fingers, mit nicht durchbohrter
Eichel und Präputium ohne Frenulum. Das Scrotum war der Länge nach
in zwei Hälften geteilt, von denen jede einen Hoden enthielt. Unter dem
Penis befand sich die erweiterte Öffnung der Urethra. Sie hatte weder
Bart, noch Brüste, und männliche Neigungen.
Beob. 33. F. A. v. Ammon, Die angeborenen chirurgischen
Krankheiten des Menschen. Berlin, 1842, p. 93, Tafel XX, Fig. 1, 2.
Ein Mann mit Hypospadie wurde lange für eine Frau gehalten und
Marie Eosine genannt. Er hatte ein zweiteiliges Scrotum und in jeder
Hälfte eine Hernie mit Hydrocele.
Beob, 34. G. C. Fenoglio, Singulare deformitä delle parti
generative in un soldato. Giorn. delle sc. med. Torino, 1842, A. V,
Vol. III, p. 301.
Ein Soldat hatte an Stelle des Penis nur die Glans , die aus dem
oberen Teile des Scrotums hervorragte. Dieses war zweigeteilt und jede
Hälfte enthielt einen wohlgebildeten Hoden. Der Verf. sagt, die Samen-
stränge hätten gefehlt.
Beob. 35. G. C. Fenoglio (Turin), Mostruositä nei genitali
identica intre individuidella medesimafamiglia. Giorn. delle
sc. med. Torino, 1843, A. VI, Vol. XVIII, p. 176.
Von gesunden Eltern wurden 5 Kinder geboren. Von diesen hatten
das zweite, dritte und fünfte dieselbe Missbildung, so dass der Verf. nur
das zweite beschreibt. Dieses war 5 Jahre und 8 Monate alt, 1 m 162 mm
hoch, mit verhältnismässig entwickeltem Körper und männlichen Neigungen.
Der Schamberg war schon behaart, der Penis dem eines 9 jährigen
Kindes ähnlich; die Öffnung der Urethra war durch ein glänzendes Häutchen
verschlossen und an der Wurzel des Penis war eine Öffnung, aus der der
Urin floss. Scrotum und Hoden fehlten. Kein Anzeichen von Clitoris oder
Scheide, noch Brüsten. Der Verf. hofft, dass die männlichen Charaktere
deutlich werden, sagt es aber den Eltern nicht sicher zu.
— 318 -
Beob. 36. Harris, Caso di sesso dubio con menstruazione
dal pene. London med. Gaz., Sept. 1847. Ann. univ. di naedic. Milano,
1848, Vol. 126, p. 204.
Bin Negersklave in Virginien, 18 Jahre alt, von männlichem Aussehen,
kräftigen Formen, dicken Lippen und weiblicher Stimme und Füssen ähnlich
den Männerfüssen seiner Easse. Dagegen besitzt er starke Brüste mit
weiblichen Charakteren, einen behaarten Schamberg, und zugleich einen
kleinen Penis, hinreichend nach aussen vorragend. Unter dem Penis be-
findet sich eine nach dem Perineum gerichtete Spalte mit lang behaarten
Labien, wie die Labia majora der Weiber, aber sie enthalten keine Hoden.
Der Spalt ist VI2 Zoll tief und in den Wänden nahe am Grunde fühlt man
die Corpora cavernosa penis.
Dieser Sklave ist seit 3—4 Jahren regelmässig durch den Penis men-
struiert, mit den gewöhnlichen Symptomen der Menstruation. Seine Neigung
gehört ausschliesslich den schwarzen Frauen. Aus diesen Angaben schliesst der
Verf., dass die weiblichen Charaktere vorherrschen und vermutet, da das
Individuum nur ein einziges männliches Organ, den Penis, und zwar un-
vollkommen, besitzt, dass sich im Becken der innere weibliche Geschlechts-
apparat befinde. Er meint femer, dass dieser Annahme die Neigung zu den
Weibern nicht widerspricht, denn er schreibt sie der Nachahmung und der
erhaltenen Erziehung zu. Dennoch bleibt die Frage zweifelhaft, denn man
weiss nicht, ob das Individuum jemals eine Samenentleerung gehabt hat,
oder sie zu haben fähig ist, und wissenschaftlich bleibt auch der Vorgang
dunkel, mittelst dessen die Menstruation durch den Penis stattfindet.
Beob. 37. R. Virchow, Weiblicher Hermaphrodismus. Ver-
band!, der phys. med. Gesellsch. in Würzburg, 1852, T. III, p. 359.
Eine Frau von 77 Jahren, die niemals menstruiert gewesen war, hatte
Urethra und Vagina zu einem engen Kanal vereinigt (Sinus uro-genitalis),
der an der Wurzel der Clitoris mündete. Diese war vergrössert und mit
einem Präputium versehen.
Beob. 38. P. Coilenza (Marina Napoletana), Caso d' eimafrodito
vivente neutro-later ale. II Filiatre Sebezio. Napoli, 1853, Vol. 65,
p. 179.
Ein 33jähriger Mann mit weiblichen Formen und grossen Brüsten
hatte niemals männliche Neigungen gefühlt. Dabei besass er einen Penis
mit Urethra, aus der bisweilen eine Flüssigkeit austrat, die aber niemals
Spermatozoen enthielt. Der Penis war 1 Zoll 6 Linien lang und wurde
von dem nach rechts gerichteten Scrotum nach links gedrängt. Dieses
enthielt auf der linken Seite zwei Körper; der eine wurde für den Hoden
der andere für den Nebenhoden gehalten ; auf der rechten Seite befand sich
ein unregelmässiger, harter, unempfindlicher Tumor, der auf Druck aus der
Glans eine milchige Flüssigkeit austreten Hess. Mit der Sonde gelangte
der Verf. in einen Kanal, der in die rechte fossa iliaca führte, ohne die
Blase zu erreichen. Durch das Eectum fand er die Prostata nicht.
Der Verf. hielt den Tumor auf der rechten Seite des Scrotums für
eine Hernia uterina ; nach unserer Meinung war es eine Hernie der katarrha-
- 319 —
lisch affizierten Blase. Es fehlten also auch die klinischen Zeichen von
Hermaphrodismus, und der Fall muss unter die zweifelhaften gestellt werden.
Beoh. 39. Huette, Hermaphrodisme apparent chez le sexe
masculin. Soc. de Biol. Seance Dec. 1855. Gaz. med. de Paris, 1856,
Ser. III, Tom. XI, p. 141.
Ein Weib mit männlichen Instinkten. Im Alter von 17 Jahren zeigte
sie ein zweigeteiltes Scrotum mit den Hoden und einen rudimentären Penis
mit nicht durchbohrter Glans. Unter dem Penis befand sich die Öffnung
der Urethra, durch welche eine Sonde in die Blase gelangte. Bei der
Untersuchung fand man keinen Körper zwischen Rectum und Blase.
Beob. 40. Larrey, Hermaphrodisme. Bullet, de la Soc. de chir.
21. Sept. 1859. Gaz. des Hop. 1859, p. 450.
Ein Mädchen von 21 Jahren, Namens Alexandrine Hortense, hatte
einen rudimentären, nicht durchbohrten Penis ; äusserlich fehlten die Hoden;
das zweigeteilte Scrotum glich zwei grossen Schamlippen, der Meatus
urinarius befand sich am Ursprung des Penis. Das Präputium verlängerte
sich an den Seiten in Gestalt von Nymphen, die Hoden befanden sich in
den Bauchringen, der Bart zeigte sich und die Stimme war tief. Sie hatte
keine merklichen geschlechtlichen Neigungen.
Beob. 41. Dr. F. Torchio, Deformitä degli organi genital i.
Giorn. della E. Acc. di Torino, 1860, Vol. 38, p. 8. Con tav.
In Turin starb eine 65 Jahre alte Witwe ; ihre Leiche hatte männliche
Formen ; kein Rest von Brüsten, Bart spärlich. Unter dem Pubes ragte
die Glans hervor, von der Grösse eines Daumens, uudurchbohrt und nicht
vom Präputium bedeckt, welches kuiz war und an der Basis die Ränder
einer Rinne bildete, die die Urethra vertrat, und die kleinen Schamlippen
vortäuschten. Die Öffnung der Urethra befand sich 4 cm tiefer am Anfang
des Scrotums, so dass Hypospadie entstand. Das Scrotum war nach oben
gezogen und zweiteilig, und enthielt die Hoden. Die innere Untersuchung
fand keine Spur von weiblichen Organen.
Das Leben dieses Individuums war sehr abenteuerlich; es hatte 2 Jahre
lang als Ehefrau gelebt, ehe es Witwe wurde.
Beob. 42. Chesneut (La Rochelle), Question d'identite. Vice
de conformation des organes genitaux. Hypospadias. Ann.
d'hyg. publ. et de med. leg. Juillet 1860, p. 206. — E. Goujon, Gas
d'hermaphrodisme bisexuelimparfaitchezl'homme. Journ.
de l'Anat. et de la Physiol. Paris, 1869, A. VI, p. 599. Planches XVI et
XVII. — Tardieu, Question med. leg. de l'identite. Paris, 1874.
Alessia B. wurde in einem Dorfe von braven Eltern im Jahre 1838 geboren.
In ihrer Jugend besuchte sie religiöse Schulen und trat im Jahre 1860 als Lehre-
rin in ein Pensionat. Zur Pubertätszeit hatte sie kein Zeichen von Menstrua-
tion und blieb amenorrhoisch. Sie war mager, der Ausdruck ihres Gesichts
schwankte zwischen dem der beiden Geschlechter; ihre Stimme war sanft,
auf der Oberlippe und an den Armen befand sich Flaum. Brust, Becken
und Hüften waren männlich. Sie schloss (so erzählt sie) innige Freundschaft
mit einer Genossin in der Pension, wurde dann von unbestimmten Gefühlen
— 320 —
bewegt die zu einer wahren Leidenschaft wurden, die man jetzt geschlecht-
liche Umkehrung nennen kann.
Hierauf betrafen Alessia verschiedene Unglücksfälle, die sie bestimmten,
sich von Chesneut untersuchen zu lassen, der einen Bericht gab, worin
sie für einen Hermaphroditen mit Vorwiegen des männlichen Geschlechts
erklärt wurde.
Durch dieses Urteil erregt, genötigt, nicht nur die Kleidung zu wech-
seln, sondern auch auf ihre Neigungen und gesellschaftlichen Beziehungen
zu verzichten, zog sie sich zurück und beschäftigte sich bei einer Eisen-
bahnverwaltung; aber es gelang ihr nicht, dieses Leben zu ertragen; so
wurde sie von Lypemanie ergriffen und erstickte sich, 30 Jahre alt, mit
Kohlensäure.
G 0 u ] 0 n machte die Sektion und fand einen nicht durchbohrten Penis,
unter dem sich die Vulva befand, in welche die Urethra und die Ductus
ejaculatorii mündeten; aber man fand weder Uterus noch Ovarien. Das
Scrotum war zweiteilig und enthielt rechts einen Hoden, während der linke
im Leistenringe zurückgehalten wurde.
Beob. 43. Prof. Ed. Porro, Indagine cruenta per giudicare
con sicurezza del sesso. Gaz. med. Lombarde. Milano, 1862, p. 515^
No. 51.
In einer PamiÜe wurden zwei Vettern mütterlicher Seite geboren,
beide mit geschlechtlichen Missbildungen, von denen der eine seinen Zu-
stand nicht ertrug und sich mit 17 Jahren ertränkte.
In einer anderen Familie wurde ein Mädchen geboren und einer Amme
übergeben, weil die Mutter an Verblutung gestorben war. Das Kind wuchs,
zeigte immer mehr männliche als weibliche Neigungen und kümmerte sich
wenig um häusliche Arbeiten; mit 18 Jahren wurde sie zur Ehe begehrt.
Aber die Grossmutter hegte Verdacht über ihr Geschlecht und liess sie
untersuchen, und Prof. Inzani erklärte, sie sei männlichen Geschlechts.
Da das angebliche Mädchen nicht mehr Weiberkleider tragen wollte, welche
die Familie aus verschiedenen Gründen beizubehalten wünschte, entschloss
sie sich, das väterliche Haus zu verlassen und ein gerichtliches Urteil über
die Natur ihres Geschlechts zu verlangen.
Prof. Porro wurde beauftragt und untersuchte sie am 8. Dez. 1882.
Er fand ihre Grösse zu 159 cm, ihr Gewicht zu 51 400 g. Die Haare schwarz
und hart.
Sie hatte gut entwickelte Brüste von weiblichem Typus. Bauch ein-
gezogen, Linea alba unbehaart, die Beine an den Knien konvergierend, das
Becken weit und weiblich. Bei Entfernung der Schenkel voneinander sah
man die Vulva mit mehr als normal entwickelter Clitoris, die Glans aus der
Hülle nur 1^/2 cm hervorragend. (Die ganze Länge betrug 3 cm.) Von der
Basis der Glans gingen zwei Labia minora aus, einen Halbkanal bildend, der
sich in einen 4^/2 cm langen , in die Blase führenden Kanal fortsetzte.
Ausser den kleinen waren auch die grossen Schamlippen in gewöhnlicher
Gestalt vorhanden; sie enthielten im äusseren Leistenring jede einen rund-
lichen Körper, die bei Druck nicht schmerzten und nicht sicher als Hoden
— 321 —
zu erkennen waren, und ebensowenig als Ovarien. Durch das Kektum fand
man weder Prostata, noch Uterus.
Der Verf. bemerkte, dass ausser der Gegenwart der Brüste die Person
niemals Menstruation, noch Molimina, oder Neigung zu einsamen Genüssen
gehabt hatte, während sich zwei Körper im Kanal befanden, die man für
Hoden halten konnte, sowie dass weitere körperliche Zeichen da waren, die für
männliches Geschlecht sprachen. Dennoch konnte er nicht zur Gewissheit
über das Geschlecht gelangen und beschloss, nach Chloroformierung die
Leistenkörper zu untersuchen. Nachdem er die rechte Genito-Urethralfalte
geöffnet hatte, fand er, dass es sich um den Hoden und den wenig ent-
wickelten Nebenhoden handelte, brachte den Hoden in die Scheiden-
haut zurück, an die er zwei Nähte anlegte, und vereiaigte endlich die
äussere Wunde mit 4 Knopfnähten nach allen antiseptischen Kegeln; nach
6 Tagen nahm er die Nähte weg und fand fast vollständige Vereinigung
per primam.
Beob. 44. Bailly, Hermaphrodisme. Bull. Ac. med. Paris, 1863,
T. I, p. 341.
Ein Mann von 38 Jahren ohne Bart, mit geteiltem Scrotum und Hypo-
spadie im höchsten Grade. In jeder Hälfte des Scrotums befand sich ein
Hode.
Beob. 45. J. L. Casper (Berlin), Praktisches Handbuch der ge-
richtlichen Medizin, 1856, Bd. 2, (1864, Übersetzung).
Eine ledige Frau von 37 Jahren, von männlichem Habitus, ohne Brüste,
mit schmalem Becken; das Scrotum war in zwei Säcke geteilt, in jedem be-
fand sich ein Hode ; der Penis war ungewöhnlich kurz. An seiner Wurzel
mündete die Urethra, und an seiner unteren Seite lief eine Kinne, in wel-
cher nahe an der Krone der Eichel zwei kleine elytische Öffnungen (Ejaku-
lationskanäle) sichtbar waren. Zwischen den beiden Scrotalsäcken befand
sich ein mit roter Schleimhaut bekleideter Spalt. Diese angebliche Frau
hatte Umgang mit einem ebenfalls ledigen Weibe, das ein Kind gebar mit
derselben Missbildung der Geschlechtsteile, die wir bei der angeblichen Frau
beschrieben haben.
Beob. 46. Jac. Facen von Fonzaso (Prov. BeUuno), Gazz. med. delle
prov. Venete. Padova 1865, A. VIII, p. 297. Append.
Verf. untersuchte einen 30jährigen Mann von weiblichem Aussehen
und Formen. Er hatte eine Glans mit Meatus urinarius, aber ohne Vorhaut
und Penis, so dass die Glans sitzend und nicht verlängerungsfähig war, wie
die Clitoris. Sie war ihr auch darin ähnlich, dass an den Seiten zwei
nymphenartige Falten herabstiegen. Auch die Labia majora waren vor-
handen, aber diese enthielten die Hoden mit ihren Samensträngen. Von
einer Vagina keine Spur. Der Mann wollte sich verheiraten, hatte Ejaku-
lation des Samens, und dabei wurde die Eichel hart. So war nur das äussere
Aussehen weiblich.
Beob. 47. Idem, Androgynismo. Giom. Veneto di Sc. med. Ser. 3,
Tom. m, p. 163. Venezia, 1865. Gazz. med. lombarda, Milano, 1865,
p. 354.
Taruffi, Hermapkrodismns. 21
— 322 -
Ein Knabe von 13 Jahren, von weiblicliem Habitus hatte statt des
Scrotums zwei Hautfalten, von denen jede eine bohn engrosse Drüse enthielt.
Nach oben vereinigten sich beide Falten in einen Winkel, unter dem sich
eine kleine Glans ohne Präputium verbarg, und unter der Glans befand sich
die Öffnung der Urethra und ein geschlossenes Grübchen, ähnlich den Nymphen.
Der Bursche erreichte das 30. Jahr ohne Bartwuchs, mit breiter Brust, stark
• entwickelten Brüsten und Neigung zu den Frauen. Er war niemals men-
struiert, bemerkte dagegen eine vorübergehende Härte der Glans (ohne Ver-
längerung), worauf Ejakulation von Sperma folgte (ohne mikroskopische
Untersuchung), so dass der Verf. glaubte, es handele sich um einen Mann.
Beob. 48. C. Lombroso, Caso singulare di ermaf roditismo
maschile transversale in una maniaca. Giorn. ital. delle malatt.
vener. MUano, 1867, T. IV, p. 306—310.
Maria, 26 Jahre alt, Zwilling, Tochter von kropfigen Eltern, mit weib-
lichem Gesicht und männlichem Kumpf. Sie liebte zuerst einen Mann, und
wurde sehr betrübt, als sie ihre geschlechtliche Missbildung bemerkte. Sie
litt an Manie. Sie war ohne Haare an den Geschlechtsteilen. Die Labia
majora waren gross und enthielten Hoden. Die Clitoris war ungewöhnlich
gross, 25 mm lang; der Verf. hielt sie für einen kurzen Penis, mit darunter-
liegender Mündung der Urethra. Der Scheidenkanal fehlte. Sie hatte Nei-
gung zu Weibern.
Idem, Caso di pseudo-ermafroditismo transversale ma-
schile. Ann. univ. di med. (Omodei). Milano, 1874, T. 227, p. 478—481.
Der Fall ist derselbe wie der vorige, mit gerichtlich-medizinischen Be-
trachtungen.
Beob. 49. Über Katharina Hohmann.
A. Beer, Beschreibung eines Hermaphroditen. Deutsche
Kün., 1867, No. 34. Jahresber. für 1867, Bd. I, p. 263 (29).
K. Rokitanski, Fall von Hermaphrod. vera lateralis. AUgem.
Wiener med. Zeitg., 1868, No. 27. Virchows Arch., Bd. 43 und 44.
B. S. Schultze, Der Hermaphrodit Katharina Hohmann aus
Mellrichstadt. Virchows Archiv, 1868, Bd. 43, p. 320.
V. Friedreich (Heidelberg), Der Hermaphrodit Kath. Hohmann.
Virchows Archiv, 1869, Bd. 45, p. 1.
Kath. H. war 45 Jahre alt.
R. Virchow, Vorstellung eines Hermaphroditen in der
Berliner med. Gesellschaft. Berliner kün. Wochenschr., 1872, No. 49.
Jahresber. für 1872, Bd. I, p. 230.
Kath. H. war 48 Jahre alt.
L. Giuntoli, Caso straordinario d' ermafroditismo. L' Impar-
ziale. Firenze, 1873. A. 13, p. 682. (Kritische Arbeit.)
A. Ceccherelli, ün caso d' ermafroditismo. Lo Sperimentale.
Firenze, 1874, T. 33, p. 198. (Kritische Arbeit.)
— 323 —
R. Boddaert, Etüde sur rhermafroditisme lateral. Ann.dela
Soc. de med. de Gand., 1874. Kritisches Studium über die über Katharine
Hohmann gelieferten Arbeiten nnd über 12 andere ähnliclie Fälle. Er
schliesst, es fehle der genügende Beweis für das gleichzeitige Vorhandensein
eines Hoden und eines Ovariums.
Katharina Hohmann aus Bayern hatte im Alter von 40 Jahren vor kurzem
die Menstruation verloren, hatte reichliche Behaarung und Brüste, aber
männlichen Habitus. Sie hatte einen schlaffen Penis, die Glans war ohne
Meatus urinarius; das Präputium fiel herab, so dass es eine Vulva vor-
täuschte, aus der nach oben der Urin austrat (Hypospadie). Dies führte zur
Verwechselung des Penis mit einer Clitoris. Zur Eechten befand sich ein
Scrotum mit einem einzigen gut entwickelten Hoden.
Katharina versicherte, immer geschlechtlich gleichgiltig gewesen zu sein,
aber sie war jederzeit zum Coitus geneigt und hatte immer reichliche Eja-
kulationen, so dassVirchow in der Samenflüssigkeit lebende Spermatozoen
finden konnte, aber eine Prostata fand er nicht. Schnitze hatte schon
vorher nach der Untersuchung auf die Gegenwart der Scheide, eines einem
kleinen Uterus ähnlichen Körpers mit einem Strang, der rechts zu einem
Organ lief, das man für ein Ovarium hielt, geschlossen; man konnte daraus
folgern, es handele sich um einen lebenden alternierenden Hermaphroditen.
Aber diese Annahme wurde beim Tode Katharinas, in ihrem 57. Jahre nicht
bestätigt, denn die Sektion wurde nicht ausgeführt.
Beob. 50. Eug. Sarzana (Ceccano), Ermafroditismo anormale.
Giorn. med. di Roma, 1868, T. IV, p. 474—481.
Eine Bäuerin, namens Faustina, 30 Jahre alt. Mit 17 Jahi'en wurde
sie menstruiert, aber die Menstrua hörten auf. In der Folge litt sie zu un-
bestimmten Zeiten an Nasenbluten, genoss aber dann vortrefflicher Gesund-
heit, so dass sie sich mit 19 Jahren verheiratete und dann 11 Jahre lang
gesund blieb. Aber sie blieb steril. An Kinn und Oberlippe erschienen nur
wenige Haare. Sie war von hoher Gestalt und passte besser für Feld- als
für häusliche Arbeiten. Sie hatte keine Brüste, aber die Stimme war
weiblich, ebenso das Becken. Sie hatte wenig Neigung zu sinnlichen Ge-
nüssen.
An den Genitalien zeigte die Vulva das Aussehen eines geteilten
Scrotums, aus zwei grossen Schamlippen gebildet. Aus der linken Lippe
stand ein etwas harter, beweglicher Körper von der Grösse eines Tauben-
eis hervor, an dessen oberem Teile ein Strang befestigt war, der in den
Leisteniing eindrang. Die rechte Lippe trat weniger hervor und enthielt
einen weicheren und kleineren Körper, als die linke.
Statt der Clitoris fand sich ein dem Penis ähnliches Anhängsel, aber
ohne Urethra und nicht erektionsfähig. Es war so dick und lang wie der
Daumen, mit nicht durchbohrter Eichel, runzligem Präputium, das nach
unten gefaltet war und sich äusserlich in die grossen Lippen und die Falten
der Scheidenmündung fortsetzte. Wenn man die genannten Lippen ausein-
ander bog, sah man einen Spalt, der von dem oberen Ende des genannten
Anhängsels ausging, und sich in den Scheidenkanal verlängerte, wo sich in
21*
— 324 —
Entfernung von ungefähr einem Zoll die Öffnung der Urethra Ijefand, die in
die Blase führte. Der Scheidenkanal war ziemlich eng, 2 Zoll tief und
endete blind; er lehnte sich an das Rectum an. Die Untersuchung durch,
den After ergab kein Zeichen eines Uterus.
Der Verf. war sich der Schwierigkeit bewusst, eine Diagnose aufzu-
stellen. Indessen stützte er sich auf gewisse klinische Beobachtungen und
besonders auf mehr oder weniger beachtenswerte Schlüsse und erklärte die
Person für eine Frau. Wir sind dagegen geneigt, anzunehmen, es handele
sich vorzüglich um Pseudo-Hermaphrodismus, also um das Fortbestehen von
Teilen der Müll er sehen Kanäle, wovon wir schon Beispiele angeführt
haben (Taruff i, Memorie elc, A. 1899, Ser. V, T. VII, p. 720, 721, Note 3),
wobei andere Fehler nicht ausgeschlossen sind; man muss also zweifelhaftes
Geschlecht annehmen.
Beob. 51. E. Antonini, Un uomo-donna ippo er atico. Fano, 1869,
Ser. III, T. XV, p. 403-411.
Klinische Beobachtungen an einer 27jährigen Bäuerin, mit Penis, ge-
teiltem Scrotum, Hypospadie. Jede Hälfte des Scrotums enthielt einen
Hoden.
Beob. 52. Wal<e, Gase of mal formation of the sexual Or-
gans. Med. Times and Graz., Oct. 15. Jahresber. 1870, Vol. I, p. 297.
E. G. Wake wurde von einem alten Manne konsultiert, der an einer
Herzkrankheit und Anfällen von Hemicrania litt, unter deren Einfluss er
nicht urinieren konnte. Die Blase war voll, aber um den Katheter einzu-
führen, fand man den Penis nicht, und an seiner Stelle einen 1^/2 Zoll langen
Blindsack. Erst am Boden desselben fand man die atrophische Eichel, di&
mit Mühe aus der äusseren Öffnung herausgezogen wurde, um den Kathe-
terismus auszuführen, wobei eine Blutung eintrat. Der moralische Zustand
des Mannes erlaubte keine anamnestischen Fragen; wahrscheinlich war er
seit 30 Jahren verheiratet, ohne Kinder zu haben. Diesen Fall konnte man
bei oberflächlicher Untersuchung denen mit zweifelhaftem Geschlecht zu-
zählen.
Beob. 53. Reverchon (Paris), Marie Chupin. Etüde medico legale.
Annal. med. psychologiques, Paris, 1871, Ser. V, T. IV, p. 371.
Donat. Raffegeau, Du role des anomalies congenitales des
organes genitaux. These. Paris, 1884, p. 97, Beob. 12.
Die Familie der Weberin Maria Chupin bewohnte ein Dorf; sie hatte
drei Demente von Seiten der Mutter und einen Epileptiker von Seiten des
Vaters gehabt. Erst mit 13 Jahren lernte sie lesen, und statt der Men-
struation traten Haare auf, die sie später abrasieren musste, was die Scherze
ihrer Freundinnen nicht verhinderte. Sie war von .sanftem, etwas melan-
cholischem Charakter, den religiösen Übungen sehr ergeben, und ohne irgend
welche geschlechtlichen Neigungen. Aber mit 15 Jahren begannen Streitig-
keiten mit ihrem älteren Bruder, dem Haupt der Familie, der sie beschuldigte,
die Arbeit zu vernachlässigen, und nahmen so zu, dass der Charakter Marias
undankbar, seltsam und reizbar wurde. Im Alter von 25 Jahren war sie
— 325 —
genötigt, bei einer Cousine zu schlafen, was ihr Gelegenheit gab, zu be-
merken, dass sie anders gebildet war als diese, und Veranlassung gab, dass
ihre moralische Störung bedeutend zunahm, und sie zuletzt Zeichen von
Wahnsinn äusserte.
Um sich ganz von dem Joche der Familie zu befreien und nicht nach
Hause zurückkehren zu müssen, beschloss sie ein Verbrechen zu begehen.
Sie ergriff ein Kind einer Nachbarin und warf es in den Brunnen und stellte
sich dann dem Gerichte. (Glücklicherweise wurde das Kind gerettet.) Maria
wollte das Verbrechen am liebsten an einem Kinde begehen, in der Über-
zeugung, dass dieses in den Himmel käme.
Aus dem Gefängnis kam Maria ins Irrenhaus, wo Eeverchon sie
untersuchte und einen genauen Bericht machte, worin er ihre NichtVerant-
wortlichkeit feststellte (aber nicht den Beweis lieferte, dass der Wahnsinn
geheut sei) und bewies, dass sie ein Mann sei, so dass sie männliche Kleider
anlegen miisste. Dann wurde sie in ein anderes Irrenhaus gebracht, wo
Dr. Eaffegeau sie untersuchte, der folgenden Bericht giebt:
Maria war 171 cm hoch, hatte einen Bart, braune Haare und männ-
liche Stimme. Sie hatte einen Penis mit Hypospadie der ganzen Länge
nach; das Scrotum war geteilt und mit einer Krümmung, die bei Erektion
durch Zug an den Seitenrändern der offenen Urethra zunahm, versehen. In der
Furche des Scrotums befand sich die Öffnung der Urethra, die 3 cm breit
war und den Urin austreten Hess. Unter ihr war ein zweiter Kanal, 9 cm
lang, von jenem durch eine dünne Scheidewand getrennt, der blind endigte.
Endlich fand der Verf. im rechten Teile des Scrotums einen atrophischen
Hoden mit Nebenhoden , nachdem er einen Leistenbruch zurückgebracht
hatte.
Obgleich Maria ihre That bereute, behielt sie seltsame Ideen, legte
Kleinigkeiten übermässiges Gewicht bei, misstraute den Menschen und zeigte
im ganzen eine Störung des Gleichgewichts ihres Verstandes, so dass der
Direktor der Anstalt sie nicht zu entlassen wagte.
Beob. 54. Sim. Duplay, De l'hypospadias perineo-scrotale etc.
Arch. gen. de medic. Paris, 1874, Vol. 1, p. 670, Beob. 1, pl. 1.
Beob. 1. Ein Jüngling von 21 Jahren litt an perineo-scrotaler Hypo-
spadie. Auf der oberen Seite war der Penis wohlgebildet; aber auf der
unteren war er in die Mitte des Scrotums eingegraben. Beim Aufheben sah
man, dass die Glans ohne Meatus urinarius, und dagegen nach unten ge-
furcht und mit dem Scrotum durch einen inneren, leicht ausgehöhlten Strang
verbunden war, in Gestalt einer 26 mm langen Rinne, die an der Öffnung
der Hypospadie-Öffnung endigte. Diese bestand aus einem antero-posterioren
Spalt, der nach hinten am mittleren Teile des Scrotums lag. Das Scrotum
und der Pubes waren behaart. Auf der rechten Seite befand sich ein grosser
Hode, auf der linken ein atrophischer. Wenn er stehend harnt, wird ein
Teil des Urins nach vorn gespritzt, der andere Teil lief über das Scrotum
auf die Schenkel. Die Erektion vermehrte die Krümmung des Penis, und
— 326 —
die Glans vertiefte sich noch mehr ins Scrotiim. Jeder Versuch zum Coitus
war unmöglich gewesen.
Folgt die Operation mit glücklichem Erfolg.
Beob. 2. Ein 4 jähriges Mädchen, Tochter gesunder Eltern, hatte
5 Brüder mit Hypospadie der Eichel, während die beiden Schwestern keinen
Fehler zeigten. Das Mädchen litt an perineo-scrotaler Hypospadie mit
Krümmung des Penis nach unten, wo er an einer mittleren Furche des
Scrotums festzuhaften schien, auf deren Boden die Urethra mündete. Wenn
man den Penis aufhob, bemerkte man einen 1^2 cm langen Strang, der die
vollständige Aufrichtung verhinderte. Der Mittelspalt sah aus, als bestände
das Scrotum aus zwei grossen Schamlippen, von denen die rechte einen
grossen Hoden enthielt. Dieser Knabe urinierte kniend, wie die Weiber.
(Folgt die Operation in mehreren Zeiten.)
Beob. 3. Ein 4 jähriger Knabe von guter Konstitution hatte eine
perineo-scrotale Hypospadie mit bedeutender Krümmung des Penis. Diesem
fehlte die Unterseite ganz, weil die Glans an der abnormen Öffnung der
Urethra festhing, die sich im mittleren Teile des Scrotums befand. Bei der
Ausdehnung erkannte man, dass der Penis buchstäblich zusammengefaltet
war. Die beiden Hoden waren ins Scrotum herabgestiegen und das Kind
konnte nur kniend harnen. (Folgt die Operation.)
Beob. 55. Dr. Leopold (Leipzig), Ein männlicher Scheinzwitter.
(Pseudo-Hermaphrodismus masculinus externus.) Arch. für Gynäkol. Leipzig,
1875, Bd. VIII, H. 3, p. 487.
Bäuerin von 30 Jahren, amenorrhoisch, mit weiblichem Habitus. Sie
verheiratete sich mit 25 Jahren, genoss die Ehe, und hatte keine anderen
Neigungen als weibliche. Die äusseren Geschlechtsteile waren normal,
aber atrophisch. Die Symphysis Pubis ragte vor; die Vagina war glatt,
8 cm lang. Bei der Untersuchung Hess sich nicht erkennen, ob ein rudi-
mentärer Uterus oder Ovarien vorhanden waren. Aber bei der Untersuchung
durch den After fand der Verf. im hinteren Douglas sehen Raum einen
halbmondförmig durch das kleine Becken ausgespannten Strang, der in der
Tiefe knochenhart war, und Leopold dachte an die Beste eines Exsudats
mit Verhärtung des Peritonealblattes. Dann fand er im oberen Teile der
Labia majora zwei rundliche, mandelgrosse Körper, die durch Stränge ins
Becken eindrangen und die er für Hoden mit Samensträngen hielt.
Beob. 56. Dr. Leopold (Leipzig), Pseudo-Hermaphroditus mas-
culinus externus. Arch. für Gynäk. 1875, Bd. Vill, p. 487, Bd. IX,
p. 324, 1877, Bd. XI, p. 357. Mit Taf.
Eine als Weib getaufte, erzogene und gekleidete Bäuerin hatte Haare
im Gesicht, Stimme und Larynx waren männlich und die Brust flach. Ausser-
dem hatte sie einen 6 cm langen Penis mit einer Furche unterhalb, die bis
zur Glans reichte. Das Scrotum fehlte, aber es fanden sich zwei Labia
majora, beide enthielten Hoden. Unter der Wurzel des Penis befanden sich
auch zwei Öffnungen; die obere führte in die Blase (Hypospadie), die
untere in einen blind endigenden Kanal (männliche Scheide). Die Person
— 327 —
war vom 17. bis 46. Jahre menstruiert. Dennoch erklärte sie Leopold für
einen Mann.
Beob. 57. Baur, Umtaufung eines Zwitters. Anz. für St. der
Vorzeit. 1875, No. 4, p. 119, Jahresber. für 1875, Bd. 378. (7)
B. führt ein Dokument des Notars Wolff vom Jahre 1527 an, worin
angegeben wird, dass eine Hermaphroditin den Namen Elisabeth führte. In
einem post scriptum von einer anderen Hand wii'd gesagt, Elisabeth sei
später für einen Mann erkannt und verbrannt worden.
Beob. 58. Schöneberg, Ein Fall von anscheinender Zwitter-
bildung. Berl. klin. Wochenschr. 1875, No. 17.
Ein Individuum von 16 Jahren mit männlichem Habitus hatte an-
scheinend äussere weibliche Geschlechtsteile. Aber die Labia majora ent-
hielten die beiden Hoden, und zwischen ihnen erschien der 5—6 cm lange
Penis mit nicht durchbohrter Glans, und darunter eine Öffnung mit einer
Art von Hymen, die in einen blind endigenden, 6 cm tiefen Kanal führte,
in dem man keine portio vaginalis erkannte.
Beob. 59. C. J. Borge, Hypospadie. Norske Magaz. for Laege-
videnskaben. Christiania, 1876, Jahresber. für 1877, Bd. 1, p. 266.
Eine Person von 32 Jahren von weiblichem Aussehen hatte ein geteiltes
Scrotum mit Hypospadie. Die Hoden lagen in der Pubesgegend. Zwischen
Uterus und Rectum fand man kein Organ.
Beob. 60. Fr. Schauta, Ein Fall von Zwitterbildung bei
einem Erwachsenen. Wiener med. Wochenschr. 1877, No. 42, 43,
Jahresber. für 1877, Bd. 1, p. 265. (8)
Ein Individuum von 30 Jahren hatte einen Penis mit Hypospadie, an
dessen Ba,sis man einerseits in die Blase, andererseits in eine enge Scheide
gelangte. Bei der Untersuchung fand man einen dem Uterus ähnlichen
Körper, aber weder Hoden, noch Ovarien.
Obgleich sie als Weib getauft und auch menstruiert war, war sie doch
wahrscheinlich ein Mann.
Beob. 61. Edw. Swasey, An interesting case of malformation
of the female sexual organs, representing either a variety
of hermaphroditisme, or of double congenital ovarian her-
niawith absence of uterus. The amer. journ. of obstetr. and diseases
of women and children, 1881, Vol. XIV, No. 1.
Eine Köchin von 36 Jahren hatte Habitus, Stimme und Thorax weib-
lich. Sie litt an doppeltem Leistenbruche, der Mons Veneris war wohlge-
bildet, die Clitoris gross, die Labia klein, das Hymen erhalten, die Scheide
3 Zoll tief. Dagegen, versichert der Autor, fehlten Uterus und Ovarien. In
den grossen Schamlippen lagen zwei Körper, ziemlich hart, taubeneigross,
von denen zwei Stränge nach dem Leistenkanal liefen, die den Zweifel er-
regten, es seien Ovarien, wie in den Fällen von Steglehner und Cham-
bers; um so mehr, da die Frau erzählte, seit ihrem 15. Jahre fliesse statt
— 328 —
der Menstruation eine ungiünöse Flüssigkeit aus einer Fistel ihres Sternums
aus. Also war sie amenorrhoisch und ohne Uterus.
Beoh. 62. Steimann, Zur Kasuistik der Zwitter. Deutsche med.
Wochenschr., 1881, No. 19, p. 269.
Ein Knabe Ton 17 Jahren änderte sein Geschlecht dreimal; zuerst hiess
er Joseph, dann Therese, nach 10 Jahren wieder Joseph, und zuletzt wieder
Therese. Er hat weiblichen Habitus, Hypospadie und regelmässige Menstru-
ation. In den grossen Schamlippen fühlt man keinen drüsigen Körper; er
wurde in die Mädchenschule geschickt.
Beob. 63. M. Magitot, Nouveau cas d'hermaphroditisme. Bull,
de la Soc. de chir., Seance, 8 Juin 1881, p. 445. — Gaz. des hopit., 1881,
No. 69.
Ernestine war mit 13 Jahren 2 Tage lang menstruiert, was sich mehr-
mals wiederholte, mit gleichzeitiger Entwickelung der Brüste. Mit 15 Jahren
fühlte sie Neigung zu Jünglingen und mit 17 Jahren verheiratete sie sich
und lebte zufrieden mit ihrem Gatten 11 Jahre lang. Aber die geschlecht-
lichen Zusammenkünfte konnten nicht regelmässig von statten gehen, weil
der Mann niemals eindringen konnte, und die Frau gewahr wurde, dass sie
auch ein (kleines) Glied besitze und Ejakulationen habe, deren normale Be-
schaffenheit man dann erkannte.
Als sie Witwe geworden war, zeigte sich bei ihr lebhafte Neigung zu
Weibern und sie schloss mehrere Verbindungen. Im Alter von 40 Jahren
fand sie Magitot 178 cm hoch, von männlichem Habitus, aber ihre Brüste
waren sehr gross, die Areolen ähnelten den weiblichen, die Stimme war
weiblich, während ihre Gesichtszüge nichts sexuell bestimmtes hatten. Sie
besass einen nicht durchbohrten Penis, ähnlich dem eines 12 jährigen Kindes,
mit hypospadischer Einne und seitlichem Strang. Ernestine hatte zwei
grosse Schamlippen, deren eine einen Hoden enthielt ; zwischen ihnen befand
sich ein blind endigender Trichter, in den die Urethra mündete. Bei der
Untersuchung durchs Rectum fand man weder Prostata noch Uterus.
Beob. 64. F. Marchand (Giessen), Ein neuer Fall von Herm-
aphrodismus (Herrn, spurius mas culinus?). Virchows Archiv,
1883, Bd. 92, p. 586. Jahresber. für 1883, Bd. I, p. 205 (13).
Marie Eaab, 29 Jahre alt, hatte weiblichen Habitus (lange Haare,
Fehlen des Barts, gut entwickelte Brüste, weibliche Haut). Männlich war
das Gesicht, der Larynx, die Stimme und die Muskelformen. An den Ge-
schlechtsteilen wogen wieder die weiblichen Formen vor; sie hatte einen
grossen, nicht durchbohrten Penis, nach unten mit zwei Frenulis versehen,
welche zugleich mit einer Membran die kleinen Schamlippen vortäuschten;
diese endigten halbmondförmig über einem kleinen Vestibulum, in welches
die Urethra und Scheide mündeten. Auch zwei Labia majora waren vor-
handen, die keine Hoden enthielten. In der Narkose erkannte M. eine 9 cm
lange Scheide, einen gut entwickelten Uterus mit zwei seitlichen Körpern,
die man sowohl für Ovarien, als für Hoden halten konnte. Kein Anzeichen
von Prostata oder Samenbläschen.
— 329 —
Der Verf. hält es für wahrscheinlich, dass es sich um einen männlichen
Hermaphroditen handele, kann aber einen echten seitlichen Hermaphrodismus
nicht ausschUessen.
Beob. 65. Ed. Porro (Milano), Ermafroditismo: indagine
cruenta per giudicare del sesso. Gazz. med. lombarda. Milano,
1882, No. 51, p. 315. Italia med. Genova, 1883, 15. Febbr., Anno XVII, p. 21.
(Wiederholung von Beob. 43.)
Ein Mädchen, F., Waise von Mutterseite, erreichte das Alter von
15 Jahren, ehe die Grossmutter den unregelmässigen Zustand ihrer ge-
schlechtlichen Funktionen bemerkte ; aber der Vater erwartete einen Heirats-
antrag, um sie untersuchen zu lassen, da sie schon 18 Jahre alt war. So
wurde der Professor I n z a n i von Parma gerufen, der sie für einen Mann
erklärte.
Alis häuslichen Gründen fuhren die Eltern fort, die F. gegen deren
Willen als Mädchen zu behandeln, und nach einem Jahre floh sie aus dem
Hause, um ihr Geschlecht gerichtlich anerkennen zu lassen, und es gelang
ihr, folgendes Gutachten von einer Kommission zu erhalten, deren Präsident
Prof. Porro war.
Die F. zeigt männliche Formen mit Ausnahme der Brüste, nach innen
gebogene Knie, ist beständig amenorrhoisch, ohne Geschlechtstrieb, noch
Neigung zu einsamen Genüssen. Bei Untersuchung der Gesclüechtsteile
findet man unter dem Pubes die Clitoris mehr als gewöhnlich entwickelt,
oben in die Kapuze gehüllt, die in zwei kleinen Flügeln herabsteigt, so dass
sie zwei kleine Schamlippen vortäuschen, die nach innen einen Halbkanal
darstellen, der vom Glans 6 cm weit nach dem After hinzieht und zu einem
4 cm langen Kanäle führt, welcher einen weiblichen Katheter leicht in die
Blase einlässt. An den Seiten der kleinen befinden sich zwei grosse
Schamlippen, die zwei rundliche, unempfindliche Körper enthalten, an einem
kräftigen Strange hängend. Bei der Untersuchung durch das Rectum findet
man keinen harten, noch voluminösen Körper, wodurch das Vorhandensein
von Prostata und Uterus ausgeschlossen wird.
Um die Frage zwischen Hoden und Ovarien zu entscheiden, schlug
der Verf. die direkte Untersuchung vor, und die F. war gern dazu bereit,
um ihren Zustand zu entscheiden und um sich als Mann kleiden zu können.
Am 9. Dez. 1882 öffnete er die rechte genio-crural-Falte, und erkannte den
Hoden mit wenig deutlichem Nebenhoden und Samenstrang. Die Wunde
heilte fast ganz per primam intentionem.
Beob. 66. Vikt. Piazzesi, Acta sanctae Sedis, redacta studio
etc., 1883, Vol. XXI. — . Gius. Badaloni, Bull. E. Acc. med. di Roma,
1885. Gazz. degli Osped. di Milano, Luglio, 1885. Con 3 Fig. —
A. Filippi, Manuale di med. legale. Firenze, 1896, p. 138.
Die Natur des Geschlechts von Faustina Mauro von Ceccano bildete
den Gegenstand eines Prozesses, der zuerst (1870) vor der römischen Curie,
und dann (1884) vor dem Civilgerichte von Ceccano verhandelt wurde; das
— 330 —
letztere entschied, es handele sich um einen Mann mit Hypospadie, nach
dem Gutachten Badalonis. Die Geschichte ist kurz folgende :
Faustina Mauro, getauft und eingetragen als weiblichen Geschlechts,
verheiratete sich, obgleich sie nicht menstruiert war, mit 21 Jahren. Der
Gatte fand bald Schwierigkeit beim Coitus, wollte die Geschlechtsteile selbst
untersuchen und erweiterte mit einem kleinen Messer einen in der Urethra
gelegenen Spalt, erreichte aber seinen Zweck nicht. Faustina bemerkte,
dass ein Organ in Erektion geriet, das den Coitus verhinderte, und klagte
ihre Not einer verheirateten Frau, in die sie sich verliebte, und mit der sie
dann ihrer Leidenschaft freien Lauf Hess. So kam sie nach lOjähriger Ehe
dahin, sich von ihrem Gatten zu trennen und stellte vor der römischen Curie
den Antrag auf gesetzliche Scheidung. Unterdessen lebte sie im Hause
ihres Bruders, dessen Frau die genannte Geliebte war, und das Gericht be-
auftragte Dr. B adaloni mit der Untersuchung des des Ehebruchs mit einer
Ehefrau beschuldigten Weibes.
Der Sachverständige fand, dass das Individuum männlichen Habitus
zeigte, und dass vom Pubes zwei grosse Schamlippen (Oschioschisis) herab-
stiegen, die zwei Hoden enthielten. Von der Höhe der Lippen erhob sich
ein Xörper, ähnlich einem Penis (dafür wurde er von B. gehalten), mit einer
Furche, die bis 3 cm vom Anus reichte, wo er sich in eine Öffnung ver-
wandelte, welche die Einführung des Fingers bis in die Blase erlaubte. Die
Furche war mit blassroter Schleimhaut ausgekleidet, und die Weite des
Kanals wurde für die Wirkung wiederholter Versuche zum Coitus erklärt.
Der Penis war 4^/2 cm lang und Faustina sagte, bei der Erektion er-
reiche er 9 cm. Da sich bei der Untersuchung weder Scheide noch Uterus
gefunden hatte, und da man erfahr, Faustina habe Ejakulationen von Sperma,
das an den Schenkeln herabfloss, erklärte B. die Frau für einen Mann mit
vollkommener Hypospadie des Penis und das Gericht hob die Ehe auf und
verbesserte den Namen in Faustino Mauro.
Beob. 67. R. Dohrn, Ein verheirateter Zwitter. Arch. für
GynäkoL 1883, Bd. 22, p. 225. Jahresber. für 1883, Bd. 1, p. 294. (5)
Eine Frau von 31 Jahren, die immer amenorrhoisch gewesen war, war
seit 6 Jahren verheiratet und hatte wenig entwickelten Geschlechtstrieb.
Sie litt in dieser Zeit an unregelmässigen Blutungen aus den Geschlechts-
teilen. Gesicht, Stimme und Becken waren weiblich, die Haare lang und
kein Bart vorhanden. Die Geschlechtsteile waren behaart; vom Pubes stiegen
zwei Hautfalten herab, ähnlich den grossen Schamlippen ; die rechte enthielt
einen beweglichen, m»hr als taubeneigrossen Körper, der sich in einen
nach dem Leistenringe laufenden Strang fortsetzte; in der linken fühlte
man dieselben Dinge, aber kleiner. Zwischen den beiden Falten waren zwei
andere, kleinere, die nach oben sich vereinigten, um eine Kapuze für die
Clitoris zu bilden, die einem Penis ähnlich war. Nach unten lag die Mün-
dung der Urethra, durch die man den Finger bis in die Blase einführen
konnte.
Keine Spur der Vagina, bei der Untersuchung nichts, was an Uterus,
Trompeten oder Ovarien, oder auch an die Prostata erinnerte. An der
— 331 —
Vorderseite der Blase bemerkte maa eiaen harten Körper, den man für einen
männlichen Uterus hielt.
Die Frau konsultierte den Verf. wegen der Störungen, die sie bei Er-
füllung ihrer ehelichen Pflicht erfuhr, und dieser vermutete, dass in Er-
mangelung der Scheide, der Gatte sich ohne es zu wissen, der Urethra be-
diente. Diese war auch der Sitz von blutenden Polypen, und dies erklärt
die unregelmässigen Blutungen. Aber das seltsame ist, dass die Frau nach
erlangter Kenntnis ihrer männlichen Natur vorzog, ihr weibliches Leben in
ihrer mhigen Ehe fortzusetzen.
Beob. 68. Pean, Gaz. des höpit. 1884, Fevr., p. 105. N. 14.
Louise, 27 Jahre alt, amenorrhoisch, mit tiefer Stimme, mit dichtem
Bart an Wangen und Lippen, wenn sie ihn nicht rasiert, langem Frauen-
haar, von nervösem Temperament, missbrauchte den Coitus mit ihren Ge-
nossinnen und litt an Incontinenz des Spermas. Sie verlangte die Richtig-
stellung ihres Geschlechts und unterwarf sich der klinischen Untersuchung.
Man fand den Pubes behaart, darunter einen in Erektion 8^/2 cm langen
Penis, ohne Präputium und ohne Urethra. Bei der Erektion krümmte sich
der Penis wegen einer fibrösen Ehaphe, die die ganze Unterseite des Penis ein-
nahm. 3 cm tiefer befand sich eine Öffnung, aus der der Urin und unter wol-
lüstigen Gefühlen das Sperma ausfloss. Unter dieser Öffnung war eine
1^/2 cm lange, 2 cm tiefe Spalte, die eine Vulva vortäuschte. Sie zeigte
ferner zwei Lab. majora, hervorgebracht durch die Teilung des Scrotums,
das auf jeder Seite nach oben einen Hoden enthielt. Bei der Untersuchung
durch das Eectum fand man weder Scheide noch Uterus, und nur Spuren
einer Prostata.
Beob. 69. R. Gerin, Hermaphrodisme. Gaz. des Hop. 1884,
p. 1108.
Ein 26 jähriger Mann mit weiblichem Habitus und normaler Vulva, aber
mit einer 35 mm langen Clitoris mit Eichel und Präputium, aber ohne Meatus
und ohne Carunculae myrtiformes. Die Urethra mündete am Ursprünge der
Clitoris, die Scheide endigte blind. Man fühlte kein Geschlechtsorgan,
aber in den grossen Schamlippen fanden sich zwei ovale Körper, die für Hoden
gehalten wurden, vielleicht weil das Weib niemals Anzeichen von Menstru-
ation, keine Neigung zu Männern, kein wollüstiges Gefühl an der Clitoris,
auch nicht beim Coitus mit einem Manne gehabt hatte.
Beob. 70. T. Garnier, Du pseiido-hermaphrodisme. Ann. d'hyg. etc.
1885, Ser. 3, T. XIV, p. 290.
Ein Mädchen, das frühzeitig seine Mutter verloren hatte, war ame-
norrhoisch und litt viele Jahre hindurch verschiedene Beschwerden an den
Geschlechtsorganen, was sie an der richtigen Bildung derselben zweifeln
Hess, besonders nachdem sie den Coitus versucht und viel mehr schmerzhaft
als angenehm gefunden hatte. Mit 27 Jahren verliebte sie sich in eine
Frau und entschloss sich nun, sich untersuchen zu lassen.
Sie war von männlichem Habitus, ohne Brüste, mit tiefer Stimme,
aber ohne Kinnbart und nur leichtem Schnurrbart. Der Penis ist undurch-
— 332 —
bohrt und hängt herab, da er durch die Urethra herabgezogen wird, die in der
Zweiteilung des Scrotums befestigt ist, in dem sich die Hoden befinden und
kein Anzeichen einer Öffnung zu finden ist. Die Urethra öffnet sich 4 cm
entfernt von der Glans. Die Prostata ist fühlbar.
Beob. 71. Gaffe de Nantes, Joum. de med. et de chir. prat.
Paris, 1885, Fevrier.
Ein junger Mann von 24 Jahren, Waise, Klostergärtner, fühlte Ge-
schlechtstrieb, der später sehr lebhaft wurde, mit häufigen Erektionen, ohne
Vorliebe für ein besonderes Geschlecht. Er versuchte den Coitus mit Wohl-
gefallen, doch wie er sagt, ohne Ejakulation. Dennoch wünschte er zu hei-
raten, aber vorher wollte er sich untersuchen lassen.
Das Individuum war bartlos, hatte eine sanfte Stimme, zarte Gesichts-
linien, kleine Hände und Füsse, entwickelte Brüste mit grossen, erektilen
Warzen, vorstehenden Hüften, wohlgerundeten Nates. Der Mons Veneris
war behaart, sowie die Lab. majora, die keinen festen Körper enthielten.
Es waren auch Lab. minora vorhanden, aber rudimentär; eine bei Erektion
5 cm lange Clitoris, mit unvollständigem Präputium und Urethralöffnung
unterhalb der Eichel. Unter der Clitoris und zwischen den kleinen Scham-
lippen war ein 18 mm tiefer Trichter ohne Öffnung.
Der Verf. blieb in Zweifel, vermutete aber, es handele sich um
eine Frau.
Beob. 72. S. Pozzi (Paris), Sur deux nouveaux cas de Pseudo-
hermaphrodisme. Soc. de Biol. 1885, Ser. 8, T. XII, Memoires, p. 23.
1. Ein 18 jähriger Bursche hatte weiblich entwickelte Brüste. Spur
von kleinen Schamlippen, die aus der Ehaphe des Scrotums hervorragten.
Allgemeine Atrophie der äusseren Geschlechtsteile.
2. Derselbe Fall von E. Gerin angegeben, mit zwei Figuren unter
dem Titel : Weibliche Entwickelung der Brüste, Lab. majora und minora,
Hymen, Scheide, atrophischer Penis, Hoden in den grossen Schamlippen.
Beob. 73. Idem, Pseudo-hermaphrodite mal. Compt. rend. soc.
biol. Seance 26 Janv. 1884, p. 42.
Klinische Beobachtung einer Frau mit Penis, Hypospadie und Vulva,
deren Lab. majora die Hoden enthielten. Hymen, Atresia vaginae.
Beob. 74. G. Buchanan, Hermaphrodite aged 9 Years, in
whom two testicles were excised from the Labia majora.
Glasgow med. Journal, March 1885. Brit. med. Times, 14 Febr. 1885. —
G. Herrmann, Dictionn. encycl. sc. med. Ser. 4, T. III, p. 629.
Ein 9 jähriges Mädchen, nach den äusseren Organen und dem Aussehen
weiblich hatte Nymphen, Hymen, Clitoris und Scheide weiblich; sie hatte
auch Labia majora, aber diese enthielten einen beweglichen Körper mit
einem Strange, der in den Leistenkanal lief und für einen Hoden gehalten
wurde.
Beob. 75. M. Wermann (Dresden), Ein Fall von Pseudo-Herm-
aphrodismus masculinus completus. Virchows Arch. 1886,
Bd. 104, p. 81, Taf. II, Fig. 3, 4.
— 333 —
Eine 18 jährige Person mit weiblichem Habitus, ebensolchen äusseren
Greschlechtsteilen und mit einer 6 cm langen, blind endigenden Scheide.
Der Utenis wurde nicht gefunden, wohl aber 2 runde Körper an den Seiten
der Symphyse, die man nicht untersuchen konnte; dennoch wurde das Ge-
schlecht für männlich erklärt.
Beob. 76. P. Descoust, Sur un cas d'hermaphrodisme. Ann.
d. Hyg. 1886, T. XVI, p. 87.
Ein Mädchen von 21 Jaliren, amenorrhoisch, 153 cm hoch, mit eckigem
Gesicht, zahlreichen Haaren an den Lippen und am Kinn, schmaler Brust
und männlichen Brustdrüsen, fühlte bei Berührung mit Frauen wollüstige
Krämpfe mit Absonderung einer weisslichen Flüssigkeit. Sie hatte einen
glatten Pubes, 2 cm langen Penis mit nicht durchbohrter Glans und beweg-
lichem Präputium. Unter dem Penis war ein Spalt, wie eine kleine Vulva,
14 cm tief und blind endigend, in den die Urethra mündete. An den Seiten
des Spalts befanden sich 2 Labia majora, die keinen Körper enthielten. Die
rectale and hypogastrische Untersuchung fand weder Uterus noch Hoden;
die mikroskopische Untersuchung des angeblichen Spermas fand keine
Spermatozoen. Trotz des negativen Befunds dachte der Verf. an männliches
Geschlecht.
Beob. 77. G. Abeles (Wien), Ärztlicher C entral-Anzeiger.
Wien, 10. Aug. 1892, No. 23, 4. Jahrg.
Ein Kind, von dem der Verf. nicht behaupten konnte, ob es weiblich
sei, also ob es grosse Schamlippen (die kleinen fehlten), einen Sinus uro-
genitalis mit Atresie der Vagina und eine bedeutend entwickelte Clitoris
habe, oder männlichen Typus mit geteiltem Scrotum, Hypospadie und einem
hohen Grad von Kryptorchismus.
Beob. 78. Guermonprez (Lille), Une erreur de sexe avec ses
consequences. Ann. d'hyg. publ. et de med. legale. Paris, 1892, Sept.
et 0 et obre.
Louise X. trat mit 12 Jahren bei einem Bäcker in Dienst. Dann,
wechselte sie mehrmals die Herren wegen zu schweren Dienstes. Dann
ging sie, 22 Jahre alt, gegen den Willen ihrer Eltern mit einer Frau nach
Antwerpen , um in einem Kaffeehaus zu dienen. Sie erzählte, sie sei
niemals menstruiert gewesen, habe aber an Erektionen und Ejakulationen
gelitten, und dann den Coitus versucht, der aber schmerzhaft war, da die
Frauen sie nicht anzogen, und bald ergab sie sich einem liederlichen, un-
sittlichen Leben.
Sie hatte einen kurzen Hals, hervorstehende Schilddrüse, keine Brüste,
männliches Becken, männliche Gesichtszüge, einen Bart, den sie zweimal
täglich rasieren musste, Haare am Pubes bis zum Nabel, kein Promontorium.
Ferner hatte sie links einen Leistenbruch, der nach Eeduktion einen Hoden
mit Nebenhoden und Canalis deferens zurückliess, endlich eiaen kleinen.
Penis, unter welchem eine Mittelfurche bis zu einem roten, unregelmässigen
Trichter lief. Der Verf. fügt weiter nichts hinzu, als dass es sich um einen
Hypospadiäus handelte. Dieser Mann war damals 23 Jahre alt.
— 334 —
Beob. 79. Messner (Wiesbaden), Ein neuer Fall von Herm-
aphrodismus verus (unilateralis ?) am Lebenden untersucht und
beschrieben. Virchows Archiv, 1892, Bd. 129, p. 203. Mit 1 Tafel.
Die Diagnose stützt sich auf einen grossen Hoden im rechten Leisten-
kanal, im linken lag wahrscheinlich ein Ovarium. (Anat. Unters, nötig.)
Dieses Individuum, 31 Jahre alt, war seit 7 Jahren als Mann verheiratet,
obgleich er zwei starke Brüste hatte. Er besass einen Penis mit Urethra,
aber nur ein rudimentäres, in zwei Hälften geteiltes Scrotum, das in zwei
Anschwellungen an die Leistenringe angeheftet war..
Beob. 80. C. Marton , Spurius hermaphroditisme. Brit. med.
Journ., 1895, p. 81.
Äusserlich weibliche Charaktere und wesentlich männliche Organe.
Bei dem Herabsteigen der Hoden entwickelten sich Haare am Pubes,
schwollen die Brüste an und zeigten sich Symptome von Hysterie.
Beob. 81. Paul S. Kaplan, Herphrodismus und Hypospadie.
Inaug.-Dissert. Berlin, 1895.
Ein Kind von 4 Jahren mit weiblichem Habitus starb an Katan-h. Bei
der Sektion fand man eine abnorme Clitoris, perineale Hypospadie, einen
männlichen Uterus zwischen der Öffnung der Urethra. Man fand weder
Hoden noch Ovarien (wenigstens spricht von diesen Organen nicht der
Jahresbericht für 1895, Bd. II, p. 433).
Beob. 82. Grüner, Utero e trombe di Fallopio in un uomo.
Giorn. della K. Accad di Torino, 1897, p. 257.
Einem Manne von 36 Jahren, verheiratet, kinderlos, Telegraphist,
fehlte der rechte Hode ; links war ein Leistenbruch und ein harter,
höckriger Hode. Durch eine Operation wurde der Leistenkanal geöffnet,
und der Verf. fand einen zweihörnigen, an der Prostata festsitzenden Uterus
zwischen Blase und Eectum, und ausserdem einen Ductus deferens, der am
Collum uteri hinlief und sich verlor, indem er sich in der Nähe der rechten
Tuba in kleine Kanäle teilte. Der Mann hatte immer seine ehelichen
Pflichten erfüllt, niemals aus der Urethra Blut verloren, und seine äusseren
Geschlechtsteile waren vollkommen wohlgebildct.
Beob. 83. G. Chiarleoni, Due casi di deformazione esterna.
Clin, ostetrica delF Univ. di Palermo.
Im Jahre 1898 sah der Verf. zwei Schwestern von 17 und 15 Jahren,
die noch kein Zeichen von Menstruation gehabt hatten.
Die ältere war von hoher Gestalt, mit männlichen Gliedern und einem
Rumpf von männlicher Form. Keine Spur von Haaren im Gesicht, spärliche
in den Achselhöhlen und am Pubes, sanfte aber männliche Stimme, massige
Intelligenz, Furchtsamkeit, Brüste gut entwickelt, mit erektilen Warzen. An
den Seiten des Pubes bemerkte man zwei Körperchen von Taubeneigrösse,
die man als im Leistenkanal liegend betrachten konnte, mit Verteilung der
Schamhaare, wie sie den Weibern eigen ist. Unterhalb des Pubes befand
sich ein 3 cm langes Körperchen, das in eine undurchbohrte Glans endigte;
— 335 -
es war mit einer Rinne versehen, die unterwärts in einen 5 cm langen Kanal
auslief, der in die Blase mündete. Die Rinne war mit ScMeimhaut bekleidet,
die mit der Blase zusammenhing. Keine Spur von Scrotum. Bei der recto-
vaginalen Untersuchung fand man weder Scheide, noch Uterus, noch Ovarien.
Per Verf. meint, es handele sich um einen Mann mit perinealer Hypospadie,
Text zu dieser Figur auf Seite 336 (Beob. 84).
die er vulviform nennt, und sich von der gewöhnlichen Hypospadie durch
die Gegenwart der Brüste, das Fehlen des Scrotalspalts und des Scrotums
seihst unterscheidet.
Die jüngere Schwester war ebenfalls männlich, mit Brüsten. Auch in
diesem Falle hatten sich die Hebamme und die Mutter im Geschlechte geirrt.
Sie war von zänkischem Charakter und widersetzte sich der klinischen
- 336 -
TTntersaclimig. Per Verf. teschäftigr sich mii: der wenig erfreulicheii sozialen.
Zukunft der beiden Schwestern.
Beob. S4. C. Taruffi. Mem. della E. Accad. delle so. delT
istit- di Bologna. 1899. Ser. V. Tom. \ IL. p. 759. Con tarola. Vgl.
p. 9i.
Virginia i£auii, geboren in Born im Jahre 1859. erzählte folgendes. Sie
hatte zwei Scbwestem am Leben und war mit 16 Jahren schon menstruiere.
Zuerst füMte sie Neigung zum männlichen Geschlecbt. so dass sie zweimal
schwanger wurde, obgleich der Coitus ihr Schmerz Terursachte. aber die
Schwangerschaft wurde jedesmal durch Abortus tuiterbrochen. Sie erzählte
ferner, sie habe später auch Neigung zum weiblichen Geschlechte gefühlt.
Im Alter von 20 .Jahren war Virginia 138 cm hoch: sie hatte kurze
Beine, ausser Verhältnis zum Eumpfe. Ihre Haut war überall braun, ausser
an der Brust, wo sie weiss war. Die Haare waren schwarz, auch am Gesicht
und am Pubes. Die Brüste tmd die Stimme waren männlich.
Als Virginia im -Jahre 1896 nach Bologna kam, hatte sie einen dichten
schwarzen Bart, Haare Ton derselben Farbe, sehr lang. Sehr wichtig ist es,
dass Dr. Eavaglia während ihres Aufenthaltes in der Stadt die Menstrua-
tion, bei ihr beobachtete.
Virginia hatte unter dem Pubes eiuen voiatehenden, fleischigen Cylinder,
der im schlaffen Zustande 5^ 2 cm mass, mit Eichel und Präputium und
Andeutimg Tom Frenulum. Dr. Eavaglia erfuhr, dass die Eichel ursprüng-
lich nach unten an der Haut des CyHnders festhing, und dass ein Chirurg
an der Stelle des Frenulums durch das zusammengezogene Gewebe einen
Querschnitt gemacht hatte. Auf diese "Weise konnten sich die Teile ver-
längem. und man erkannte das Fehlen der Urethra, indem nur eiue Furche
mit glatter Oberfläche und einigen blind endigenden Laktmen übrig war.
Fnter dem Cylinder zeigten sich die Labia majora. zwischen denen man
auch die Labia minora erkannte, und nach oben die llündtmg der Urethra.
Zwischen diesen Lippen drang man leicht in die Scheide ein und erreichte
mit dem Finger das Collum uteri. Aber bei der Untersuchung entdeckte
man weder Hoden, noch Eierstocke, weder in den Schamlippen, noch in den
Weichen. Die Untersuchung durch das Eectum wurde nicht erlaubt.
Hier ist es zweckmässig, eine BemerkuDg über vorstehende
Beobachtungen zu \siederholen, dass ihre Zahl nämiich für eine
Monographie genügend scheint, aber nicht hinreicht, um einige
Fragen über die Häufigkeit zu beantworten, wie man aus
Kapitel n sehen kann. Denn hier sind die hauptsächlichen
Charaktere angegeben, und bei einigen kann man nicht immer
feststellen, ob es sich um einen Penis oder eine Clitoris, um
zweifelhaftes Geschlecht, oder tun einen Anorchiden, oder um
weiblichen oder gemischten Habitus handelt.
— 337 —
Daraus folgt, dass man bei der Bestiiimnmg der Häufigkeit
der einzelnen Charaktere, wozu wir die folgenden Tabellen
hergestellt haben, die Summen als annähernd richtig annehmen
muss, nicht als genaue Angaben. Dies Eesultat ist zwar un-
vollkommen, aber doch nicht ohne Dichtigkeit, denn wir haben
im Vorhergehenden die Vergleiche aller Charaktere ünt€r ein-
ander nicht erschöpft: das mögen andere thun als Zugabe zu
den in den Tabellen angeführten Angaben.
i amifi. HexmaphrodiHmus. 22
338 —
Talbelle I
Bürger-
Habitus
a 2
licher
des
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Männliche
Stand
Körpers
Urethra
1
Witwe
ver-
schwiegen
—
—
—
—
—
2
Mädchen
—
—
—
—
—
—
3
14 Jahre
weiblich
Mikro-
phallus
inguinal
Hypospadie
4
Nonne
—
"
'
"
5
Jüngling
—
undurch-
bohrt
—
Oschio-
schisis
scrotal
Meatus atreti-
cus
6
Mädchen
von
13 Jahren
natürlich
"
Oschio-
schisis
scrotal
~
7
Junge
weiblich, we-
—
nach d.Pu-
—
— ■
Mündung in d.
Frau
nig ent-
wickelt, mit
Brüsten
bertät ist
d. Clitoris
ein. atre-
tischen
Penis ähn-
lich
Scheide
8
Mann,
—
Mikro-
Oschio-
scrotal
scrotale Hypo-
Alter un-
phallus
schisis
spadie
bekannt
9
Gattin
ohne Bart,
Tribade
Penis un-
durch-
bohrt
"
Oschio-
schisis
scrotal
Hypospadie
10
Mann
Penis un-
durch-
bohrt
—
Oschio-
schisis
scrotal
11
Jüngling,
Alter un-
bekannt
Penis mit
Hypo-
spadie
Oschio-
schisis
scrotal
Hypospadie
12
Mädchen
Habitus
männlich
Penis
natürlich
—
—
scrotaler
Monor-
chide
—
13
Mann von
Habitus
Penis mit
—
ohne
inguinal.
Mündung am
31 Jahren
männlich
abnormem
Kanal
Scrotum,
Schwel-
lung
Sperma
trat mit d.
Urin aus
Perineum
U
Kind von
3 Mon.
ohne Penis
Mündung durch
die Scrotalan-
schwellung
15
Bursche
Habitus
Penis un-
—
Oschio-
scrotal
PerinealeHypo-
vor der
weiblich
durch-
schisis
spadie
Pubertät
bohrt
16
Unbek.
—
—
—
—
—
—
17
Kind vor d.
—
Mikro-
—
Oschio-
scrotal
totale Hypo-
Pubertät
phallus
schisis
spadie
i
339
entnommen aus Note 2.
Anatomi-
sches Ge-
schlecht
Menstrua-
tion und
Amenorr-
hoe
Leisten-
bruch
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Nei-
gungen
Erblich-
keit
Weibliche
Organe
Varie-
täten
Menstru-
iert mit
15 Jahren
Ge-
schlechts-
verwand-
lung, nach
vielen
Jahren
enthüllt
Menstrua-
tion un-
regel-
mässig
Hoden
S. Beob. 1
(Auria)
in spätem
Alter
Vulva u.
Vagina
endigen
bHnd
zweifel-
hafte Um-
kehrung
zwei Brü-
der mit ge-
schlechtl.
Missbild.
Hernie
rechts
22*
340
Tabelle 11
Bürgerl.
Stand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Männliche
Urethra
18
Mann von
Männlicher
Mikro-
—
—
Hypospadie an
32 Jahren
Habitus,Neig.
zu Männern
phallus
mit Eichel
der Wurzel des
Penis
19
Maria Do-
Habitus
■ —
—
Oschio-
ohne Hod.
Hypospadie des
rothea
männlich
schisis
Penis
20
Dieselbe
klin. u.
anatom.
Diagnose
—
—
—
—
—
21
Dieselbe,
Statur klein,
Mikro-
—
Oschio-
—
scrotale Hypo-
nach der
wenig Bart
phallus
schisis
spadie
Pubertät
22
Madelaine
Lefort, 16
Jahre alt
Mit 20 Jahren
dichter Bart,
Brüste
—
Clitor. un-
durchbrt.,
m. Präp.
22mmlng.
—
~
Hypospadie
23
Frau
weiblich, mit
Mikro-
_
Oschio-
scrotal
ohne Urethra,
19 Jahr, ame-
phallus
schisis
perineale Hypo-
norrhoisch.
mit Prä-
spadie
Brüste birn-
putium
förmig
24
Bäuerin,
weiblich,
—
Clitor. gut
—
ein Hode
Mündung in die
18 Jahre
Amenorrhoe
entwickelt
in einer
Schamlpp.
Scheide
25
Weib von
ohne weibl.
—
Clitor. gut
—
Hoden un-
Mündung in die
18 Jahren
Habitus,
Heirat steril
entwickelt
gew. in d.
Schamlpp.
Scheide
26
Frau von
Habitus
Männliche
—
2 kleine
inguinal
Hypospadie der
52 Jahren
männlich, mit
Brüsten
Glans, un-
durch-
bohrt,
ohnePenis
leere Beut.
Eichel
341 —
entnommeii aus Note 2.
Anatom.
Ge-
schlecht
Menstruat
u. Ame-
norrhoe
Lei-
sten-
brüche
Wechsel
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigungn.
Erhüch-
keit
Weibliche
Organe
Varietäten
Herm-
aphrodit
(nekro-
skopisch)
zweifel-
haft
Zeichen
von Men-
struation
menstru-
iert mit
8 Jahren
Amenorrh.
menstr. n.
18 Jahren
mit 18
Jahren
amenorrh.
Anschein.
geschl.
Umkehrg.
Änderg. d.
Geschl.
mehr mo-
ralisch, als
physisch
Anschein.
Geschl.-
Verändrg.
Geschl.-
Verändrg.
mehr mo-
ralisch, als
physisch
Apathie
doppel-
seitige
Hernie
Vulva u. Hod
in den grossen
Schamlippen
Sekt.:Scheide,
üter.,Tromb.,
lHod.,10var.,
Prostata
SBrüd.von
4m.Hypo-
spadie
Inn.weibl. Ge-
schlechtsorg,
vollst. Ver-
schluss der
Scheide
2 Schwest.
V. 4 m. sex.
Missbüdg.
Vulva m. Lab.
maj. U.Uterus
atrophisch
Vulva mit 2
gross. Scham-
lippen
Gerichtlich
mediz. ürtei
Neig, zukeia.
Ge schlechte
I
— 342
Talbelle n
So
S <»
am
Bürgerl.
Stand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Männliche
Urethra
27
Kind,
—
Totale
—
Scrotum
—
totale Hypo-
Alter un-
Hypo-
geteüt
spadie
hekannt
spadie
28
Soldat
weibl., Neig-
ungen männl.
11/2 ZoU
lang, dick,
m. Präput.
und Glans
Mündung in
den Scheiden-
eingang
29
Frau
männlich.
Mikro-
—
Oschio-
scrotal
Mündung aus
schlecht ge-
phallus.
schisis
dem Scrotum
bildet
nicht
durch-
bohrt
30
Frau,
männl., Neig-
Penis
—
—
verborge-
totale Hyposp.,
21 Jahro
ungen männl.
klein, ge-
krümmt
ner Sperm.
erkannt
Mündung an d.
Scheidenöffng.
31
Mädchen
weiblich
kindlicher
Penis mit
Glans und
Präput.
leichte Hypo-
sp adie unter
dem Penis
32
Frau,
weiblich, ohne
Mikroph.,
—
Oschio-
scrotal
Hypospadie
24 Jahre
Brüste, Neig-
ung männlich
undurchb.
mit Glans
u. Präput.
schisis
33
Frau
weiblich
—
—
Oschio-
schisis
scrotal,
Hydrocele
Hypospadie
34
Soldat
Glans
sitzend
Oschio-
schisis
scrotal
I
343 —
entnommen aus Note 2.
Anatom.
Ge-
schleclit
Menstr.
u. Ame-
norrhoe
Leis-
ten-
brüche
Wechsel
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigungn.
Erbüch-
keit
Weibliche
Organe
Varietäten
Herm-
aphrod.
alternans
Men-
struation
\
bilat.
Hernie
bilat.
Hernie
Hermaphrod.
alternans
Vagina, Uter.
retroversus
Zwei Aborte
Atresie der
Scheiden-
öffnung
Amput. der
Clit., künstl.
Vagina, Coit.
steril
Von 5
Brüdern
hatten 3
dieselbe
Miss-
bildung
— 344 —
Talbelle III
Civilstand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Sero tum
Hoden
Männliche
Urethra
35
Mädchen,
5 Jahre
männliche
Neigungen
Penis
atretisch
fehlt
fehlt
fehlen
Hypospadie
am Penis
36
Afrikaner,
18 Jahre
Stimme
weiblich,
Brüste stark
Mikro-
phallus
"
Labia maj.
fehlen
perineale
Hypospadie
37
Frau von
77 Jahren
Neigung zu
Weibern
'
Hyper-
trophie m.
Präput.
Urethra mit
Scheide
verbunden
38
Mann,
33 Jahre
weibl., grosse
Brüste
besitzt
eine
Urethra
rechts
gewendet
der rechte
i.Scrotum,
links im
Tumor
39
Mädchen,
17 Jahre
männliche
Neigungen
Penis ru-
dimentär,
Glans
atretisch
Oschio-
schisis
nicht ge-
funden
(Kryptor-
chie)
Hypospadie
40
Frau,
21 Jahre
Stimme tief,
keine geschl.
Neigungen,
Bart erscheint
Penis ru-
dimentär,
undurch-
bohrt
zweilapp.
inguinal
Hypospadie
41
Witwe,
73 Jahre
männlich,
keine Brüste
undurch-
bohrt,kurz
—
zweiteilig
scrotal
ohne Urethra
42
Mädchen,
Lehrerin,
nach der
Pubertät
unent-
schieden
undurch-
bohrt
zweigetlt.
scrotaler
Hode reclits
inguinaler
links
Urethra und
Samengänge
münden in die
Vulva
43
Jüngling
(FaU 2)
weibl. Brüste,
Habitus
weiblich
stark
entwickelt
inguinal
44
Mann,
49 Jahre
ohne Bart
—
—
Oschio-
schisis
scrotal
Hypospadie
45
Unver-
heirateter,
37 Jahre
männlich,
ohne Brüste
kurz
Oschio-
schisis
scrotal
Hypospadie
unten,
Meatus oben
46
Mann,
30 Jahre
(FaU 1)
weiblich
ohne Prä-
putium,
durchbhrt.
—
—
i. d. Labiis
maj. Eja-
kulation.
—
47
Bursche,
13 Jahre
(FaU 2)
weiblich, mit
30 Jahr. Bart
und Brüste
Mikro-
phallus,
ohne Prä-
putium
zwei
Hautfalt.
bohnengr.,
scrot. Eja-
kulat, aus
dem Penis
Mündung
unter d. Glans
48
Mania-
kalische,
26 Jahre
Gesicht weibl.
Eumpf männl.
(liebte zuerst
eine Frau)
Mikro-
phallus
zweiteilig
scrotal,
ohne Sper-
matozoen
Hypospadie
der Eichel
— 345 —
entnommen aus Note 2.
Anatom.
Ge-
schlecht
Menstr.
und Ame-
norrhoe
Inguinal-
Hernie
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigung.
ErbHch-
keit
Weibliche
Organe
Ver-
schiedenes
—
—
—
—
—
2Brüd.v.5
m.Hyposp.
—
männliche
Neigungen
Geschl.
zweifelh.
menstr.
durch den
Penis
Amenorr-
hoe von
Anfang an
"
'
"
Diagnose
zweifelh.
vielleicht
Blasen-
hernie
nicht
erkannt
—
—
—
—
ohne ge-
schlechtl.
Neigung.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
abenteuer-
liches Leben
—
—
—
—
—
—
—
Selbstmord
männlich,
Chirurg.
bestätigt
männlich
—
—
—
—
FaU 1. Zwil-
linge m. ge-
schl. Miss-
bildg., einer
ertränkt,
zwei Yetter
ebenso.
FaU 2.
Vulva mit
Lab. maj.
und min.
d. erste Vetter
ertränkt
ohne Bart
zwei
Hoden
Z.Weibern
Erblich-
keit
—
hatte Umgang
mit einer Tedig.
Frau, d. einen d.
G-rossvat. älinl.
Sohn gebar.
männlich,
mit weibl.
Habitus
Vulva mit
Lab. maj.
und min.
"
Amenorr-
hoe
—
—
—
Amenorr-
hoe
—
—
—
—
— -
— 346 —
Tabelle lY
Civilstand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Männliche
Urethra
Frau,
40 Jahre
Bäuerin,
30 Jahre
Bäuerin,
27 Jahre
Alt. Mann
(weg-
gelassen)
Weberin,
13 Jahre
Jüngling,
21 Jahre
Bäuerin,
30 Jahre
Bäuerin,
nach der
Pubertät
Herm-
aphrodit
(1537)
Bursche,
16 Jahre
Mann,
32 Jahre
Mann,
30 Jahre
Köchin,
40 Jahre
Bursche,
17 Jahre
männl., gross.
Brüste, ge-
schlechtlich
gleichgültig
weiblich, mit
19 Jahr, ver-
heiratet
Charakt. sanft
oline Ge-
schlechtstrieb,
mit 25 Jahr, be-
merkte sie ihre
abweichde. Bil-
dung, H. männl.
weiblich, yer
heirat., steril
männlich
schlaff, ohn.
Meat., Prä-
putium her-
abfallend,
aber z. Coi-
tus geeignet
Penis
krummer
Penis
Penis ge-
krümmt
6 cm lang
ähnlich
einem nicht
durchbohrt.
Penis mit
Präputium,
ohn.Urethr.
männlich
weiblich
männlich
weiblich
ungewiss
6 cm lang,
undurchb.
Penis
Penis
unbekannt
Clitoris
hyper-
plastisch
unbekannt
lateral
geteilt
Oschio-
schisis
Oschio-
schisis
2 Labia
majora
2 Labia
majora
Oschio-
schisis
2 Labia
majora
2 Labia
majora
ein scro-
taler Hode
2 scrotale
Hoden,
vermutet
scrotal
1 scrotaler
Hode
scrotal
scrotal
scrotal
inguinal
2 Drüsen m.
Strängen
nach d. Lei-
stenlaufend
Anor-
chidie
Hypospadie mit
Ausfluss des
Samens
Hypospadie
Hypospadie,
Mündung ins
Scrotum
urethral. Rinne,
perineo-scrotal.
Hypospadie
Hypospadie
Hypospadie
Vulvif orm. Hypo-
spadie, durcfi die
man in d. Blase u.
Vagina gelangte
Mündung un-
bekannt
Hypospadie
- 347 —
entnommen aus Note 2.
Menstr.
und Ame-
norrhoe
Leisten-
brüche
Ände-
rung des
Geschl.
Ge-
schlechtl.
Neigungn.
Erblich-
keit
Weibliche
Organe
Bemerkungen
Menstrua-
tion ver-
loren
unter-
drückt mit
17 Jahren
Ame-
norrhoe
menstru-
iert von
17-46 J.
zweifelhaft,
wechselte
den Namen
3 mal
men-
struiert
ame-
norrhoisch
Menstrua-
tion regel-
mässig
Apathie
gleich-
gültig
Apathie
2 Leist.-
brüche
Urethr. münd.
in d. Scheiden-
öffnung, Vag.
endigt blind
Kanal blind,
9 cm lang
(Vagina)
verheiratet,
steril, ohne
Uterus
zu dunkler
Fall
tötete ein
Kind, Irren-
haus
öBrüd.mit
Hyposp. in
der Glans
Atrophie der
äusseren Ge-
schlechtsteile,
Vagin.Ocmlang
Männliche
Scheide
Öffnung der
Vulva, Vagina
blind, 6 cm lang
Vagina münd
in d. Urethra,
Uterus
Vagina 3 Zoll
lang
Hermaphro-
dit, lebendig
verbrannt
348 —
Talbelle Y
1-^
Civilstand
Habitus des
Körpers
Penis
Clitoris
Sero tum
Hoden
Männlicher
Uterus
63
Witwe
männl., grosse
Brüste, Nei-
gung männl.
kindlich,
nicht
durch-
bohrt
- —
2 Labia
majora
scrotalmit
Ejakulat.
Rinne, Hypo-
spadie, Mün-
dung, zwischen
den Labiis
64
Frau,
29 Jahre
weiblich mit
Brüsten
gross, un-
durch-
bohrt, mit
2 Frenuli s
2 Labia
majora
Mündung zwi-
schen den Ver-
längerungen d.
Frenuli
65
Frau
weiblich mit
Brüsten
—
gross
2 Labia
majora
ein Hode
scrotal
'■ —
66
Frau,
51 Jahre
männlich
31/2 cm
lang
—
2 Labia
majora
2 Hoden
Hypospadie
total
67
Frau,
31 Jahre
weiblich
ähnlich
einem
Penis mit
Kapuze
2 Labia
majora
ungleich
in d. Labia
majora
der Finger
kann durch die
Urethra in die
Blase eingehen
68
Frau,
27 Jahre
männlich,
dichter Bart
3V2 cm lang,
ohne Prä-
putium und
Urethra, bei
d. Erektion
gekrümmt
2 Labia
majora
scrotal
aus der Urethra
floss Sperma
69
Mädchen,
26 Jahre
weiblich,
Neigung zu
Männern
klein
2 Hoden
70
Waise vor
der
Pubertät
männlich,
ohne Brüste
oder Bart
undurch-
bohrt,
hängend
zurück-
zweige-
teilt
scrotal
Hypospadie
71
Gärtner,
24 Jahre
weiblich,
Brüste gross
gezogen
Clitoris
5 cm lang
Labia
majora
fehlen
Öffnung der
Urethra unter
der Glans
72
Mädchen,
24 Jahre
weiblich, mit
Brüsten
aus der
Rhaphe
traten die
Lab.minora
hervor
73
Frau
—
mit Penis
—
Labia
majora
scrotal
Hypospadie des
Penis
74
Mädchen,
9 Jahre
weiblich
—
Clitoris
sichtbar
—
scrotal
—
75
Frau,
18 Jahre
—
—
—
—
inguinal,
Körper neb.
dem Pubes
76
77
Mädchen,
21 Jahre
Kind von
zweifel-
haftem Ge-
schlecht
männlich,
Neigung zu
Weibern
ungewiss
Penis 2 cm
lang, un-
durchbohrt,
bewegl.
Präputium
ungewiss
oder Cli-
toris
Labia
majora
Kryptor-
chidie
Kryptor-
chismus
vulviforme
Hypospadie
Hypospadie
entnommen aus Note 2.
— 349
Anatomi-
sches Ge-
schlecht
Menstrua-
tion, Ame-
norrhoe
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlecht-
liche Nei-
gungen
Erblich-
keit
Weibliche
Organe
Verschiedenes
männlich
Menstrua-
tion
—
—
—
weder Uterus
noch Prostata
gefunden
—
ungewiss,
vielleicht
Herm-
aphrodit
Ame-
norrhoe
weder Pro-
stata noch
Samen-
bläschen
Lab. majora
und minora
männlich
—
—
—
—
—
Erweiterung
d. Urethra
männlich
immer
amenorrh.
wollte als
Weib weiter
leben
—
Ame-
norrhoe
—
—
—
Vulva 1^/2 cm
tief
weder Scheide
noch Uterus,
noch Prostata
—
Ame-
norrhoe
—
—
sexuelle
Parese
—
Vulva und
Vagina
Fehlen
des Uterus
männlich
Ame-
norrhoe
Coitus
schmerzhaft,
verliebte sich
in ein Weib
zweifel-
haft
—
—
—
—
—
unter der Cli-
toris 18 mm
tieferTrichter
—
zweifel-
haft
Atrophie der
äusseren Ge-
schlechtsteile
männlich
—
—
-
—
—
Hymen, Atre-
sie d. Scheide
—
männlich
—
—
—
—
Hymen und
Scheide
—
männlich
zweifel-
haft
Ame-
norrhoe
—
—
—
—
Vulva, Schei-
de blind, 6 cm
lang
Uterus u. Ho-
den fehlen
— ,
—
—
—
—
—
—
—
350
Tabelle YI
Civilstand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Männliche
Urethra
78
Frau,
männl., Bart,
Mikro-
_
ein scrot.
Hypospadie
22 Jahre
Coitus
schmerzhaft
phallus
Hoden
links
j»
79
Mann,
männl., zwei
Penis mit
—
Scrotum
ein Lei-
—
31 Jahre
grosse Brüste,
seit 7 Jahren
verheiratet
Urethra
klein, aus
zwei An-
schwellg.
bestehend
stenhode
rechts, ein
zweifelh.
Körper
links
80
Mann
weiblich,
mit Brüsten
Penis
—
Scrotum
scrotal
—
81
Eind,
4 Jahre
weiblich
Hyper-
plastisch
—
perineale
Hypospadie
82
Mann,
36 Jahre,
verheirat.
männlich
normal
—
normal
Links mit
Tumor
normal
83
Mädchen,
männlich,
Mikro-
kein
inguinal
Kinne unter-
17 Jahre
Gesicht unbe-
haart, Brüste
phallus
■
Scrotum
halb, perineale
vulviforme
Hypospadie
84
Frau,
gemischt, zu-
Penis 51/2
_
Labia maj.
fehlen
Urethralrinne
31 Jahre
erst Neigung
zu Männern,
2 Ä.borte, dann
zu Weibern
cm lang m.
Eichel und
Vorhaut
a. Scheid.-
eingang
-
351 —
entnommen aus Note 2.
Anatom.
Ge-
schlecht
Menstr.
und Ame-
norrhoe
Leisten-
brüche
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigung.
Erblich-
keit
Weibliche
Organe
Ver-
schiedenes
—
immer
Amenorr-
hoe
Leisten-
bruchlinks
—
—
—
—
—
männlich
männlich
—
—
—
—
—
unbekannt
—
—
—
—
—
männl. Uterus
fühlbar durch
die Öffnung
der Urethra
Hoden u.
Ovarien
unbekannt
männlich
Hernie des
Uterus u.
d. Hodens
links
Hernie des
Uterus
ohne
Kinder
Mann mit
—
_
_
2 jüngere
wed. Scheide,
_
Brüsten
Schwe-
stern mit
denselben
Missbildg,
noch Uterus,
noch Ovarien
gefunden
zweifelh.
Vagina und
Collum uteri,
wederOvarien
noch Hoden
gefunden
- 352 -
Tabelle I.
Zusammenfassung
Habitus
Männliche
Civilstand
des
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Urethra
Körpers
1
Cha-
Varie-
Geschlecht
raktere
Varietäten
täten
Formen
Sitz
Mündung
Weiber, Beob.
weiblich,
natürlich, Beob.
Hyper-
zwei-
inguinal.
Hypospadie des
1,2,3,4,6,7,
Beob. 3, 7,
6, 12
plasie,
lappig.
Beob. 3, 13
Penis, Beob. 3
9,12
9,15
Beob. 7
V
Beob. 5, 6,
8,9,10,11,
15,17
Männer, Beob.
männlich.
Mikrophallus,
ohne Scro-
scrotal,
Hypospadie des
5, 8, 10, 11,
Beob. 12,
Beob. 3, 8, 17
tum,
Beob. 5, 6,
Scrotums,Beob.
13, 14, 15, 17
13
ge-
mischt —
aplasisch,
Beob. 14.
undurchbohrt,
Beob.5,9,10,15
Hypospadie,
Beob. 11
Kanal abnorm,
Beob. 13
Beob. 13
8,9,10,11,
12,15,17
8, 9, 14
Hypospadie des
Perineums,
Beob. 13
in die Scheide,
Beob. 7, 15
offene Urethra
im Penis,
Beob. 17
Summa 16 B.
S. 6 Beob.
S. 12 Beob.
S. 1 Beob.
S. 9 Beob.
S.ll Beob.
S. 8 Beob.
- 353 -
der Tall)elleu.
Tabelle I.
Anatom.
Ge-
schlecht
Menstr.
und Ame-
norrhoe
Leis-
ten-
brüche
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigungn.
Ver-
erbung
Weibliche
Organe
Ver-
schiedenes
männlich,
Beob. 4, 9
S. 2 Beob.
Menstr.
vorzeitig,
Beob. 3
Leis-
ten-
bruch
rechts,
Beob.
17
Erwachs.
Weib,
Beob. 4
Menstr.
unregelm.,
Beob. 7
S. 2 Beob.
S. IB.
S. 1 Beob.
InversioD,
Beob. 9
S. 1 Beob,
Zwei
Brüder,
Beob. 11
S. 1 Beob.
Vulva und
Vagina
endigen blind,
Beob. 7
Dem männl.
Geschlecht
geht Ge-
schlechts-
veränderung
vorher,
Beob. 4
S. 1 Beob.
Summa 1 B.
T a r Ti f f i , Hermaphrodismus.
23
- 354
\
Tabelle II.
Civilstand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Männliche <
Urethra I
Geschlecht
weiblich,
Beob. 19, 20,
21, 22, 23, 24,
25, 26, 29, 30,
81, 32, 33
Männer,
Beob. 18, 27
(Knabe) 28, 34
Cha-
raktere
weiblich,
Beob. 23,
24, 28, 31,
32,33
männlich,
Beob. 19,
21, 22, 29,
30
gemischt,
Beob. 18,
25, 26 (mit
Brüsten)
Varietäten
natürlich —
gekrümmt,
Beob. 30
Mikrophallus,
Beob. 18, 21, 23,
29, 31, 32
Glans sitzend,
Beob. 26, 34
Varie-
täten
hyper-
plastisch,
Beob. 22,
24, 25, 28
Form
zweiteilig
(Oschio-
schisis),
Beob. 19,
21, 23, 26,
27, 29, 32,
38,34
Sitz
inguinal,
Beob. 52
scrotal,
Beob. 23,
29, 32, 33,
34
labial,
Beob. 24,
25
ver-
borgen,
Beob. 30
(Sperma)
Sa. 17 Beob.
S.14Beob,
S. 9 Beob.
S. 4 Beob.
S. 9 Beob.
S. 9 Beob.
Mündung
Hypospadie der
Eichel, Beob. 26
— des Penis,
Beob. 18, 19, 22,
81, 32, 38
— des Scro-
tums, Beob. 21,
29
— des Peri-
neums, Beob. 28
vaginal, Beob.
24, 25, 28
offene Urethra,
Beob. 27, 30
S. 15 Beob.
355 —
TabeUe n.
Ana-
Menstr.
Lei-
Änderung
Ge-
tomisches
und Ame-
sten-
des Ge-
schlechtl.
Ver-
Weibliche
Ver-
Geschl.
norrhoe
brüche
schlechts
Neigungn.
erbung
Organe
schiedenes
Herm-
Zeichen
bila-
schein-
drei Brü-
Vulva mit
aphrodit,
von
teral.
bare Um-
der, Beob.
Hoden in den
Beob. 19,
Menstr.,
Beob.
kehrung,
21
Labien, Beob.
27 (alter-
Beob. 18
26,33
Beob. 18
18
nans)
zwei
Vorzeitige
üm-
Schwstrn.,
Vagina und
zweifel-
Menstr.,
kehrung,
Beob. 25
Uterus mit
haftes Ge-
Beob. 22
Beob. 22
1 Hoden,
schlecht,
fünf Brü-
Beob. 19
Beob. 25
Ame-
Apathie,
der, Beob.
norrhoe,
Beob. 24
34
innere Or-
Beob. 24,
gane vollstän-
25
dig, Verschl.
der Vagina,
Beob. 22
Vulva u. Ute-
rus atroph.,
Beob. 24
Vulva mit 2
Lab. maj.,
Beob. 25
Vagina —
Uterus retro-
vers.,Beob.28
Vagina atre-
tica, Beob. 31
S. 3 Beob.
S. 5 Beob.
S. 2B.
S. 3 Beob.
S. 3 Beob.
S. 7 Beob.
23*
Tabelle IH.
— 356 —
Habitus
Civilstand
des
Körpers
Penis
Clitoris
Sero tum
Hoden
Männliche
Urethra
Geschlech.t
Cha-
raktere
Varietäten
Varie-
täten
Formen
Sitz
■ Mündung
Weiber,
weiblich,
natürlich,
Hyper-
zweiteilig.
inguinal.
Hypospadia
Beob. 87, 89,
Beob. 36,
Beob. 88
plasie,
Beob. 86,
Beob. 43
balanica,
40, 41, 42, 48
38,44,46,
Beob. 37,
89,40,41,
Beob. 47, 48
47
ohn. Präputium,
43
42,44,45,
scrotal.
Beob. 46, 47
46,48
Beob. 38,
H. penidea.
Männer,
männlich,
ohne
44,45,46,
Beob. 35, 39, 40
Beob. 85, 86,
Beob. 85,
undurchbohrt,
Clitoris,
verlegt,
48
38,43,44,45,
87,39,40,
Beob. 35, 42
Beob. 35
Beob. 88
H.perinealis,
46,47
41, 48, 45
Mikrophallus
rudi-
Kryptor-
chiden.
Beob. 36, 49
gemischt.
und
mentär.
Beob. 39
Mündung
Beob. 42,
undurchbohrt.
Beob. 47
in die Vulva,
48
Beob. 39, 40, 45
fehlt,
Beob. 35
fehlen,
Beob. 35,
36
Beob. 42
ohne Urethra,
Beob. 41
Sa. 14 Beob.
S. 14 Beob.
Summa8Beob.
S. 8 Beob.
S. 12 Beob.
S. 9 Beob.
Summa 9 Beob.
357
Tabelle in.
Anatom.
Ge-
schleclit
Menstr.,
Amenorr-
hoe
Lei-
sten-
brüche
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigung.
Ver-
erbung
Weibliche
Organe
Ver-
schiedenes
zweifel-
haft,
Beob. 36,
38
männlich;
Beob. 43,
44, 45, 46
vicar-
ierend,
Beob. 36
Amenorr-
hoe
Beob. 37,
47,48
Blasen
bruch
(ver-
mutet)
B. 38
für
Weiber,
Beob. 45
Apathie,
Beob. 40
zwei
Brüder,
Beob. 35
Zwillinge,
Beob. 43
demGross-
vater
ähnlich,
Beob. 45
Vulva mit
Labia majora
und minora,
Beob. 43, 46
S. 6 Beob.
S. 4 Beob.
S.IB.
S. 2 Beob.
S. 3 Beob.
Sa. 2 Beob.
— 358
Tabelle IV.
Habitus
Civilstand
des
Körpers
Penis
Clitoris
Sero tum
Hoden
Männliche
Urethra
Geschlecht
Cha-
raktere
Varietäten
Varie-
täten
Formen
Sitz
•Mündung
Weiber,
weiblich.
undurchbohrt,
hyper-
zweiteilig
scrotal,
Hypospadia
Beob. 49, 50,
Beob. 50,
schlaff.
plastisch,
(oschio-
Beob. 49,
penidea.
51,53,55,56,
53,55,59,
Beob. 49, 58
Beob. 54,
schisis).
50,51,53,
Beob. 49, 50, 59
61
61
regelmässig.
64
Beob. 50,
53,54,56,
54, 56, 58
H. scrotalis.
Beob. 51, 56,
58,59,61,
inguinal,
Beob. 53 -■
Männer,
männlich.
59, 60
62
Beob. 59,
Beob. 52, 54,
58, 59, 60, 62
Beob. 49,
56, 58, 60
gekrümmt,
Beob. 53, 54
seitlich,
Beob. 49
61
H. perineo-
scrotalis,
Beob. 54
Hermaphrodit
Beob. 57
gemischt,
Beob. 62
•
Einne am Penis,
Beob. 56
H. perinealis
mit der Blase
verbunden,
Beob. 60
Sa. 14 Beob.
S.lOBeob.
Summa 8 Beob.
S.2Beob.
S. 9 Beob.
S.9Beob.
Summa 7 Beob.
I
— 359
Tabelle lY.
Anatom.
Menstr.,
Lei-
Änderung
Ge-
Ge-
Amenorr-
sten-
des Ge-
schlechtl.
Ver-
Weibliche
Ver-
schlecht
hoe
brüche
schlechts
Neigung.
erbung
Organe
schiedenes
männlich,
regel-
dop-
Apathie,
Apathie,
Vagina, blind
Beob. 56
mässig.
pelter,
Beob. 49,
Beob. 49,
endigend,
Beob. 56,
B. 61
50,53
50,53
Beob. 50, 53,
zweifel-
62
58
haft,
Hypo-
Beob. 50,
Amenorr-
spadia
äussere Teile
55,60,61,
hoe,
balanica
atrophisch.
62
Beob. 55,
61
Unter-
(5 Brüder),
Beob. 54
Beob. 55
Scheide
männlich.
drückung,
Beob. 56
; Beob. 49,
50
•
Mündung der
Urethra in
dieVaginamit
Uterus,
Beob. 60
Vagina kurz,
Beob. 61
S.6Beob.
S. 6 Beob.
S.IB.
S. 3 Beob.
S.4Beob.
Sa. 7 Beob.
360 —
Tabelle Y.
Habitus
Civilstand
des
Körpers
Penis
Cütoris
Sero tum
Hoden
Männliche
Urethra
Gechlecht
Cha-
rakter
Varietäten
Varie-
täten
Formen
Sitz
Mündung
Weiber, Beob.
weiblich,
natürlich, Beob.
Hyper-
2 Labia
inguinal.
Hypospadia pe-
63, 64, 65, 66,
Beob. 65,
73,
plasie,
majora.
Beob. 75
nidea Beob. 63,
67, 68, 69, 70,
67, 69, 71,
Beob. 65,
Beob. 63,
66
72, 73, 74, 75,
74, 75
undurchbohrt.
66, 69, 74,
64, 65, 66,
scrotal,
76
Beob. 64, 70
77
67, 68,70,
Beob. 63,
Mündung
männlich.
71, 73, 77
65, 66, 68,
zwischen den
Männer, Beob.
Beob. 63,
MikrophaUus,
70, 72
Prenuli, Beob.
71
66, 68,70,
76
Beob. 69
Lab. maj..
64
ungewiss,
undurchbohrt
Beob. 67,
Urethra erwei-
Beob. 77
gemischt,
Beob. 64,
und Mikro-
phaUus, Beob.
69
tert, Beob. 67
77
63, 76
kurz, Beob. 65,
gekrümmt und
kurz, Beob. 6
ungewiss, Beob.
77
fehlen,
Beob. 71
Kryptor-
chiden,
Beob. 76,
77
Samenfluss
unter d. Penis,
Beob. 68
Hypospadia pe-
nidea, Beob. 75,
76, 77
S. d. B. 15
S. d. B. 13
S. d. B. 9
S. d. B. 5
S. d. B. 10
S. d. B. 12
S. d. B. 8
- 361
Tabelle Y.
Anatom.
Ge-
schlecht
Menstrua-
tion, Ame-
norrhoe
Lei-
sten-
brüche
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigungn.
Ver-
erbung
Weibliche
Organe
Ver-
schiedenes
männlich,
Ame-
sexuelle
Fehlen von
Beob. 63,
norrhoe,
Parese,
Uterus und
66, 67, 70,
Beob. 63,
Beob. 69
Prostata,
73, 74, 76,
67, 68, 69,
70, 76
Beob. 63
zweifel-
Lab. maj. et
haft, Beob.
min., Beob. 65
64, 71, 72,
76
'
Vulva 1^2 cm
tief, Beob. 68
Vulva mit
Vagina, Beob.
69, 75
Trichter
unter der Cli-
toris, 18 mm
lang, Beob. 71
Atrophie der
äusseren Ge-
schlechtsteil.,
Beob. 72
Hymen mit
Atresie d. Va-
gina, Beob. 73
Uterus und
Hoden fehlen,
Beob. 76
S.d.B.ll
S. d. B. 6
S. d. B. 1
S. d. B. 9
362 —
Tabelle Tl.
Civilstand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Scrotum
Hoden
Männliche
Urethra
Geschlecht
Charakter
Varietäten
Varie-
täten
Formen
Sitz
Mündung
Weiber, Beob.
männlich.
regelmässig,
hyper-
2 Schwell-
scrotal,
Hyposp. penid.,
78, 88, 84
Beob. 78,
Beob. 79, 80,
plastisch,
ungen,
Beob. 78,
Beoh. 78
Männer, Beob.
79, 82, 83
82, 84
Beob. 81
Beob. 79
80
H. perin., Beob.
79, 80, 81, 82
weiblich,
Mikro Phallus,
regel-
inguinal,
81
Beob. 80,
81
Beob. 78, 83
mässig,
Beob. 80,
' 82
Beob. 79,
82, 83
Rinne am Penis
u. Hypospadie
gemischt,
fehlen,
perin., Beob. 88
Beob. 84
fehlt,
Beob. 83
Lab. maj.,
Beob. 84
Beob. 84
Rinne am Penis,
Beob. 84
Sa. d. B. 7
Sa. d. B. 7
Sa. d. B. 6
Sa. d. B. 1
Sa. d. B. 5 Sa. d. B. 6
Sa. d. B. 4
Allgemeine
Civilstand
Habitus
des
Körpers
Penis
Clitoris
Scrotum i Hoden
Männliche
Urethra
Tab. I
Tab. II
Tab. III
Tab. IV
8a.d.B.16
Sa.d.B.6
Sa.d.B.17Sa.d.B.14
Sa.d.B.l4
Sa.d.B.14
Tab. V [Sa.d.B.15
Tab. VI Sa. d. B. 7
Ganze
Summe
83 Beob.
Sa.d.B.14
Sa.d.B.lO
Sa.d.B.13
Sa.d.B.7
64 Beob.*)
Sa.d.B.12
Sa. d. B. 9
Sa. d. B. 8
Sa. d. B. 8
Sa. d. B. 9
Sa. d. B. 6
52 Beob.
Sa. d. B. 1
Sa. d. B.,4
Sa. d. B. 3
Sa. d. B. 2
Sa. d. B. 5
Sa. d. B. 1
16 Beob.
Sa. d. B. 9
Sa. d. B. 9
Sa.d.B.12
Sa. d. B. 9
Sa.d.B.10
Sa. d. B. 5
54 Beob. 56 Beob
Sa.d.B.ll
Sa. d. B. 9
Sa. d. B. 9
Sa. d. B. 9
Sa.d.B.12
Sa. d. B. 6
Sa. d. B. 8
Sa.d.B.15
Sa. d. B. 9
Sa. d. B. 7
Sa. d. B. 8
Sa. d. B. 4
51 Beob.
") Habitus weiblich 29
„ männlich 27
„ gemischt 8
363
Tabelle Tl.
Anatom.
Ge-
schlecht
Menstrua-
tion, Ame-
norrhoe
Leisten-
brüche
Änderung
des Ge-
schlechts
Ge-
schlechtl.
Neigungn.
Ver-
erbung
Weibliche
Organe
Verschie-
denes
männlich.
Ame-
inguinal.
zwei
männlicher
Beob. 79,
norrhoe,
Beob. 78.
Zwillinge,
Uterus,
80, 82, 83
Beob. 78
Hernie des
Beob. 83
Beob. 81
unbe-
Uterus
Hernie des
kannt.
links.
Uterus,
Beob. 81
Beob. 82
Beob. 82
zweifel-
Vagina et
haft, Beob.
coUum uteri.
1 "
Beob. 84
Sa. d. B. 6
Sa. d. B. 1
Sa. d. B. 2
Sa. d. B. 1
Sa. d. B. 3
Znsammeiistellims",
Ana-
tomisches
Geschl.
Menstrua-
tion, Ame-
norrhoe
Leisten-
brüche
Änderung
des Ge-
schlechts
Geschl.
Neigungn.
Ver-
erbung
weibliche
Organe
Ver-
schiedenes
Sa.d.B.2
Sa. d. B. 2
Sa. d.B. 1
Sa. d.B. 1
Sa.d.B.l
Sa. d.B. 1
Sa.d.B.l
Sa. d. B. 1
Sa. d. B. 3
Sa.d.B.5
Sa.d.B.2
—
Sa. d.B. 3
Sa. d. B. 3
Sa. d.B. 7
—
Sa. d. B. 6
Sa.d.B.4
Sa. d. B. 1
—
Sa.d.B.2
Sa. d. B. 3
Sa. d. B. 2
—
Sa. d. B. 6
Sa. d. B. 6
Sa. d.B. 1
—
Sa. d.B. 3
Sa. d. B. 4
Sa. d.B. 7
—
Sa.d.B.ll
Sa. d. B. 6
—
—
Sa. d. B. 1
—
Sa. d. B. 9
—
Sa. d. B. 6
Sa, d. B. 1
Sa. d. B. 2
—
—
Sa.d.B.l
Sa. d. B. 3
—
34 Beob.
24 Beob.
7 Beob.
1 Beob.
10 Beob.
12 Beob.
29 Beob.
1 Beob.
— 364 —
Note 3. Änderung des GrescMechts.
Beob. 1.
Aristoteles und Galenus meinten, die Geschlechtsteile des
Mannes unterschieden sich von denen des Weibes nur durch die Lage, so dass
die äusseren des einen Geschlechts denen des anderen vollkommen ähnlich
seien, aber innerlich lägen, daher wurde die Verwandlung einer Frau in
einen Mann, die bisweilen vorzukommen scheint, dem äusseren Auftreten der
vorher im Inneren vorhandenen Organe zugeschrieben.
Beob. 2. Hippokrates, Epidemicor. Libr. VI, Lectio 8, No. 32. De
Phartus Pistae uxore.
Er bringt zwei Beobachtungen von Frauen, die nach dem Aufhören der
Menstruation ein männliches Aussehen annahmen.
Beob. 3. Plinius, Historia naturalis. Libr. VII, Cp. 4.
„Es foeminis mutari in mares non fabulosum. Invenimus in annalibus,
P. Licinio Crasso etc. Cicio Cassio Longino coss. Cassini puerum factum
ex virgine sub parentibus, jussuque auspicum in insulam desertam: sed et
Licinius Mucianus prodidit, visum a se Argis Ariscontem virum, cui nomen
Arescusa fuit; cum antea uti foemina ad nuptias traducta esset, in virum
tamen evasit, barba et virilitate proveniente, uxorem quoque duxit."
Anderswo sagt er: „Gignuntur homines utriusque sexus. Quos herm-
aphroditos vocamus, olim androgynos vocatos et in prodigiis habitos, nunc
vero in deliciis."
Beob. 4. Aulus Gellius, Noctium atticarum. Libr. IX, Cp. 4.
„Ex foeminis inquit (de Caenide et Caeneo) mutari in mares non est
fabulosum."
Beob. 5. Phlegon (Lydia), De rebus mirabilibus. Brunsvig, 1839,
Cp. IV, 7.
Erzählt von einem Mädchen, das zur Zeit des Kaisers Claudius zum
Mann wurde.
Beob. 6. St. Augustin, De civitate Dei. Libr. III, cp. 81. — Vola-
terranus (Kaff. Maffei), Comment ariorumurbanorum. Libr. XXIX,
Tit. de vesica (?) in fine. Romae, 1506.
Augustinus erzählt, zur Zeit des Papstes Alesander IV. habe ein
Mädchen, das geheiratet hatte, sich in einen Mann verwandelt, und fügt
hinzu, diese Verwandlung finde auch bei Hühnern statt. Volaterranus
fügt hinzu, die zum Mann gewordene Frau habe ein Gesuch an den Papst
gerichtet, er möge die Ehe aufheben.
Beob. 7. Albertus Magnus, De animalibus. Libr. XVIII, cp. 4,
Komae, 1478.
Er erzählt, zu seiner Zeit habe ein Mädchen mit anscheinend normalen
Geschlechtsteilen gelebt; aber in der Zeit der Pubertät änderten sich diese.
Man rief Ärzte, diese durchschnitten eine Membran, und sogleich erschienen
die männlichen Organe. A. M. glaubt, nicht das Geschlecht habe sich ge-
ändert, sondern das zuerst Verborgene sei nur offenbar geworden.
_ 365 —
Beob. 8. Decimus Magnus Ausonius (Bordeaus), Opera. Parma, 1449,
Firenze, 1517, Amstelodami, 1671. Epigr. 69, p. 43.
Quae sexum mutarint.
Vallelianae (nova res et vix credenda pactis
Sed quae de vera promitur historia)
Foeminam in speciem convertit masculus alis, etc.
J. Wier (geb. 1515, gest. 1588), Opera omnia. Amstelodami, 1660.
Libr. IV, cp. 24. — De la naturelle tr ansmut ation du sexe
humain. Paris, 1885. Vol. I, p. 598.
Er glaubt (mit den Griechen), dass die Materie bei der Zeugung von
der Frau geliefert wird, so dass ein Weib, das zum Manne wird, ein dem
Penis ähnliches Organ verborgen haben muss. Da nun die Natur etwas Un-
vollkommenes vervollkommnen kann, so kann sie die Clitoris wachsen lassen
bis sie einem Penis ähnelt und äusserlich sichtbar wird, entweder durch den
Antrieb der Menstruation, oder durch geschlechtlichen Eeiz. So wird es
bewiesen, dass die Natur sich dem Besseren zuneigt, und niemals dem
Schlechteren. Denn niemals hat sich ein Mann in ein Weib verwandelt.
Beob. 9. G. Fulgosus, De dictis factisgue memorabilibus:
a rerum humanarum primordio usque in ipsius tempus: illis
exceptis, quae luculenter Max. Valerius edidit: opus aBap-
tista Fulgoso vernacula lingua conscriptum: et a Camillo
Grilino latinum factum. Jacobus Ferrarius, Mediolani, 1508, im-
pressit in Folio: Libr. I, Mirabilibus. 2. edit. Parisiis, 1518, in 4to. Beide
Ausgaben befinden sich in der Universitätsbibliothek zu Eom.
Lodovico Garreo aus Salerno erzählt, er habe fünf Töchter, von
denen die beiden älteren im 15. Jahre sich in Männer verwandelten, indem
plötzlich der Penis erschien.
Beob. 10. G. Pontano, Delle cose celesti. Libr. X, Venetiis, 1519.
Er erfuhr von Antonio Panormita, dass bei einer seit 14 Jahren ver-
heirateten Frau das natürliche Glied erschien, daher sie, um dem Spotte zu
entgehen, Mönch wurde und ihr ganzes Leben in der Minerva in Eom lebte,
wo sie begraben liegt.
Eine andere Frau, erzählt Pontano, die seit 12 Jahren verheiratet
war, wurde ein Mann und nahm eine Frau. Der Eichter Hess auf Befehl
des Königs Ferdinand der zum Manne gewordenen Frau ihre Mitgift zurück-
geben.
Beob. 11. B. Varchi, Lezione sopra la generazione dei mos-
tri, fatta da lui nell'Accad. Fiorentina 1' anno 1548. Lezioni
raccolte nuovamente etc. Firenze, 1590, p. 103.
Er glaubt nicht, dass ein Mann ein Weib werden könne, wohl aber
dass ein Weib sich bisweilen in einen Mann verwandele.
Beob. 12. J. Berengarius in Mundinum. Fol. 210. Bononiae, 1521.
„Mares perpetuo servant sexum, quia natura non intendit in specie
humana generare nil perfectius masculo; sed interdum repertum est, foeminas
convariare sexum, quia natura semper cupit perfectionem."
— 366 —
Beob. 13. J. Wier, Histoire des illusions et impostures des
diables, etc. Paris, 1579. 1885, T. II, p. 598, cp. XXIII. Transformation
naturelle du sexe humain.
Verf. sammelt viele Geschichten dieser Art.
Beoh. 14. Realdo Colombo, De re anatomica. Venezia, 1559. Libr.
XV, p. 268.
Eine äthiopische Frau, welche die Lombarden Zigeunerin nannten, war
von unvollkommenem Geschlecht und konnte weder als Mann, noch als Frau
fungieren. Der Penis übertraf nicht wenige Finger an Länge und Dicke.
Die Öffnung der Vulva war so klein, dass sie kaum den kleinen Finger ein-
liess. Sie wünschte, dass ihr der Penis durch eine chirurgische Operation
abgetragen und die Öffnung der Vulva vergrössert würde. Der Verfasser
operierte sie nicht, weil er fürchtete, ihr zu sehr zu schaden.
Beob. 15. Amato (portugiesischer Arzt), Curationum medicina-
lium. Cent. IL Lugduni, 1580. Venetiis, 1653, p. 150. Curatio 39.
„In qua agitur de puella in virum versa, priapum usque ad id tempus
intus latitantem extra ejecit."
In der Anmerkung berichtet Amato über mehrere ähnliche Fälle aus
der römischen Litteratur.
Beob. 16. G. Mercuriali (Forli), Variarum lectionum etc. Libri-
sex. Venetiis, 1598. Libr. VI, cp. 20, p. 136.
Er nimmt an, dass Weiber sich in Männer verwandeln können, aber
nur, wenn sie Jungfrauen sind, nicht, wenn sie schon verheiratet sind und
in vorgerücktem Alter stehen.
Beob. 17. A. Pare, Opera Chirurgie a. L. XXIII, cp. 5. De sexus
mutatione. Francof. ad Moenum, 1594, p. 729.
„Homines ex foeminis mutari in mares non esse fabulosum. At ex
maribus, qui in foeminas degeneraverint , nusquam in historia repertum.
INatura semper enim tendit progressusque facit ab imperfectis ad perfecta,
nunquam contra turpi relapsu a perfectis ad imperfecta refertur."
Beob. 18. Anibr. Pare, Histoires memorables de certaines
femmes, qui sont degenerees en hommes. Oeuvres completes, L.
25, cp. VI, Paris, 1607, p. 1015. — Oeuvres etc. revue etc. par J. F. Mal-
gaigne. Paris 1840. T. III, cp. VII, p. 19.
Ein Mädchen von 25 Jahren wollte einen Graben überschreiten und
war gezwungen, zu springen. In diesem Augenblicke zeigten sich die Ge-
nitalien und der Penis. Die Chirurgen sahen, dass sie ein Mann war, und
das geistliche Gericht gab ihr einen männlichen Namen.
Beob. 19. J. Duval, Traite des Hermaphrodite s. Ronen, 1612.
Paris 1880, p. 325, Ch. 51.
Die Geschlechtsveränderungen geschahen nicht durch eine Schöpfung,
noch durch Umkehrung der Geschlechtsteile, sondern dadurch, dass das zu-
erst verborgene offenbar geworden ist. Wenn also die äusseren Zeichen
dem weiblichen Geschlecht angehören, und zu einer Zeit ein zur Zeugung
genügendes männliches Glied erscheint, nennt es der Verf. Gynanthrope.
— 367 —
Beob. 20. A. Merindolo, Aquensis. De possibili sesus meta-
morphosi disputatio. Aquis Sextiis, 1608.
Verf. leugnet die Androgynen und erklärt sie durch den yerborgenen
Zustand der Hoden.
Beob. 21. G. Schenk jun., Observationum medicarum etc.
Francof., 1609, Libr. IV. ~ De genitalibus partibus, p. 573.
Verf. sammelt einige Geschichten von angeblichen Hermaphroditen und
von Fällen von zweifelhaftem Geschlecht, die später aufgeklärt wurden.
Beob. 22. F. Plater (Basel), Observationum. Basel, 1614, Libr.
III, p. 580.
„Anna Jacob, hermaphroditus putatus, quia scrotum illius pudendum
muliebre nonnihil repraesentabat."
Beob. 23. S. Wlajolo (Asti), Episcopus Vulturariensis. Dies
caniculares. Moguntiae, 1650. Vol. I, p. 65, squ. Foeminarum in mares
mutatio.
Beob. 24. F. Licetus, De monstris, 1634. Amsterdam, 1665. Libr.
II, cp. 54, p. 173.
Verf. glaubt, dass Weiber sich hätten in Männer verwandeln können.
Er stützt sich auf die Autorität des Plinius, des Delechampius
(Kommentators des Plinius), des J. Fulgosius, des Albertus Mag-
nus, des Volaterranus, Pbilologia, Lib. 24. Albertus Magnus,
De animal. tr. 2, cap. 3. Volaterranus, Lib. 24, cp. de Vesica.
Beob. 25. G. Gimma (Bari), De hominibus et animalibus fa-
bulosis. 1714, cp. 22, p. 219.
Gegen die Meinung derer, die glauben, Weiber könnten sich in Männer
verwandeln, glaubt er, sie seien immer Männer gewesen, deren Geschlechts-
teile zuerst in einer Spalte verborgen waren.
Beob. 26. R. Cocchi, Lezioni fisico-anatomiche. Livorno,
1775. Opera postuma. Lez. V, p. 53.
Er schreibt der ausserordentlichen Grösse der Clitoris, so dass sie
einen Penis vortäuscht, die Meinung der Alten über die Umwandlung des
Geschlechts zu.
Beob. 27. Saviard, Eecueil d'observations chirurgicales.
Paris, 1784, p. 150.
Marguerite kam 1693 nach Paris in Männerkleidung und glaubte, ein
Hermaphrodit zu sein. Der Verf. erkannte, dass sie einen Vorfall des
Uterus hatte.
Beob. 28. G. Hannaeus, De hermaphrodito. Acta med. et philos.
Hafniensia. Hafniae, 1677. T. IV, p. 183—85. Beob. 79.
Ein Weib, das als Mann erkannt wurde.
Beob. 29. D. Christ. Walter, De hermaphrodito notatu digno.
Acta nat. curios. 1715. Cent III et IV, p. 305.
Was man für einen Androgynen hielt, war nur ein Mann mit Hypo-
spadie.
Beob. 30. M. Schurig, De hermaphroditis et sexum mutan-
tibus. Francof. ad Moenum, 1720, p. 561—721.
Idem. Sp ermatologia etc. Ibidem.
— 368 —
Beob. 31. F. B. Oslander, Über die Geschlechtsverwechsel-
ung neugeborenerKinder. Denkw. f. Heilk. und Geburtsh. Göttingen,
1795, T. II, p. 462—476.
Beob. 32. V. Malacarne, Trasmutazione (apparente) di
femmina in maschio. Mem. soc. ital. dei 40. Modena, 1802. Vol. IX,
p. 109.
Scrotum 2 teilig, Penis mit vollständiger Hypospadie, darunter ein
Sinus, den der Verf. als Einwärtsbiegung des Scrotums erklärt.
Beob. 33. Schweickhard, Geschichte eines lange Zeit für einen Herm-
aphroditen gehaltenen wahren Mannes. Hufelands Journ. prakt. Arz-
neik. Berlin, 1803. Bd. XVII.
Beob. 34. Alberti, Prof. Eelazione di un parto mostruoso,
avvenuto iu Brescia il 10 Die. 1810. Comm. dell' Acc. di scienze etc.
del MeUa 1810. Brescia, 1811, p. 48.
Die Monstruosität bestand in den Geoitalien, der Fötus wurde zuerst
für weiblich gehalten, und dann als männlich erkannt.
Beob. 35. J. A. Bock, Beschreibung und Abbildung der missgebildeten
Geschlechtsteile eines 7jährigen Kindes, welches bis jetzt für ein Mädchen
erklärt wurde, nun aber als Knabe erklärt worden ist. Berlin, 1811, in 4*0.
Beob. 36. F. Blumenbach, Comment. soc. seien t. Göttingen, 1813,
p. 8. — Fabricae androgynae femin a. Handb. d. Naturgesch. 1825,
p. 20.
Er bespricht die Geschlechtsverwandelung, auch bei Tieren.
Beob. 37. Kob, Gam., De mutatione sexus. Berlin, 1823.
Beob. 38. Fronmüller, Beschreibung eines als Mädchen
erzogenen männlichen Zwitters. Zeitschr. f. Staatsarzneik. Er-
langen, 1834. Bd. 27, p. 205.
Beob. 39. F. Legros, Homme hypospade, pris pendant 22 ans
pour une femme. Journ. connaiss. med. chir. Paris, 1835 — 36. T. III,
p. 273—76.
Beob. 40. Otto, Eine Mannsperson, die bis ins 28. Jahr für
ein Mädchen angesehen und als solches erzogen wurde.
Zeitschr. f. d. ges. Mediz., Hamburg, 1845, Bd. 28, p. 237.
Beob. 41. E. A Peck, Auswahl einiger seltener und lehrreicher FäUe etc.
Dresden, 1858.
Berichtet über Fälle von Hypospadie, deren Geschlecht erst spät er-
kannt wurde.
Beob. 42. Blanche, Anomalie des organes genitaux externes;
organes femelles pris d'abord pour des organes mäles. Bull.
soc. anat. de Paris, 1867, T. 42, p. 21—23.
Beob. 43. T. Grahm, Gase of hypospadia with cleft scrotum,
believed a female til 16 years of age. With remarks by P.
D. Handy side. Edinburgh, 1873, in 8 <>.
— 369 —
Beob. 44. J. Donath in Budapest. — J. Wier, (Histoires etc. des
diables, des magiciens, sorcieres etc.) Virchows Arch., 1886,
Bd. 104, p. 205.
Der Verf. betrachtet die historischen Nachrichten über Geschlechts-
veränderung und fügt wichtige Betrachtungen hinzu.
Note 4. Hypertropliie der Clitoris.
Beob. 1. Reiner Graaf, De mulierum organis generationi
inservientibus. Tract. novus. Leyden, 1672. p. 18.
Ein Mädchen wurde als Knabe getauft; nach einigen Tagen starb es,
und man fand, dass die Clitoris durch ihre Grösse einen Penis vortäuschte.
Beob. 2. D. Katzki, Monstri hermaphroditici historia. Acta
med., Berolini, 1721, Dec. 1, Vol. IX, p. 61.
Verf. sezierte einen acephalen Fötus, der an der Öffnung der Vulva
einen Penis (mentula) und innerlich einen zweihörnigen Uterus hatte. S.
Taruffi, Storia della teratologia. Bologna, 1882, T. II, p. 65 und 191.
(Weib mit grosser Clitoris.)
Beob. 3. M. A. Caldani, Lettera diretta a Zeviani. Mem. di
Matern, e phys. della Soc. ital. Verona, 1794, T. VII, p. 130, Taf. VII.
Eine Frau von männlichem Aussehen hatte eine fast 10 cm (?) lange
undurchbohrte Clitoris, ferner eine doppelte Scheide; in eine der Scheiden
mündete der Uterus. Der Verf. meinte, es handele sich um eine Frau.
Beob. 4. E. Malvani, Kendiconto delle ammalate ricoverate
nel Ospizio celtico etc. Torino, 1830.
Eine Prostituierte hatte eine Clitoris in Gestalt eines Penis, die am-
putiert wurde.
Beob. 5. G. Tortosa, Istituzioni di medicina forense. Bologna,
1836, T. I, p. 106.
Verf. berichtet über eine ungedruekLe Beobachtung des Dr. Portin ari
über einen Neugeborenen, der für männlich galt. Dieser Arzt erkannte die
1 ZoU lange Clitoris ohne Präputium ; die Labia täuschten ein Scrotum vor,
aber ohne Hoden, Unter der Clitoris befand sich die Öffnung der Urethra
und das Hymen, das keine Öffnung zeigte.
Tortosa sammelte viele Fälle von zweifelhaftem Geschlecht , oder
welche, die falsch beurteilt wurden.
Beob. 6. P. G. Herwett, Case of doubtfull sex. Brit. med. Journ.
1857, No. 35. Canstatts Jahresber. für 1857, Bd. IV, p. 29.
Ein angebliches Mädchen von 5 Jahren hatte eine grosse Clitoris, die
ein Chirurg exstirpiert hatte und die wieder gewachsen war. Jetzt war sie
daumendick und hatte keine Glans. Das Mädchen hatte zwei Labia majora,
die keinen Körper enthielten, und zwischen ihnen lag die Öffnung der Urethra.
Die Geschlechtsteile waren mit roten Haaren bedeckt, ohne Anzeichen von
Vagina oder Uterus.
Taruffi, Hermaphrodismus. 24
- 370 -
Beob. 7. Debout et Huguier, Developpement anormal du
clitoris. Occlusion vulvaire avec orifice au dessous du
clitoris. InLeonLefort, Desvicesdeconformationde l'uterus
et du vagin. Paris, 1863, p. 203.
Frau von 39 Jahren, mit weiblichen Instinkten; die Menstruation war
schmerzhaft und geschah durch eine Ölnung unter der Mündung der Urethra,
folglich unter der Clitoris, die 5 cm lang und mit einem Präputium ver-
sehen war. Die beiden Labia majora hatten die gewöhnliche Lage, aber
die linke war bcutelförmig und enthielt einen eiförmigen Körper, den der
Verf. für ein Ovarium hielt. Wenn man die Lippen auseinanderzog, fand
man eine häutige Scheidewand, ohne andere Öffnung als die oben genannte.
Durch diese führte Huguier eine Sonde ein, die er gegen den Anus richtete,
und machte dann einen Einschnitt, der ihm erlaubte, eine Art von Hymen
zu sehen, das die Scheide verschloss. Nach Erweiterung der Öffnung ge-
lang es ihm, mit dem Speculum das Collum uteri zu sehen, das ziemlich
klein war. Die Kranke genas.
Beob. 8. L. Golinelli (Bologna), Descrizione anatomica di un'
abnorme conf orm azione delle parti genitali femminili. Bull,
sc. med. Bologna, 1868, Ser. V, Vol. V, p. 109—118, 2 schlechte Abb.
Neugeborene mit enorm entwickelter Clitoris, Atrophie der Nymphen
und angeborener Adhäsion des Osculum vaginale an seinem unteren Teile.
Beob. 9. G. Saviotti, Anomalia negli organi genitali ex-
terni. Gazz. delle clin. Torino, 1868, Vol. IV, p. 673.
Ein bald nach der Geburt gestorbenes Kind zeigte in den äusseren
Geschlechtsteilen ein Anhängsel von der Dicke des kleinen Fingers eines
Erwachsenen, 3 cm lang, ohne Öffnung für die Urethra. Die Haut setzte
sich in die der hypogastrischen Gegend fort und nahm die Form eines Prä-
putiums an, wenn man sie über das Ende des Anhängsels zog; unter dessen
Wurzel befand sich die Öffnung der Urethra. An den Seiten bemerkte man
zwei Hautvorsprünge vom Aussehen der Labia majora, ohne eine Spur von
Hoden. Nach Öffnung des Abdomens fand man den Uterus und die Ovarien
mit ihren Ligamenten gut entwickelt. Die Vagina kommunizierte aber
nicht mit der Blase, noch mit dem Rectum, sondern endigte blind gegen das
Perineum.
Beob. 10. R. Jacoby, ZweiFällevonHermaphroditenbildung.
Inaug.-Diss., Berlin, 1885.
Der erste Fall betraf wahrscheinlich einen äusseren weiblichen Pseudo-
Hermaphrodismus, der zweite eine Hypertrophie der Clitoris, ohne bestimmten
äusseren Habitus.
Beob. 11. C. Taruffi, Della elefantiasi della clitoride.
Mem. etc. 1901, Ser. V, T. VIL p. 318 und Ibidem, Note 3, p. 359, Beob. 40.
Sammlung von 40 Beobachtungen und Nachweis der angeborenen
Affektion in 3 Fällen. Vgl. oben p. 229 ff.
Er bringt auch den Fall von Diemer broeck (Fall 2) von einem
Mädchen mit Bart, Clitoris von der Dicke eines Penis, einem Hoden im Lab.
majus., Hypospadie am unteren Teile des Penis.
371
Note 5.
Vincenzo Gioberti, Del rinnovamento civile d' Italia. Parigi a
Torino, 1851, p. 219 fg.
„ . . . . Allzugross ist der Unterschied zwischen den antiken Juristen
und den jetzigen. Die ersteren waren nicht einfache Prozessführer, sondern
praktische, in den öffentlichen Angelegenheiten bewanderte Männer, hatten
eine vorzügliche bürgerliche Erziehung genossen, waren in jeder Wissen-
schaft erfahren, mit jenem positiven, römischen Geiste ausgestattet, der
unter unseren Rechtsgelehrten unbekannt oder sehr selten ist."
„ . . . . Die Jurisprudenz ist nicht von guter Wirkung, wenn sie ausser
der positiven Kenntnis der Gesetze und der Praxis der Prozesse nicht jene
Kenntnisse besitzt, ohne welche die Abgabe politischer Aussprüche ein Fliegen
ohne Flügel oder ein UrteU eines Blinden oder Tauben über Farben oder
Töne ist."
„Die gerichtlichen Gewohnheiten, wenn sie nicht von anderen Eigen-
schaften begleitet und gemässigt werden, schaden dem Staatsmann, statt ihm
zu nützen, daher kümmerten sich die weisen Herrscher des alten Florenz
wenig um die Rechtsgelehrten und lachten über sie. Der krittliche Geist
des Gerichts beschäftigt sich mit Einzelheiten und ist unfähig, die Dinge
von einer gewissen Höhe zu betrachten und ihr Ganzes zu umfassen; man
arbeitet mit Worten und ergreift nicht die Ideen und die Wirklichkeit.
Dies ist vielleicht der Grund, warum bei den politischen Bewegungen der
verflossenen Zeit von allen liberalen Berufen in Piemont die Ärzte die beste
EoUe gespielt haben, denn die Medizin, die an einem natürlichen Gegen-
stande ausgeübt wird und sich auf die Erfahrung stützt, erzieht den ge-
sunden Verstand, während die Advokatur ihn schädigt, weil sie zum
grossen Teil in künstlichen, willkürlichen Übereinkünften wurzelt und sinn-
reiche Künste und Fiktionen benutzt, die zwar dazu dienen, den Geist zu
schärfen, aber das praktische Gefühl der Menschen für das Leben abstumpfen.
Die Liebe und das Studium der Jurisprudenz ist zwar bei denen, die Pro-
zesse führen, an sich sehr lobenswert, aber einer von jenen Vorzügen, die
leicht in Fehler übergehen. Denn es ist schädlich, wenn es übermässig ist,
oder sich mehr um den Buchstaben als um den Geist, mehr um die juristischen
Formeln als um die Gerechtigkeit kümmert. Ausserdem, das es sich an un-
gewöhnliche Zeiten schlecht anpasst, in denen man oft von den gewohnten
Eegeln absehen und den Vorschriften das unveränderliche Gesetz der höheren
Vernunft vorziehen muss, kann man nicht sagen, dass es der Moralität und
der Achtung vor dem Gesetz nützt. Denn wenn es auf einer Seite den
Menschen zum Sklaven der Gesetzbücher macht, verleitet es ihn auf der
anderen, ihren Sinn durch subtile Auslegungen, durch sinnreiche Ausflüchte
und scharfsinnige Kritteleien zu fälschen. So ähnelt das Verfahren der
Advokaten von dieser Seite dem der Kasuisten und Jesuiten. Man wird
sagen, dass dieser Fehler diejenigen nicht betrifft, die mit dem Studium der
positiven Vorschriften das der natürlichen der Menschen und Geschichte
verbinden, und ich gebe es gern zu, behaupte aber, dass diese Verbindung
24*
- 372 -
in Piemont sehr selten ist. Daher kommt es, dass die Art, wie daselbst
auch die gesetzlichen Fragen behandelt werden, die französischen und
neapolitanischen Juristen bisweilen lächeln macht."
Das leichte Eeden und die Uebung im öffentlichen Disputieren, das
die Juristen beim Prozessführen erwerben, verleiht ihnen die Herrschaft in
den Versammlungen; so entsteht die Gewohnheit, die Zeit mit unnützen
Eeden hinzubringen, wichtige Entscheidungen aufzuschieben, mehr auf die
Form , als auf das Wesen der Sache zu achten, die Klauseln und Be-
schränkungen zu vermehren , und in den Phrasen nach einer fast
mathematischen Genauigkeit zu streben, statt sie nach dem praktischen
Nutzen - und nach der Zweckmässigkeit für den gewünschten Zweck
einzurichten. Diese Liebe zur Genauigkeit giebt ihnen auch nicht
den bei den lateinischen Juristen von Giordani gerühmten Vor-
teil, die griechische Nüchternheit, denn sie sind mehr wortreich, als be-
redsam, weil die Sparsamkeit und das Mass beim Eeden von der Menge
der Kenntnisse abhängt; je mehr es an Ideen mangelt, desto reichlicher
fliessen die Worte, sie verachten das mannigfaltige Wissen, besonders die
Philosophie, die seinen Gipfel bildet, ohne die man (vorausgesetzt, dass sie
gesund und ihres Namens würdig sei) selten richtige Kenntnis von den
Dingen und den Menschen erwirbt ; und in dieser Wissenschaft waren die
alten Eechtsgelehrten sehr erfahren. Da sie nicht zum Denken geneigt
sind, mögen sie lieber schwatzen, als handeln, mehr zurückhalten und
hindern, als in Bewegung setzen. So fruchtbar sie an Einwürfen und
Zweifeln sind, so unfruchtbar sind sie an nützlichen Entscheidungen und
kräftigen Entschlüssen. Sie sind weitschweifig beim Urteilen und ver-
wickelt und furchtsam bei der Ausführung. Und bei der Ausführung neigen
sie mehr zum Engen als zum Grossen, mehr zum Schein, als zum Wesen,
mehr zum zweckwidrigen Widerstände, als zu klugem Nachgeben, mehr
zur Hinderung der Freiheit der Bürger durch tausend Hemmnisse, als zur
Beförderung ihrer Freiheit."
Vierter Abschnitt.
über einen menschlichen Fötns ohne Geschlechtsteile und
ohne Harnröhre (Agenosoma).
Mit einer Abbildung.
Als ich von der geburtshilflichen Schule für das patho-
logische Museum einige teratologische Präparate erhalten hatte,
für welche Jene kein wissenschaftliches Interesse hatte, fiel mir
sogleich ein unreifer Fötus durch die Dicke seines Unterleibs
auf, der von starkem Ascites ergriffen zu sein schien. Zugleich
erfuhr ich, dass das Abdomen geöffnet und wieder zugenäht
worden war, und dass das Präparat in jener Schule seit un-
denklicher Zeit ohne irgend eine historische Angabe aufbewahrt
worden war. Trotz dieser Umstände unternahm ich die Unter-
suchung in der Hoffnung, dass die hauptsächlichsten Verände-
rungen noch erkennbar sein würden, und dies traf zum grössten
Teile ein.
Beobachtung. Der Fötus befand sich in einem Gefäss mit
ziemlich schwachem Alkohol, an dessen Deckel er mit einem
Faden befestigt war. Der das Vorderhaupt durchbohrte. Diese
Art der Befestigung hatte dem oberen Teile eine pyramidale
G-estalt gegeben (was in der Zeichnung verbessert worden ist,
s. Abbildung pag. 374) und den Eest des Kopfes verlängert
(Fig. 1 ist auf 2/3 der Wirklichkeit verkleinert). Der Fötus
war 150 mm lang und wog (mit Ausnahme des Nabelstrangs
und der Placenta) 180 g. Der Kopf trug keine Haare, aber
die Nägel waren angedeutet; die Glieder waren sehr dünn, und
die Füsse nach aussen gewendet (Fig. 2).
— 374 _
Der Bauch war ausserordentlich gross, von ovaler G-estalt,
das Ende nach oben verengt, und stieg hinab, so dass er nach
vorn die Beine verbarg. In der Mittellinie, zwischen dem mitt-
leren und unteren Drittel, entsprang der Nabelstrang, der sehr
I %
dünn war, und sich auf der anderen Seüe in die verhältnis-
mässig kleine Placenta fortsetzte. Wenn man den herab-
hängenden Teil des Bauchs in die Höhe hob, sah man zuerst
keine äusseren Geschlechtsteile, aber bei aufmerksamer Be-
trachtung erkannte man den Umriss eines kleinen Scrotums,
dessen Rhaphe leicht erhaben war, und über dem Umriss ragte
— 375 —
eine kleine halbkugelige Papille hervor, nicht grösser, als ein
Nadelkopf, an deren Spitze man eine blinde Öffnung sah, so
dass die Papille einer rudimentären Glans ohne Vorhaut ähnelte
(Fig. 3 in natürlicher Grösse).
Als ich den Bauch auf der linken Seite, wo er zugenäht
war, wieder geöffnet hatte, fand ich ihn zu meinem Erstaunen
mit in Alkohol getränkter Baumwolle gefüllt, nach deren Weg-
nahme sich eine grosse, mit eigener Wand versehene, von der
Bauchwand trennbare Höhle zeigte, die kein Eingeweide ent-
hielt, so dass es sich nicht um die Höhle des Peritoneums
handeln konnte. Sie hatte nach oben die Leber und das Dia-
phragma in die Höhe geschoben, und mass in. ihrem Längs-
durchmesser 7 cm, im grössten Querdurchmesser 6 cm, ohne die
Hei auseinander zu drängen. Die Wand des Sacks war dicker
als die Bauchwand; doch war letztere sehr dünn.
An der äusseren Beschaffenheit des Sacks war zu bemerken,
dass er auf der Vorderseite glatt war und nach oben an einem
schlaffen, nach rechts verlaufenden Darmstück festhing, das
blind endigte, und dass auf der andern Seite das genannte
Darmstück mit einer unter der Leber liegenden Darmschlinge
zusammenhing. Zu bemerken ist auch, dass der noch nicht
getrennte Nabelstrang mit dem Sacke zusammentraf, wo er sich
befestigte, und von dem Ansatzpunkte ging ein Filament aus,
das ebenfalls adhärierte und beim Hinabsteigen einen Bogen
nach links beschrieb, so dass man glaubte, es handele sich um
die Nabelarterie dieser Seite, obgleich keine Verbindung mit
den Art. iliacae sichtbar war.
Von hinten gesehen, war der Sack ebenfalls glatt, ausge-
nommen, dass an der oberen Seite, an der sich membranöse
Stücke und kurze fibröse Filamente (Reste des durch-
schnittenen Bindegewebes) und zwei kleine rötliche Körperchen
befanden, von fleischiger Beschaffenheit, die am Sacke fest-
hingen, den Seiten der Wirbelsäule entsprechend. Der linke
hatte die Gestalt und Grösse einer Bohne, der rechte war etwas
grösser und missgebildet. Beide erkannte ich sehr leicht als
Nieren unter dem Mikroskop i).
^) Obgleich die Schnitte durch die Nieren mehreren Färbemethoden
widerstanden, erkannte man doch in der linken sehr deutlich einige Glo-
- 376 -
Im Innern des Sacks sah ich sogleich, dass die Wand
auch auf dieser Seite glatt und blass war, ausgenommen in der
Lebergegend, wo sie rötlich war. An der Ansatzstelle des
Nabelstrangs fand ich einen kreisförmigen Rand mit geschlosse-
nem Boden, der ein Hirsekorn aufnehmen konnte, und diese
Öffnung hielt ich für die Eintrittsstelle des schon obliterierten
Urachus. Bei Untersuchung des hinteren, inneren Teils des
Sackes fand ich nach oben links eine sehr kleine Öffnung, die
einen Zahnstocher einliess, der nach kurzem Weg in den ge-
nannten bohnenförmigen Körper gelangte, so dass ich sogleich
auf den Gedanken kam, der durchlaufene Weg sei ein Ureter
und das Körperchen eine Niere. Als ich rechts eine ähnliche
Öffnung suchte, fand ich nur eine kurze Spalte, die eine
Schweinsborste ein kleines Stück einliess, die aber nicht das
grössere Körperchen erreichte, so dass ich vermutete, der
Ureter sei obliteriert. Im Innern des Sacks fand sich keine
Öffnung.
Innerhalb des Abdomens und ausserhalb des Sackes fand
ich weder die Milz, noch das Pankreas, noch die Nebennieren,
noch die Geschlechtsorgane, noch ein Anzeichen von Uterus
oder Prostata. Und als ob diese Mängel nicht hinreichten,
fehlte auch der Dickdarm, das Rectum und die Afteröffnung.
Ich fand nur den Dünndarm, die Nieren, die Blase und die
Leber ohne Gallenblase. Dieses Organ zeigte noch als Be-
sonderheit die auffallende Atrophie beider Lappen, aber nicht
der Gallengänge, die man deutlich sah, wie sie auf der konkaven
Seite sich im Ductus hepaticus vereinigten, der direkt zum
Darme lief.
Der Darm bestand nur aus einem Knäuel, ausgestreckt be-
stand es aus einer langen Schlinge des Dünndarms mit seinem
Mesenterium, die an einem Ende eine kleine Anschwellung
zeigte, der Form nach dem Magen ähnlich, nach oben blind
endigte und am Zwerchfell festsass; das andere Ende der
Schlinge war ebenfalls geschlossen, und hing am oberen Ende
des beschriebenen Sackes fest.
Am oberen Teil des Fötus unterliess ich die Untersuchung
des Kopfs, weil er zu sehr alteriert war, um einen nützlichen
merali Malpighiani mit ihren Kapseln, sowie einige Sammelröhren, was man
in der rechten Niere weniger deutlich sah.
— 377 —
Befund zu versprechen, und beschränkte mich auf die Beob-
achtung des Mundes und der Höhle des Pharynx, wo ich nichts
ungewöhnliches fand. Am Halse konnte ich weder die Schild-
drüse, noch die Thymus erkennen; im Thorax fand ich ein
wohlgebildetes Herz, im Pericardium eingeschlossen, mit deut-
lichem Truncus aorticus, ohne die Lungenarterie zu unter-
scheiden. In Verbindung mit den Zweigen der Aorta lagen
rechts zwei Lungenlappen, und links nur einer. Wenn man
eine dünne Sonde in den Pharynx einführte, drang sie in einem
einzigen, ziemlich engen Kanal abwärts, der mit wenig deut-
lichen Verzweigungen an den beiden Lungen festhing und
dann sich in einen nach dem Diaphragma gerichteten Strang
verwandelte, wo er sich verlor. Bei Öffnung des Kanals be-
merkte ich, dass die Teile verhältnismässig dick waren, doch
ohne Zeichen von Knorpelringen, und dass kein anderer, mit
diesem paralleler Kanal vorhanden war, so dass ich vermutete,
es handle sich, wie man besser in anderen Fällen gesehen
hat, um Verschmelzung des Ösophagus und der Trachea zu
einem einzigen Kanäle.
Betrachtungen. Wenn man die vielen in diesem Fötus
gefundenen Mängel mit einander vergleicht, so folgt ohne
Zweifel, dass die im Abdomen beobachteten die schwersten
sind und genauere Untersuchung verdienen, aber um ihre Wich-
tigkeit zu beurteilen, also die Häufigkeit eines jeden sowohl
für sich allein, als im Verhältnis zu den anderen, muss man
durchaus den Zustand der Wissenschaft in diesem Punkte
kennen, für den allerdings nur wenige und zerstreute Nach-
richten vorliegen, so dass lange Nachforschungen nötig waren,
um eine gute Anzahl davon zu sammeln.
Wenn wir mit den äusseren Geschlechtsorganen anfangen,
so ist zu erwähnen, dass der Penis an unserem Fötus durch
eine kleine, halbkugelige Papille dargestellt wurde, mit glatter
Spitze, wo man eine kleine, blinde, elliptische Öffnung sah,
ohne Anzeichen eines Präputiums. Beim Suchen nach ähn-
lichen Beobachtungen fanden wir zunächst 14 Beispiele, bei
denen der Penis ganz fehlte i), so dass man in den Hand-
^) S. Note 1. Wahrscheinlich könnte man bei Fortsetzung der
Nachforschungen die Zahl der Fälle, in denen der Penis fehlte, ver-
- 378 -
büchern auch diesen Mangel hinzufügen muss. In den ange-
führten Beispielen war ein Scrotum vorhanden, bald mit, bald
ohne Hoden, und in letzterem Falle erschien der Sack welk,
aber nicht rudimentär. In 9 von obigen Fällen floss der Urin
aus einer unmittelbar über dem Scrotum liegenden Öjffinung,
und in 4 (Beob. 7, 10, 15, 16) öffnete sich die Blase direkt
oder durch die Urethra in das Rectum. Ferner ist zu be-
merken, dass in den Archiven der Wissenschaft nicht jede An-
gabe vom Fehlen des Penis richtig ist, denn bisweilen handelt
es sich nur um den Anschein, indem er in einer Spalte des
Scrotums verborgen ist, wie aus den Beobachtungen von Testa,
Steinhaus!) und einigen anderen folgt, die wir anderswo
erwähnt haben 2).
Wenn diese Erscheinungen in Bezug auf den Penis nicht
genau dem unsrigen gleichen, so kommen ihm zwei andere
sehr nahe, weniger in den Komplikationen. (S. Note 1,
Beob. 13, 17.) Der erste gehört Facen, einem venetianischen
Arzte, der einen 30jährigen Mann sah, welcher eine Glans mit
durchgängigem Meatus hatte, ohne den Rest des Penis und
ohne Präputium, Diese Grians war nicht ausdehnungsfähig.
Er unterschied sich also von unserem Falle, weil das Scrotum
nicht rudimentär, sondern zweiteilig war und jeder Teil einen
Hoden enthielt; dennoch hatte der Mann ein weibliches Aus-
sehen. Das zweite Beispiel eines rudimentären Penis wurde
von Voll an einem Fötus gefunden, mit dem Unterschied, dass
der Penis aus einem kleinen am Pubes gelegenen Körper be-
stand, den man nur mit dem Mikroskop entdecken konnte,
und dass das Scrotum zwar klein war, aber einen Hoden ent-
hielt.
Wenn wir zur Untersuchung des Standes der Wissenschaft
in betreff der angeborenen Mängel des Scrotums übergehen,
meliren, und wir bemerken, dass Debierre (Anatomie, T. II, p. 706) Re-
volat citiert, ohne bibliographischen Nachweis. Unter den 13 Beobacht-
ungen kamen in der 1., 5. und 11. noch Atresie des Afters hinzu.
1) S. obige Note, Beob. 4, 12.
2) S. Note 2, Beob. 8. Wir haben hier auch die Fälle hinzugefügt, in
denen der Penis nicht im Scrotum vergraben war, sondern nur adhärierte,
denn man kann erstere als die frühzeitigere Wirkung desselben Vorgangs
betrachten, der die zweite hervorgebracht hat.
— 379 —
wollen wir, um unsere Aufgabe zu beschränken, die bei echten
oder scheinbaren Hermaphroditen angetroffenen Anomalien über-
gehen, und nachträglich die Fälle betrachten, in denen zum
Fehlen des Scrotums noch das des Penis hinzukam, um den
Bericht über 5 Beobachtungen voraus zu schicken, in denen
das Fehlen des Scrotums einfach war. (S. Note 3.) In
diesen war jedoch die Einfachheit nicht vollständig, denn
es war zwar ein Penis vorhanden, aber sehr klein, und man
kann schon das voraussehen, was aus den späteren Beobacht-
ungen besser hervorgehen wird, nämlich ein fast konstantes
Verhältnis zwischen den Entwickelungsmängeln eines äusseren
Geschlechtsteils mit denen eines anderen, ebenfalls äusseren,
während diese Eegel bei den inneren Organen nicht zutrifft;
denn in einigen der angeführten Fälle fehlten die Hoden nicht,
sondern waren vorhanden. In keinem derselben fand sich die
Anfangsentwickelung des Scrotums, die wir bei unserem Fötus
angetroffen haben. Aber dieser Unterschied ist nicht von
grosser Bedeutung.
Das gleichzeitige Fehlen der beiden äusseren G-eschlechts-
organe war schon lange an den Monstren ohne Herz und Ge-
hirn (Angi-omphalo-pagus) bemerkt worden i), sowie an denen,
bei welchen die beiden Beine mehr oder weniger vollständig
verschmolzen sind (Syrenomelia) 2), und sehr oft in Fällen von
Blasen-Ectrophie, sei sie einfach, oder im Zustand einer Kloake,
besonders bei Weibern (Hypogastro-etro-schisis) s). Aber hier
ist zu bemerken, dass diese Missbildung, ehe ihre Natur be-
kannt war, bisweilen als „Fehlen der Geschlechtsteile" be-
zeichnet wurde. (Siehe Note 4a.) Das Verdienst, er-
kannt zu haben, dass dieses Fehlen auch als primäre
Erscheinung vorkommt, gehört Gurlt, der im Jahre 1832, auf
drei Beobachtungen gestützt (ein Kalb, ein Schwein und ein Pferd),
1) C. Taruffi, Storia deUa teratologia, T. II, p. 188.
2)Idein-Ibid.em, T. VII, p. 523. Den dort angeführten Fällen
kann man folgenden hinzufügen: J. Bast er, Descriptio foetus monstrosi
sine nllo sexus signo. Tab. II, Fig. 1. Philosoph, transact. Vol. 46, for
the years 174:9 and 50, p. 479. Es handelte sich um Syrenomelie, wie man
deutlich an der Figur sieht.
3) Idem-Ibidem, T. VII, p. 463 u. 501.
- 380 —
das Genus Perocormus anaedoen aufstellte i), das er dann im
Jahre 1877 bestätigte, indem er die Beschreibung eines Lammes
als weiteres Beispiel beifügte 2),
Dieses Genus wurde jedoch in der menschlichen Teratologie
nicht angenommen, vielleicht aus Mangel an Beobachtungen,
und dagegen spricht nicht, dass Etienne G. St. Hilaire
Agenosomus einen Fötus mit Eventration des Darms, ohne
Geschlechtsteile, nannte, und dass sein Sohn Isidore aus der
Vereinigung beider Mängel ein zur Familie der Coelosomen
gehörendes Genus mit demselben Namen bildete 3). Es war
vielmehr nötig, beim Menschen einfache Thatsachen aufzufinden,
wie die Gurlt sehen und aus ihnen den Agenosomus zu bilden.
Diese Thatsachen waren übrigens zum Teil schon vorher vor-
handen, zum Teil kamen sie später hinzu, so dass wir ihrer 22
haben sammeln können, bei denen das Fehlen der äusseren
Geschlechtsteile vollständig war, und die also unserem Falle
nicht ganz gleichen, sowie 4, bei denen die äusseren Organe
kaum angedeutet waren (Note 5). Dabei haben wir alle
Weiber ausgeschlossen, bei denen die angeborene Verwachs-
ung der Labia majora das Agenosoma vortäuschte (Note 6).
Wenn wir jedoch von Sammlung einfacher Thatsachen sprechen,
leugnen wir die Komplikationen nicht, aber wir verketten nicht
eine Sache mit der anderen, und noch weniger schliessen wir
die Fälle ein, bei denen man das Fehlen der Organe als
sekundär betrachten kann, wie bei den Acardiacis (oder Ace-
phalen) und Syrenomelen.
Da sich unseres Wissens niemand mit diesem Gegenstande
beschäftigt hat, erlauben wir uns, einige Folgerungen hinzu-
zufügen, die wir aus ihrem Vergleich gezogen haben. Vor
allem hat die Nekroskopie Thatsachen genug ans Licht ge-
bracht, um annehmen zu können, dass von den 26 Fällen 8
dem weiblichen Geschlecht angehörten (Beob. 5, 13, 16, 18,
19, 20, 22, 23) und 5 dem männlichen (Beob. 4, 6, 10, 12, 14),
während die anderen entweder nicht seziert wurden, oder ein
negatives Eesultat lieferten (Friese, Pinard). Diese be-
^) E. F. Gurlt, Lehrbuch der pathologischen Anatomie, T. II, p. 94,
Art. 17.
-) Idem, Über tierische Missgeburten. Berlin, 1877, p. 16.
^) Is. G. St. Hilaire, Des anomalies, etc. T. II, Libr. I, cp. 3. 1836.
— 381 -
weisen, dass zwisclieii den inneren und äusseren Organen in
ihrer Entwickelung kein Verhältnis stattfindet i). Bemerkens-
wert ist auch die Zahl der Fälle, in denen Atresia ani mit
oder ohne Fehlen des Eectums vorhanden war, denn dies trat
15 mal ein und nur ein einziges Mal fand sich einfache Ver-
engerung; ferner haben wir die Beobachtung von Müller, bei
der ausser dem Kectum auch ein grosser Teil des Colons
fehlte. Seltsam ist auch die bisweilen gefundene Komplikation,
dass eines oder beide Beine mangelhaft waren, ja ganz fehlten
(Schellier, Vrolik, Gurney, Müller, Eisenack und
Hubert).
Man hat andere Komplikationen gefunden, aber wir wollen
nur die erwähnen, die unserem Falle nahe stehen, also die,
welche das Harnsystem betreffen. Im allgemeinen fand sich
bei den angeführten Beobachtungen unter dem Schambogen
eine Öffnung, durch die der Urin nach aussen abfloss. Aber
nicht immer war der Defekt so leicht. So sagt z. B. Friese,
das gewöhnliche Stück der Urethra sei verschlossen gewesen,
während sich am Perineum ein Tumor befand; die Beobachtung
(No. 15) ist uns so unvollkommen zugekommen, dass sie uns
keine Klarheit giebt. Dasselbe lässt sich von denen von
Kristeller und Baistrocchi sagen (Beob. 18, 22), bei denen
die Blase in einen grossen Sack verwandelt war, aber von der
Urethra wird nichts gesagt. Dennoch werden wir über diesen
Glegenstand noch einige weitere Notizen geben. Endlich werden
einige schwerere Fälle erwähnt, in denen die Blase und die
Urethra (Hubert) und sogar die Nieren und Ureteren fehlten
(Schellier und Pinard).
In Betreff der 4 Beobachtungen, bei denen die äusseren
Geschlechtsteile rudimentär waren, müssen wir über die von
Ford (Beob. 5) jede Betrachtung unterlassen, denn es fehlen
alle Einzelheiten. Wir machen es nicht ebenso mit dem selt-
samen Falle von Rossi, denn es handelte sich um eine Ehe-
frau mit verschlossener Vulva und nicht sichtbarer Clitoris,
während Urethra und Anus offen waren, und sich über dem
^) Die Unabhängigkeit der Entwickelung der äusseren und inneren
Geschlechtsteile stimmt nicht nur mit der Embryologie überein, sondern wir
haben sie auch im Jahre 1882 hervorgehoben, als wir von den Omphalo-
Angiopagen sprachen. S. die oben angegebene Seite der „Storia".
After eine sehr feine Öffnung befand, die den Austritt der
Menstruation erlaubte, und die man für fällig hielt, die Sper-
matozoen einzulassen. Auf jeden Fall wurde die Frau
schwanger, und am Perineum wurde ein künstlicher Weg ge-
bahnt, um die Geburt des Fötus zu erlauben (Beob. 11). Im
Falle von Guttmann dagegen mündeten Vagina und Urethra
zusammen durch eine sehr kleine Öffnung unter der Clitoris,
und diese besass eigentümlicher Weise drei Corpora cavernosa
(Beob. 23).
Der für uns wichtigste Fall ist der von Gurney, denn
statt der Genitalien sah man eine Verlängerung der Haut,
unter der eine Eichel erschien; dies ist vollkommen dem ähn-
lich, was wir in rudimentärer Gestalt in unserem Falle sahen,
mit Ausnahme der Hautverlängerung. Ebenso ähnlich ist
unser Fall dem oben erwähnten von Facen. Wir bedauern
jedoch, dass Gurney nicht die Sektion gemacht hat, um sein
Schweigen über das Volumen des Abdomens zu erklären, denn
er sagt, die Öffnung der Urethra und der Scheide hätten ge-
fehlt. Ausser der Ähnlichkeit mit der Glans bietet weder der
von Gurney noch einer der anderen citierten Fälle die Zahl
und Schwere der Komplikationen, die wir in unserem Falle
gefunden haben.
Ausser den äusseren Geschlechtsorganen fehlten bei
unserem Fötus auch die inneren vollständig, was nicht nur
selten auf die genannte Weise zusammentrifft, sondern auch
an sich nicht häufig ist. So ist es den Untersuchungen von
Godardi) ni^^ später von Gruber^) nicht gelungen, mehr
als 8 Fälle von Fehlen der Hoden aufzufinden, die durch die
Sektion bewiesen wären. Dieser geringen Zahl können wir
aber noch 3 Beispiele hinzufügen, das eine von Marzuttini^),
^) E. Godard, Absence congenitale des deux testicules. Gaz. med.
de Paris, 1860. No. 30, p. 461. — Godard citiert auch die Fälle von
Itard deEiaz, Mem. de la soc. de med. d'emulat. Paris, An. VIII (1803),
p. 293 und von Ansieux: Journ. med. cMr. Pharm, de Corvisart, T. XIV,
p. 262. Paris, 1807, und was Itard betrifft, können wir versichern, dass
die Sektion nicht gemacht wurde.
^) W. Grub er. Über die congenitale Anorchie beim Menschen. Österr.
med. Jahrb., Bd. XV, p. 38. Wien, 1868.
^) G. B. Marzuttini. — S. Taruffi, Storia deUa teratologia.
T. VII, p. 267, Beob. 5.
— 383 —
das zweite von Neuhaus (Note 7, Beobachtung 9) und das
dritte von Friesei); aber bei alledem ist unsere Angabe
richtig, dass nämlich zwischen den Mängeln der inneren und
äusseren Organe keine Wechselbeziehung vorhanden ist, denn
in den 11 angeführten, hodenlosen Fällen findet sich nur der
von Friese (Beob. 6), der ohne äussere Genitalien war und
unter den 26 Fällen von Aplasie derselben haben wir nur
Friese selbst angetroffen, während Pinard (Note 5, Beob. 15
und 21) eine sehr zweifelhafte Beobachtung bekannt ge-
macht hat.
Auch die in unserem Fötus gefundenen Alterationen des
uropoetischen Systems sind an sich selbst nicht neu, denn wir
haben schon die Beobachtungen von Kristeller und
Baistrocchi angeführt, bei denen der Urin in der Blase zu-
rückgehalten wurde, so dass diese die G-rösse eines Fötus-
kopfs angenommen hatte (Note 5, Beobachtungen 18, 22),
aber keiner von beiden erklärte den Grund der Erscheinung.
Dasselbe lässt sich von dem ähnlichen Falle von Cornelli
sagend), welcher berichtet, die Urethra sei von Hypospadie
und Alteration befallen gewesen, aber über die Ursache der
Eetention schweigt. In unserm Falle war dagegen der Grund
offenbar, weil die Urethra fehlte und die Öffnung ver-
schlossen war, und dieser Fehler ist mehrfach bei Weibern
beobachtet worden, wobei im Gegenteil Incontinentia urinae
eintrat (Note 8), mit Ausnahme des Falles von Friese,
dessen Geschlecht man nicht kennt und bei dem die Urethra
rudimentär und verschlossen war.
Es giebt allerdings Beobachtungen mit dem Titel „ohne
Urethra", aber wenn man den Bericht prüft, findet man,
dass es sich um einen höchsten Grad von Hypospadie handelte.
Der erste, der die Sache so ungenau bezeichnete, war
1) Note 6, Beob. 15. In dieser Note haben wir auch die Beobacht-
ungen vonPinard angeführt (Note 5, B. 21), wagen aber nicht, sie mit den
Fällen von Fehlen der Hoden zusammenzustellen, da er nicht ausgeschlossen
hat, dass die beiden im Unterleib gefundenen Körperchen solche seien.
2) A. Cornelli, Über einen Fall von Geburtshindernis, bedingt durch
xiusdehnung der fötalen Harnblase. Wiener med. Wschr. Nr. 37, 1879.
Jahresber. für 1879, Bd. 1, p. 254. S. Note 8.
— 384 —
Tulpiusi), aber das Auffallendste ist, dass Voigtel^) den
Fall als Beispiel vom Fehlen der Urethra erwähnt. Wir be-
dauern, dass wir nicht die Beobachtungen von Murray,
Mo uro, Herold^) haben prüfen können, um zu sehen, ob sie
einen so groben Irrtum vermieden haben. Es ist jedoch wahr,
dass Schellier und Hubert nicht nur das Fehlen der
Urethra, sondern auch das der Blase gesehen haben (was mit
unserem Falle keine Ähnlichkeit hat), und Pinard fand
selbst das Fehlen der Nieren (Note 5, Beob. 15, 21, 24).
Diese Fälle M''aren mit Fehlen der äusseren Geschlechtsteile
verbunden, aber wegen ihrer geringen Zahl nützen sie nicht,
sondern widersprechen schon dem Gesetz von Ahlfeld^),
welches so lautet: „Wenn die äusseren Genitalien fehlen,
findet man auch ausnahmslos Fehlen oder Unvollkommenheit
der Blase, der Ureteren (abhängig von der der Nieren), der
Scheide, des Uterus und oft des Rectums."
Endlich fand sich bei unserem Fötus nicht nur Atresie
des Anus, sondern es fehlte auch das ganze Colon mit Ein-
schluss des Coecum. So gewöhnlich nun die erste Erscheinung
ist, so seltsam ist die zweite, wie auch die enorme ange-
borene Ausdehnung der Blase selten ist, die vielleicht Ursache
der Aplasie war. Ein solches auffallendes Fehlen des Dick-
darms wird nur von Baudeloque angegeben^), welcher sagt,
in einem Neugeborenen habe sich von dem Colon nur das
Coecum gefunden, ohne den Appendix vermiformis. Müller
fand ausser dem Fehlen des Eectums nur einen Teil des
Colons (Note 6, Beob. 19), und Schupp ert^) fand das Colon
0 W. Tulpius, Observationes. Libr. IV, p. 36, Amstelodami, 1672.
2) F. G. Voigtel, Handb. der path. Aiiat., Bd. IV, p. 348, Halle,
1805.
^) Angeführt bei Meckel, Handb. der pathol. Anatomie, Bd. 1, p.
654, Leipzig, 1812.
4) F. Ahlfeld, Arch. für Gynäkol. Berlin, 1879. Bd. XIV, p. 282.
^) Baudeloque, SediUot recueil periodique. T. I. Diese Angabe
stammt von. Meckel, Handb. der path. Anat. Bd. I, p. 500, und ist falsch.
Aber am meisten bedaure ich, dass es mir nicht einmal mit Hilfe von
Kollegen gelungen ist, sie zu berichtigen.
'') Schuppert, Absence congenitale du colon descendant. New-Or-
leans med. T. V, No. 2, 1858. Canstatt Jahresb. für 1859, Bd. IV, p. 7.
— 385 —
descendens in einen Strang verwandelt. Aber das Fehlen des
ganzen Colons zugleich mit dem Coecum ist nur von Her sing
beschrieben worden^), und derselbe Fall von Alessandrini^)
bei einem Kalbe, während es sich bei den Fällen vonEeefer
und Melean^) nicht um Fehlen, sondern um Trennung
zwischen zwei Teilen des Colons handelte.
^) Hersing, Med. Zeitung, herausg. von dem Verein für Heilk. in
Prenssen. Bd. XV, No. 15, 1845. Angeführt von Förster, Die Missbild-
ungen u. s. w., p. 124.
2) A. Alessandrini, Catalogo del Gabinetto d' Anat. compar. Bo-
logna, 1852. Sez. X, No. 2343, p. 424.
^) Eeefer und Melean, Giorn. ital. di Veterin. milit. A. 1, No. 11,
p. 344, 1888.
Taruffi, Hermaphrodismus. 25
Noten
zum vierten Abschnitt des Hermaphrodismus.
Note 1. Ohne Penis, oder rudimentärer Penis.
Beob. 1. J. G. Schenck jun., Observationum medicarnm rara-
rum. Francofurti, 1609, p. 577, Libr. IV.
Ein Kind wurde geboren mit einem Nabelbrucbe, obne Penis, aber mit
offener Mündung der Urethra, aus der Urin tröpfelte. Im Scrotum 2 Hoden.
Beob. 2. T. Bartholino, Historiarum anatomicarum rariorum.
Cent. I, Amstelodami, 1654, Beob. 65. Vir sine pene et podice.
Beob. 3. Castera, Description d'un enfant avec un scrotum,
mais la verge manquait entierement etc. Hist. et Mem. de la
Soc. E. de medic. de Paris. Ann. 1780 et 1781. Hist. p. 323.
Beob. 4. A. G. Testa (Ferrara), De re medica et Chirurgie a.
Ferrara, 1781, Epist. IV, cp. 20, p. 145.
Im Jahre 1778 wurde in das Hospital von St. Maria nuova in Florenz
ein kräftiges, blühendes Kind von 3 Monaten gebracht, dem Penis und
Scrotum fehlten, auch waren keine Labia majora vorhanden. An der Stelle,
wo man beim Manne den Penis zu finden pflegt, waren die Hautdecken
etwas erhaben und in der Mitte durch eine Furche geteilt, die eine echte
weibliche Spalte vortäuschte. Nannoni fand mittelst einer Sonde, dass
in dieser Furche sich eine Öffnung befand, und sah, als er die beiden sie
bedeckenden Lippen etwas entfernte, unter ihnen eine echte, wenn auch
kleine Glans. Es war also klar, dass man die beiden Lippen nicht als
Präputium betrachten konnte. In der Leistengegend zeigten sich zwei Vor-
sprünge, die, wie er vermutete, die Hoden enthielten ; doch konnte man sie
weder durch das Gefühl, noch durch das Gesicht erkennen. Die erwähnte
Furche war nur das Septum des geteilten Scrotums.
Beob. 5. D. Carminati, Nota al Diz. di chir. del Louis. Venezia,
1795, Vol. III, p. 60.
Der Verf. extrahierte einen hydrocephalen Fötus mit Atresia ani.
Diesem Fötus fehlte der Penis, obgleich er Hoden im Scrotum hatte.
— bö/ —
Beob. 6. J. F. H. Heyfelder, Schmidts Jahrb. 1835, Bd. VIII,
p. 125. — Ahifeld, Arch. für Gynäkol. Bd. XIV, p. 279. Berlin, 1879.
Hydrocephaler Fötus mit doppelter Hasenscharte, oben enger, unten
weiter, Brust und Hängebauch, wie bei einer Schwangeren. Er hatte ein
Scrotum ohne Hoden, mit einer warzigen Hervorragung am unteren Ende,
und verschlossenem Anus. Es fehlten Penis, Dickdarm, Nieren, Blase und
Hoden.
Beob. 7. Himminger, Med. chir. Zeitg. 1853, p. 824.
Neugeborener, ohne Penis, mit Hoden im Scrotum. Die Urethra mün-
dete in den Mastdarm.
Beob. 8. A. Nelaton, Absence de penis. Gaz. des hopit. 1854,
No. 12. Canstatt für 1854, Bd. IV, p. 3.
Beob. 9. A. D. Rörberg, Verband 1. schwed. Ärzte in Stock-
holm 1856-57. Journ. für Kinderkrankh. Bd. XXXV, Erlangen, 1860,
p. 426.
Ein monströses Kind hatte 7 Finger an der linken, 6 an der rechten
Hand, 6 am linken Fusse und 5 am rechten. Es besass keinen Penis,
Beob. 10. Goschler, Mangelhafte Bildung der äusseren Ge-
nitalien. Prager Viertel] ahrsschr. Bd. III, p. 89. Canstatt, 1859, Bd.
IV, p. 7 und 16.
Einem wohlgebildeten Manne von 27 Jahren, mit blondem, üppigem
Bart, Haaren am Pubes, Ehaphe am Scrotum, fehlte der Penis ganz.
In der vorderen Wand des Eectums, in der Höhe von 5 Linien, ent-
deckte man eine runde Öffmmg, aus welcher der Urin floss. Vor dem After
befand sich ein dreieckiges, verkümmertes Stück Haut, das vsde ein Hahnen-
kamm von der Rhaphe entsprang, das schnell anschwoll und wieder runzlich
wurde.
Wenn die Geschwulst mehrere Minuten dauerte, war sie oft mit
Samenverlust aus der genannten Urinöffnung begleitet. Wenn man durch
sie eine Fischbeinsonde einführte, gelangte man in die Blase durch einen
ungefähr 1^/2 ZoU langen Kanal von normaler Weite. Der Sphincter der
Blase schloss gut und der Mann urinierte alle 3—4 Stunden freiwillig ; in der
Zwischenzeit blieben der After und die anliegenden Teile trocken. Am
Scrotum, an den Hoden und Samensträngen fand man nichts Abnormes.
Beob. 11. Olshausen, Monatsschr. für Geburtskunde. Bd.
XVm, p. 98. Berlin, 1861.
Einem Kinde mit gut entwickeltem Scrotum fehlte der Penis ganz.
Es hatte eine kleine Öffnung in der unteren Wand des Bauches, die in die
Blase führte, in welche der Enddarm mündete. Atresie des Anus.
Beob. 12. J. Steinhaus, Scheinbar gänzlicher Mangel des
Penis. Vorhandensein desselben unter dem oberen, vor-
deren Segmente der Scrotalhaut. Wien. Med. Halle, 1862, T.
III, p. 315.
Beob. 13. J. Facen (Fonzasco), Gaz. med. prov, venete. A. VIII,
p. 297. Padova, 1865. Appendice.
Verf. besuchte einen Mann von 30 Jahren, der das Aussehen und die
Formen eines Weibes hatte. Seine Glans hatte den Meatus urinarius, aber
25*
weder Präputium, noch Penis, so dass die Glans sitzend war und sich nicht
verlängern konnte, wie die Clitoris. Sie glich dieser um so mehr, als an
ihren Seiten zwei Arten von Nymphen herabstiegen. Auch die Lab. majora
waren vorhanden, enthielten aber die Hoden und Samenstränge. Von einer
Vulva war keine Spur. Der Mann wünschte, sich zu verheiraten, hatte
Samenentleerungen und dann wurde die Glans hart, so dass er nur äusser-
lich das Aussehen eines Weibes hatte.
Beob. 14. Fr. H. G. Birnbaum, Monatsschr. für Geburtskunde.
1865, Bd. XXVI, Supplm., p. 290. — Ahlfeld, 1. c. p. 280.
Ein Fötus hatte eine unvollkommene verknöcherte Unterkinnlade,
kurze Arme und Beine mit 6 Fingern an Händen und Füssen. Hypoplasie
der Lungen, des Herzens und der Nieren, die einer kleinen platten Kapsel
glichen, ohne Ureteren. Der Dickdarm endigte blind; die Blase hatte die
Gestalt eines langen Kanals, in dem man die Öffnung der Urethra nicht
nachweisen konnte. Der Penis fehlte, die Hoden befanden sich in einem
zweiteiligen Scrotum. Zwischen den Falten des Scrotums sah man eine
kleine Öffnung, eine Andeutung des Harnkanales, in der keine Sonde ein-
drang.
Beob. 15. W. E. Green, Congenital absence of the penis.
Omoeop. J. Obst. New- York, 1879—80. T. I, p. 423. Citiert im Index
Catalogue of Washington.
Beob. 16. Collier, Brit. med. Journ. 23. Febr. 1889. Eiforma
med. A. V, 1. Semester, No. 113. Missbildung der äusseren männlichen
Genitalien.
Fehlen des Penis. Hoden gut entwickelt und in die Scrotal-Scheiden
herabgestiegen. Angeborener, beiderseitiger Leistenbruch. Die Urethra
öffnet sich in die vordere Wand des Eectums.
Beob. 17. Rauber in Nordhausen. Angeborener Mangel des
männlichen Gliedes. Virchows Ar eh. B. CXXI, p. 604, Taf. X,
Fig. 3, 1890.
Die Urethra mündete in das Rectum eines Mannes von 38 Jahren.
Er hatte ein gut gebildetes Scrotum mit 2 Hoden von gewöhnlicher Grösse,
deren Samengänge man in die Leistenkanäle verfolgen konnte. Bisweilen
fühlte er geschlechtlichen Reiz und dann einen Kitzel in der vorderen
Wand des Rectums mit Pollution.
Beob. 18. A. Voll, Über eine seltsame Missbildung. (Fehlen
des Penis und des Afters, Kommunikation zwischen Blase und Rectum.
Diss. Würzburg, 1890, Jahresber. für 1890, Bd. I, p. 249. (4).
Beim Fötus fehlte die Öffnung des Anus und der Urethra. Man sah
nur einen kleinen häutigen Beutel statt des Scrotums. Der linke Hode
befand sich im Leistenkanal und der rechte unten im Hodensack. Nach
Ablösung der Verbindung zwischen Blase und Rectum erschienen die Can.
deferentes und die Samenbläschen. Die Prostata fehlte, dagegen fand sich
an der Symphisis pubis ein kleiner Körper, der für einen kleinen Penis ge-
halten wurde, was die mikroskopische Untersuchung bestätigte.
389 —
Note 2. Adhärenzen des Penis am Serotum.
Beolb. 1. E. Kolb, Adherence con geniale du penis au
serotum. Gaz. med. de l'Algerie, Alger, 1860, Vol. XXII.
Beob. 2. Warten, Angeborene Verwachsung des Penis und
Scrotums. Virchows Arcli., Bd. XXVIII, p. 555, 1863, Canstatt für
1863, IV, S. 3—10, p. 43.
Beob. 3. R. F. Weir, Two cases of congenital curvature of
the penis, with hypospadias and adhesion to tlie serotum.
New York medical, 1874, T. XIX, p. 281.
Beob. 4. J. Bouteiller, Phimosis scrotal. Vergerudimentaire.
Epispadie jusqu' ä ses dernieres limites. Union med. de la
Seine infer., Eouen, 1875, T. XIV, p. 27.
Beob. 5. J. Dougall, Attacliement of penis and serotum.
Brit. med. Journ., London, 1882, p. 696.
Beob. 6. H. Chretien, Palmature penienne sans hypospadias.
Gez. hebd. de med. et de chir., Paris, 1887, T. XXIV, No. 31, p. 501.
Verwachsung der Glans mit der Haut des Scrotums und strangartiges
Herabziehen des Penis durch Verkürzung des Corp. cavern. urethrae.
Beob. 7. T. Busacchi, Casi rari d' affezioni congenite. Arch.
d' ortopedia, Milano, 1891, T. IX.
Angeborene Verwachsung des Penis und Scrotums.
Beob. 8. F. Lemke (Hamburg), Angeborener Mangel des
Penis. Virchows Arch., Bd. CXXXIII, p. 181, 1893. Mit zwei Figuren.
Ein Kind von 5 Monaten zeigte ein normales Serotum, in dessen
unterem (?) und vorderen Teile sich eine Öffnung befand, aus der Urin
tröpfelte. Am hinteren Rande dieser Öffnung entsprang die normale
Rhaphe. Bei Untersuchung mit dem Finger entdeckte man den tief
liegenden, vom Serotum umgebenen Penis, das auch die beiden Hoden
enthielt.
Der Verf. bemerkt, ein ähnlicher Fall werde in Schmidts Jahrb.,
Bd. CCXVI erwähnt.
Note 3. Fälle von Hypoplasie des Scrotums.
Beob. 1. T. Kerckring, Specilegium anatomicum. Amsterdam,
1670, p. 33.
Ein Kind von 3 Jahren hatte weder Hoden, noch Serotum, aber eine
kleine Rinne, wie ein nicht durchbohrter Penis, unter der sich eine kleine
Öffnung befand, aus der der Urin frei ausfloss.
Beob. 2. Itard de Riaz, Mem. de la soc. med. d'emulation.
T. III, An. VIII, 1800, p. 293.
Verf. beschreibt einen Jüngling von 28 Jahren, apathisch, ohne ge-
schlechtliche Neigungen, der seit seiner Kindheit an Incontinentia urinae
- 390 -
litt, der statt kräftiger Entwicklung weiche, glatte, haarlose Haut hatte,
seihst am Kinn, und matte Stimme. Die Brust und das Becken hatten
weihliches Aussehen. Der Penis war einen Zoll lang und kleinfingerdick,
die Glans war so gross, wie eine Erhse und das Präputium hing daran
fest. Das Scrotum fehlte, die Haut war an seiner Stelle geschrumpft und
enthielt weder Hoden noch Samenstränge.
Längs der Mittellinie des Perineums hefanden sich zwei Hautf alten,
die sich herührenden grossen Schamlippen ähnelten. Der Pubes war
schwach behaart.
Beob. 3. F. Macari, Idrorachite congenita. Gaz. dell' assoc.
med. degli stati Sardi. A. VI, p. 41, Torino, 1856.
Eine Ehefrau gebar bei ihrer fünften Schwangerschaft einen Knaben
mit mehreren ungenügend beschriebenen Missbildungen. Man erfährt jedoch,
dass ein hydrorhachitischer Lumbar-Tumor vorhanden war, Enterocele in
der Linea alba, Fehlen des Rectums, doppelter Pes varus. An den Ge-
schlechtsteilen fehlte das Scrotum, der Penis war vorhanden, und wenige
Linien unter dem durchgängigen Kanal der Urethra fanden sich zwei
kleine Öffnungen mit fibro-cartilaginösen Rändern, seitlich neben der
Rhaphe des Perineums liegend, kaum einige Millimeter tief, ähnlich zwei
durchschnittenen Arterien (der Verf. konnte ihre Natur nicht bestimmen).
Die Hoden lagen im Leistenkanale.
Beob. 4. L. E. Nagle, A monstruosity of sex. New Orleans,
Journ. of medic, April 1869, Jahresber. für 1869, Vol. I, p. 172.
Verf. berichtet über einen 19jährigen Bedienten, der bald Katherina,
bald Johann genannt wurde. Er hatte ganz weiblichen (oder skrophulösen)
Habitus, bartloses Gesicht, unentwickelte Brüste und eine Weiberstimme.
Die Untersuchung zeigte als einziges Geschlechtsorgan einen IV2" langen,
1/2" dicken Penis mit stark entwickeltem, von der Urethra durchbohrten
Präputium. Keine Spur von Scrotum, Schamlippen, Hoden oder Scheide.
Auch durch das Rectum entdeckte man weder Uterus, noch Prostata. Die
Basis des Penis und der Mons Veneris waren mit feinen, spärlichen Haaren
bedeckt.
Es ist noch zu bemerken, dass aus dem Penis niemals Samenerguss
stattfand, und dass das Individuum angab, es fühle sich geschlechtlich von
Männern angezogen, doch fühlte es niemals geschlechtlichen Reiz. Der
Verf. hält den Fall für bilateralen Anorchismus.
Beob. 5. J. Jones, Singular and distressing case of mal-
formation of genital organs. Med. Record, New York, 1871, T. VI,
p. 198.
Ein Mann ohne Bart mit weiblichem Habitus. Penis ^ji Zoll lang,
übrigens wohlgebildet. Scrotum sehr klein, ohne Hoden. Nachsuchungen
durch das Rectum brachten keine Aufklärung.
391
Note 4. Ectopia vesicae ohne äussere Geschleclitsorgane.
Beob. 1. T. Bartholinus, Historiarum anatomicarum ra-
riorum. Cent. 1, Beob. 65, Amstelodami, 1654, p. 103. Vir sine pene et
podice.
Verf. sah in Latium einen Mann von 40 Jahren, kräftig und gesund,
der keine Spur von After oder Genitalien hatte. Dies machte sein Ge-
schlecht zweifelhaft, und doch erhielt er den Namen Anna. Im Alter von
24 Jahren war aber an Kinn und Wangen der Bart erschienen, und Anna
wurde nun als Mann betrachtet. In Betreff der Atresie des Afters erfuhr
der Verf., dass nach Beendigung der Verdauung Eibrechen eintrat, dass der
Mann aber, um den üblen Geschmack der Nahrungsmittel im Munde zu
vermeiden, ein Hörn einführte. Der Urin tröpfelte wie Milch von den
Brustwarzen aus einer schwammigen Höhle, nahe an der Stelle des feh-
lenden Nabels. Aus dieser Beschreibung schloss Breschet 1824 (Arch.
gen. de med. T. IV, p. 567, Paris, 1824), es habe sich um Ectopia vesicae
gehandelt und so erklärt es sich, dass Bartholini die äusseren Ge-
schlechtsteile nicht erkannte. Aber das Erbrechen als Ersatz, das später
auch von Denys gesehen wurde* bleibt immer ausserordentlich.
Beob. 2. B. Saviard, Nouveau r ecueil d'observations chirurgi-
cales. Paris, 1702, p. 308.
Verf. sezierte ein neugeborenes Kind ohne äussere Geschlechtsteile, bei
dem sich nur eine Kloake nach aussen öffnete ; in diese mündeten die beiden
Hörner des Uterus mit sehr kurzen Scheiden. Die linke Scheide stand mit
der Urethra in Verbindung, und diese mit dem am Ende verengten Eectum.
Es war nur ein Ureter vorhanden, der aus beiden auf dem Sacrum liegen-
den Nieren entsprang und senkrecht in die gemeinschaftliche Kloake her-
abfiel.
Beob. 3. Devilleneuve, Sur une nouvelle espece de hernie
naturelle de la vessie urinaire et sur une pri vation pres -
que totale de sexe. Journ. de med. chir. etc. Paris, 1767, T. XXVII,
pag. 26.
Beob. 4. 6. P. M. Dana, Descriptio foetus absque pene et
Vulva, ultra biennium viventis, obscurique sexus ideo
habiti. Mem. de 1' Acad. des sc. de Turin, T. VIII, p. 309. Annee, 1786—87.
Cum tabula.
Da er die Ektopie der Blase bei einem Knaben nicht erkannt hatte,
leugnete er die Gegenwart äusserer Geschlechtsteile.
Beob. 5. Gottfr. Fleischmann (Erlangen), De vitiis congenitis
circa thoracemet abdomen. Erlangen, 1811, p. 33, Tab. II, III.
Ein reifer Fötus hatte einen omphalo - neutralen Bruch, doppelten,
widernatürlichen Anus und ektopische Harnblase. Die äusseren Geschlechts-
teile und der After fehlten, und in der Gegend der Geschlechtsteile fand
man nur einen senkrechten Spalt. Innei'lich fand der Verf. die Nieren, die
- 392 -
Ureteren, die in die genannte Blase mündeten, und die Hoden, die nach ver-
schiedenen Richtungen verschoben waren.
Beob. 6. P. S. Denys, Arch. gen. de med. 1824, Ser. I, T. IV,
p. 562.
Ein 78jähriger Bettler war seit seinem 10. Jahre paraplegisch und
zeigte eine Knochenverdickung an der Verbindungsstelle der Lenden- und
Eückenwirbel. Das Becken und die Beine waren atrophisch; die Hoden
waren sehr klein und Anus und Urethra nach aussen verschlossen.
Der Mann entleerte nichts, weder festes, noch flüssiges, durch die
natürlichen Wege , höchstens einige Tropfen Urin durch den Nabel, half
sich aber mit den Nahrungsmitteln, die er in Mengen zu sich nahm, auf
folgende Weise: 7 oder 8 Minuten, nachdem die Speisen in den Magen ge-
langt waren, wurden sie in Gestalt eines grünlichen, schaumigen, etwas
ekelhaft riechenden Breies leicht erbrochen. Verf. sagt nicht, ob der Urin
durch den Nabel oder auf anderen Wegen entleert wurde, fügt aber hinzu,
dass der Mann sich nicht nackt zeigen wollte.
(Wir haben diese ausserordentliche, fast vergessene Beobachtung an-
geführt, obgleich sie nicht die Ektopie der Blase betrifft, weil sie die von
Bartholini bestätigt, die für unwahrscheinlich gehalten wird.)
Beob. 7. Reinecke, Fall eines seltenen Vitium primae con-
formationis. Deutsche mediz. Wochenschr., 1881, No. 34, p. 468. Jahres-
bericht für 1881, Bd. I, p. 280. (6).
Ein Mädchen von 15 Jahren, von schwachem, chlorotischem Habitus,
hatte einen Nabelbruch und Austritt der Blase aus einer Bauchspalte. In
die Blase floss, wie gewöhnlich, der Urin durch die Ureteren. Die knöcherne
Symphyse des Pubes fehlte, und ebenso alle Geschlechtsteile, nämlich die
Labia majora, die Nymphen, die Clitoris und der Scheideneingang. Nur
zwei kleine behaarte Hautstreifen erstreckten sich vom Anus zur Leisten-
gegend, und zwei warzenartige Produkte bildeten unter der Blasen-Ektopie
die einzigen Anzeichen von äusseren Teilen.
Beob. 8. Curtillet, Un cas d'extrophie du cloaque interne,
accompagnee de l'absence des organes genitaux et de mal-
formations graves des organes abdominaux etdu squelette.
Arch. provin. de Chir. Annee 2, 1893. (Nicht bestätigt.)
Note 5. Mehr oder weniger Tollständiges Fehlen der
äusseren Geschlechtsteile.
Beob. 1. Hali Rhodoham (ägyptischer Arzt im 11. Jahrb.), Commen-
tarius in artem parvam Galen i. Libr. III, Art. medicinalis. Text 77.
Venetiis, 1496. (Nach Häs ers Geschichte der Medizin.) S. J. G. Schenck jun.,
Observationum etc. Francofurti, 1609, Libr. IV, Obs. IL
— 393 —
Verf. sah einen Neugeborenen, der weder Vulva, noch Penis, noch
Hoden hatte, so dass er einem Kastraten glich. Aus einer kleinen Öffnung
floss der Urin.
Beob. 2. Nie. de Blegny, Zodiacus medico-gallicus. Genevae,
1680, p. 78, Beob. 9. Foetus sine sexus discrimine.
Ein Fötus von neun Monaten hatte keine anderen Anzeichen vom Ge-
schlecht, als einen kleinen Vorsprung in der Gegend des Penis oder der
Clitoris, mit Durchbohrung in der Mitte, aber ohne Verbindung mit der
Blase.
Beob. 3. Le Prieur de Lugeris (in der Champagne), Sur un enf ante-
ment. Journ. des savants, Janv. 1690, p. 41. Diese Mitteilung (wir wissen
nicht, wie) rührt von Hall er her, Bibliotheca anatomica, T. I, p. 740, und
wird J. Faber zugeschrieben, Journ. des savants, 1690, wo sie den Titel
führt: Foetus male formatus et absque partibus genitalibus.
Ein Kind wurde 9 Tage vor der Zeit geboren, wenig über einen Fuss
lang, mit nach aussen gewendeten Händen und Füssen. Das Geschlecht
liess sich nicht erkennen; man sah nur eine Öffnung, in die man den kleinen
Finger einführen konnte an der Stelle der männlichen Geschlechtsteile. Wir
fügen nichts zu der schlechten Beschreibung hinzu, und können über die
Missbildung kein Urteil abgeben.
Beob. 4. G. Prochaska (Prag), Adnotationum academicarum
fasc. alter. Sect. IV, p. 84. Pragae, 1781. Tab. VII.
Ein viermonatlicher Abort wurde mit einem grossen Teile des Dünn-
darms frei unter dem Nabelstrange hängend geboren. Er wurde ganz ohne
äussere Geschlechtsteile gefunden. Die Hoden fanden sich im Abdomen.
Die Afteröffnung war sehr klein. Von dem Knie des rechten Beines ent-
sprang ein kurzer Stumpf, dessen Spitze etwas gekrümmt war und ein
Knochenstück enthielt, das der Verf. für eine zweite Tibia erklärte. An
diesem Beine war der Fuss atrophisch und ohne Zehen, und endigte in einer
bogenförmigen Spitze. Das linke Bein war normal.
Beob. 5. E. Ford, An account of a child born without organs
of generation. In G. Simmons, Mpdifal facts and observations. Vol.
V, p. 10. London, 1795. Foetus ohne Genitalien. (Citiert von Meckel.)
Die inneren Geschlechtsteile fehlen, die äusseren sind nur angedeutet.
Das Kectum mündete in die Urethra.
Beob. 6. J. Penada, Mostro umano singularissimo. Mem. dell'
Acc. di Padova, 1809, p. 49. Con tavola.
Eine junge Frau gebar im Jahre 1806 einen alterierten Fötus mit
mehreren Missbildungen, der bald nach der Geburt starb, und entleerte dann
eine grosse Mola. Bei dem Fötus war der Nabelstrang an seinem Ursprung
vom Abdomen getrennt, um einen ovalen Bruchsack aufzunehmen von
6 Pariser Zoll Durchmesser. Dieser Sack war aber der Länge nach offen,
so dass man den darin liegenden Dünndarm und ausserdem die rechte Niere
sah; alle diese Organe waren durch die Nabelöffnung ausgetreten. Dem
Fötus fehlten die äusseren Geschlechtsteile und die Afteröffnung, so dass
- 394 -
die Hautfläche vom Pubes bis zum Coccyxs giatt war, ohne eine Spur
der fehlenden Organe. Innerhalb des Abdomens fand der Verfasser zwei
kleine Hoden am Bindegewebe des M. Psoas liegend. Ausserdem fand er
die Blase mit einem ersten Rudiment der Urethra, das aus dem Blasen-
halse entsprang, aber nicht über die Grenzen des Beckens hinausging. Auch
die Corpora cayernosa fehlten.
An den Armen waren die Finger miteinander durch eine Membran
verbunden. Das rechte Bein bestand in einem Stück Schenkel, das keine
Muskeln oder Knochen, sondern nur weiches Bindegewebe enthielt. Am
linken waren die Zehen verwachsen, wie die Finger an der Hand.
Der Verf. schreibt dem Stoss der Mola d-as Zerreissen des Bruchsacks
zu, dem Drucke derselben die mangelnde Entwickelung eines Beins und das
Fehlen der äusseren Geschlechtsteile, und um diese mechanische Wirkung
wahrscheinlich zu machen, nimmt er an, die Mola habe in derselben Hülle
gelegen wie der Fötus.
Beob.7. N.M. — Hufelands Journal der prakt. etc. Berlin, 1812 (?).
Citiert von Fournier, Gas rares. Dict. sc. med., T. IV, p. 166, Paris, 1813.
Eind von 3 Jahren, in Berlin gestorben, das sowohl äusserÜch wie
innerlich ohne jede Spur von Geschlechtsteilen war, so dass man sein Ge-
schlecht nicht vermuten konnte. Die Neigungen und die Haltung des Kindes
deuteten aber auf das weibliche Geschlecht. Die Mündung der Urethra war
von keinem Eand umgeben und hatte die Grösse einer halben Linse. Zwischen
Blase und Eectum wurde nichts gefunden.
Beob. 8. Kretschmar, Horns Archiv, Bd. 1, St. 3, p. 349, Berlin,
1815. (Nicht bestätigt.)
Beob. 9. Baillet, Journ. de Med. T. LIII, 1822 (?). De inf ante sine
genitalibus et ano. (Nicht bestätigt.)
Beob. 10. D. W!. P, Schellier, Foetus monobrache, monopode
et agame, parvenu ä peupresau terme de la naissance. Arch.
gener. de med., T. III, p. 415, Paris, 1823.
Der Fötus wurde tot geboren und zeigte folgende Eigentümlichkeiten.
Die rechte Schulter wurde durch einen ^/g Zoll langen Knochen dargestellt,
der Radius fehlte, die Hand war sehr unvollkommen. Statt des rechten Beines
befand sich in der Cavitas cotyloidea ein blinder Hautsack, unvollkommen
einem Scrotum ähnlich, der leer war und nicht mit der Bauchhöhle kommu-
nizierte. Atresia ani. Der Verf. beschreibt nicht den Zustand der Haut am
Perineum infolge des Fehlens der äusseren Genitalien, das im Titel ange-
kündigt wird.
Nach Öffnung des Bauches sah man die Pars sigmoidea des Colons,
statt hinunterzusteigen, an den Nabelstrang herantreten, wo er blind endigte.
Die Appendix des Coecams entsprang an der Stelle, wo das Coecum sich
mit dem Colon verbindet, und war 3 Zoll lang. Die Nieren fehlten, aber
nicht die Nebennieren, auch die Blase fehlte, sowie der ganze Rest der
Harnwege. Es fanden sich endlich zwei drüsige Körper, ohne Ausführungs-
gänge ; der Verf. konnte nicht entscheiden, ob es Ovarien oder Hoden seien.
— 395 —
Der eine Körper lag rechts von der Wirbelsäule, der andere nahe am
Leistenringe.
Beob. 11. F. Rossi (Turin), Mem. della E. Acc. delle sc. di
Torino. T. XXX, p. 155, 1826, Beob. 1. De vaginae obstnxctione.
Dr. Berruti wurde zu einer 28jährigen Ehefrau gerufen, die seit
3 Tagen in Wehen lag, ähnlich den Geburtswehen, und niemals menstruiert
gewesen war. Der Arzt bemerkte, dass jede Spur von äusseren Geschlechts-
teilen, sowie Haare am Pabes fehlten, schickte die Kranke in das Hospital
di S. Giovanni.
Dr. Rossi bestätigte das Fehlen der Vulva und selbst einer Spalte;
er fand aber eine sehr enge Öffnung, aus der der Urin floss, und einen
normalen After. Da er glaubte, es handele sich um Retention der Menstrua
(obgleich die Brüste geschwollen waren), machte er einen Einschnitt, der
unter der kleinen Öffnung für den Urin anfing und nahe an den After reichte.
Er machte ihn 3 Finger tief und stiess auf einen Körper, den er für den
Kopf eines Fötus erkannte. Dann erweiterte er den Schnitt, was den Aus-
tritt des Fötus erlaubte.
Bei Wiederholung der Untersuchung der äusseren Teile fand der Verf.
zuletzt eine sehr enge Öffnung nahe am Sphincter ani, durch welche eine
Sonde in die Scheide gelangte, und aus der die Lochien austraten. Nach
8 Tagen erschienen die äusseren Zeichen der Pubertät, und nach zwei
Jahren gebar die Frau mit grosser Schwierigkeit durch den künstlichen
Weg. Der Gemahl bekannte, dass er den Coitus durch das Rectum aus-
geführt hatte.
Beob. 12. G. F. Faber (Magdeburg), Duorum monstrorum huma-
norum. Diss., Berolini, 1827. Cum tab.
Oberhalb gut gebildeter Fötus, aber nach unten zeigte er einen Darm-
bruch im Nabelstrange, Atresie des Afters, UnvoUkommenheit der Füsse mit
bedeutender Verminderung der Zahl der Zehen und Fehlen der äusseren
Geschlechtsteile, mit Ausnahme von zwei Hautwarzen an den Seiten des
Pubes.
Im Abdomen fand man zwei Hoden, das Rectum war am Ende ver-
schlossen, Nieren, Urethra und Blase fehlten ganz.
Beob. 13. Jenisch, Württemb. Correspondenzblatt, Bd. VII,
No. 7. Schmidts Jahrb. 1840, Bd. XXVIII, p. 141. Citiert von Ahl-
f e 1 d.
Ein totes Kind ohne Anzeichen von Genitalien und Afteröffnung. Statt
des linken Fusses fand sich ein 1^2 Zoll langes, zeigeflngerdickes Rudiment,
das einen dünnen Knochen enthielt. Die linke Hälfte des Beckens war
atrophisch.
Beob. 14. Gurney, Lancet, London, 1840, Vol. 1, No. 26. Citiert von
Ahlfeld, Arch. für GynäkoL, 1879, p. 280.
Statt der Genitalien zeigte der Fötus eine Hautverläügtrung, unter
der eine Glans lag. Übrigens kein Anzeichen von Scrotum , von Labia
— 396 —
majora, von Öffnung der Scheide, der Urethra, des Recti;ms. Ausserdem
war der rechte Arm verkürzt, mit nur 4 Fingern, und das rechte Bein
vp-ar ebenfalls kurz, der Fuss verkrümmt. Die Sektion vt^urde nicht ge-
macht.
Beob. 15. Friese, Caspers Wochenschr. 1841, No. 52. Ahl-
feld, Arch. für Gynäkol., Bd. XIV, p. 281, Berlin, 1879.
Ein neugeborenes Kind hatte keine Anzeichen von äusseren Genitalien,
statt ihrer zeigte sich ein Hauttumor, der sich bis an die Afteröffnung er-
streckte. Es fehlten die Hoden, die Nebenhoden, die Samengänge und
Bläschen. Die Blase hatte die Grösse eines Taubeneies, die Urethra war
rudimentär und verschlossen. Der Anus war durchgängig.
Beob. 16. W. Magee, Gase of absence of externalgenitals
and formation of an artificial vagina. Lancet, London, 1841 — 42,
T. II, p. 575. (Nicht bestätigt.)
Beob. 17. W. Vrolik, Tabulae ad illustrandam embryo-
genesin etc. Amstelodami, 1849, Tafel LXIII, Fig. 1.
Der Fötus war 8 Monate alt, ohne Beine, aber in der linken Cavitas
cotyloidea lag dßv Kopf des Femurs. Das Becken war rudimentär, und das
rechte Ileum kaum angedeutet. Man sah keine Anzeichen der äusseren
Genitalien, und unter dem Ansatz des Nabelstranges befand sich ein kleiner
Kanal (dessen Bedeutung nicht angegeben wird). Die linke Niere fehlte,
die rechte kommunizierte mit der Blase durch einen Ureter. Der Nabel-
strang enthielt nur eine Arterie und umgab den Hals und die linke Achsel-
höhle.
Beob. 18. Kristeller, Enorme Ausdehnung der Harnblase,
bedingt durch Fehlen der Harnröhre. Monatsschr. für Geburtsk.
Bd. XXVII, p. 165, Berlin 1866.
Die enorme Geschwulst des Abdomens zwang den Geburtshelfer zur
künstlichen Extraction des Fötus, der ungefähr 7 Monate alt war. Der
schlaffe, dünne Nabelstrang hing am Abdomen 5 cm über seiner Ansatz-
stelle fest. Die Afteröffnung fehlte und im Perineum war kein Anzeichen
der genito-urinären Öffnungen. Dagegen sah man auf dem Mons Veneris
eine Papille von der Grösse eines Sandkorns, von zwei kleinen Hautfalten
umgeben, ohne Öffnung, so dass sie das Rudiment einer Clitoris vortäuschte.
Im Abdomen und ausserhalb des Peritoneums war ein grosser Sack,
in den die beiden Ureteren mündeten. Der Sack hatte 45 cm Umfang,
ohne eine Ausgangsöffnung und stand nur mit den beiden Ureteren in Ver-
bindung. Er war mit Schleimhaut und verschiedenen Arten von Epithelien
ausgekleidet (die der Verf. weder beschreibt, noch abbildet) und zeigte
Querfurchen. In dem Becken fand der Verf. kein anderes Organ. Der
Nabelstrang war an dem Urinsacke befestigt. Zwischen der Bauchwand
und dem Sacke, oberhalb des Ansatzes des Nabelstrangs verliefen von
rechts nach links zwei parallele Kanäle von roter Farbe, 3 cm lang,
schlingenförmig gebogen. An dem untern war ein drüsiges, zollgrosses Or-
gan befestigt. Dieser Kanal stand nicht in Verbindung mit der Blase, so
dass man ihn für eine fallopische Tuba mit einem Ovarium hielt.
— 397 -
Der Dickdarm endigte blind, am oberen, hinteren Teile der Blase ; die
anderen Eingeweide waren durch die Blase nach oben gedrängt.
Der Verf. zeigte Virchow das Monstrum, der es für weiblich hielt,
und den Sack, der beim ersten Anblick eine Harnblase schien, für einen
Genito-urinar-Sack erklärte, also als aus Scheide, Uterus und Blase be-
stehend, was er aus den verschiedenen Arten von Epithelien schloss.
Beob. 19. A. D. Müller, Verschiedene Missbildungen bei
einem neugeborenen Kinde. Ugeskrift for Laeger, R. III, Bd. V,
p. 329, Kopenhagen, 1868. Jahresber. für 1868, Bd. I, p. 175.
Bei einem Mädchen, das 33 Stunden nach der Geburt starb, fehlte der
untere Teil des linken Beins ; der Stumpf war mit Haut bedeckt, die zwar
beweglich war, aber am Ende einen vertrockneten Schorf zeigte. Die
übrig gebliebenen Teile der Tibia und Fibula hielten sich bis ans
Ende getrennt, und äusserlich fand man am Periost eine käsige, gelblich-
weisse Substanz und eine eiterartige Flüssigkeit.
Die äusseren Genitalien fehlten, man fand nur hinter der Symphysis
pubis eine 3 cm lange Hautfurche; am oberen Ende dieser Furche war
eine kleine Öffnung, aus welcher etwas Urin ausfloss. Von einer After-
öffnung war keine Spur.
Bei der Sektion fand man Fehlen eines Teils des Colons und des
Eectums. Die Blase hatte die Grösse eines Apfels, mit stark verdickter
Muskelhaut; es fehlten die Mündungen der Ureteren, aber sie setzte sich
in die Urethra fort (die äusserlich an der angegebenen Stelle mündete) und
kommunizierte nach hinten mit einer anderen Höhle, denn hinter der Blase
befanden sich zwei andere Säcke ungefähr von derselben Grösse; der eine
trat rechts hervor, der andere links, der rechte war voU von Urin und
kommunizierte mit dem hinteren Teile der Blase nahe am Ursprünge der
Urethra durch eine Öffnung von 8 mm Umfang. Dieser Sack bestand aus
der Scheide, die unten, unter dem Blasenhalse blind endigte und nach oben
das CoUum uteri umfasste. Er hatte sehr dicke Wände und die Schleim-
haut war quer gerunzelt. Der Uteras war 8 cm lang. Der links von der
Blase liegende Sack wurde dagegen durch Erweiterung des linken Ureters
gebildet, der in Kammern geteilt war ; seine Mündung in die Blase wurde
nicht gefunden, musste aber vorhanden sein, weil sich Urin in ihr vorfand.
Auf derselben Seite zeigte die Nebenniere die gewöhnliche Grösse und
Lage ; die Niere war dagegen sehr klein, lag an den Lendenwirbeln und
von ihr entsprang der erwähnte Ureter, der • aber, ehe er hinabstieg, nach
links lief. Die rechte Niere lag an der gewöhnlichen Stelle, litt aber an
cystischer Degeneration ; ihr Ureter war sehr dünn und endigte blind in
dem Bindegewebe zwischen Scheide und Blase.
Der Ösophagus zeigte den gewöhnlichen sackförmigen Verschluss in
seinem oberen Teüe, während der untere Teil in die Bifurkation der
Trachea mündete. Alle anderen Organe waren gesund.
Beob. 20. H. P. Eisenach (Eotenburg), Ein weiblicher Fötus
ohne Harn, Darm und Geschlechts ö ff nungen, daneben
Meropus. Inaug.-Dissert. zu Marburg. Eotenburg, 1878.
- 398 -
Ein sonst woHgebildetes Kind hatte aplasische untere Gliedmassen
ohne Anzeichen einer Öffnung in der Perinealgegend, und ohne Genitalien.
Am Becken bemerkte der Verf. nur, dass es abgeplattet war, indem die
beiden Cristae ant. sup. ilei 7 cm von einander entfernt waren ; die Sym-
physis pubis war fühlbar und schien geschlossen und durchscheinend. An
die beiden Cotyli waren die beiden Beine beweglich angegliedert ; dem
linken fehlten Fibula und Fuss, das rechte war missgebildet und aplasisch.
Die Nebennieren waren gross, während Nieren und Ureteren fehlten,
mit Ausnahme eines kleinen dunkelbraunen Knäuels links. Auf derselben
Seite erkannte man- ein Ovarium und eine Thromba in Verbindung mit
einer Kloake, die einen wegsamen Urachus besass, der zum Nabel lief. Es
war nur eine Nabelarterie vorhanden.
Beob. 21. Pinard, Bull, de la soc. anat. Ser. 5, T. XVIII, p. 686.
E. Lancereaux, Traite d'anat. path. T. I, p. 121, Note 1, Paris, 1875.
Acranischer Fötus mit vollständiger Spina bifida, ohne äussere Ge-
schlechtsteile. Bei der Sektion fand man den Ösophagus in einen Strang
verwandelt, der nach unten an der Trachea festsass und den Magen er-
reichte. Das Rectum war mit Mecouium gefüllt und endigte in einer Spitze,
die sich im Grunde des Beckens verlor. Es fehlten Nieren, Ureteren, Blase
und innere Geschlechtsteile. Unterhalb der Leber fand sich jedoch ein
drüsiger Körper von Linsengrösse, und ein ähnlicher Körper im Becken;
aber der Verf. sagt nichts über ihre Natur.
Beob. 22. E. Baistrocchi (Parma), Riv. clin. di Bologna. 1882.
Ein macerierter Fötus wog 2360 Gramm und war 42 cm lang. Auf-
fallend war an ihm das Fehlen der äusseren Geschlechtsteile und der Um-
fang des Abdomens. (Der Verfasser schweigt über den Zustand des
Perineums, des Anus und über eine vielleicht vorhandene Öffnung.)
Nach Öffnung des Bauchs floss eine Menge blutigen Serums aus
(330 com) und sogleich zeigte sich ein kugliger Tumor, von der Grösse
des Kopfes des Fötus, fluktuierend, gefüllt mit urinöser Flüssigkeit, so dass
der Verf., da er anderwärts keine Blase fand, den Tumor selbst für die
Blase hielt. Es fehlten weder Magen, noch Milz, noch Leber, noch
Pankreas. Der Dünndarm war, ausser dem Duodenum, 95 cm lang und
das Colon 38 cm. Dieses endigte am oberen Teile der Blase, an dem es
festsass.
Vor der Blase fand der Verf. rechts ein Ovarium mit der fallopischen
Trompete und links einen kleinen röhrigen Strang ohne Ovarium, und
sowohl dieser, als die Trompete setzten sich an eine kleine birnförmige
Höhle, mit der Spitze nach unten, an, die der Verf. für einen rudimentären
Uterus hielt. Es fand sich nur eine Niere (es wird nicht gesagt, wo?) mit
zwei Ureteren, die geschlängelt zwischen den vorderen Schichten der Blase
verliefen und nahe bei einander links mündeten. Im oberen Teile der Blase
war eine andere Öffnung, die der Stelle entsprach, wo sie am Dickdarm
festhing, aber nicht mit der Blase kommunizierte. An der Niere befand
sich eine kleine Nebenniere, und ebenso rechts, doch können wir nicht be-
haupten, dass beide von derselben Natur waren.
- 399 -
In Bezug auf den links liegenden dünnen Strang sagt der Verf., dass
sein oberes Ende nicht frei war, sondern ebenfalls in die Wand der Blase
eindrang und zu der Niere, nicht zum Ovarium lief; sonst äussert er sich
nicht über die Natur dieses Stranges oder seine Beziehung zur Niere. So
schweigt er auch darüber, ob eine Spur der Urethra und ihrer inneren Öff-
nung vorhanden war. Endlich fand er eine einzige Nabelarterie als Fort-
setzung einer primären Iliaca. (Er sagt nicht, welcher.)
Beob. 23. P. Guttmann, Fall von Scheinzwitterbildung.
BerHner klin. Wschr. 1882, No. 35, p. 5U. Jahresber. für 1882, Bd. I,
p. 277.
Bin Neugeborener hatte eine nicht durchbohrte Clitoris mit drei
Corpora cavernosa. Vulva und Introitus vaginae fehlten. Vagina und
Urethra mündeten zusammen unter der Clitoris durch eine nadelkopfgrosse
Öffnung, nach Art des Sinus üro-genitalis. Innerlich waren die weiblichen
Organe normal. Das Mädchen war 4 Monate lang für einen Knaben ge-
halten worden.
Beob. 24. Hubert, Description d'un Foetus monstrueux du
genre des agenosomes. Journ. de med. de Bruxelles, 1887, No. 20.
Bei einem Fötus wurden die Genitalien durch einen kleinen, fleischigen
Knoten zwischen den Beinen dargestellt. Ausserdem fehlten Blase und
After. Links befand sich am Bauche eine grosse Öffnung, durch welche
die in zwei Lappen geteilte Leber, das Netz, eine Niere und viele Därme
ausgetreten waren. Die Beine waren stark missbildet, der Kopf mit sehr
langen Haaren bedeckt, die Wirbelsäule skoliotisch. Kein Zeichen von
Vererbung.
Beob. 25. L. B. Snow, Total absence of all organs of repro-
duction. Med. Eecord, New-York, 1892, Vol. XLI, p. 41. (Nicht be-
stätigt.)
Beob. 26. D. G. Sharpe, Medical world. PhUadelphia, 1893. (Ci-
tiert von Sajous. Annual.)
Ein Kind mit Atresia ani und ganz ohne äussere Genitalien geboren.
Die Sektion wird nicht erwähnt.
Note 6. Atresia vulyae.
Beob. 1. P. De Wlarchettis (Padua), Sylloge rariarum Obser-
vation um, cum additionibus posthumis. Patavii, 1675, p. 132.
Ich beobachtete ein sehr vornehmes Mädchen von 2 Jahren, welches
an Verwachsung der Lippen der Geschlechtsteile und der Vagina litt,
während der Meatus urinarius unverletzt blieb. Um den natürlichen Zu-
stand herzustellen, war ich genötigt, einzuschneiden und die Lippen und
die Scheide von einander zu trennen. In die Mitte des Schnitts musste ich
einen mit Alaun-Ei weis und Rosenwasser getränkten Tampon während der
ersten 5 Tage einführen und während der 8 folgenden einen solchen mit
Bleiweiss und Kampher
- 400 -
Beob. 2. F. B. Osiander, Annalen der Entbindungsanstalt etc.
Bd. I, p. 159. Göttingen, 1800. (Atresie der Nymphen bei einem zwei-
jährigen Kinde.)
Beob. 3. Goeze, De Atresia. Helmstedt, 1802, p. 41, bei einem er-
wachsenen Mädchen. Cit. von Voigtel, path. Annal. Bd. III, p. 425,
1805.
Beob. 4. F. Steinmetz, Über Atresia vulvae. Eusts Magaz.
für die ges. Heilk. Bd. XI, p. 477. Berlin, 1821.
Beob. 5. V. Hempel (St. Goar), Labior. pudend. bei einem 14
Tage alten Kinde operiert. Gemeinsame Zeitschr. für Geburtskunde.
Bd. VI, p. 145. Weimar, 1825.
Beob. 6. Nloczynski, De atresia pudend. Diss. Berolini, 1850.
Beob. 7. A. Bouchacourt, Recherches sur l'atresie vulvaire.
Bull, de la soc. de chir. de Paris, 1855—56, T. VI, p. 316. Gaz. hop. Paris,
1856, T. XXIX, p. 10.
Beob. 8. F. Cooley, Occlusion of the Labia majora, Operation.
St. Louis, med. chir. Journal, 1856, T. XIV, p. 239.
Beob. 9. Hutin, De l'atresie vulvaire con genitale. Gaz. des
höpitaus, Paris, 1856, p. 298.
Beob. 10. G. Antal, Atresia vulvae labialis. Budapest, 1876.
Beob. 11. G. C. Ogle, Absence of external organs of gene-
ration. Maryland M. J. Balt., 1878, T. III, p. 307.
Beob. 12. Mabaret du Basty, Absence d'une partie des organes
genitaux externes chez deux soeurs. Progres med. Paris, 1890, T.
XII, p. 508.
Der Verf. beschreibt nur den Befund bei der jüngeren Schwester, weil
er deutlicher ist, als bei der älteren. Die jüngere Schwester war 35 Jahre
alt, kräftig, von mehr männlichem Aussehen ; der ganze Körper behaart, so
dass sie sich oft rasieren musste. Die Brüste waren rudimentär.
Das Becken zeigte weiblichen Charakter, und statt der Geschlechts-
organe sah man eine tiefe Furche, die vom Pubes bis zum After reichte.
Im oberen Teile dieser Furche, sogleich unter der Symphysis, war die
Ciitoris, 4 cm lang, erektionsfähig, am Ende von einer Hautfalte umgeben
(die der Verf. nicht für ein Präputium gelten lassen will). Unter ihr be-
fand sich die Öffnung der Urethra, und in gleicher Entfernung von Urethra
und After drang man mit einiger Schwierigkeit mittelst einer Sonde durch
die Spalte in einen engen Kanal ein, 5 cm tief, und die Frau sagte, durch
diese Öffnung flössen jeden Monat regelmässig die Menstrua ab. Die
grossen und kleinen Schamlippen fehlten ganz.
Beob. 13. P. Rauschning, Über congenitale Verwachsung der
kleinen Labien, nebst D ar Stellung dreier diesbezüglicher
Fälle. Diss. Königsberg, 1890, Taf. 4.
Beob. 14. A. Benivieni (Florenz), De abditis nonnuUis etmi-
randis morborum et sanationum causis. Florentiae, 1506. Beob. XL
- 401 -
Der Verf. erzählt, ein bösartiges Geschwür habe die Vulva einer Frau
zerstört, und doch habe die Frau noch 10 Jahre gelebt. Der Index-Cata-
logue von Washington stellt diese Beobachtung (die dem gegenwärtigen
Verzeichnisse entnommen ist) unter die angeborenen Missbildungen der
weiblichen Genitalien, indem er sich auf R. Dodonaeus stützt. (Med.
obs. exempla rara, 12^, Coloniae, 1581, p. 155.)
Note 7. Angeborenes Fehlen beider Hoden (Anorchia
duplex) an der Leiche bestätigt.
Beob. 1. B. Cabrol, Alphabet anatomique. Tournon, 1594.
Lyon, 1614, p. 84.
Ein Soldat wurde wegen Notzucht gehängt und der Verf. fand bei
der Sektion keine Hoden, weder im Scrotnra, noch innerlich.
Beob. 2. Anonymus, Commercium litterar um. Norimbergae,
1732. Ebdomas II, p. 10, par. 5.
In Hannover starb ein Bettelkind und in der Leiche fand man keine
Hoden, weder im Scrotum, noch im Abdomen.
Beob. 3. Schulzen, Descriptio foetus hydroc. Upsala, ohne
Jahreszahl. Diese einfache Angabe wird von J. F. Meckel geliefert, als
Beispiel des Fehlens beider Hoden. (Handb. d. path. Anat., Bd. 1, p. 685,
Note.) Aber weder Grub er, noch andere haben diese Dissertation finden
können, um die Geschichte des Falles zu untersuchen.
Beob. 4. Kretschmar, Beobachtung eines widernatürlichen
Afters und eines Mangels der S amenwerkz euge bei einem
Neugeborenen, oder eines natürlichen Kastraten. Arch. für
mediz. Erfahrung von E. Hörn, Bd. I, p. 349. Leipzig, 1801.
Ein Kind lebte 8 Tage lang ohne Anus und ohne Hoden, denn der
Verf. fand diese weder im Scrotum (das zweiteilig war), noch in den weichen
Teilen, noch unter den Nieren. Auch die Samen-Gefässe und Bläschen
fehlten.
Beob. 5. A. Fischer (Boston), The americ. journ. of the med.
sciences. Philadelphia, 1838. Vol. XXIII, p. 352. London med. Gaz.
Vol. XXVm, p. 817.
Ein 45jähriger, an Pneumonie gestorbener Buchhalter hatte weibliche
Stimme, keinen Bart und gab niemals Anzeichen, dass er Geschlechtsteile
besass. An der Leiche fand man das Scrotum klein, schlaff und ohne
Hoden. Die Schleidenhaut war beiderseits normal, auf ihr breitete sich der
Cremaster aus, der kleine Samenstrang lag da wie gewöhnlich. Die Vasa
deferentes waren auf beiden Seiten von gewöhnlicher Dicke und endigten in
einem Blindsack.
Beob. 6. Friese, Merkwürdige Missgeburt. J. L. Casper,
Wochenschr. für die ges. Heilk., Jahrg. 1841, Berlin, p. 848, No. 52.
Taruffi, Hermaphrodismus. 2G
— 402 -
Ein 18 Zoll langer Fötus starb V2 Stunde nach der Geburt. Er hatte
keine äusseren Grenitalien, aber einen Hautrand bis zum Anus. Am rechten
Arme fehlte die Hand, und am Vorderarme entfernten sich die Enden der
Ulna und des Radius voneinander 4 Zoll weit, und blieben durch eine Mem-
bran ohne Muskeln verbunden. Hinter dem Leistenringe lagen zwei Bläs-
chen von Erbsengrösse, voll wässeriger Flüssigkeit, die mit dem Peritoneum
in Verbindung standen.
Es gab kein Anzeichen von Hoden, Nebenhoden, Samensträngen und
Prostata ; die Urethra war nur an ihrem Ursprünge erkennbar, der Eest war
obliteriert. Die anderen Körperteile waren wohlgebildet.
Beob. 7. Le Gendre et Bastien, Anorchidie double, observee
sur un foetus. Soc. de biolog., A. 1859, p. 144:. Gaz. med. Paris, 1859,
No. 4, p. 650.
An einem Fötus, der geatmet hatte, sahen die Verf. ein kleines,
schlaffes und leeres Scrotum. Nach Öffnung des Abdomens fanden sie weder
Hoden, noch Nebenhoden, obgleich sich in jedem Leistenkanale ein Samen-
strang befand, ohne peritoneale Verlängerung. Die Vasa deferentes begannen
im Scrotum einige Millimeter unter dem äusseren Leistenringe mit abge-
rundetem Ende, waren ein Stück weit von Bündeln des Gubernaculum
testis umgeben und endigten in den Samenbläschen. Die Samengefässe
waren weniger dick als gewöhnlich; alle anderen Organe normal.
Beob. 8. E. Godard, Rech er dies teratologiquessur l'appa-
reil seminal de l'homme. Paris, 1860, p. 84, Vol. V et VI.
Im Hospital de la Charite zu Paris starb ein 61 jähriger Ciseleur an
einem Herzleiden. Er war schwach von Körper und Charakter gewesen,
ohne Bart, von weiblichem Aussehen, liebte geistige Getränke und war oft
betrunken.
Die Leiche war 175 cm lang mit weiss und grau gemischtem Haar und
rötlicher Behaarung in den Achselhöhlen und am Pubes. Der Penis war
von der Grösse des kleinen Fingers. Das Scrotum fehlte ganz und an
seiner Stelle war die Haut leicht gefaltet und liess die Rhaphe sehen. Die
Leistenkanäle waren leer. Auch im Abdomen und im Becken wurden Hoden
und Nebenhoden umsonst gesucht. Die Vasa deferentes hatten je einen
Durchmesser von 1^/2 mm. Sie traten aus der Prostata etwas gewunden
aus, liefen um die Blase herum und verwandelten sich in Stränge, die im
Peritoneum der Leistengegend endigten. Die Samenblasen waren weniger
voluminös, als die V. deferentia, und die V. ejaculatoria gut angeordnet.
Die Blase hatte ein Divertikel der Schleimhaut.
Beob. 9. E. Neuhaus, Ein seltener Fall von Aplasie der
Hoden. Diss., Kiel, 1890, p. 9, mit Tafel.
Ein Jüngling von 21 Jahren, Sohn eines Händlers, hatte mehreren Per-
sonen den Vorsatz mitgeteilt, sich das Leben zu nehmen und erhängte sich.
Er hatte ein Jahr vorher drei Personen mitgeteilt, sein Vater habe ihn zwei-
mal kastriert, einmal, als er noch sehr klein war, und das andere Mal, als
er 10 Jahre alt war.
— 403 --
Die Leiche war wohlgenährt, ohne Haare im Gesicht und in den
Achselhöhlen, spärlich behaarter Pubes. Der Penis war so gross, wie ein
Finger, das Präputium eng. Das Scrotum war sehr klein und unfähig, die
Hoden zu entfalten; man sah wenige blonde Haare am Pubes, fand aber
keine Narbe. Die Brustdrüsen waren klein, ungefähr Thalergross. Inner-
lich fand man sehr kleine V. deferentia; auf der rechten Seite fehlte der
Hode ganz und auf der linken fand sich ein Eudiment des Hodens und
Nebenhodens in sehr verlängerter Gestalt. Aus diesem und aus anderen
Gründen leugnete der Verf. die Wahrheit der Erzählung des Selbstmörders.
Note 8. Fehlen der Urethra.
Beob. 1. J. L. Petit, Traite des maladies chirurgicales
(Ouvrage posthume). Paris, 1774. (Citiert von Surmay.)
Ich sali ein Mädchen von 4 Jahren, das ohne Urethra, ohne Nymphen
und ohne Clitoris geboren war. Es hatte eine ziemlich weite Scheide, und
da der Urin unfreiwillig abging, vermutete ich Fehlen des Sphincters.
Ich sah. eine andere, bei der Vulva, Clitoris, Nymphen und Labia
majora wohlgebildet waren, aber es fehlte die ganze Urethra und der Blasen-
hals. Der Urin floss aus der Scheide durch eine sehr grosse Öffnung, die
den kleinen Finger einliess.
Beob. 2. E. Schmidt, Singular case of malformation of the
sexual Organs with absence of the Urethra. London medic. Gaz.
1843—44, T, XXXIII, p. 174.
Beob. 3. Delbovier, Developpement enorme de la vessie et
des parois abdominales chez un foetus d'environ h.uit mois.
Ann, de la soc. des sc. med. et natur, de Bruxelles, 1842, p. 36.
Beob. 4. Surmay (Harn), Absence complete de l'urethre et
du clitoris. Developpement incomplet des grandes et des
pe tites levr es. Incontinence d'urine. Bull, de la Soc. d'emulation
de Paris (1860—66), 1867. Nouv. serie p. 551. — Union med. Paris, 1866.
Nouv. Serie, T. XXXII, p. 580.
Ein an Inkontinenz des Urins leidendes Mädchen von 14 Jahren war
verhältnismässig klein und ging schwankend mit gespreizten Schenkeln.
Bei der Untersuchung fand man, dass der Mons veneris nicht hervor-
ragte, dass die beiden Labia majora sich nach oben nicht vereinigten (Fehlen
der oberen Kommissur), wohl aber nach unten, und dass keine Spur von
Clitoris oder Präputium vorhanden war. Die Labia minora waren rudi-
mentär.
Unter der Symphyse ragte ein kleiner empfindlicher Körper von der
Grösse einer halben Kirsche hervor. Wenn man ihn mit dem Finger drückte,
gab er nach und verwandelte sich in eine eigrosse Höhle, aus der sogleich
Urin hervortrat, und es blieb eine ziemlich grosse Öffnung unter dem Pubes
zurück, den der Finger nicht drückte, so dass der Verf. mit Recht an einen
26*
— 404 —
Vorfall der Blase dachte, aber voreilig behauptete, es sei keine Spur der
Urethra, oder des Sphincters der Blase vorhanden. (Es ist zu bemerken,
dass die Mutter die Inkontinenz erst bemerkte, als das Kind 18 Monate alt
war und stark an Keuchhusten litt.)
Eine Schleimhautfalte bildete das kreisförmige Hymen, das die Ein-
führung des kleinen Fingers in die Scheide erlaubte. Den Uterus erkannte
man sowohl durch die Scheide, als durch die Blase.
Beob. 5. Behncke, Aus einem dänischen Journal. Jahresber.
für 1875, Bd. II, p. 618.
Ein 3 Tage altes Mädchen war ohne Urethra geboren; die Blase
mündete in die Scheide. Nach der Geburt hatte es nicht uriniert, und die
Blase war stark gefüllt. Die grossen Schamlippen waren gut entwickelt,
aber die kleinen fehlten, sowie die Clitoris und die Mündung der Urethra.
Bei Untersuchung der Scheide mit einer Sonde fand man, dass sie mit einer
zähen, gelatinösen Substanz gefüllt war, nach deren Wegnahme sogleich
eine gewisse Menge Urin ausfloss. Mit einer gekrümmten Sonde konnte
man von der Scheide aus in die Blase eindringen.
Beob. 6. Post, Americ. Journ. of obstet r. August 1885, p. 785,
Jahresber. für 1885, Bd. II, p. 621. (103).
Vollkommenes Fehlen der Urethra. Am Eingang der Scheide war
eine Öffnung mit einer Art von Sphincter, durch welche die Frau urinierte,
menstruierte und sich begattete. . Ein Finger erreichte sogleich die Blase.
Scheide und Urethra fehlten.
General-Register.
Abbas, Ali 107.
Abel, R. 77.
Abeles, G. 333.
Abulcasi 107.
Ackeren, v. 84.
Ackermann, J. F. 64.
251.
d'Acquapendente, F. G.
107. 306.
Adams, John 14.
Adhärenzen d. Penis am
Scrotum 389 ff.
Aegina, P. v. 2. 4. 141.
Aenderung d.Geschlechts
364.
Aetius 4.
Agenosoma 373 ff.
Agnesi, Maria 184. 242.
De Agro, Natale 78.
Ahlfeld, F. 16. 18. 23.
28. 57. 66. 71.
300. 384. 387.
395.
Albers, J. F. 116. 143.
Alberti 368.
A.
Albertus Magnus 2. 214.
364. 367.
Aldrovandi, U. 3. 4. 5.
164. 168. 222.
Alessia, B. 287. 288.
385.
Alexander VI. 290.
Allen, John, G. 79.
Allen, Th. 308.
Alverez , Nonne 182.
237.
Amann 86.
Amato 366.
Ambrosini 5.
de Amicis^ 100.
Ammon, v., F. A. 311.
317.
Anaesthesia congenita
190.
Anna v. Grenoble 276.
Anselmi, C. 31. 88.
Ansieux 112. 141.
Antal, G. 400.
Antonini, G. 307. j 324.
Apathia congenita 190.
Apathie, geschlechtliche
191 ff.
d'Arcuso, Caterina 237.
Argelata 3.
Aristophanes 216.
— über d. Olisbon (leder-
ner Penis) 216.
Aristoteles 2. 97. 101.
133. 164. 221.
364.
Arnobius 213.
— adversus gentes 214.
Arnold, J. 34. 64. 68.
272.
Arrigo e Floriani 56.
Atresia vulvae: 399 ff.
Augustinus 290. 364.
d'Aulpoit, H. 62.
Aurelianus, C. 213.
— über Tribaden 213.
Auria, V. 296. 307.
Ausonius 2. 365.
Auspitz, H. 226.
Avery, H. N. 55.
Avicenna 24.
Badaloni 277. 286. 293.
829. 330.
Baillet 394.
Bailly 321.
Baistrocchi 381. 383.
398.
B.
Banks, W. M. 49.
Bannen 54.
Barbieri, A. 80.
Barety 104.
Barkow, L. H. C.
54.
23.
Bart 48. 81.
Bartels 18. 111. 227.
Barth 70.
Bartholino 131. 179.
223. 230. 386.
391. 392.
— 406
Bassi, Laura 184. 241.
Baster, J. 379.
Bastien 402.
Baudeloque 79. 384.
Baur 327.
Beau 117. 144.
Beauvais, V. de 214.
Becker, E. 60.
Beclard, P. A. 47. 53.
78. 179. 180. 812.
313.
Beclere 123.
Bedinelli, Fr. 4. 57.
Bedor 111. 114. 120.
142.
Beer, A. 322.
Behncke 404.
Beigel, H. 81. 168. 171.
225.
Bein 126.
Benedictis, C. 60.
Benedickt XIV. 184. 294.
Benivieni, A. 400.
Benno 73.
Beobachtungen : Fortbe-
stehen d. Wolffsch.
Kanäle (Pseudo-
Hermaphrod. femi-
ninus) 78 ff.
Beobachtungen : Herm-
aphrodismus d. spe-
zifisch.Geschlechts-
drüsen (Echt. Herm-
aphrod.) 52 ff.
— Desgl. der aplas.
Geschlechtsdrüsen
61 ff.
— Desgl. die Drüsen
d. ein. Geschlechts
in Verbindung mit
sekundären Teilen
d. anderen Geschl.
63 ff.
Beobachtungen, klinische
üb. d. urethro-sex.
Misshildgen 254 ff.
307 ff.
Beobachtungen z. klin.
Hermaphrodismus :
Feminismus beim
Manne 1331.
— Dgl. Gynäkomastie
141 ff.
Beobachtungen : Männl.
Pseudo - Hermaphr.
(Hoden) m. äusseren
weibl. Geschlechts-
charakteren 75 ff.
Beobachtungen : Männl.
u. weibl. Pseudo-
Herm. hei Tieren
87 ff.
Berengarius, J. 365.
Beretta-Rubini 220.
Bergess 143.
Bergmann 150.
Bergonzoli, G. 94. 312.
Berliner Museum 8.
Berruti 395.
Bertherand 115. 145.
Berthold 24. 53. 263.
Berti, Giov. 268.
Bettinelli 242.
Betz, Fr. 66.
Bevern 224.
Bianchi, G. 244.
Bianooni 239.
Billroth 56.
Binet 103. 138.
Birnbacher 202. 203.
247. 280.
Birnbaum, Fr. H. G. 388.
Bittner, W. 73.
Blackmann 55. 192.
Blanche 80. 179. 236.
268. 271. 368.
Blanker, G. F. 57.
Blegny, N. de. 393.
Blondel 179.
Blumenbach, F. 368.
Bock, F. A. 368.
Boddaert, R. 323.
Böhm 83.
Boivin, Mad. 48. 79.
Bondarew, F. 246.
Bonnet 59.
Boogaard, J. A. 69.
Borcilott 86.
Borelli, D. 102. 128.
138.
Borge, C. F. 327.
Boerhave, A. K. 87.
Borkhausen 88.
Borri 191.
Borsieri 124.
Bossotto, A. 90.
Boswald, A. 60.
Bouchacourt, A. 400.
Bouilland jr. 79.
Bouisson 250. 251. 252.
253.
ßouteiller, 6. 389.
Boyer 250. 251.
Bradin 111.
Brand 170. 228. 306.
Brandt 165. 173.
Braun, H. 78.
Breggen, F. v. d. 312.
Brera, V. L. 78. 112.
Breschet 391.
Briand u. Chaude, Ma-
nuel 28.
Briant, T. 116. 146.
Broca, P. 80.
Brohl 85.
Brorq, L 167.
Brouardel, L. 46. 99.
104. 136.
Brown, Baker. 176.
Bruant 113. 117.
Bruch, A. 94.
Brühl, G. 72.
Buchanan, G. 332.
Bullinger, Jos. 47. 86.
Burdach, C. F. 267.
Burghart, C. T. 306.
308.
Burckardt, 0. 86.
Burlin, J. 170. 223.
Busacchl, T. 389.
Busquet 126.
407
Cabrol, B. 401.
Caffe 128.
Caldani, L. M. A. 290.
291. 309. 369.
Callisen 13.
Caluri, Fr. 4.
Canini, M. A. 215.
— 's Erklärung d. Wor-
tes Tribade 216.
Cardanus 2.
Carminati, D. 386.
Carrere 88.
Cases 306.
Casper 199. 201. 215.
245. 281. 298.
299. 300. 302.
321.
Cassano, C. 180. 234.
Caetera 386.
Cecca 264.
Ceccherelli, A. 322.
Chambers 327.
Charpy 176.
Charvot 119. 120. 150.
Chaussier, 313.
Chesneut 76. 283. 298.
319. 320.
Chevalier 279.
Chiaie, St. d. 58.
Chiari, H. 228.
Chiarleoni, G. 252. 334.
C.
Chiarughi, V. 225. 291.
315.
Chicoli, N. 90.
Chowne, W. D. 225.
Chretien, H. 389.
Christ, W. D. 367.
Chupin, Maria 289.
324 ff.
Cicero 284.
Clarke, J. 46. 85.
Clasiaux 382.
Clemens v. Alexandrien
4.
Clitoris, lateinName der
214.
Clitoris, Missbildgn. d.
266 ff.
— b. Tieren 267.
Cloquet 109. 131.
Cloquette 115. 142.
Coblenz, H. 82.
Cocchi, R. 367.
Cole, Fr. J. 60.
Celle 259. 276. 283.
310.
Collenza, P. 318.
Collette 125.
Collier 388.
Colombo, R. 3. 28. 166.
169. 179. 214.
222. 229. 366.
Coliimella 40.
Concato, L. 50.
Condorelli-Francavilla,IVI.
92.
Cooley, P. 400.
Cooper, P. Astley 61.
236.
Corigliani, G. 310.
Cornelli, 383.
CorradI, A. 123.
Corvini, L. 40. 91.
Coste 294. 316.
Cotta, Carlo 10.
Courty 28.
Coutagne 113. 114. 117.
146.
Cozzi, L. 66.
Cramer, Konr. 55.
Crecchio, L. de 11. 32.
61. 86.
Crusca 97.
Cruveilhier, Ed. 80. 113.
117. 144.
Cunnilingui-Weiber 214.
Curatulo, G. E. 164.
Curling 122. 124. 128.
135. 151. 152.
307.
Curtillet 392.
Cuvier 185.
Czarda 307.
Dailliez 297. 310.
Dana, G. P. 391.
Dante 186. 244.
Dareste 27.
Darwin 154. 171. 172.
225.
Debierre, Ch. 45. 49.
57. 59. 78. 83.
84. 276. 279. 313.
378.
Debout 370.
Decauda, G. 237.
Deen, J. van. 14.
Degnerus, J. H. 224.
Dei, Ap. 58.
Delageniere, P. 74.
Delbovier 403.
Delechampius 367.
Demarchi, A. 90.
Le Dentu 122. 125. 146.
— Ektopia abdomina-
Hs 256.
Denys, P. S. 391. 392.
Derrier, Mar. Doroth. 24.
299. 312.
Descoust, P. 259. 277.
333.
Devilleneuve 391.
Diemerbroeck, J. de. 180.
231. 266. 370.
Dionis, P. 6. 29. 175.
232.
Diplokokken 126.
408
Dodonaeus, R. 401.
Dohrn, R. 12. 13. 48.
57. 83. 295. 330.
Dollmann, A. 228.
Donath, J. 368. 369.
Donatus, M. 2.
Dorham 68.
Doiigall, J. 389.
Dowall, F. W. 226.
Drouart, Kl. Anna 278.
308 ff.
Dufour 298.
Duges, A. 79. 252.
316.
Dühren, E. 218.
Duehring, L. 226.
Duplay, S. 251. 252.
253. 325.
Durante, F. 125.
Durham, A. 55. 119. 120.
128. 145.
Duschanek, J. 0. 60.
Duval,J. 214. 216. 230.
366.
Eble, B. 225.
Ecker, A. 168. 169.
172. 226.
Ectopia vesicae ohne
äuss. Geschlechts-
organe : Fälle. 391
ff.
Edelmann, R. 92.
Ehescheidung u. Ungül-
tigkeit der Ehe
299 ff.
Eisenach, H. P. 381.
397.
Elephantiasis d. Clitoris.
173 ff.
— Beobacht. 229 ff.
Emiliani, Em. 61. 245.
English, J. 68.
Eppinger, H. 69.
Erweiterung , Erotische
der Urethra 294 ff.
Esohricht 79.
Eunuchen 100.
Eve, P. F. 115. 144.
Eviratio 197.
Faber, G. F. 395.
Facen,J. 103. 186. 266.
321. 378. 382. 387.
Fälle V. Zusammenhang
zw. der Cerebro-
spinal- Achse u. d.
Hoden, gesammelt
V. Curling 151 ff.
Faneau de la cour 97.
103.
Fantuzzi, G. 240. 242.
243.
Feminismus 96 ff.
Fenoglio, C. 119. 281.
317.
Fernandos 115.
Ferrannini 97. 98. 100.
Ferraresi, C. 12.
Fere 104.
Ferrein, 233. 268.
Ferrer, J. 237.
Fetischismus 218.
Filippi, A. 28. 94. 190.
301. 329,
F.
Filippini, G. 38. 74.
Finger 226.
Fischel, W. 48. 83.
Fischer, A. 103. 134.
401.
Fleischmann, Gottfried
391.
Foller, J. 309.
Folli, F. 308.
Follin, E. 49. 54. 57.
66. 79. 254. 298.
Fonssagrives 159.
Fontana, Lavinia 182.
238.
Foot 113. 146.
Forcellinus, A. 215.
— Erklärung des
Wortes Tribade
215.
Ford, E. 381. 393.
Forni, Giacoma 277.
287.
Förster, Aug. 11. 57. 67.
174. 385.
Fötus, e. menschl. ohne
Geschlechtsteile u.
Harnröhre 373 ff.
Fournier, E. j. 105. 106.
130. 138. 139. 199.
394.
Fowler 56.
Francis 111.
V, Franque 67.
Frauen, berühmte: Be-
obachtungen 236 ff.
Frauen, berühmte, die
sich m. Astronomie
beschäftigt. 243 ff.
Free Martin 30. 39. 40.
Freund, W. A. 235.
Fricatrices 207.
Friedreich, V. 322.
Friese 380. 381. 383.
396. 401.
Fronmüller 368.
Fugger, Ferd. 174.
Fulgosus, G. 2. 365. 367.
Fürst, L. 171. 227.
409
Gaddi, G. 39. 91.
Gaffe 332.
Gaimasi, G. 78.
Galen 364.
Galland, T. 191. 277.
Galliet 122. 132. 144.
Galvani, L. 184. 241.
Gangitano, F. 51.
Garnier 300. 301. 302.
331.
Garreo, L. 365.
Gart, W. 60.
Gärtner, H. 13. 49. 79.
Garnier 304.
Gasser 71.
Gast, P. 56. 59.
Gatta, Cost. 168. 224.
Gaude mihi (Clitoris)
214.
Gayraud 251. 252.
Gaza, Tli. 97.
Geigel, R. 83.
Gellius, Aul. 364.
Le Gendre 402.
Gene 272.
Generali, G. 91.
Genesis 212.
Gentili, G. 311.
Gerin, R. 179. 193. 202.
234. 247. 276.
280. 331.
Geroderma 100.
Geschlechtsteile, Fehlen
d. äusseren: FäUe
392 ff.
Gimma, G. 367.
Gine y Portogas 35.
71.
Giuntoli, L 322.
Gioberto, V. 284. 371.
Giraldes 134.
Girardi, M. 309.
Giraud 63.
Girelli, F. 306.
Godard, E. 67. 99.
127. 130. 135.
145. 256. 382.
402.
Golinelli 269. 370.
Gorham 120. 122. 143.
Gorringe 143.
Goschler 387.
Göttlich, Marie 245.
Goujon, E. 76. 288.
319. 320.
Goeze 400.
Graaf, R. 231. 269.
303. 369.
Graefe, M. 82.
Grahm, T. 368.
Grandjean , Anna 283.
287.
Grashuis, G. 308.
Graziani, L. 4.
Greef 51.
Green, W. E. 388.
Grillo, A. 65.
Grimaldi 184.
Grismoldi , Paol. 242.
Gruber, W. L 55. 69.
108. 109. 112.
118. 119. 120. 122.
146. 257. 382.
Grüner, Ett. 38. 73. .
Grüner 334.
Gualandi, M. A. 182.
Gubler 125.
Gudder 280.
Guermonprez 333.
Guichard 92.
Guinard, L 39. 59. 78.
93. 100. 101. 103.
179.
Guisy, B. 177.
Guncitel, H. 31. 32. 62.
83. 203. 247. 272.
278. 280.
Günther, A. F. 65. 192.
Gurlt, E. F. 8 ff. 27.
30. 33. 39. 57.
89. 250. 379. 380.
382.
Gurney 381. 395.
Guthrie, G. J. 14.
Guttmann, P. 82. 272.
382. 399.
Guyon, F. 255.
Gynäkomastie 107 ff.
Gynäl<omastie bei ureth.-
sex. Missbildungen
264 ff.
Gynandra 200.
Gynanthrope 366.
Hagen, Alb. 205.
Halbertsma, H. J. 80.
Haller, A. v. 4. 6. 7.
10. 11. 29. 31.
33. 57. 88. 132.
203. 214. 232. 270.
308. 309.
Hallopeau 99. 130. 140.
Hamilton 124.
Handuside, P. D. 111.
146. 368.
Hannaeus, G. 367.
Hardaway, W. A. 226.
Harris 318.
Hartmann, Ph. J. 87.
Häser, H. 5. 107.
Hellwig, J. 223.
V. Hempel 400.
Henle, G. 177. 179.
234.
Henriqhsen, K. 71. 277.
410 —
Henriette 68. 298.
Heppner, C. L. 53. 55.
Hereida, J. M. de. 237.
Hermaphrodismus, ana-
tomischer 22 ff.
— d. spezifischen Ge-
schlechtsdriis. 22 ff.
— d. apiasischen Ge-
schlechtsdrüs. 28 ff.
Hermaphroditen, falsche
269.
Hermaphroditi complexi
11.
— mixti 11.
— neutri 11.
Hermaphroditus spurius
6. 7.
Herrmann, G. 16. 33.
135. 269. 332.
Herold 884.
Hersing 385.
Hertwig 126.
Herwett, P. G. 369.
Herzfeld, G. 203.
Heterotyp. Pseudo-Herm-
aphr. 19.
Heyfelder, J. F. H. 387.
Hubert, R. 227.
Hildebrandt, H. 166.
227.
Hilden, F. v. 251.
Hilfe, chirurgische hei
urethro-sex. Miss-
bildungen 293 ff.
Hill, R. C. 72.
Hiller 132, 143.
Himminger 387.
Hippokrates 123. 364.
Hoden, angehor. Fehler:
Fälle 401 ff.
Hoden, Misshildungen d.
256 ff.
Hoffmann, i. 113. 115.
116. 144.
Hofmann, E. 57. 81.
Hohmann, Katharina. 276,
322 ff.
Hein 309.
Holtrop 120. 143.
Home, Ever. 29. 31.
88. 120. 128. 141.
179. 233.
Honel, Ch. 66. 71.
Hoyerus, J. G. 224.
Hubert 381. 384. 399.
Huette 319.
Hufeland, 0. W. 24.
Huguier 370.
Hunter, John. 30. 31.
32. 40.
Huschkle, E. 14.
Hutin 400.
Hypertrichose b. Weibe
164ff.
Hypertrichose: Beobacht-
ungen 221 ff.
Hypertrophie d. Clitoris,
Beobacht. 369 ff.
Hypomorphie 101.
Hypospadie vulviforme
252.
HyrtI, ]. 65. 237.
Imoda 97.
Impotenz aus Kälte 190.
Incubi 212.
Infantilismus 103 ff.
I-
Instinkte , homosexuelle
207.
Invirilismus 153 ff.
Invirilismus, d. psychol.
181 ff.
Invirilismus, psycho-sex.
186 ff.
Inzani 329.
Israel, Eug. 110. 150.
Iverster 272.
Jablonsky 171. 229.
Jacobaeus, 0. 223.
Jacobi, F. .57. 58.
Jacobson, Ludw. 12. 13.
Jacoby, Fed. 89.
Kaplan, P. 73. 334.
Katzki, D. 269. 369.
Keane, A. H. 227.
Kerckring, T. 389.
J.
Jacoby, R. 31. 62. 179.
236. 370.
Jacques, P. 73.
iagot, M. L. 120. 148.
De Jardini, G. 237.
K.
Klebs, Edw. 4. 15. 16ff.
22. 23. 31. 33. 50.
63.
Klebs Einteilung 16 ff.
Jeanne d'Arc 236 ff.
Jenisch 395.
Johne, A. 92.
Jones, J. 103. 128. 136.
390.
Josephus, Flav. 206.
Klein, Gust. 13. 14. 48.
51. 73. 84. 86.
87.
Klob, J. 110. 132. 145.
— 411 —
Klotz, H. 56.
Knaff 115. 143.
Kobelt, G. L 49. 79.
Kob, G. 368.
Kocks 82.
Kolb, E. 389.
Koller 48.
Kölliker 13. 59. 67. 81.
92.
Kollmann, J. 14. 27. 42.
155.
KonträreSexual-Empfind-
ung 278 ff.
Kopsch, Fr. 60.
Körperhabltus,b.urethro-
sex. Missbildungen
260 ff.
Kossmann, R. 49.
Kösters, J. 73.
Krabbel 70.
Krafft-Ebing 19. 34. 140.
157. 189. 190.
195. 196 ff. 247.
278.
Kraemer 189.
Kramer 232.
Kretschmar 31. 394. 401.
Krieg 115. 116. 148.
Kristeller 381. 383. 396.
Krokiewicz, A. 86.
Kryptorchiden 256. 257.
260.
Kurz, A. 85.
Labbe 113. 147.
Laghl, T. 123. 124.
Lallemand, C. 152.
Lamazzi, A. 220.
Lambert 120. 137. 148.
Lambertini 184.
Lambret 179. 236.
Lancereaiix, E. 398.
Landouzy 245.
Landrecht, Allgemeines
298 ff.
Lang 114. 122.
Langenbeck 107.
Langer, C. K. 66. 71.
108. 111. 125.
144. 245. 289.
Langius, G. 87.
Langlois 125.
Lanzoni , G. 170. 223.
Larrey 151. 319.
Laugier, M. 113. 146.
Laulanie, F. 59.
Laumonier 53. 57.
Launois 103. 125.
Laurence, J. Z. 225.
Laurent, E. 57. 101.
105. 109. 110.
111. 113. 115. 120.
128. 131. 144. 148.
151. 192. 247.
Laveran 126.
Lawrence, T. W. 57.
Leblond, A. 301. 313.
Lecoq 181. 250.
Lefort, L. 54.
Lefort, Wladelaine 180.
277. 313.
Legros, F. 368.
Lehmann 91.
Lehr, E. 302. 303.
Leiserink 116. 117. 147.
Leili 240.
Lemke, F. 389.
Leo Africanus, J. 211.
— überTribaden211ff.
Leon 117. 148.
Leonidas, Chirurg 4. 5.
Leopold 326.
Lepecchia, J. 281. 310.
Lerebouillet 102. 109.
120. 123. 125. 128.
137. 147.
Lesbische Liebe 187.
194. 200. 280.
Lesser, E, 167. 228.
Leto, A. 310.
Letzerich 126.
Leuckardt 64. 66. 67.
90. 272. 292.
Levy, E. 247.
Lewin, G. 130. 137.
Licetus 164. 272. 367.
Lieber 120. 142.
Liegeois, Ch. 120. 128.
137. 148.
Liersch 86.
Lilienfeld 57.
Lingard 280.
Lippemann, 0. 189.
Lippi, R. 7. 8. 16.
Litten, Kl. 47. 81.
Livius 2.
Lockwood C. B. 72.
Löffler, A. F. 311.
Lombroso, C. 226. 296.
299. 322.
Lorain 97.
Lorenzutti, A. 262.
Lortet 101.
Löwenthal, S. 84.
Lucas - Championniere
227.
Lucian 209 ff.
— Courtisanenge-
spräche 210 ff.
Luis, A. 203. 248. 294.
Lusitanus 2.
Luys 190.
Lycosthenes 2. 168.
412
Mabaret du Basty 400.
Macari, F. 390.
Macchiavelli 186. 244.
Macrosomia peripherica
179.
Maffei, R. (s. Volaterra-
nus) 364.
Magee, W. 396.
Magitot, E. 76. 171.
193. 225. 245. 252.
278. 328.
Magnan 131. 150. 185.
Wlahon, P. 52.
Majolo, S. 87.
Wlakrosomie, weibliche
159 ff.
Wlakrosomie: Beobacht-
ungen 220 ff.
Wlalacarne, V. 64. 368.
Malassez 126.
Malgaigne, J. F. 366.
Malpighi, M. 12. 13. 34.
49. 79. 82.
Wlalvani, E. 369.
Malvasia 238.
Manec 79. 86. 271.
Wlanetho 206.
Wlanfredi, Eust. 185.
243.
— Wladdalena 243.
— Teresa 243.
Manzolini, Anna 184.
240.
— Giov. 240.
Marc 6. 29. 52.
Marceilo, Donato 28.
Marchand, F. 16. 25.
33. 34. 35. 41.
45. 84. 179. 236.
262. 272. 328.
Marchettis, B. 399.
Märet, H. 52. 65.
De Maria, C. 245. 300.
Mars 177.
Marshall, B. 179. 235.
M.
Märten 389.
Martens, F. H. 312.
Martial 207. 214. 232.
— Epigramme 207.
208.
Martin, F. E. 36. 39.
69. 122. 127. 128.
212. 265.
Marton, C. 334.
Marzuttini 97. 99. 103.
135. 382.
Mascagni, P. 57.
Mascheroni, Lor. 242.
Mason 175. 234. 268.
Maüheis, G. de. 103.
134. 281. 312.
Mauri, Virginia (Abbild.)
93. 94. 336.
Maurina 277.
Mauro, Faustina 295.
329 ff.
Max 252.
Mayer, A. F. 14. 25.
53. 64. 68. 89.
312.
— L 167.
Mazzetti, S. 240. 242.
Mazzotti, L. 50.
Mazzoni-Toselli 238.
Meclielson 171.
Meckel, J. Fr. 7. 9.
27. 42. 90. 156.
157. 200. 268. 384.
393.
Medici, Maria de 215.
Medici, Mich. 184. 241.
Meige 98. 105. 157.
Melean 385.
Menstruation, unregelm.
272 ff.
Mercuriali , Gir. 214.
366.
— Über Tribaden 214.
Meretrix 209.
Merindolo, A. 367.
Mertrud, C. J. 309.
Messner 334.
Metrophanow, P.^60.
Meyer, Herrn. 55.
Meyer, Rob. 50.
Michaelis, Gottl. 126.
223. 226.
Michelson, P. 227.
Mikrophallus 226. 286.
296.
Mikrosomi 100.
Milton, H. M. 49. 85.
Missbildungen, urethro-
sexuale 249 ff.
Missbiidungen d.weiblich.
Organe 270 ff.
Mittel Aritlimet.d.bologn.
Frauen 162. 163.
Moczynski 400.
Moiolo, S. 367.
Moll 195 ff. 199. 201.
205. 217. 218.
— Über Tribaden 207.
Moller, J. 5.
Monaco, F. 90.
Mondini, C. 89.
Monro 384.
van Mons, 0. M. 68.
Monteggia, G. B. 112.
232.
Morand, Salv. 52. 57.
— J. F. 309.
Morandi-Manzolini, Anna
240.
Morgagni, G. B. 14.
Morgan 113. 147.
Morpain, A. 177. 233.
Morris 177.
Morton 117.
Moses 206.
Mosii, G. 75.
Motive z. Entw. e. bür-
gerl. Gesetzbuches
301. 302.
Müller, A. D. 397.
— 413 -
Müller, F. C. 247.
- H. 55.
- Joh. 8. 11. 13.
14. 42. 203. 381.
Murat 123.
Muratori, Lod. 284.
De Muratori, Teresa 183.
239 ff.
Murray 384.
Mursina 312.
Muscatello, G. 85.
Nagel, W. 13.
Nägele 40.
Nagle, L E. 390.
Nanismus 99.
Nannoni 386.
Nanula, Ä. 317.
Nataluzzi, G. 120. 151.
Naevus pilosus 165. 166.
Negrini, F. 12. 91.
3f.
Neigungen , Geschlechtl.
276 ff.
Neill, J. 79. 236.
Nelaton 112. 113. 114.
120. 145. 387.
Neugebauer, F. 43. 50.
86. 177. 178. 191.
235.
Neuhaus, E. 139. 383.
402.
Niccolinl 99. 140.
Nicolo V. 97.
Noten z. 1. Teil 52 ff.
- z. 2. Teil 220 ff.
- „ 3. „ 305 „
- „ 4. „ 386 „
Nuhn 67. 272.
Numa Numantius 194.
Nunclante, i. 307.
Nussbaum, M. 70. 272.
Oboloscki, N. 57.
Obsequens, J. 2. 87.
Odin 68.
Ogle, G. C. 400.
Olisbon (Penis a. Leder)
216.
Olphan, E. 108. 109.
Pacciotti, N. 61.
Palfino 175.
Palfyn, J. 232.
Palletta, J. B. 12. 13.
Palm 51. 86.
Panormita, A. 365.
Panaroli , Dom. 222.
230.
Paponio, G. 231. 283.
Pare, Ä. 5. 366.
Parent-Duchatelet 175.
Paresis, sexuelle 276 ff.
286.
Pareus 2.
Parmenides 2.
Parreidt, J. 171. 228.
Parsons, Jac. 232.
O.
113. 114. 130.
137. 148.
Olshausen 387.
Ord, W. M. 70.
Orettl, M. 239.
d'Ormea, S. 221.
Orth, J. 31. 56. 84.
P.
Pastrana, Julia 171.
225.
Paulicky, A. 115. 149.
Paulla Bedinelli, Franc.
de 57.
Paulus V. Aegina 107.
Paulus, Apostel 206 ff.
Paventa, Fr. 112. 146.
Pean 331.
Pech, E. A. 135. 368.
Pedretti 234.
Peli, G. 163.
Pelvet 68.
Penada, J. 393.
Penchienati, A. 88.
Penis, Missbildungen d.
265 ff.
Oslander, F. B. 306.
368. 400.
Osphresiologie, sexuelle
205.
Otto, A. W. 75. 252.
315. 316. 368.
Owen, R. 267.
Ozenne 82.
Penis, Fehlen des 386 ff.
Penis, winkliger (vcrga
a cubito) 253.
Perez, J. 237.
Perl 54.
Perversion, sexuelle 194
ff. 247 ff.
Peters, D. C. 113. 145.
Petit, J. L. 63. 253.
309. 403.
Petit-Radel 313.
Petrequin 110. 111. 115.
145.
Phädrus 208. 209.
— Prometheus 208.
Philipps, J. 84. 281.
Philo 2.
414
Phlegon 364.
Piazzesi 277. 286.
329.
Picena 230.
Pick 226.
Pilliet, A. 84.
Pinaeus, S. 258. 260.
298.
Pinard 380. 381. 383.
384. 398.
Pinel 52.
Pistor, C. 92.
Plater, F. 367.
Plato 195.
Plautus 208.
— „Persianus" 208.
Plempius, V. F. 215.
Plinius 2. 364. 367.
Ploss 216.
Poiaillon 30. 62. 128.
138. 246.
Poncet 101.
Pontanus, G. 2. 365.
Porro, Fr. 185. 243.
280. 281. 289. 294.
320. 329.
Porros System 20.
Porta, L. 130.
Portinari 369.
Post 404.
Potier-Duplessy 67.
Potter 4.
Pozzi, 8. 4. 18. 72.
120. 128. 138. 139.
150. 176. 246. 300.
332.
Preuscher, v. 49. 80.
Le Prieur de Lugeris
393.
Primrose 74.
Prochaska, G. 391.
Przewoski 128. 138.
149.
Pseudo-Hermapiirodism.,
männlicher 33 ff.
— — weiblicher 43 ff.
Pseudo-hypospadicus 9.
— -megalomasthus 9.
— -microphallus 9.
Psycho -sex. Pathologie
281 ff.
Ptolemäus, Cl. 209.
Pucelle d'Orleans 182.
Puech, A. 109. 110.
113. 147.
Pulido y Fernandez 148.
Pütz, Herrn. 26. 59.
92.
Quattrociocchi 141.
Quintllian 28. 270.
Quintilian genus epi-
coenum 270.
Raake, K. 73.
Raffegeau, D. 324. 325.
Raggi, Ant. 131. 149.
Ramosio, G. B. 211.
Ranzi 112.
Rattone, G. 228.
Rauber 388.
Rauschning, P. 400.
Ravaglia, G. 94. 336.
Rawdon, H. G. 55. 57.
Rayer, P. 90.
V. Rechlinghausen 50.
86.
Reclus, P. 126.
Reefer 385.
Regis, E. 190.
Regnoli 112.
Reinecke 392.
Remy, Ch. 70. 272.
Renauldin 120. 128.
137. 141.
Rendu 125.
Reni, Guido 238.
Rennes, Pr. 250.
Reuss, D. 88.
Reuter, Jos. 59. 92.
RevelM, C. A. 155. 325.
Reverchon 288. 324.
Revolat 378.
Rezzonico 102. 113.
136.
Rhodoham, H. 2. 392.
Riaz, It. de 138. 192.
278. 382. 389.
Riberi, A. 112. 124.
176. 233.
Ribbert 72.
Ricco, 6. 64. 192.
278.
Rieder, C. 34. 72. 80.
82. 83.
Rinieri 123.
Riolano, Giov. 215.
Rizet 122. 127.
Rizzoli 166.
Robert 233.
Rocchi, Gino 239.
Röchet, V. 125.
Rodigenus 2.
Rodio, J. 178. 230.
Roerberg, A. D. 387.
Le Roi d'Etiolles 125.
Rokitansky, C. 80. 322.
Römerbrief 206.
Rosenmüller, J. A. 50.
deRossi, Properzia 182.
415 —
Rossi, Fr. 203. 381.
395.
Rothe, F. 165.
Rudeck, W. 282.
Rudolph!, C. M. 53.
— K. A. 180.
Rüdinger, N. 14.
Rueff 2. 3.
Ruggi, 6. 158. 224.
Rummo, G. 98.
Ruysch, F. 87. 174
180. 267. 268.
Sade, Marquis de 218.
Sadismus 218.
Sahacat-Weiber 211.
Sajous 399.
Sangalli 57.
Sanson 91.
Sappho 194.
Sarzana, E. 276. 323.
Satyriasis 187.
Saunie 306.
Saviard, B. 42. 75. 367.
391.
Saviotti, G. 269. 370.
Scappato, Domenica 291.
Scarpa 40.
Scoenberg 13.
Scrotum, Hypoplasie d. :
Fälle 389 ff.
Scrotum, Missbildimgen
des 270 ff.
Schaumann 112. 114.
120. 128. 150.
Schauta, Fr. 327.
Scheiber, S. H. 115.
147.
Schellier 381. 384. 394.
Schenk jr., J. 53. 230.
367. 386. 392.
Schlossberger 77.
Schmidt 79.
Schmidt, E. 403.
Schmit 115. 149.
Schmorl, G. 25. 56.
Schmucker, J. L 232.
Schneider-Sömmering 64.
Schneller 34. 228.
Schnopfhagen, Fr. 58.
91.
Schönberg 76. 327.
Schönfeid 179. 233.
IS.
Schrei! 53.
Schrenck-Notzing 187.
193. 196. 197. 204.
Schuchardt, B. 107.
108. 109. 112. 143.
149.
Schujtze, B. 8. 322.
323.
Schulzen 401.
Schuppert 384.
Scharia, Enr. 283.
Schurig, M. 112. 141.
367.
Schweickhard 368.
Seger, G. 223.
Seiler, B. W. 306.
Selbstmord 288 ff.
Sertoli, E. 91.
Settembrini, L 209.
Sexualempfindung, kon-
träre 195 ff. 244 ff.
Sharpe, D. G. 399.
Shöttoch, S. 73.
V. Siebold 165. 169.
226.
Siegenbeek y, Heukelom
38.
Simmons, G. 893.
Simon, IM. 77. 307.
Sinibaidus, G. B. 283.
296. 308.
Sirani, Elisabetta 183.
238 ff.
Sixtus IV. 97.
Smitt, F. A. 58.
Snow, L. B. 399.
Sodomie 203.
Solliers 190.
Solowig 179. 236.
Sommer, W. 228.
Sömmering, S. T. 66.
267.
Sophokles 2.
Soranus 187. 188. 213.
— Über Satyriasis 188.
Souza-Leite 235.
Spengel, 26. 92.
Spiegelberg 40. 90.
Ssawitzky, S. 113. 115.
150.
St. Hilalre, Is. G. de
9 ff. 15. 17. 24.
27. 29. 30. 39. 53.
57. 65. 78. 89.
174. 179. 232. 233.
256. 259. 276. 278.
297. 298. 309. 312
313. 316. 380. 382.
— Etienne 10. 380.
Stark, J. Ch. 53. 312.
Staturgrösse d. Herm-
aphroditen 99 ff.
Stecker 92.
Steglehner, G. 64. 327.
Steimann 258. 328.
Stein, S. 301.
Steinhaus, F. 378. 387.
Steinmetz, F. 400.
Stellati, V. 89.
Strassmann, Fr. 280.
Stricker 8. 92. 165.
226.
Ströbe 73.
Subigatrices 217.
Suidas 3, 22.
Surmay 403.
Svvasey, E. 327.
Switalski, L. 86.
Syme 113. 117.
Szymonowicz, L. 6o.
416
Tabarani, P. 4.
Tabellen 121. 122. 128.
273. 338—363.
Tambroni, Clotilde 184.
242.
Tardieu, A. 62. 76. 300.
319.
Tarozzi, T. 276. 281.
314.
Taruffi 1. 5. 31. 50.
94. 100. 105. 109.
113- 114. 118. 119.
121. 128. 130. 131.
139. 155. 158. 159.
161. 163. 166. 178.
179. 180. 187. 191.
192. 203. 220. 236.
T.
257. 261. 265. 266.
278. 281. 282. 283.
289. 291. 292. 295.
297. 303. 304. 324.
336. 369. 370.
Tarulli, L. 164.
Teichmeyer, H. F. 258.
Testa, A. G. 311. 378.
386.
Theile (Bern) 66.
Thomson, H. 122. 142.
Tiedemann, F. 268.
Tlesch, M. 227.
Tolmatschew, N. v. 68.
Tommasini 291.
Tonni, P. 277. 287. 311.
Torchio, F. 319.
Torre, General 110.
Torri, Fr. 142.
Tortosa, G. 369.
Tougl, Fr. 48. 84.
Tourdes, G. 301.
Tourneau 49. 268.
Tourneux, F. 14. 38. 82.
Toussaint 316.
Trallianus 1.
Traxel 307.
Tribaden 174.
Tribadie 205-219.
Trinchera, St. 78.
Tulpio, N. 175. 231. 283.
384.
Turner, D. 168. 170.
223. 225.
Überblick, allgem. histo-
rischer 1 — 20.
Ulpian 3. 28. 299.
Ulrichs (Numa Num. ),
K. L. 195. 215.
U.
Umkehrung, geschlechtl.
286 ff.
Urdi 128. ,'136.
Urethra , Fehlen der :
Fälle 403 ff.
Urethra, Missbildungen
d. 255 ff.
Urning 195 ff.
Usler, Barbara 223.
Uterus masculinus 272.
Vacchetta 126.
Valenti, G. 82.
La Valette St. George
26. 93.
Valleix 124.
Varchi, B. 365.
Varocler 52.
Varole 52.
Varolio 173. 175.
230.
Varro, M. T. 40. 97.
Veit, J. 80. 82. 300.
Velpeau 176. 233.
Velsch 169.
Venanzio, F. 188.
V.
Veränderung d. Geschl.
258 ff.
Vererbung v. urethro-
sex. Missbildungen
280 ff.
Verga a cubito 253.
Verneuil 49.
Versen 46. 57. 80.
Verstraeten 179. 234.
Viani 268.
Villarmy 176.
Villeneuve 117. 142.
Viragines, arrhen. 165.
— invirilitische 165.
Virago 153 ff.
Virchow, R. 49. 81.
85. 94. 166. 266.
318. 322. 323.
397.
Virey, J. J. 89.
Virilismus 153 ff.
Vizzani, Cat. 244.
Voigtel 384.
Volaterranus s. auch
Maffei 2. 290. 364.
367. 388.
Vorgänge , komplizierte
und dunkle 296
ff.
Vrolik, W. 54. 381.
396.
417 -
Wagner, A. 113. 114.
149.
Wahlgren, Fr. 14.
Wake 324.
Waldeyer, W. 50.
Walker, M. A. 31. 63.
Walther, Ph. F. 268.
Wassilleff, M. 83.
Weber, C. 120. 144.
Weber, C. 128.
Weber, E. H. 14. 65.
Weir, R. F. 389.
Welsenburg, G. v. 168.
Welsch, G. H. 223.
Wenzel 190.
Wermann, M. 332.
Werther 139.
Westphal, K. F. 195.
White 125.
WIer, J. 3. 212. 365.
366. 368. 369.
Wilhelm 18.
Will, B. 73.
Willermay 234.
Willett, E. 72.
Windle, B. C. 177. 235.
Winckel, F. 12. 167.
Winckelmann 238.
Winkler, B. 38. 72.
Winter 77.
Wulff 178.
Wolff, C. Fr. 12.
Wood, J. 68.
Werbe 292. 297. 313.
Wrany 67.
Wrisberg, H. A. 6. 7.
155. 163. 170. 174.
186. 199. 201. 276.
311.
— 10 Charaktere
155«-.
Zacchia, P. 5. 87. 169.
173. 176. 190. 223.
230. 259. 305. 308.
Z.
Zarubin, V. 170. 180.
235.
Zawerthal 167.
Zeviani, V. 290. 369.
Zuocarelli, A. 94.
Buchdruckerei Hermann Costenoble, Berlin und Jena.